TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/13 W156 2243205-1

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Veröffentlicht am 13.12.2021
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Entscheidungsdatum

13.12.2021

Norm

BSVG §39a
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W156 2243205-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Landesstelle Niederösterreich, vom 25.05.2021, GZ: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages vom 28.01.2021 auf Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.11.2021, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 28.01.2021 stellte XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer, kurz: BF) einen Antrag auf Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung gemäß § 39a BSVG für den Zeitraum vom 01.02.1975 bis 30.06.1975, vom 01.09.1975 bis 30.06.1976, vom 01.09.1976 bis zum 30.06.1977 und vom 01.09.1977 bis zum 30.06.1978.

In der Beilage zu diesem Antrag gab der BF zur Betriebsform an, dass es sich um einen Weinbaubetrieb mit etwa 2,5 ha Anbaufläche sowie einer Spargelkultur im Ausmaß von etwa 1,00 ha handle. Seine Großmutter hätte aufgrund ihrer Erkrankung (paranoide Schizophrenie) im Haushalt seiner Eltern gelebt. Darüber hinaus hätte Herr XXXX aufgrund eines Leibrentenvertrages mit seinen Eltern in deren Haushalt gewohnt und ein Anrecht auf Pflege und Betreuung gehabt. Zusätzlich zur Bewirtschaftung der Weingärten und der Spargel-Kultur wären auch ein paar Mastschweine sowie 2 Milchziegen, diese jedoch nur für den Eigenbedarf, gehalten worden. Insgesamt hätte der BF wochentags täglich nach der Schule ein paar Stunden und an jedem Wochenende, samstags immer, zu Spitzenzeiten (Spargelernte und Weinlese) und sonntags sehr oft, im Betrieb mitgearbeitet. Insgesamt hätten die vorgebrachten Umstände bestätigt, dass nur die tatkräftige Mitarbeit aller eine ordnungsgemäße Führung des Betriebes sichergestellt hätte.

2. Am 15.03.2021 langten bei der belangten Behörde ergänzende Unterlagen ein. Darin gab der BF weiters an, dass im Betrieb seiner Eltern 4 Schweine, 2 Ziegen sowie 35 Fleisch-Kaninchen gehalten worden wären. Insgesamt hätte die Arbeit des BF pro Woche 1 Stunde Stallarbeiten, 0,25 Stunden Futtereinbringung und Arbeiten am Feld (Heu und Stroh), 21 Stunden Arbeiten im Weinbaubetrieb, 0,5 Stunden Holzarbeiten und 5 Stunden sonstige Arbeiten (Spargel-Kultur) betragen und wäre diese Tätigkeit 286 Tage im Kalenderjahr ausgeübt worden. Der BF hätte diese Tätigkeit von 01.01.1975 bis 31.07.1977 ausgeübt. Im Zeitraum von September 1974 bis Juli 1975 hätte der BF die HBLA XXXX sowie von September 1975 bis Juli 1978 die BHASCH XXXX besucht. Im Zeitraum von Juli 1976 bis August 1976 sowie im Juli 1977 hätte der BF einen Ferialjob im Ausmaß von 40 Stunden in der XXXX XXXX GmbH ausgeübt.

3. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Landesstelle Niederösterreich (in weiterer Folge: belangte Behörde) vom 25.05.2021, GZ: XXXX , wurde festgestellt, dass der BF im Zeitraum 01.02.1975 bis 30.06.1975, vom 01.09.1975 bis 30.06.1976, vom 01.09.1976 bis zum 30.06.1977 und vom 01.09.1977 bis zum 30.06.1978 nicht in der Pensionsversicherung der Bauern pflichtversichert sei. Im Spruchpunkt II. wurde dem Antrag vom 28.01.2021 auf Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung nicht entsprochen. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass insbesondere aufgrund der geringen Größe des vorliegenden Betriebes nicht vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände iSd § 39a BSVG auszugehen sei.

4. Gegen diesen Bescheid hat der BF mit Schriftsatz vom 07.06.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde dazu zusammengefasst ausgeführt, dass angesichts der notwendigen und umfassenden Betreuung seiner Grußmutter die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit durch seine Mutter nicht möglich gewesen wäre. Lediglich die Führung eines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes hätte die zugleich unumgängliche Betreuung seiner Großmutter erlaubt. Aus wirtschaftlicher Notwendigkeit wäre sein Vater daher einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Diese Umstände hätten die Mitarbeit des BF unumgänglich gemacht.

