TE OGH 2021/12/14 13Os100/21m

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Veröffentlicht am 14.12.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen * P* und andere Angeklagte wegen Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. November 2020, GZ 122 Hv 26/18i-399, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, des Angeklagten * P* und seines Verteidigers Mag. Gallauner zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und es wird in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

* P* wird für das ihm nach dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. November 2020 (ON 399) zur Last liegende Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. April 2016, AZ 34 Hv 92/15f, nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von

20 Monaten

verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 44 Abs 2 StGB wird die Rechtsfolge des Gewerbeausschlusses nach § 13 Abs 1 GewO 1994 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten P* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       * P* wurde mit Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 6. April 2016, AZ 34 Hv 92/15f, des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB schuldig erkannt. Die hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB ausgesprochene Geldstrafe wurde vom Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht mit Urteil vom 22. Juni 2017, AZ 7 Bs 78/17w, auf 480 Tagessätze reduziert.

[2]            Mit dem hier angefochtenen Urteil wurde P* des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Des Weiteren wurde der Gewerbeausschluss nach § 13 Abs 1 GewO 1994 gemäß § 44 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

[3]       Dem angefochtenen Urteil zufolge hat * P* vom März 2003 bis zum Jänner 2012 in W* in zahlreichen Angriffen seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch andere in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem er

(1) als Geschäftsführer der PF* GmbH, die von mehreren im Urteil genannten Miteigentümergemeinschaften mittels Management- und Geschäftsbesorgungsverträgen zur Besorgung von Agenden im Zusammenhang mit der Abwicklung, Investition und Verwaltung von Immobilienprojekten bevollmächtigt worden war, bewusst verabredungswidrig eine Vielzahl von risikoreichen und zur Absicherung ungeeigneten, wirtschaftlich unvertretbaren und rein spekulativen Devisenoptionsgeschäften mit einem insgesamt anfänglich negativen Marktwert einging, wodurch den Miteigentümergemeinschaften ein Schaden von 310.000 Euro entstand, sowie

(2) als Geschäftsführer der PF* GmbH, die von mehreren im Urteil genannten Miteigentümergemeinschaften bevollmächtigt worden war, der PH* GmbH, der R* GmbH, der C* I* GmbH und der PF8 * GmbH, die jeweils als Komplementärinnen von im Urteil bezeichneten Gesellschaften auftraten, sowie der CP* KEG jeweils die Bezahlung von Rechnungen, denen keine oder keine adäquate Gegenleistung für die jeweils Vertretenen zugrunde lagen, freigab und veranlasste, wodurch den Machtgebern ein Schaden von rund 1,1 Millionen Euro entstand.

Rechtliche Beurteilung

[4]       Gegen den Strafausspruch wendet sich die zugunsten des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[5]       Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) macht zutreffend geltend, dass – wie auch das Erstgericht in der Urteilsausfertigung festhielt (US 55 f) – eine Bedachtnahme (§ 31 StGB) auf das eingangs angeführte Vor-Urteil des Landesgerichts Linz zu Unrecht unterblieben ist.

[6]            Die Bedachtnahme auf ein Vor-Urteil gemäß § 31 StGB ist geboten, wenn sämtliche der nachträglichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten vor dem Vor-Urteil erster Instanz verübt wurden (Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 2). Dies ist in Bezug auf das angeführte Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. April 2016 der Fall, weil die gegenständlichen Taten nach den Urteilskonstatierungen (US 2 ff und US 28 [wonach zu (2) die Bezahlung der Rechnungen in zeitlicher Nähe zum jeweils angeführten Rechnungsdatum erfolgte]), vom März 2003 bis zum Jänner 2012, somit vor dem genannten Zeitpunkt, gesetzt wurden.

[7]            Durch das Unterlassen der Verhängung einer Zusatzstrafe trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 StGB hat daher das Erstgericht, das solcherart von einem zu weiten Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafbefugnis überschritten. Dies bewirkt – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – unabhängig davon, dass die konkret verhängte Strafe innerhalb des richtigen Strafrahmens liegt, Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO (zum Ganzen Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 8 und 14; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 667, 668/3 und 671; RIS-Justiz RS0088469 [T9], RS0108409 [T1]).

[8]            Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs und zur Neubemessung der Strafe durch den Obersten Gerichtshof (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

[9]            Dabei war gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. April 2016, AZ 34 Hv 92/15f, Bedacht zu nehmen und die im Vor-Urteil verhängte Strafe (in Form der nach § 19 Abs 3 letzter Satz StGB errechneten Ersatzfreiheitsstrafe von 240 Tagen) zu berücksichtigen (§ 40 StGB).

[10]           Erschwerend waren das Zusammentreffen mit der im vorangegangenen Verfahren abgeurteilten strafbaren Handlung und die Fortsetzung über einen rund neunjährigen Tatzeitraum (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB, Ratz in WK2 StGB § 40 Rz 2) zu werten, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB, Ratz in WK2 StGB § 40 Rz 2, RIS-Justiz RS0091517), die teilweise Schadensgutmachung im Ausmaß von nahezu 700.000 Euro (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB, US 56), das reumütige Geständnis zum Schuldspruch 2 (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB, US 50 f) und das Wohlverhalten seit der Tatbegehung vor rund neun Jahren (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB).

[11]           Ausgehend davon (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) sowie mit Blick auf den Umstand, dass der Schaden die zweite Qualifikationsgrenze des § 153 Abs 3 StGB mehrfach überstieg und der Angeklagte die Untreuehandlungen wiederholt und in Bezug auf eine Vielzahl von Opfern setzte (§ 32 Abs 3 StGB, Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 64 und 77), erweist sich auf der Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) – unter gebotener Berücksichtigung der im Vor-Urteil des Landesgerichts Linz verhängten Sanktion (§ 40 StGB) und des Verschlechterungsverbots (§ 290 Abs 2 StPO; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 43 ff und § 293 Rz 23) – bei einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (zweiter Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB) die im Spruch genannte Zusatzfreiheitsstrafe als angemessen.

[12]     Die Gewährung bedingter Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB und die bedingte Nachsicht der Rechtsfolge des Gewerbeausschlusses (§ 13 Abs 1 GewO 1994) gemäß § 44 Abs 2 StGB folgten bereits aus dem Verschlechterungsverbot (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 43, 47 und 56). Die diesbezüglichen Probezeiten waren erneut jeweils mit dem Höchstmaß von drei Jahren zu bestimmen, um beim Angeklagten einen effektiven Anreiz zu künftigem Wohlverhalten zu erwirken.

[13]     Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

[14]     Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E133589

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00100.21M.1214.000

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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