TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/27 LVwG-2021/32/2938-1

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Veröffentlicht am 27.12.2021
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Entscheidungsdatum

27.12.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §13 Abs3
GewO 1994 §13 Abs7
GewO 1994 §85 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde in Form der Eingaben vom 19.10.2021, eingegangen bei der Bezirkshauptmannschaft Z am 21.10.2021, und vom 19.10.2021, eingegangen bei der Bezirkshauptmannschaft Z am 22.10.2021, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 23.09.2021, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Gewerbeordnung 1994

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Laut dem Auszug aus dem Gewerberegister (dieser liegt dem behördlichen Akt ein) hat die AA im Standort **** Z, Adresse 1, das Handelsgewerbe (mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe) inne.

Laut Eintragungen im Firmenbuch (ein Auszug liegt dem behördlichen Akt ein wurde verwaltungsgerichtlich am 20.12.2021 neuerlich ein Auszug angefertigt) ist Herr BB sowohl alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer als auch Alleingesellschafter (100 % - Gesellschafter) der AA.

Mit Beschluss des Landesgerichts Y vom 09.04.2021, Zahl ***, wurde das Insolvenzverfahren gegen Herrn BB, geboren am **.**.****, mangels kostendeckendem Vermögens nicht eröffnet und wurde festgestellt, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist. Dieser Beschluss wurde mit 26.04.2021 rechtskräftig und erfolge eine entsprechende Veröffentlichung in der Insolvenzdatei.

Dies kann dem Auszug aus der Insolvenzdatei, welche dem behördlichen Akt einliegt, und dem im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens am 20.12.2021 neuerlich angefertigten Auszug aus der Insolvenzdatei entnommen werden.

Mit der Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 05.05.2021, Zahl ***, wurde die AA über die rechtskräftige Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung betreffend Herrn BB in Kenntnis gesetzt und wurde die AA aufgefordert, innerhalb einer Frist von 8 Wochen Herrn BB sowohl als handelsrechtlichen Geschäftsführer als auch Alleingesellschafter aus der GmbH zu entfernen, ansonsten der Gesellschaft die Gewerbeberechtigungen gezogen werden.

Letztlich wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z der vorgenannten Gesellschaft die Gewerbeberechtigung „Handelsgewerbe (mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe)“ entzogen, nachdem der Verfahrensanordnung nicht Folge geleistet wurde.

Dieser Bescheid wurde nach einem Zustellversuch am 24.09.2021 ab dem 24.09.2021 für die AA beim Postamt **** zur Abholung bereitgehalten.

In der Folge sind zwei handschriftliche Schreiben bei der Bezirkshauptmannschaft Z eingegangen:

Im Schreiben vom 19.10.2021, eingegangen bei der der belangten Behörde am 21.10.2021, ist wie folgt ausgeführt:

„Sehr geehrter Herr CC!

Betreff: Entziehung Gewerbeberechtigung

Anbei finden Sie die Einstellung bzw Versteigerung bzw vollständige Barzahlung der mein Privatvermögen betreffenden Verbindlichkeiten:

1)   Versteigerung meines Bauernhofes

2)   Rückziehung der Raika (wurde bezahlt)

3)   Vollständige Barzahlung Sozialversicherung

4)   Einstellung DD

5)   Versteigerung 15.11.2021
EE Forderung  Euro 140.000,00

FF                        Euro 4.685,00

Ich möchte darauf hinweisen, dass die FA AA in keinster Weise involviert ist.

Hochachtungsvoll

BB“

Im weiteren Schreiben vom 19.10.2021, bei der belangten Behörde eingegangen am 22.10.2021, ist wie folgt ausgeführt:

„Sehr geehrter Herr CC!

Betreff: Nachsicht Gewerbeausschluss

Ich habe Ihnen eine Beschwerde gegen die Entziehung der Gewerbeberechtigung per Einschreiben gesendet, wo alle Anschuldigungen gegen mich entkräftet sind.

Im Moment ist noch eine Zwangsversteigerung eines Baugrundes anhängig (15. November).

Die Forderungen sind 140.000,00 der EE und 4.685,00 vom GG.

Aufgrund der oben genannten Sachverhalte ersuche ich Sie die Entziehung des Gewerbes rückgängig zu machen!

Hochachtungsvoll

BB“

II.      Beweiswürdigung:

Die vorgenannten Sachverhaltsfeststellungen und auch der Verfahrensgang ergeben sich unzweifelhaft anhand der dem behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Akt einliegenden bezüglichen Schriftstücke.

Dieser maßgebliche Sachverhalt lag bereits aufgrund der Aktenlage ausreichend geklärt vor. Bereits die Akten haben erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Es waren Rechtsfragen von geringer Komplexität zu klären. Einem Entfall der mündlichen Verhandlung standen weder Artikel 6 Absatz 1 EMRK noch Artikel 47 GRC entgegen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wurde in der Beschwerde auch nicht beantragt.

III.     Rechtslage:

Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl Nr 194/1994 idF BGBl I Nr 65/2020:

㤠13

(3) Rechtsträger sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen, wenn

1.       das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben wurde und

2.       der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist.

Dies gilt auch, wenn ein mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde.

(7) Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgeblich Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Trifft auf die natürliche Person ein Ausschlussgrund gemäß Abs. 4 zu, ist der betreffende Rechtsträger nur von der Ausübung eines Gewerbes, das Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung beinhaltet, ausgeschlossen. Abs. 1 letzter Satz gilt sinngemäß.

