TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/7 2001/08/0123

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Veröffentlicht am 07.09.2005
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs1 Z11;
ASVG §4 Abs1 Z2;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §5 Abs1 Z1;
ASVG §8 Abs1 Z3 lith;
ASVG §8 Abs1 Z3 liti;
BSVG §2 Abs1 Z2;
LZVG 1957 §2 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 15. Juni 2001, Zl. 120.404/2-7/99, betreffend Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Roswitha S, 2. Stefan S, beide in P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Juni 1998 hat die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt (in der Folge: Beschwerdeführerin) festgestellt, dass der Zweitmitbeteiligte im Zeitraum vom 1. November 1997 bis 31. Oktober 1998 in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem BSVG pflichtversichert sei. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Zweitmitbeteiligte habe im Schuljahr 1996/97 bis 27. Juni 1997 die zweite Schulstufe der landwirtschaftlichen Fachschule besucht. Ab dem Beginn der Hauptferien habe er auf Grund der Bestimmungen über die landwirtschaftlichen Fachschulen eine Pflichtpraxis absolviert. In der Zeit vom 1. Juli bis 31. Oktober 1997 habe er die Pflichtpraxis als Fremdpraxis und in der Zeit vom 1. November 1997 bis 31. Oktober 1998 als Heimpraxis im landwirtschaftlichen Betrieb der Erstmitbeteiligten, seiner Mutter, absolviert. Die Heimpraxis sei einer hauptberuflichen Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG gleichzusetzen, sofern keine andere Tätigkeit ausgeübt werde.

In dem dagegen erhobenen Einspruch machten die Mitbeteiligten geltend, die Tätigkeit des Zweitmitbeteiligten im Rahmen der Heimpraxis im elterlichen Betrieb stelle keine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG dar. Diese Tätigkeit gehöre zur schulischen Ausbildung. Es sei für diesen Zeitraum auch kein Lehrvertrag abgeschlossen worden.

In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsbehörde vom 22. September 1998 wurde ergänzend ausgeführt, dass der Zweitmitbeteiligte während der Heimpraxis in keinem Dienst- oder Lehrverhältnis zur Erstmitbeteiligten gestanden sei und für seine Tätigkeit als Praktikant von der Erstmitbeteiligten kein Entgelt erhalten habe.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 18. Jänner 1999 wurde dem Einspruch keine Folge gegeben. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens folgender Sachverhalt festgestellt:

Im Streitzeitraum habe die Erstmitbeteiligte auf alleinige Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Ausmaß von rund 5 ha und mit einem Einheitswert von rund S 170.000,-- geführt. Der Zweitmitbeteiligte, ihr Sohn, habe zunächst die Volksschule und dann die Hauptschule absolviert. Er sei sehr oft krank gewesen. Im Jahre 1987 sei er auf Grund einer Aorta-Stenose am Herz operiert worden. Während des Besuches des polytechnischen Lehrganges habe sich sein Gesundheitszustand verbessert. Anschließend habe er die landwirtschaftliche Fachschule besucht. Der Lebensunterhalt des Zweitmitbeteiligten werde von seinem Vater bestritten, der ihm auch Taschengeld, das in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb der Erstmitbeteiligten stehe, gebe.

