TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/18 95/21/0388

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Veröffentlicht am 18.10.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 7. Oktober 1994, Zl. St 199/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (belangte Behörde), mit welchem gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FrG ein bis zum 31. Mai 1999 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen wurde. Begründet wurde der angefochtene Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 4. Juli 1988 wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15 und 127 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 30 Tagessätzen sowie am 1. Dezember 1993 vom Bezirksgericht Grieskirchen wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls in drei Fällen nach den §§ 127 und 15 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt worden sei; beide Bestrafungen seien rechtskräftig. Im Strafregister der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis schienen mittlerweile 21 Vormerkungen bezüglich Verwaltungsstrafverfahren nach dem Kraftfahrgesetz und der Straßenverkehrsordnung 1960 auf. Der Beschwerdeführer halte sich seit dem 16. Oktober 1993 rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes (FrG) sei im Fall des Beschwerdeführers erfüllt, weil er mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei. Die vom Beschwerdeführer begangenen zahlreichen Verwaltungsübertretungen seien zwar nicht als "schwerwiegende Verwaltungsübertretungen" im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG zu werten, die Vielzahl der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen rechtfertige jedoch insgesamt die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde. Der Beschwerdeführer, seine Ehegattin sowie sein minderjähriger Sohn hielten sich seit dem 29. September 1991 in Österreich auf, seine Ehegattin gehe seit 7. Februar 1994 einer Beschäftigung nach, der Beschwerdeführer sei derzeit nicht beschäftigt. Das Aufenthaltsverbot sei auch im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot u.a. dann zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Gemäß Abs. 2 Z. 1 der genannten Gesetzesstelle hat u. a. als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß in seinem Fall der zuletzt genannte Tatbestand erfüllt sei. Er sei jedoch bloß zweimal mit Strafverfügung eines Bezirksgerichts, somit bloß in "minderschweren Fällen" verurteilt worden. Die gerichtlichen Verurteilungen könnten daher "nicht als schwerwiegend und ein Aufenthaltsverbot rechtfertigend" angesehen werden. Auch die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen stellten keinen ausreichenden Grund dar, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, zumal die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst einräume, daß die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen keine bestimmten Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 2 darstellten.

Dieser Beschwerdevorwurf ist im Ergebnis nicht berechtigt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen konnte die belangte Behörde nämlich bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers (mehrmaliger Diebstahl, eine größere Zahl von - für sich allein genommen nicht schwerwiegender - Übertretungen des KFG sowie der StVO sowie zumindest ein Jahr unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet) zu Recht davon ausgehen, daß gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, daß ein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde und das Aufenthaltsverbot auch im Sinne des § 19 FrG gerechtfertigt erscheint. Daran ändert auch der - zutreffende - Beschwerdehinweis darauf nichts, daß § 18 Abs. 1 FrG auf eine "Prognose für die Zukunft" abstellt, weil auch eine derartige Prognose nur auf Grund von in der Vergangenheit liegenden Tatsachen erstellt werden kann (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. März 1995, Zl. 94/18/1128, vom 28. April 1995, Zl. 94/18/0368, und vom 17. Mai 1995, Zl. 95/21/0271).

2. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde die im § 20 FrG vorgesehene Interessenabwägung nicht richtig vorgenommen habe. Wenn die belangte Behörde unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aus einem bloß vierjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einen geringen Integrationsgrad geschlossen habe, so habe sie verkannt, daß sowohl Dauer, als auch Integrationsgrad in § 20 Abs. 1 Z. 1 FrG als eigenständige Tatbestandselemente angeführt seien. Daher liege eine falsche rechtliche Beurteilung vor.

Gemäß § 20 Abs. 1 darf ein Aufenthaltsverbot "nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seine Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung." Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: "1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen; 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen."

Zwar trifft es zu, daß allein aus der Dauer des Aufenthaltes nicht notwendigerweise auf das Ausmaß der Integration des Fremden gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 FrG geschlossen werden kann; auch ist das von der belangten Behörde genannte Erkenntnis des Verwaltungserichtshofes vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/18/0404, nicht so zu verstehen, daß "das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen" gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 FrG - neben der Dauer des Aufenthaltes - nicht als eigenständiges Tatbestandsmerkmal in Betracht zu ziehen wäre. Dies macht den angefochtenen Bescheid aber nicht rechtswidrig. Zu seiner Integration führt der Beschwerdeführer aus, daß er in verschiedenen Unternehmen als Kraftfahrer sowie als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen sei, daß er als arbeitswillig und fleißig gelte, jedoch derzeit arbeitslos sei. Auch die belangte Behörde hat aus der Intensität der familiären Bindungen des Beschwerdeführers geschlossen, daß ihm "ein gewisses Maß an Integration zuzugestehen" sei, sonstige Bindungen jedoch nicht zu ersehen seien. Sie stellte die Berufstätigkeit der Ehegattin des Beschwerdeführers seit Februar 1994 fest. Es ist somit im Ergebnis nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Fall des Beschwerdeführers von "keinem hohen Integrationsgrad" ausging. Sie mußte jedoch in Betracht ziehen - und hat auch in Betracht gezogen, daß das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot einen Eingriff in seine in § 20 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG näher umschriebenen privaten und familiären Interessen bewirkt. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde im Ergebnis nicht entgegentreten, wenn sie diese Interessen nicht höher bewertete als die durch das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers indizierte - im Hinblick auf die wiederholten Vermögensdelikte doch beträchtliche - Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie die Rechte anderer.

3. Gegen die mit fünf Jahren festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes bringt der Beschwerdeführer vor, die Behörde habe sich bei dieser Festsetzung "an der Prognose über den Gefährdungszeitraum" zu orientieren. Soweit sie die Geltungsdauer nach der Tilgungsfrist der von ihm begangenen (Verwaltungs-)Straftaten bemesse, handle sie rechtswidrig.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum festzusetzen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. das Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0474). Im Lichte dieser Rechtsprechung kann die Festsetzung des Aufenthaltsverbotes mit fünf Jahren nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal die belangte Behörde bloß darauf hingewiesen hat, daß diese Zeitspanne auch der Tilgungsfrist für die vom Beschwerdeführer gesetzten Verwaltungsübertretungen bzw. gerichtlich strafbaren Handlungen entspreche.

4. Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als nicht begründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210388.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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