TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/2 96/21/0759

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Veröffentlicht am 02.10.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §223 Abs2;
StGB §43;
StGB §83 Abs1;
StGB §84 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. Juli 1996, Zl. St 316/96, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Dominikanischen Republik, gemäß § 18 Abs. 1 sowie den §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, folge man den Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme am 17. Mai 1995 bzw. am 22. Mai 1996, dann habe sie entweder im März oder im Juni 1991 über den Flughafen Innsbruck in das Bundesgebiet einreisen wollen. Sie sei aber zurückgewiesen worden, "weil sie mit dem Zöllner Probleme gehabt habe", bzw. "weil sie zuwenig Geld bei sich gehabt habe". Nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat habe sie sich von einem Paßfälscher auf den Namen ihrer Cousine einen dominikanischen Reisepaß mit ihrem Foto anfertigen lassen. Damit sei sie dann im November 1991 nach Österreich eingereist. Sie habe in der Folge eine Beschäftigung als Tänzerin aufgenommen. Auf der Basis des gefälschten, nicht auf den Namen der Beschwerdeführerin lautenden Reisepasses seien ihr in der Folge von der Bundespolizeidirektion Linz, den Bezirkshauptmannschaften Freistadt und Linz-Land Sichtvermerke erteilt und in weiterer Folge Aufenthaltsbewilligung vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz erteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe sich gegenüber diesen Behörden mit der in dem Reisepaß angegebenen Identität ausgegeben und diesen Reisepaß vorgewiesen.

Im Zuge von Erhebungen wegen tätlichen Auseinandersetzungen mit ihrem Lebensgefährten sei ihre wahre Identität bekannt und von ihr auch eingestanden worden.

Vom Landesgericht Linz sei die Beschwerdeführerin mit Urteil vom 12. Jänner 1996 wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 223 Abs. 2 StGB bestraft worden, weil sie den genannten, auf ihre Cousine lautenden Reisepaß mehrmals zur Erlangung von Sichtvermerken sowie im Zuge von Identitätsüberprüfungen gegenüber Beamten des Gendarmeriepostens Enns und der Bundespolizeidirektion Linz gebraucht habe; mit diesem Urteil sei sie auch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 1 StGB verurteilt worden, weil sie am 25. April 1995 eine namentlich genannte Person durch Erfassen an den Haaren und am Arm und anschließendes Zu-Boden-Reißen in Form einer Schultergelenksverrenkung am Körper vorsätzlich verletzt habe. Die Beschwerdeführerin sei rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden.

Bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck sei wegen des Einreiseversuches im Jahre 1991 kein Aktenvorgang vorhanden. Es sei anzunehmen, daß in dem Reisepaß der Beschwerdeführerin seinerzeit ein Zurückweisungsstempel angebracht worden sei.

Zu den privaten Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei auszuführen, daß sie ledig sei. Sie habe zwei Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren, die in ihrer Heimat bei ihren Eltern lebten.

Trotz der seinerzeitigen Zurückweisung am Flughafen Innsbruck hätte die Beschwerdeführerin nach der damals geltenden Rechtslage sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet einreisen können, falls sie entsprechende Barmittel bzw. das Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung nachweisen hätte können. Die individuelle Sichtvermerkspflicht im Falle einer Zurückweisung sei erst mit dem Fremdengesetz, somit mit 1. Jänner 1993 in Kraft getreten. Darüber hinaus sei fraglich, ob seinerzeit überhaupt ein Zurückweisungsstempel in ihrem Reisepaß angebracht worden sei. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht anwendbar sei. Das Verhalten der Beschwerdeführerin komme aber diesem Tatbestand doch sehr nahe. Wenn man bedenke, bei wievielen Gelegenheiten die Beschwerdeführerin in der abgelaufenen Zeit unter Verwendung des nicht ihre Identität wiedergebenden Reisepasses falsche Angaben über ihre Person gemacht habe, erscheine ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, in weiterer Folge aber auch für die öffentliche Sicherheit insofern darzustellen, als sie, wie sich aus den von dem seinerzeitigen Lebensgefährten der Beschwerdeführerin erstatteten Anzeigen ergebe, zu Tätlichkeiten neige, die auch schon zu einer gerichtlichen Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung geführt haben.

Nach der zwingenden Bestimmung des § 18 Abs. 1 FrG sei somit gegen die Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot zu erlassen.

In Anbetracht des schon fünfjährigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet werde durch das Aufenthaltsverbot in ihr Privatleben eingegriffen. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) scheine dieser Eingriff jedoch dringend geboten, weil nicht hingenommen werden könne, daß sich Fremde unter einer falschen Identität im Bundesgebiet aufhalten.

Da die Beschwerdeführerin ledig sei und ihre Kinder ohnehin in der Dominikanischen Republik lebten, seien die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin in Österreich nicht so schwerwiegend wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Das Aufenthaltsverbot sei somit auch im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG zulässig.

Der auch von der Erstbehörde angenommenen Dauer des Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren könne nicht entgegengetreten werden. Diese Frist entspreche der Tilgungsfrist bei einer gerichtlichen Verurteilung. Es könne davon ausgegangen werden, daß erst nach Ablauf dieser Frist die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, wieder weggefallen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).