Im Streitzeitraum habe der Zweitmitbeteiligte als Schüler der dritten Schulstufe der landwirtschaftlichen Fachschule im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb seiner Mutter die im Rahmen des Lehrplanes vorgeschriebene praktische Tätigkeit - eine zu absolvierende Pflichtpraxis - als Heimpraxis ausgeübt. Er habe seiner Mutter hie und da beim Abfüllen bzw. bei der Kellerarbeit geholfen. Seit 24. April 1998 sei er vollauf mit dem Erwerb des Führerscheines beschäftigt gewesen. Zufolge seiner Herzoperation könne er körperliche Arbeit, die eine schwere Belastung mit sich bringe, nicht durchführen. Teilweise sei er auch zum Schneiden der Weinreben im Frühjahr 1998 herangezogen worden. Laubarbeiten habe er nur stundenweise, jedoch nicht während der Hitze, durchführen können. Traktorarbeiten könne er erst nach Erwerb des Führerscheines durchführen. Die theoretische Ausbildung des Zweitmitbeteiligten sei durch die Erstmitbeteiligte erfolgt. Sie habe ihm die Arbeiten, wie z.B. Rebschnitt, Weinbehandlung, gezeigt. Die Ausbildung erfolge jeweils beim Anfall der Arbeiten im Betrieb. Die Stundenanzahl der theoretischen Ausbildung des Sohnes sei nicht feststellbar.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die Einspruchsbehörde aus, der Zweitmitbeteiligte habe im Streitzeitraum im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb der Erstmitbeteiligten eine ihm als Schüler der landwirtschaftlichen Fachschule vorgeschriebene Pflichtpraxis als Heimpraxis ausgeübt. Diese Heimpraxis sei weder in einem Dienstverhältnis noch in einem Lehrverhältnis erbracht worden. Der Zweitmitbeteiligte habe für seine Tätigkeit als Praktikant von der Erstmitbeteiligten als Betriebsführerin kein Entgelt erhalten. Für den Lebensunterhalt des Zweitmitbeteiligten sei auch in diesem Zeitraum sein Vater aufgekommen. Die Ausbildung im Rahmen der Heimpraxis sei durch die Erstmitbeteiligte erfolgt.

Der Eintritt der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG hänge davon ab, ob die Tätigkeit des Angehörigen im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb seinen Hauptberuf darstelle. Es seien grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden, nämlich

1. Kinder, die neben einer anderen Tätigkeit im elterlichen Betrieb beschäftigt seien, und 2. Kinder, die sonst keiner anderen Beschäftigung nachgingen. Im ersten Fall sei zur Abgrenzung, welche Tätigkeit den Hauptberuf darstelle, zu prüfen, ob die Beschäftigung im elterlichen Betrieb eine Tätigkeit darstelle, die zeitlich gesehen den größeren Teil der Arbeitszeit beanspruche, die ein vollbeschäftigter Landarbeiter normalerweise leiste. Es sei daher auf die tatsächliche Arbeitsleistung abzustellen. Wenn die Eltern als Betriebsführer ihrem Kind die Möglichkeit einräumten, den größeren Teil der Arbeitszeit der theoretischen Ausbildung zu widmen, ändere das - unter der Voraussetzung, dass das Kind keiner anderweitigen Arbeit nachgehe - an der Hauptberuflichkeit der Beschäftigung nichts. Dabei sei es ohne Belang, aus welchen Gründen die körperliche Arbeitskraft des Kindes von den Eltern als Betriebsführer nicht voll eingesetzt werde. Eine physische oder psychische Behinderung schließe das Vorliegen einer hauptberuflichen Beschäftigung nicht aus. Auch der wirtschaftliche Erfolg bzw. die Höhe des Entgeltes seien dafür nicht ausschlaggebend. Schließlich müsse auch Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb des elterlichen Betriebes nicht unbedingt gegeben sein. Der Zweitmitbeteiligte sei daher im Streitzeitraum auf Grund seiner hauptberuflichen Beschäftigung im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb der Erstmitbeteiligten gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung unterlegen. Dies auch im Hinblick darauf, dass die Tätigkeit des Zweitmitbeteiligten im Betrieb der Erstmitbeteiligten unentgeltlich erfolgt sei und somit nicht als Tätigkeit eines "echten" Ferialpraktikanten im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 11 ASVG habe qualifiziert werden können.

Die Mitbeteiligten erhoben Berufung. Darin haben sie ihre bereits im Einspruch vorgetragene Rechtsauffassung aufrecht erhalten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Mitbeteiligten Folge gegeben und festgestellt, dass der Zweitmitbeteiligte vom 1. November 1997 bis 31. Oktober 1998 nicht in der Pensionsversicherung und in der Krankenversicherung nach dem BSVG pflichtversichert gewesen sei.