9. Endigung und Ruhen der Gewerbeberechtigungen

§ 85

Die Gewerbeberechtigung endigt:

2.       mit Eintritt des Ausschlussgrundes gemäß § 13 Abs. 3 oder § 13 Abs. 5 erster Satz oder

§ 91

(2) Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.“

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBL I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 109/2021:

„4. Abschnitt

Erkenntnisse und Beschlüsse

Erkenntnisse

§ 28

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

                                                                                          

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist

…“

Im Übrigen wird auf die Internetseite ris.bka.gv.at (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes) verwiesen.

IV.      Erwägungen:

Inhaberin der hier gegenständlichen Gewerbeberechtigung ist die AA. Folgerichtig richtet sich der Entziehungsbescheid an diese Gesellschaft und ist auch eine entsprechende Zustellung erfolgt.

Für das Landesverwaltungsgericht Tirol erschließt sich in der Zusammenschau der beiden oben genannten Eingaben, dass damit Beschwerde gegen den vorliegenden Entziehungsbescheid vom 23.09.2021 erhoben wurde.

Vorab ist zu prüfen, ob die Beschwerde der AA oder Herrn BB zuzurechnen ist.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerde eine Prozesshandlung darstellt und für ihre Auslegung daher ausschließlich der objektive Erklärungswert maßgeblich ist, dh dass es lediglich auf die Erklärung des Willens und nicht auf den wahren Willen ankommt (vgl VwGH 30.09.1981, 81/03/0077 ua).

Aufgrund der Ausführungen in der vorliegenden Beschwerde (das Vorliegen einer Beschwerde ergibt sich in der Zusammenschau der beiden oben vollinhaltlich wiedergegebenen Eingaben vom 19.10.2021), dass diese Herrn BB und nicht der AA zuzurechnen ist. Es findet sich in beiden Schreiben kein Hinweis darauf, dass der Herr BB in Vertretung der Gesellschaft gehandelt hätte. Er verwendet weder Firmenpapier noch sind die beiden Eingaben firmenmäßig gezeichnet. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Herr BB in eigener Person gehandelt hat, nimmt er doch in beiden Eingaben auf sich selbst Bezug und unterfertigt diese auch selbst. In der Eingabe vom 19.10.2021, eingegangen am 21.10.2021, ist zudem darauf hingewiesen, dass die FA AA in keinster Weise involviert ist.

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinzuweisen, wonach die Behörde (das Verwaltungsgericht) in einem Zweifelsfall - aber auch nur in einem solchen - verpflichtet ist, sich über die Frage der Zurechnung einer Prozesshandlung Klarheit zu verschaffen (vgl hiezu das Erkenntnis des VwGH, verstärkter Senat vom 19.12.1984, Slg Nr 11625/A, und das Erkenntnis vom 23.06.1989, 88/17/0171).

Da die (zweiteilige) Beschwerde jedoch aufgrund des objektiven Erklärungswertes zweifelsfrei Herrn BB zurechnen ist, mussten zu dieser Frage keine weiteren Ermittlungen im Sinn des § 37 AVG iVm § 17 VwGVG angestellt werden (vgl VwGH vom 30.01.1996, 96/11/0145).

Herr BB ist handelsrechtlicher Geschäftsführer und Alleingesellschafter der hier in Rede stehenden Gesellschaft. Als solchen kommt ihm im vorliegenden Verfahren betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung der GmbH gemäß § 91 Abs 2 Gewerbeordnung 1994 keine Parteistellung zu. Der Bescheid der belangten Behörde ist nur an die GmbH als Gewerbetreibende (Gewerbeinhaberin) ergangen und greift nur in die Rechtsphäre derselben und zwar durch die Entziehung der Gewerbeberechtigung ein. Als Geschäftsführer der GmbH und Alleingesellschafter kommt Herrn BB keine Parteistellung zu, da ihm kein aus den gewerberechtlichen Vorschriften ableitbares rechtliches Interesse zukommt (vgl VwGH 01.02.2005, 2003/04/0078).

Im Ergebnis geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die vorliegende Beschwerde Herrn BB persönlich zuzurechnen und nicht der von der Gewerbeentziehung alleine betroffenen Gesellschaft. Die Beschwerde ist daher nicht zulässig.

Sofern man zum Ergebnis kommen würde, die Beschwerde der AA zuzurechnen, würde sich an der Entscheidung nichts ändern:

Wie bereits dargelegt, wurde über Herrn BB das Konkursverfahren mangels kostendeckendem Vermögens nicht eröffnet. Deshalb ist er von der Ausübung als Gewerbetreibender ausgeschlossen (§ 13 Abs 3 Z 1 GewO 1994).

Da er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und Alleingesellschafter maßgebenden Einfluss auf den Betrieb und die Geschäfte der gegenständlichen Gesellschaft ausübt, ist auch die hier in Rede stehende Gesellschaft von diesem Ausschließungsgrund betroffen (§ 13 Abs 7 iVm § 91 Abs 2 und § 85 Z 2 GewO 1994).

Deshalb war der Gesellschaft die Gewerbeberechtigung zu entziehen, nachdem die binnen 8 Wochen zu treffenden Veranlassungen (vgl die Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 05.05.2021) – bis jetzt nicht - nicht getroffen wurden.

Abschließend ist zu erwähnen, dass die Gewerbebehörde bei Anwendung des § 91 Abs 2 GewO 1994 nicht zu prüfen hat, ob - bezogen auf die Person, der ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht – die Tatbestände des § 26 GewO 1994 (Nachsicht) gegeben sind (vgl VwGH 24.06.2015, Ro 2014/04/0038).

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Ing. Mag. Peinstingl

(Richter)

Schlagworte

maßgebender Einfluss
Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens
kostendeckendes Vermögen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.32.2938.1

Zuletzt aktualisiert am

13.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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