5. Mit Schreiben vom 10.06.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und führte in der Stellungnahme ergänzend aus, dass selbst im Falle, dass die Pflege der Großmutter und Herrn XXXX eine Erschwernis dargestellt hätte, fallgegenständlich insbesondere aufgrund der geringen Betriebsgröße und der Tatsache, dass der Vater des BF am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mitgearbeitet habe, nicht davon auszugehen wäre, dass die vom Gesetz geforderten Umstände für eine Ausnahme vorgelegt hätten.

6. Am 16.11.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF sowie zweier Vertreterinnen der belangten Behörde statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF stellte am 28.01.2021 einen Antrag auf Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung gemäß § 39a BSVG für die Zeiträume vom 01.02.1975 bis 30.06.1975, vom 01.09.1975 bis 30.06.1976, vom 01.09.1976 bis zum 30.06.1977 und vom 01.09.1977 bis zum 30.06.1978.

Für die Ferienzeiten (August 1977 und August 1978) wurde der Nachentrichtung der verjährten Beiträge seitens der belangten Behörde bereits stattgegeben.

Der BF besuchte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Höhere Bundeslehranstalt und Bundesamt für Wein- und Obstbau (September 1974 bis Juli 1975) in XXXX und war in diesem Zeitraum im Internat der Schule untergebracht. In weiterer Folge besucht der BF von September 1975 und bis Juli 1978 die Bundeshandelsschule XXXX . Der BF ist im Zeitraum von September 1975 und bis Juli 1978 wochentags etwa um drei Uhr von der Schule gekommen. Zusätzlich besuchte er im Herbst 1977 bis Juni 1978 einmal in der Woche einen Nachmittagsunterricht und ist hierzu etwa um halb sechs am Nachmittag von der Schule gekommen. Der BF war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum rund 28 Stunden pro Woche im Betrieb seiner Eltern tätig.

Der Schulbesuch ist als "Besuch einer mittleren Schule" als Ersatzzeit in den Pensionsversicherungszeiten des BF erfasst.

Der landwirtschaftliche Betrieb seiner Eltern ist im Wesentlichen ein Weinbaubetrieb sowie eine Spargel-Kultur. Die Größe des Betriebes belief sich auf etwa 2 Hektar Weinbaufläche sowie 1 Hektar Spargel-Kultur.

Die Mutter des BF unterlag als Betriebsführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG. Sie war ohne Nebenerwerb am Betrieb, unter anderem im Weingarten, Weinkeller, Ernte am Spargelfeld, tätig. Der Vater des BF war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in einem guten gesundheitlichen Zustand und war ab 1973 beim Amt der Landesregierung XXXX (Straßenmeisterei XXXX ) tätig. Der Vater des BF war ebenso in seinen dienstfreien Zeiten im Betrieb tätig. Bei der Ernte der Spargel-Kultur waren im verfahrensgegenständlichen Zeitraum, neben dem BF und dessen Eltern, ebenso seine Tante, die Cousine seiner Mutter sowie sein jüngerer Bruder tätig.

Ab dem Jahr 1975 wurde im elterlichen Betrieb Vieh im (späteren Ausmaß) von 4 Schweinen, 2 Ziegen sowie 35 Fleisch-Kaninchen gehalten

Die Großmutter des BF litt an einer paranoiden Schizophrenie und war bis zu ihrem Tod pflegebedürftig. Sie lebte aufgrund ihrer Erkrankung schon seit Geburt des BF im Haushalt seiner Eltern und wurde von diesen gepflegt.

Zwischen den Eltern des BF und deren Nachbarn, XXXX , wurde in den 1960igern ein Leibrentenvertrag abgeschlossen. XXXX lebte aufgrund dieser Übereinkunft im Haushalt der Eltern des BF und wurde von 1962 diesen bis zu seinem Tod am XXXX von ihnen betreut.