In der Begründung wurde im Rahmen der Darstellung des Verwaltungsgeschehens der von der Einspruchsbehörde festgestellte Sachverhalt ausdrücklich übernommen und wiedergegeben. Ergänzend führte die belangte Behörde dazu aus, der Zweitmitbeteiligte habe die Pflichtpraxis im Betrieb seiner Mutter allein zum Zwecke seiner Ausbildung absolviert und nicht auch, um ein Entgelt zu erzielen. Es sei auch offensichtlich, dass die Erstmitbeteiligte den Zweitmitbeteiligten nur deshalb als Praktikanten in ihrem Betrieb beschäftigt habe, um ihm die weitere Ausbildung zu ermöglichen, und nicht auch, um selbst daraus einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Begriff "Beruf" bezeichne nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Erwerbstätigkeit. Das Lexikon "Der Brockhaus" bezeichne "Beruf" als die Tätigkeit (Erwerbstätigkeit) des Einzelnen, die auf dem Zusammenwirken von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten beruhe und durch die er sich in die Volkswirtschaft eingliedere. Der Beruf diene als Existenzgrundlage. In den industriellen Leistungsgesellschaften sei er aber auch zum sozialen Statussymbol geworden. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der Begriff "hauptberuflich" im § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG im Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch in einem anderen Sinne zu verstehen wäre. Demnach könne eine "hauptberufliche" Tätigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle nur eine Erwerbstätigkeit sein, somit eine nachhaltige Tätigkeit, die objektiv die Schaffung von Einkünften bezwecke. Da der Zweitmitbeteiligte für seine Heimpraxis kein Entgelt erhalten habe, sondern in dieser Zeit seinen Unterhalt unabhängig von dieser Praxis von seinen Eltern erhalten habe, könne eine Heimpraxis nicht als eine Erwerbstätigkeit und somit auch nicht als ein "Beruf" angesehen werden. Diese Tätigkeit stelle daher auch keine "hauptberufliche" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligten Parteien haben sich am Verfahren nicht beteiligt.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 36 Abs. 8 VwGG haben die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens weitere Schriftsätze eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Zweitmitbeteiligte während seiner Heimpraxis im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb der Erstmitbeteiligten der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG unterlag.

1.2. Die belangte Behörde hat dies verneint, weil der Zweitmitbeteiligte nicht "hauptberuflich in diesem Betrieb beschäftigt" gewesen sei. Der Zweitmitbeteiligte habe seine Tätigkeit unentgeltlich verrichtet, es könne daher nicht von einer Erwerbstätigkeit und somit nicht von einem Beruf gesprochen werden. Im Schriftsatz vom 11. Mai 2005 führte die belangte Behörde ergänzend aus, die Ausnahme von der Vollversicherung nach § 4 ASVG gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 ASVG sei nur auf jene Personen anzuwenden, die mit der konkreten Beschäftigung ohnehin nach § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG der Pflichtversicherung unterliegen. Das gegenständliche Pflichtpraktikum des Zweitmitbeteiligten erfülle jedoch nicht die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG, sodass - ebenso wie beim Fremdpraktikum - die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 11 ASVG greife.

1.3. Die Beschwerdeführerin führt - sowohl in der Beschwerde als auch in ihrer Stellungnahme vom 19. Mai 2005 - dagegen ins Treffen, dass der Zweitmitbeteiligte während der Heimpraxis keiner anderen Beschäftigung nachgegangen sei. Er habe als Sohn von Landwirten im Streitzeitraum eine landwirtschaftliche Berufsausbildung absolviert. Seine gesellschaftliche Stellung als "angehender Landwirt" sei daher nicht zu bestreiten. Seine Tätigkeit im Rahmen der Pflichtpraxis als Heimpraxis sei als hauptberufliche Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG zu qualifizieren. Ob der Zweitmitbeteiligte daraus ein Entgelt erzielt habe, sei nicht wesentlich. Es entspreche den tatsächlichen Verhältnissen in der Landwirtschaft, dass der Betriebsführer seinem im Betrieb hauptberuflich beschäftigten Kind keinen Lohn im herkömmlichen Sinne auszahle. Das Einkommen eines solcherart beschäftigten Kindes bestehe im Wesentlichen aus Naturalien.