Nach § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 zu verschaffen.

In der Beschwerde werden die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, daß die Beschwerdeführerin mit einem durch Auswechslung des Lichtbildes verfälschten Reisepaß nach Österreich eingereist sei und hier unter Vorweisung dieses Ausweises bei den Behörden Sichtvermerke und Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz erhalten habe, sowie die genannte gerichtliche Verurteilung als richtig dargestellt.

Die belangte Behörde hat unter Zugrundelegung dieses Gesamtverhaltens der Beschwerdeführerin geprüft, ob die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Bei dem von der belangten Behörde angenommenen und in der Beschwerde nicht bestrittenen, oben wiedergegebenen Sachverhalt, der gemäß § 41 Abs. 1 VwGG der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugrundezulegen ist, ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG als verwirklicht anzusehen. Die Beschwerdeführerin hat ja bei ihren Anträgen auf Erteilung eines Sichtvermerkes bzw. Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz unrichtige Angaben über ihre Person gemacht, sodaß von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG auszugehen ist. Diese "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. rechtfertigt die Annahme, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde. Das Abstellen auf das Gesamt(fehl)verhalten durch die belangte Behörde verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten.

Gegen die - zutreffend bejahte - Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG bringt die Beschwerde nichts vor.

Die Beschwerdeführerin bekämpft das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung. Sie wirft der belangten Behörde vor, sich lediglich mit der Feststellung der Dauer des Aufenthaltes begnügt und nicht Feststellungen hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Integration in Österreich getroffen zu haben. Sie gehe seit dem Jahr 1991 einer geregelten Beschäftigung nach, um ihre in der Dominikanischen Republik verbliebene Familie besser versorgen zu können. Da die Situation in ihrer Heimat entsprechend triste sei, sei sie durch ein Verbot, sich in Österreich aufzuhalten, in ihrem Fortkommen außerordentlich stark beeinträchtigt. Es sei auch zu berücksichtigen gewesen, daß sie in Österreich sehr wohl sozial integriert sei und sich hier auch einen Freundeskreis aufgebaut habe. Bezogen auf die strafrechtliche Verurteilung sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes außerordentlich unverhältnismäßig. Es liege nur eine einmalige Tat vor, wobei berücksichtigt werden müsse, daß die Tat an sich, nämlich die Fälschung der Urkunde in der Dominikanischen Republik - daher in Österreich straflos - vor ihrer Einreise nach Österreich gesetzt worden sei und sie sich bis auf dieses Faktum immer wohlverhalten habe.

Zwar trifft es zu, daß allein aus der Dauer des Aufenthaltes nicht notwendigerweise auf das Aumaß der Integration des Fremden gemäß § 20 Abs. 1 FrG geschlossen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0388). Dies macht den angefochtenen Bescheid aber nicht rechtswidrig, weil die belangte Behörde - entgegen der Auffassung in der Beschwerde - ohnehin von einer Beschäftigung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ausgegangen ist. Die Dauer des Aufenthaltes und der Beschäftigung der Beschwerdeführerin und die aus diesen Umständen abgeleitete Integration haben jedoch nicht das Gewicht, das die Bechwerde annimmt, weil sie sich die jeweiligen Aufenthaltsberechtigungen rechtswidrig erschlichen hat. Was die Erbringung der Unterhaltsleistungen ihren Kindern gegenüber und die behaupteten Schwierigkeiten anlangt, diese Leistungen auch nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erbringen zu können, ist die Beschwerdeführerin auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Fremde seiner Unterhaltsverpflichtung auch von einem anderen Land aus nachkommen kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0324). Daß dies im Einzelfall mit Erschwernissen verbunden sein mag, muß in Kauf genommen werden. Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Situation in ihrer Heimat sei entsprechend triste, sodaß sie in ihrem Fortkommen außerordentlich stark beeinträchtigt sei, ist ersichtlich, daß ihre Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich vorwiegend wirtschaftlicher Natur sind. Auf das berufliche Fortkommen eines Fremden ist jedoch im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht Bedacht zu nehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0793). Den somit insgesamt nicht allzu hoch ausgeprägten privaten Interessen der Beschwerdeführerin stehen die in der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründeten maßgeblichen öffentlichen Interessen gegenüber. Mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei Gegenüberstellung der privaten Interessenlage einerseits und der für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen andererseits letztere als schwererwiegend erachtete und solcherart die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG bejahte.

Die Beschwerde vertritt die Auffassung, die belangte Behörde habe bei Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gänzlich außer acht gelassen, daß sie lediglich zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden sei.

Die Beschwerdeführerin ist darauf zu verweisen, daß nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0516) - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf in vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Wenn sich die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht imstande sah, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes vor Verstreichen von fünf Jahren anzunehmen, so begegnet dies auf dem Boden der dargestellten Rechtslage keinem Einwand. Dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Tatsache, daß sich das Gericht mit der Verhängung einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe begnügt habe, ist zu erwidern, daß die zur Vollziehung des Fremdengesetzes zuständige Behörde selbständig und ohne Bindung an die vom Gericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes festzusetzen hat und zwar unter Bedachtnahme auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - so auch zur Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages zur Nachbringung einer Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres - als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210759.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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