Insgesamt lagen keine Umstände vor, die die Tätigkeit des BF im Betrieb seiner Eltern zur Aufrechterhaltung desselben unerlässlich machten.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes, der Stellungnahme der belangten Behörde sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die obigen Feststellungen, dass der BF im angegebenen Zeitraum die HBLA XXXX und die BASCH XXXX besuchte und während der Schulzeit hauptberuflich im elterlichen Betrieb tätig war, ergeben sich unzweifelhaft aus dem Akt und den in der mündlichen Verhandlung vom BF vorgebrachte Angaben.

Die Feststellung zur Krankheit und Pflegebedürftigkeit der Großmutter des BF ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des BF sowie dem im Akt ersichtlichen ärztlichen Befundbericht vom 20.12.1976. Die Feststellungen zum Leibrentenvertrag zwischen den Eltern des BF und XXXX ergeben sich ebenso aus den gleichbleibenden Angaben des BF.

Im gegenständlichen Fall war die rechtliche Würdigung im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen für den Nachkauf von Pensionsversicherungszeiten strittig, wobei das Vorbringen des BF, seine Mithilfe wäre zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig gewesen, nicht nachvollzogen werden konnte. Bereits in der Beschwerde brachte er im Wesentlichen vor, dass die Pflege- und Betreuungsverpflichtungen seiner Eltern gegenüber seiner Großmutter bzw. seinem Nachbarn und der damit verbundenen wirtschaftlichen Notwendigkeit, dass sein Vater einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre, die Mitarbeit des BF unumgänglich gemacht hätten. Außergewöhnliche Umstände zur Mitarbeit des BF zur Aufrechterhaltung des Betriebes waren daraus nicht ersichtlich, zumal die Betreuung des Herrn XXXX und die Pflege der Großmutter schon vor Schulbesuch des BF erfolgte und sich in der Zeit des Schulbesuches keine Veränderung ergeben hat. Auch die berufliche Tätigkeit des Vaters begann schon vor dem Schulbesuch und setzte sich während diesem unverändert fort.

Der BF monierte im Beschwerdeschriftsatz zwar, dass ihm die Möglichkeit einer Befragung der von ihm genannten vier Zeugen – darunter auch seine Eltern – durch die belangte Behörde nicht gegeben worden wäre, doch erschloss sich ebenso dem erkennenden Gericht aufgrund der Aktenlage nicht, welche Angaben diese noch zusätzlich machen könnten und zu welchem anderen Ergebnis dies führen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Materiellrechtliche Grundlagen:

§ 2 Abs. 1 Z 2 BSVG lautet – in der heute wie seinerzeit geltenden Fassung - auszugsweise:

(1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

[…]

2. die Kinder, Enkel, Wahl- und Stiefkinder sowie die Schwiegerkinder einer in Z 1 genannten Person, alle diese, wenn sie hauptberuflich in diesem Betrieb beschäftigt sind (Abs. 7);

[…]

§ 39a BSVG, idF BGBl I Nr. 2/2015, lautet auszugsweise:

(1) Beiträge zur Pensionsversicherung, die nach § 39 bereits verjährt sind, können nach Maßgabe des Abs. 2 auf Antrag der versicherten Person von dieser nachentrichtet werden, von Pflichtversicherten nach § 2 Abs. 1 Z 1 jedoch nur soweit nicht Beiträge im Sinne des § 33 rückständig sind. Der Antrag ist bis längstens zum Stichtag (§ 104 Abs. 2) beim Versicherungsträger zu stellen, der das Vorliegen der Zeiten der Pflichtversicherung festzustellen und die nachzuentrichtenden Beiträge vorzuschreiben hat. BeitragsschuldnerIn ist die versicherte Person.

(2) Die Nachentrichtung für Zeiten einer Pflichtversicherung als hauptberuflich beschäftigtes Kind, Enkel-, Wahl-, Stief- oder Schwiegerkind in einem land- oder forstwirtschaftlichen oder gleichgestellten Betrieb (§ 27 Abs. 2 ASVG) ist ausgeschlossen, wenn sich diese Zeiten mit Zeiten einer Schul- oder Berufsausbildung decken, die ab dem 1. Jänner 1971 oder später als Ersatzzeiten gegolten haben. Dies gilt nicht, wenn die versicherte Person nachweist, dass ihre persönliche Mitarbeit wegen außergewöhnlicher Umstände zur Aufrechterhaltung des Betriebes während der laufenden Betriebsführung durch die gesetzlich meldepflichtige Person unerlässlich war.