2. Der Zweitmitbeteiligte war Schüler einer landwirtschaftlichen Fachschule im Sinne der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 11. Juli 1990, mit der Bestimmungen über die Organisation sowie Lehrpläne für die landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen erlassen werden, LGBl. Nr. 60/1990. Gemäß § 5 Abs. 4 dieser Verordnung (in der Stammfassung) ist die Absolvierung einer Pflichtpraxis Voraussetzung für den weiteren Schulbesuch und den Schulabschluss. Der die Pflichtpraxis regelnde § 6 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"(1) Die Pflichtpraxis dauert sechzehn Monate. Sie beginnt mit Beginn der Hauptferien der zweiten Schulstufe und endet mit Beginn der vierten Schulstufe (§ 5 Abs. 5). Von der Pflichtpraxis sind vier Monate als Fremdpraxis in einem geeigneten landwirtschaftlichen Betrieb zu absolvieren. Die Fremdpraxis soll ohne Unterbrechung in einem Betrieb erfolgen; die übrigen zwölf Monate der Pflichtpraxis können als Heimpraxis absolviert werden.

...

(6) Während der gesamten Praxiszeit ist der Schüler verpflichtet,

a) Veranstaltungen der Schule nach vorheriger Einberufung zu besuchen,

b)

ein Tagebuch zu führen,

c)

den Beauftragten der Schule oder Schulbehörde mündlich über seine Tätigkeit und seine Aufzeichnungen im Tagebuch zu berichten.

(7) Der Schüler hat die Absolvierung der Pflichtpraxis durch die Vorlage von Bestätigungen zu belegen."

Während der im Sinne der genannten Bestimmungen über die landwirtschaftlichen Fachschulen ausgeübten Heimpraxis liegt das Schwergewicht der Tätigkeit des Zweitmitbeteiligten in der praktischen Ausbildung im elterlichen Betrieb. Die gegenüber der Schule bestehenden Verpflichtungen sind in zeitlicher Hinsicht gesehen untergeordneter Natur. Der Zweitmitbeteiligte hat in dieser Zeit keine andere Erwerbstätigkeit ausgeübt. Als Praktikant im Betrieb seiner Mutter hat er von dieser kein Entgelt erhalten. Sein Lebensunterhalt ist von seinem Vater bestritten worden.

3. Nach der mit der 49. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 294/1990, eingefügten Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 11 ASVG sind Schüler und Studenten (§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. h und i ASVG), die eine im Rahmen des Lehrplanes bzw. der Studienordnung vorgeschriebene oder übliche praktische Tätigkeit ausüben, vollversichert, wenn diese Tätigkeit nicht im Rahmen eines Dienst- oder Lehrverhältnisses ausgeübt wird, d.h. wenn sie nicht auf Grund dieser Tätigkeit schon nach § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 oder nach § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG vollversichert sind. Ein (Pflicht-)Praktikum wird demnach einer die Vollversicherungspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt, ohne dass es auf die tatsächliche zeitliche Inanspruchnahme des Praktikanten oder die Entgeltlichkeit der Tätigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 96/08/0384) ankäme.

Die Erläuterungen der Regierungsvorlage (1277 BlgNR XVII. GP, 14) führen dazu Folgendes aus:

"Schüler oder Studenten sind auch während der im Lehrplan oder in der Studienordnung vorgeschriebenen praktischen Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. h oder lit. i ASVG in der Unfallversicherung teilversichert. Üben sie jedoch diese praktische Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt aus, sind sie Dienstnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne und daher gemäß § 4 Abs. 2 ASVG vollversichert.

Dies führt in der Praxis zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Unterscheidung der Ferialpraktikanten hinsichtlich ihrer Versicherungspflicht; wenn zwei Ferialpraktikanten die gleiche oder eine ähnliche praktische Tätigkeit ausüben, kann es dazu kommen, dass der eine Ferialpraktikant nur teilversichert und der andere vollversichert ist.

Durch den vorliegenden Novellierungsvorschlag, der auf eine Anregung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zurückgeht, soll nun für alle Ferialpraktikanten eine Vollversicherung geschaffen werden, ausgenommen jene, die für ihre praktische Tätigkeit tatsächlich nur ein unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) gelegenes Entgelt erhalten."