[…]

Die Erläuterungen zu dem mit BGBl. I Nr. 2/2015 neu eingeführten § 39a Abs. 2 (RV 321 BlgNR 25. GP S, 12) lauten:

„Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) liegt eine hauptberufliche Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft auch dann vor, wenn ansonsten keiner weiteren Beschäftigung nachgegangen wird, mit der die Erstgenannte zu vergleichen wäre, da der historische Gesetzgeber von der Annahme ausgehe, auf einem Bauernhof falle immer ausreichend Arbeit an, sodass das zeitliche Kriterium der Hauptberuflichkeit jedenfalls erfüllt sei. Selbst der Besuch einer Schule oder einer Universität ändere nichts an dieser Einschätzung, da ein solcher keine Erwerbstätigkeit im herkömmlichen Sinn darstelle (vgl. u. a. VwGH 7. September 2005, 2001/08/0123 bzw. VwGH 17. Oktober 2012, 2011/08/0064).

Da einerseits eine Schul- bzw. Berufsausbildung sowohl bezüglich der Anspruchsberechtigung als Angehörige in der Krankenversicherung (ab 18, vgl. § 107 Abs. 4 BSVG) als auch bezüglich der pensionsrechtlichen Qualifikation als Ersatzzeiten (vgl. § 107 Abs. 7 BSVG, „normaler Ausbildungs(Studien)gang“) zur Voraussetzung hat, dass diese Schul- bzw. Berufsausbildung den überwiegenden Teil der Arbeitskraft beansprucht, andererseits auch die Ausübung einer Beschäftigung als „hauptberuflich“ ein entsprechendes Überwiegen dieser Beschäftigung indiziert, wird durch diese Judikatur ein grundsätzliches Problem aufgeworfen, das durch die vorgeschlagene gesetzliche Regelung in § 39a BSVG gelöst werden soll.

Während sich für den „Einkauf“ von Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten, durch den diese Ersatzzeiten erst für Wartezeit und die Leistungsbemessung wirksam werden (für Zeiten ab 2005: wurde die Ersatzzeitenregelung durch eine nachträgliche Selbstversicherung ersetzt), der pro Monat zu entrichtende Beitrag durch das Budgetbegleitgesetz 2011 erheblich verteuert hat, eröffnet § 39a BSVG die nachträgliche Entrichtung bereits verjährter Beiträge (wenn auch aufgewertet, so doch wesentlich günstiger) auf Basis der seinerzeitigen Beitragshöhe.

Voraussetzung dafür ist die behauptete hauptberufliche Beschäftigung im land- bzw. forstwirtschaftlichen Betrieb zumeist des Vaters. Die eingangs erwähnte Judikatur des VwGH verhilft derartigen Behauptungen nahezu lückenlos zum Durchbruch.

Da die nachzuentrichtenden Beiträge im direkten Vergleich zu den Kosten eines Schul- bzw. Studienmonats-Einkaufes im Verhältnis 1:10 und mehr stehen, führt dies zu höchst unbilligen Ergebnissen, die auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich erscheinen.

Dieser überschießenden Entwicklung gilt es gegenzusteuern, ohne die grundsätzliche Intention des § 39a BSVG im Sinne des SVÄG 2005 in Frage zu stellen.

Ausgehend von der Überlegung, dass die Anrechnung von Schul- bzw. Studienzeiten als Ersatzzeiten, die erst durch Beitragsentrichtung anspruchs- und leistungsunwirksam werden (ab 2005: im Zuge einer nachträglichen Selbstversicherung) generell die Annahme indiziert, dass während dieser Zeiten die Schule bzw. das Studium den überwiegenden Anteil der Arbeitskraft in Anspruch genommen hat, soll die Nachentrichtung verjährter Beiträge wegen der hauptberuflichen Beschäftigung als Kind (Enkel etc.) dann ausgeschlossen werden, wenn sich diese Zeiten mit Zeiten einer Schul- oder Berufsausbildung decken, die ab dem 1. Jänner 1971 oder später als Ersatzzeiten gegolten haben. Das Abstellen auf den 1. Jänner 1971 hat seine Ursache darin, dass zu diesem Zeitpunkt erstmals auch im bäuerlichen Leistungsrecht derartige Ersatzzeiten eingeführt worden sind.