Sowohl der Wortlaut als auch die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung zeigen, dass damit die je nach Ausgestaltung des Praktikums auftretenden Probleme in Bezug auf die Pflichtversicherung beseitigt werden sollten, und zwar in der Weise, dass grundsätzlich das Pflichtpraktikum die Vollversicherungspflicht begründet. Ob Schüler - wie im Beschwerdefall - an land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen auf Grund ihres Pflichtpraktikums als Heimpraxis im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 11 ASVG (und die Eltern, oder ein Elternteil als Dienstgeber in Frage kommen) oder der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG unterliegen, ist nach dem die Ausnahme von der Vollversicherung regelnden § 5 Abs. 1 Z. 1 ASVG zu beurteilen, denn auch die Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 11 ASVG steht unter dem Vorbehalt, dass "die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherungspflicht ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet" (§ 4 Abs. 1 (Einleitung) ASVG).

4. § 5 Abs. 1 Z. 1 ASVG in der Stammfassung BGBl. Nr. 189/1955, nahm u.a. die Kinder des Dienstgebers von der Vollversicherung nach § 4 unbeschadet einer nach § 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung aus. In den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage (599 BlgNR VII. GP, 3 f) wird u.a. ausgeführt:

"Zum Abschnitt II. (§§ 4 bis 22): Umfang der Versicherung.

Bei der Regelung des Umfanges der Versicherung im Abschnitt II. des Entwurfes wurden folgende Grundsätze beachtet:

1. Der Versicherungsschutz soll für alle Personengruppen, die nach derzeit geltendem Recht der Sozialversicherung unterliegen, auch weiterhin beibehalten werden. Eine nennenswerte Ausnahme von diesem Grundsatz wurde bezüglich der im elterlichen Betrieb als Dienstnehmer mitarbeitenden Kinder im § 5 Abs. 1 Z. 1 getroffen. Solche Personen werden nur mehr in der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit es sich um eine Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft handelt, nur in der Unfallversicherung teilversichert sein. ..... Die im Betrieb der Eltern mitarbeitenden Kinder werden daher ebenso wie die Ehegattin und die Eltern des Unternehmers ausnahmslos von der Vollversicherung ausgenommen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie gegen Entgelt oder ohne Entgelt beschäftigt werden. Als Teilversicherte werden sie aber in der Unfallversicherung in den Versicherungsschutz einbezogen (§ 8 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 lit. b). In der Pensionsversicherung werden die im elterlichen Betrieb beschäftigten Kinder verschieden behandelt, je nachdem, ob es sich um eine Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft oder in einem anderen Betrieb handelt. Die in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten Kinder der Unternehmer werden in der Pensionsversicherung als teilversicherte nicht erfasst, weil aus land- und forstwirtschaftlichen Kreisen der Wunsch geäußert wurde, für die Unternehmer in der Land- und Forstwirtschaft und deren mitarbeitende Kinder eine besondere gesetzliche Einrichtung für die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung zu schaffen."

Diese Hinweise in den Gesetzesmaterialien sind im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Zuschussrentenversicherungsgesetz (LZVG), BGBl. Nr. 293/1957, von Bedeutung, welches im Abschnitt II. den Umfang der Versicherung regelte. Der die Pflichtversicherung normierende § 2 sah insoweit Folgendes vor:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt und nicht eine Ausnahme nach § 3 gegeben ist, in der landwirtschaftlichen Zuschussrentenversicherung pflichtversichert:

.....

2. die Kinder, Enkel, Wahl- oder Stiefkinder eines nach Z. 1 Pflichtversicherten, wenn sie in dem nach Z. 1 in Betracht kommenden land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, sei es gegen Entgelt, sei es ohne Entgelt, regelmäßig beschäftigt werden und hauptberuflich keiner anderen Beschäftigung nachgehen.

3. .....

(3) Als regelmäßig im Sinne des Abs. 1 Z. 2 gilt eine Beschäftigung, die innerhalb eines Kalenderjahres mindestens 6 Monate dauert."

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (344 BlgNR VIII. GP, 39 ff) ist dazu u.a. Folgendes ausgeführt worden:

".....