Dem Versicherten soll in diesem Zusammenhang jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, das Gegenteil nachzuweisen, und zwar, dass die persönliche Mitarbeit zur Aufrechterhaltung des Betriebes wegen außergewöhnlicher Umstände unerlässlich war.

Angesichts des Umstandes, dass ab dem 1. Jänner 2014 im Verwaltungsverfahren vor den Sozialversicherungsträgern das AVG zur Gänze anzuwenden ist und die ausdrückliche Normierung einer einfachgesetzlichen Beweislastregel zu Lasten einer Partei zulässig ist (vgl. Thienel Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage, 185), soll damit der versicherten Person die einschlägige Beweisinitiative zufallen.

Wenn beispielsweise der Betriebsführer vorzeitig verstorben ist und die ihm in der Betriebsführung nachfolgende Mutter infolge der Ausnahmesituation sowohl arbeitsmäßig überlastet war als auch irrtümlich auf die Anmeldung des Kindes als hauptberuflich beschäftigt vergessen hat, so kann dies bei Hinzutreten zusätzlicher Aspekte wohl derartige „außergewöhnliche Umstände“ begründen, die das Gesetz künftig fordert. Dabei ist jedenfalls ein strenger Maßstab anzulegen, bei dem die Größe des Betriebes, ein etwa vorhandener Viehstand, die a priori gegebene betriebswirtschaftliche Unrentabilität infolge fehlender Arbeitskräfte (von Beginn an) oder unternehmerisches Fehlverhalten für sich allein niemals das entscheidende Kriterium bilden können. Gleiches gilt für Umstände, die durch Extremwetterlagen verursacht werden (wie Hochwasser oder Windbruch), da derartige Ereignisse (trotz ihrer Intensität) nur zeitlich begrenzt einwirken.“

Daraus folgt für die gegenständliche Beschwerde:

Entscheidungswesentlich ist in Anbetracht der dargestellten rechtlichen Grundlagen die Frage, ob der BF im fraglichen Zeitraum „hauptberuflich“ iSd § 2 Abs. 1 Z 2 BSVG im Betrieb der Eltern tätig war und, ob die Tätigkeit aufgrund außergewöhnlicher Umstände zur Aufrechterhaltung des Betriebes während der laufenden Betriebsführung durch den BF unerlässlich war.

Wie § 39a Abs. 2 GSVG und den oben zitieren Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, soll der versicherten Person die einschlägige Beweisinitiative zufallen. Dementsprechend wäre es am BF gelegen, darzulegen, dass in seinem Fall derartige außergewöhnliche Umstände vorgelegen hätten.

Zur Hauptberuflichkeit:

Ein Schulbesuch steht zwar der Rechtsprechung zufolge im Allgemeinen einer „hauptberuflichen“ Tätigkeit im Betrieb der Eltern nicht entgegen: Ein Schulbesuch ist begrifflich nicht als „Beruf“ anzusehen, sodass bei einer Person, die neben ihrem Schulbesuch im Betrieb ihrer Eltern tätig ist, diese Tätigkeit im Betrieb der Eltern als Hauptberuf zu werten ist, sofern diese Person ansonsten keiner anderen beruflichen Tätigkeit nachgeht […] (VwGH 17.10.2012, 2011/08/0064).

Der VwGH betonte jedoch in dieser Entscheidung auch Folgendes: Ein Schüler, der mit Ausnahme der Ferien die gesamte Zeit in einem Schulinternat verbringt, kann während dieser Zeit nicht hauptberuflich im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern tätig sein (VwGH 17.10.2012, 2011/08/0064).

In Anbetracht der Unterbringung des BF in einem Internat während der verfahrensgegenständlichen Zeit vom September 1974 bis Juli 1975 war davon auszugehen, dass im diesem Zeitraum keine hauptberufliche Beschäftigung des BF im Betrieb seiner Eltern vorlag und damit einhergehend keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung der Bauern begründet wurde und dass somit auch keine entsprechenden Beiträge nachentrichtet werden können.

Aus dem festgestellten Sachverhaltes, wonach der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von September 1975 bis Juli 1978 die BHASCH XXXX besuchte wobei diesbezüglich kein Internatsbesuch vorlag und der BF keiner anderen beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist, ergibt sich zweifelsfrei, dass der BF in diesem Zeitraum jedenfalls hauptberuflich im Sinne des § 39a iVm. § 2 Abs. 1 Z 2 BSVG im elterlichen Betrieb tätig war.

Zur Unerlässlichkeit:

Wie bereits erörtert war angesichts der Intention des Gesetzgebers (vgl. RV 321 BlgNR 25. GP S, 12), dass die Anrechnung von Schul- bzw. Studienzeiten als Ersatzzeiten, die erst durch Beitragsentrichtung anspruchs- und leistungsunwirksam werden, generell die Annahme indiziert, dass während dieser Zeiten die Schule bzw. das Studium den überwiegenden Anteil der Arbeitskraft in Anspruch genommen hat, die Nachentrichtung verjährter Beiträge wegen der hauptberuflichen Beschäftigung als Kind (Enkel etc.) dann ausgeschlossen, wenn sich diese Zeiten mit Zeiten einer Schul- oder Berufsausbildung decken, die ab dem 1. Jänner 1971 oder später als Ersatzzeiten gegolten haben. Dem Versicherten soll in diesem Zusammenhang jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, das Gegenteil nachzuweisen, und zwar, dass die persönliche Mitarbeit zur Aufrechterhaltung des Betriebes wegen außergewöhnlicher Umstände unerlässlich war.

Der BF konnte jedoch aus Sicht des erkennenden Gerichts im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine außergewöhnlichen Umstände vorlegen, die seine Mitarbeit im Betrieb seiner Eltern unerlässlich gemacht hätten. Wie die belangte Behörde bereits im angefochtenen Bescheid zu Recht ausführte, vermochte die vom BF geltend gemachte Pflege seiner Großmutter sowie die Betreuung des Nachbarn durch seine Eltern zwar eine Erschwernis darzustellen, war jedoch aufgrund der vorliegenden Betriebsgröße und des Umstandes, dass neben seiner Mutter auch sein Vater am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mitgearbeitet habe, nicht davon auszugehen, dass somit ein vom Gesetzgeber gefordert Umstand für eine Ausnahme nach § 39a Abs. 2 BSVG vorlag. Zusätzlich dazu gab der BF in der mündlichen Verhandlung an, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei der Ernte der Spargel-Kultur, neben ihm selbst und seinen Eltern, ebenso seine Tante, die Cousine seiner Mutter sowie sein jüngerer Bruder tätig gewesen wären.

Soweit der BF sein Vorbringen auf die von ihm angegebene Betriebsgröße sowie dem Viehbestand ist dem insofern entgegenzutreten, dass den Erläuterungen zu § 39a Abs. 2 BSVG weiters zu entnehmen ist, dass jedenfalls ein strenger Maßstab anzulegen ist, bei dem ebenso die Größe des Betriebes sowie der vorhandene Viehstand für sich allein niemals das entscheidende Kriterium bilden können.

Das für die Unerlässlichkeit geforderte strenge Maßstab kann ebenso nicht erfüllt werden, als die Tätigkeit des BF zwar nützlich und hilfreich für seine Eltern war, aber in der Zeit seines Schulbesuches keine außergewöhnlichen Umstände zusätzlich eingetreten sind.

Für die in § 39 Abs. 2 letzter Satz normierte Ausnahme vom Ausschluss der Nachentrichtung konnten im erhobenen Sachverhalt somit nicht hinreichende Hinweise festgestellt worden.

Es ist daher davon auszugehen, dass ein Recht auf Nachentrichtung der verjährten Beiträge nicht festgestellt werden kann.

Sohin war der verfahrensgegenständliche Antrag auf Nachentrichtung von verjährten Beiträgen in der Pensionsversicherung nach dem BSVG zu verneinen und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die Rechtslage klar ist. Zudem weicht die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Wie sich aus der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht sowohl zur Frage der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 2 BSVG als auch der Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung gemäß § 39a BSVG eine einheitliche Rechtsprechung und wird hiervon in der vorliegenden Entscheidung auch nicht abgewichen.

Schlagworte

Ausbildung außergewöhnliche Umstände landwirtschaftlicher Betrieb Nachentrichtung verjährter Beiträge Pensionsversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2243205.1.00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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