4. Viel häufiger als in der gewerblichen Wirtschaft kommt es in der Land- und Forstwirtschaft vor, dass Kinder und Enkel des Landwirtes im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mitarbeiten. Sie sind gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ebenso wie der selbständige Landwirt selbst - wohl in der Unfallversicherung teilversichert, aber weder in der Kranken- noch in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz pflichtversichert, während im Sektor der gewerblichen Wirtschaft und auch bei den freien Berufen die im elterlichen Betrieb mitarbeitenden Kinder gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 ASVG sowohl in der Unfall- als auch in der Pensionsversicherung erfasst sind. Schon bei der parlamentarischen Behandlung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes war aus land- und forstwirtschaftlichen Kreisen der Wunsch geäußert worden, für die Unternehmer in der Land- und Forstwirtschaft und deren mitarbeitende Kinder eine besondere gesetzliche Einrichtung der Alters- und Hinterbliebenenversicherung zu schaffen.

Der vorliegende Gesetzesentwurf nimmt auf alle diese Besonderheiten der Land- und Forstwirtschaft Bedacht. ..... Auch der Umstand, dass die im elterlichen Betrieb mitarbeitenden Kinder in der Regel nicht auf Grund eines dienstrechtlichen Verhältnisses gegen Entgelt, sondern auf Grund des Familienverhältnisses ohne Entgelt im Betrieb der Eltern tätig sind, schließt es aus, von diesen Pflichtversicherten Beiträge auf Grund der Einkünfte einzuheben. .....

Der Kreis der in die Pflichtversicherung einzubeziehenden mitarbeitenden Kinder (§ 2 Abs. 1 Z. 2) deckt sich nicht vollständig mit dem Kreis der gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG der Unfallversicherung unterstellten mitarbeitenden Familienangehörigen in der Land- und Forstwirtschaft. In der Unfallversicherung mussten alle diese mitarbeitenden Kinder ausnahmslos für den Fall geschützt werden, dass sie bei ihrer Arbeit einen Arbeitsunfall erleiden. Eine Alters- und Hinterbliebenenversicherung kann aber naturgemäß nur auf einer Tätigkeit aufgebaut werden, die hinsichtlich der Dauer der Inanspruchnahme des zu Versichernden durch diese Tätigkeit und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für den Beschäftigten eine ausreichende Grundlage für den Aufbau der Versicherung bildet. Es werden daher von vornherein nur solche Kinder der Pflichtversicherung nach dem Entwurf unterliegen, die diese ihre Tätigkeit im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb regelmäßig ausüben und hauptberuflich keiner anderen Beschäftigung nachgehen. Die im Abs. 3 des § 2 enthaltene Legalinterpretation für den Begriff der Regelmäßigkeit der Beschäftigung ist von vornherein nur für die Anwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 2 gedacht und darf zur Auslegung des Begriffes 'regelmäßig' an anderer Stelle des Entwurfes (siehe § 68) nicht herangezogen werden."

Voraussetzung für den Eintritt der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 2 LZVG war demnach u.a. die Regelmäßigkeit der Beschäftigung und das Fehlen einer "hauptberuflichen anderen Beschäftigung". Der Sache nach schadete also eine andere Beschäftigung dann nicht, wenn sie die landwirtschaftliche Tätigkeit als Hauptberuf nicht in Frage stellte. Dies wieder setzte zumindest voraus, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit zeitlich so überwogen hat, dass eine während der verbleibenden Arbeitszeit ausgeübte andere Beschäftigung nicht als Hauptberuf in Betracht kam.

4.1. Nachdem mit der 16. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 220/1965, die Schwiegerkinder eines selbständigen Landwirtes im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 des Bauernkrankenversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 219/1965, wenn sie hauptberuflich in dessen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb beschäftigt sind und ihren Lebensunterhalt überwiegend aus dem Ertrag dieses Betriebes bestreiten, von der Vollversicherungspflicht nach dem ASVG ausgenommen worden waren, erhielt § 5 Abs. 1 Z. 1 ASVG durch Art. II Z. 2 der 20. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 201/1967, folgenden Wortlaut:

"§ 5. (1) Von der Vollversicherung nach § 4 sind - unbeschadet einer nach § 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung - ausgenommen:

1. der Ehegatte, die Eltern, Großeltern, Wahleltern und Stiefeltern des Dienstgebers, ferner die Kinder, Enkel, Wahlkinder, Stiefkinder und Schwiegerkinder eines selbständigen Landwirtes im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 des Bauern-Krankenversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 219/1965, wenn sie hauptberuflich in dessen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb beschäftigt sind und ihren Lebensunterhalt überwiegend aus dem Ertrag dieses Betriebes bestreiten;"

Abweichend von § 2 Abs. 1 Z. 2 LZVG genügte für die Ausnahme von der Pflichtversicherung nach dem ASVG somit nicht die Hauptberuflichkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit, sie musste auch die Hauptquelle des Einkommens für den Lebensunterhalt darstellen, also auch wirtschaftlich von überwiegender Bedeutung sein.

4.2. Mit der 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973, wurde die Ausnahme bezüglich der Verwandten des Dienstgebers beseitigt und der Text hinsichtlich der Angehörigen eines selbständigen Landwirtes neu gefasst, wobei das Erfordernis der überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung ("überwiegende Bestreitung des Lebensunterhaltes") entfiel und nur mehr die Hauptberuflichkeit für die Ausnahme maßgeblich war. § 5 Abs. 1 Z. 1 ASVG lautete in dieser Fassung:

"§ 5. (1) Von der Vollversicherung nach § 4 sind - unbeschadet einer nach § 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung - ausgenommen:

1. die Kinder, Enkel, Wahlkinder, Stiefkinder und Schwiegerkinder eines selbständigen Landwirtes im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 des Bauern-Krankenversicherungsgesetzes, wenn sie hauptberuflich in dessen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb beschäftigt sind;"

Die Erläuterungen der Regierungsvorlage (404 BlgNR XIII. GP, 64) führen dazu u.a. aus:

".... Die Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 1 Z. 1 soll sich in Hinkunft nur mehr auf die im § 2 Abs. 1 Z. 1 B-KVG genannten Kinder eines selbständigen Landwirtes erstrecken, die durch ihre Einbeziehung in die Bauernkrankenversicherung und Bauernpensionsversicherung sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b in die gesetzliche Unfallversicherung einen vollständigen sozialversicherungsrechtlichen Schutz genießen."

Zur Neufassung der Bestimmung ist im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (578 BlgNR XIII. GP, 2) ausgeführt:

"Mit der Neufassung des § 5 Abs. 1 Z. 1 soll im Sinne einer Anregung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger den Verhältnissen im bäuerlichen Bereich durch den Entfall des Erfordernisses der überwiegenden Bestreitung des Lebensunterhaltes aus dem Ertrag des Betriebes bei mitarbeitenden Kindern des Betriebsführers besser Rechnung getragen werden. Gleichartige Änderungen sind auch für den Bereich des B-KVG und des B-PVG vorgesehen. ....."

5. Durch das Bauern-Krankenversicherungs-Gesetz (B-KVG), BGBl. Nr. 219/1965, und das Bauern-Pensionsversicherungs-Gesetz (B-PVG), BGBl. Nr. 28/1970, wurden die im § 2 Abs. 1 Z. 2 LZVG genannten Personen in die dort normierten Pflichtversicherungen unter der Voraussetzung übernommen, dass sie hauptberuflich in diesem Betrieb beschäftigt sind und ihren Lebensunterhalt überwiegend aus dem Ertrag dieses Betriebes bestreiten. Seit der 6. Novelle zum B-KVG (BGBl. Nr. 34/1973) und der 2. Novelle zum B-PVG (BGBl. Nr. 33/1973) ist die Pflichtversicherung der mitarbeitenden Kinder nur mehr davon abhängig, ob sie hauptberuflich in diesem Betrieb beschäftigt sind. Das am 1. Jänner 1979 in Kraft getretene BSVG hat diese Regelung übernommen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG sind natürliche Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert.

Nach § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG sind die Kinder, Enkel, Wahl- und Stiefkinder sowie die Schwiegerkinder einer in Z. 1 genannten Person, all diese, wenn sie hauptberuflich in diesem Betrieb beschäftigt sind, ebenfalls in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert.

6. Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 1 Z. 1 ASVG und der korrespondierenden Bestimmungen des LZVG, des B-KVG, des B-PVG und des BSVG zeigt somit, dass die Mitarbeit u.a. von Kindern eines selbständigen Landwirtes in dessen Betrieb von der Vollversicherung nach § 4 ASVG - seit der 29. Novelle zum ASVG bzw. der 6. Novelle zum B-KVG und der 2. Novelle zum B-PVG - ausgenommen ist, wenn sie hauptberuflich ausgeübt wird. Die Ausnahme von der Vollversicherung nach dem ASVG gilt sohin ohne Rücksicht darauf, ob die Mitarbeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses (eines Lehrverhältnisses) erfolgt, oder ob sie gegen Entgelt oder ohne Entgelt ausgeübt wird. Ausgenommen von der Pflichtversicherung nach dem ASVG soll jedenfalls derjenige werden, der in dieser Beschäftigung nach - nunmehr - § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG ohnehin versichert ist. Es ist daher der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass bei einer hauptberuflichen Ausübung auch eines Ausbildungsverhältnisses die Versicherungspflicht nach dem BSVG jener nach dem ASVG vorgeht. Das entscheidende Kriterium, "hauptberuflich" in diesem Betrieb beschäftigt, ist entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen; es ist vielmehr der Wechselbezug der Umschreibung des Pflichtversicherungstatbestandes in der bäuerlichen Sozialversicherung zu der Ausnahmeregelung des ASVG zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass unter "hauptberuflich" im Sinne der dargelegten rechtsgeschichtlichen Entwicklung nichts anderes zu verstehen ist als "hauptberuflich keiner anderen Beschäftigung nachgehen". Ein solches Verständnis der Hauptberuflichkeit setzt aber nicht etwa eine zweite Beschäftigung voraus, mit welcher die landwirtschaftliche Tätigkeit zu vergleichen wäre.

Der Gesetzgeber setzt offenkundig nicht nur voraus, dass Kinder, die hauptberuflich im elterlichen Betrieb arbeiten, ihren Lebensunterhalt (sei es direkt oder indirekt über Unterhaltsansprüche) aus den Erträgen des landwirtschaftlichen Betriebes bestreiten, ohne dass dieser Umstand gesondert einer Prüfung zu unterziehen wäre, wie auch der Entfall eines früheren einschlägigen Tatbestandselements in § 5 Abs. 1 Z. 1 ASVG zeigt. Das aus den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien hervorgehende wiederholte Anknüpfen des Gesetzgebers an die Praxis bäuerlichen Lebens und das Bemühen um die Ermöglichung einer praxisgerechten Vollziehung deutet aber auch auf ein Vorverständnis des Gesetzgebers hin, nach welchem ein Kind, das keiner anderen Beschäftigung als der Mitarbeit im elterlichen Betrieb nachgeht, in aller Regel in einem solchen Ausmaß zur Arbeit herangezogen wird, dass von hauptberuflicher Beschäftigung gesprochen werden kann, sodass eine nähere Prüfung des Beschäftigungsausmaßes bei Fehlen einer anderen Beschäftigung nicht erforderlich ist. Für dieses Ergebnis sprechen nicht zuletzt auch Gesichtspunkte der möglichst einfachen Handhabbarkeit des Gesetzes, zumal konkrete Beschäftigungsausmaße von im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeitenden Familienangehörigen, die auch im Ablauf der Jahreszeiten durchaus schwanken können, ohne den Vergleichsmaßstab einer anderweitigen Beschäftigung in Ermangelung schriftlicher Aufzeichnungen in aller Regel nur mittels umfangreicher Personalbeweise, d.h. mit unverhältnismäßigem Aufwand und kaum je objektivierbar feststellbar wären.

Auf den Zweitmitbeteiligten übertragen bedeutet dies, dass er in Ermangelung einer anderweitigen Beschäftigung während seiner Beschäftigung im elterlichen Betrieb hauptberuflich beschäftigt und daher nach § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG pflichtversichert gewesen ist.

Da die belangte Behörde den Regelungsinhalt des § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 7. September 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001080123.X00

Im RIS seit

21.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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