TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/15 96/05/0149

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Veröffentlicht am 15.10.1996
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
AVG §13a;
AVG §39 Abs2;
AVG §41 Abs1;
AVG §41;
AVG §42 Abs1;
AVG §42;
AVG §8;
AVG §9;
BauO OÖ 1976 §46 Abs1 impl;
BauO OÖ 1994 §31 Abs1;
BauO OÖ 1994 §31 Abs5;
BauO OÖ 1994 §33;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der B-GesmbH in P, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Jänner 1996, Zl. BauR - 011601/1 - 1995 Gr/Ge, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. SH und 2. MH, beide in P, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, 3. Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bauansuchen vom 7. März 1995 beantragte die Beschwerdeführerin die Baubewilligung für die Errichtung eines Dreifamilien-Wohnhauses auf dem laut Flächenwidmungsplan im erweiterten Wohngebiet (EW) mit Bauplatzerklärungsbescheid vom 29. März 1994 geschaffenen Baugrundstück Nr. 441/8, KG P. In diesem Bauansuchen waren die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei als Grundstücksanrainer nicht angegeben.

Die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei sind (Mit-)Eigentümer der Grundstücke Nr. 438 und 439, KG P, sowie des Grundstückes Nr. 1955/2, KG A, auf welchen der Firma S-Gesellschaft mbH mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 27. September 1991 die gewerberechtliche Genehmigung zur Änderung der bestehenden Sägewerksbetriebsanlage durch die Errichtung einer Rundholzzubringer-, Entrindungs-, Meß- und Sortieranlage gemäß §§ 74, 77 und 81 Gewerbeordnung 1973 in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 27 des Arbeitnehmerschutzgesetzes erteilt worden ist. Diese Grundstücke befinden sich 140 m vom vorerwähnten Grundstück Nr. 441/8 entfernt.

Zur mündlichen Verhandlung vom 24. März 1995 wurden die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei persönlich nicht geladen. Die Anberaumung der Bauverhandlung wurde durch Anschlag in der Gemeinde P unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG kundgemacht.

Die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei sind zur Verhandlung nicht erschienen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der drittmitbeteiligten Partei vom 28. März 1995 wurde der Beschwerdeführerin antragsgemäß die Baubewilligung unter Auflagen erteilt. Dieser Bescheid wurde den der Baubehörde bekannten Parteien am 29. bzw. 30. März 1995 zugestellt.

In dem am 10. April 1995 beim Bürgermeister der drittmitbeteiligten Partei eingelangten Schriftsatz führen die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei sowie die S-Gesellschaft mbH aus, der Baubewilligungsbescheid sei ihnen nicht zugestellt worden. Bei der Verbauung des Grundstückes Nr. 441/8, KG P, handle es sich um einen Neubau eines bisher unbebauten Grundstückes. Die von der S-Gesellschaft mbH auf den Grundstücken der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei betriebene Rundholzsortieranlage, Sägewerksanlage und Schnittholz-Sortier- und Stapelanlage erzeuge Immissionen, die aufgrund der rechtskräftigen Betriebsanlagenbescheide zulässig seien. In einer Immissionsmessung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz, vom 23. Juli 1992, die dem Bürgermeister der drittmitbeteiligten Partei bekanntgegeben worden sei, sei angeführt, daß die betriebsspezifischen Lärmimmissionen am Meßpunkt 2 höher als am Meßpunkt 1 seien und rein subjektiv die Spitzenpegel bei der Stapelanlage ähnlich wie Schüsse wahrgenommen würden. Dieser Meßpunkt befinde sich auf dem Grundstück Nr. 441/2 in geringer Entfernung von dem Grundstück Nr. 441/8, sodaß zu erwarten sei, daß auch auf dem Grundstück Nr. 441/8 die von der obzitierten Anlage ausgehenden zulässigen Immissionen derart empfunden würden. Damit seien aber die Grundeigentümer und die Betreiber des Sägewerks S Nachbarn im Sinne des § 31 Abs. 1 der OÖ. Bauordnung 1994, weil sie durch das Bauvorhaben im Sinne des § 31 Abs. 5 leg. cit. voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden könnten. Somit seien sie übergangene Parteien im Sinne des § 33 der OÖ. Bauordnung 1994 und des § 37 AVG. Die Jahresfrist des erstzitierten Paragraphen sei offen, zumal mit der Bauausführung noch nicht begonnen worden sei. Um Einwendungen im Sinne des § 31 Abs. 1 und 5 der OÖ. Bauordnung 1994 im Wege der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der drittmitbeteiligten Partei vom 28. März 1995 erheben zu können, beantragten die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei sowie die S-Gesellschaft mbH die Zustellung dieses Baubewilligungsbescheides und erstatteten "im Hinblick auf die Sonderbestimmung des § 33 OÖ. BauO" Einwendungen wie folgt:

Das gegenständliche Bauvorhaben verletze gesundheitliche Belange und Prinzipien des Immissionsschutzes. Die von der Stapelanlage des Sägewerksbetriebes ausgehenden Lärmimmissionen, die wie Schüsse wahrgenommen würden, seien ohne Zweifel auf die Dauer gesundheitsgefährdend. Die errichtete Lärmschutzwand an der westlichen Grenze des Betriebsgeländes verhindere diese Schallimmissionen nicht, da der Schall sich nordwestlich der Betriebsanlage in Richtung des Grundstückes Nr. 441/8 ausdehne. Schallschutzmaßnahmen auf dem zu bebauenden Grundstück Nr. 441/8 seien nicht vorgesehen. Eine derartige gesundheitsgefährdende Lärmimmission aus rechtskräftig bewilligten Anlagen rechtfertige daher die Erteilung der Baubewilligung nicht. Es werde die Aufhebung des Baubewilligungsbescheides und nach Durchführung der beantragten ergänzenden Sachverhaltsermittlung die Versagung der beantragten Baubewilligung beantragt.

In dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt befindet sich ein Schreiben des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz, vom 28. Februar 1994 betreffend ein Grundteilungsansuchen bezüglich der Grundstücke Nr. 441/8 bis 441/13, KG P, gerichtet an das Baubezirksamt Ried im Innkreis. In diesem Schreiben wird auf eine Lärmmessung und die Errichtung einer Lärmschutzwand verwiesen und u.a. ausgeführt:

"Zusammenfassend wird erwähnt, daß auf den Parzellen Nr. 441/8 bis 441/14 eine Minderung der Wohnqualität, bedingt durch die errichtete Lärmschutzwand, nicht zu erwarten ist."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der drittmitbeteiligten Partei vom 20. April 1995 wurde unter Spruchpunkt I der Antrag der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei sowie der S-Gesellschaft mbH auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides vom 28. März 1995 abgewiesen und unter Spruchpunkt II wurden die Einwendungen der Antragsteller gegen das Baubewilligungsansuchen der Beschwerdeführerin vom 7. März 1995 abgewiesen. Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt wurde begründend hiezu ausgeführt, die Behauptung der Grundeigentümer und Betreiber des Sägewerks, sie seien Nachbarn im Sinne der OÖ. Bauordnung 1994, weil sie durch das bewilligte Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden könnten, ließen eine Begründung hiefür gänzlich vermissen. Die Antragsteller wären im Sinne des § 31 Abs. 5 OÖ. Bauordnung 1994 verpflichtet gewesen, entsprechende Nachweise ihrer Parteistellung zu erbringen. Auch eine amtswegige Prüfung ergebe anhand der Aktenlage kein anderes Ergebnis. Die Immissionsmessung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1992 habe sich auf die Frage bezogen, ob für die Parzelle Nr. 435/1 eine Wohngebietswidmung möglich sei, obwohl das Betriebsbaugebiet der Antragsteller lediglich rund 100 m davon entfernt gelegen sei. Beim Meßpunkt 2 sei eine Lärmimmission von 50 dB und eine betriebsspezifische Spitzenpegelimmission von 57 dB festgestellt worden. Im Rahmen des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Bauplatzbewilligungsverfahrens sei jedoch eine Stellungnahme der Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Februar 1994 eingeholt worden. Darin käme der immissionstechnische Sachverständige zum Ergebnis, daß auf der gegenständlichen Parzelle Nr. 441/8 eine Minderung der Wohnqualität in Anbetracht der errichteten Lärmschutzwand nicht zu erwarten sei. Wenn durch den Betrieb der Drittantragstellerin (Betriebsanlagenbetreiberin) nicht einmal die Wohnqualität auf dem zu bebauenden Grundstück leide, so sei die in den Einwendungen vom 7. April 1995 behauptete Gesundheitsgefährdung der Bewohner des bewilligten Objektes völlig ausgeschlossen. Mangels Parteistellung der Antragsteller hätten die Einwendungen vom 7. April 1995 als unzulässig zurückgewiesen werden können. Dadurch, daß sich die Baubehörde aber in der Sache selbst mit diesen auseinandergesetzt und abgewiesen habe, könnten die Antragsteller in ihren Verfahrensrechten nicht verletzt sein. Aus diesen Gründen seien daher die Anträge abzuweisen gewesen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der drittmitbeteiligten Partei vom 24. Oktober 1995 wurde die dagegen erhobene Berufung der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei sowie der S-Gesellschaft mbH abgewiesen. Eine Parteistellung der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei im Baubewilligungsverfahren sei deshalb nicht gegeben, weil sie nicht Nachbarn im Sinne des § 31 OÖ. Bauordnung 1994 seien. Sie würden in ihren subjektiven Rechten nicht beeinträchtigt, wie dies aus der Immissionsmessung der Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Februar 1994 ersichtlich sei. Daraus ergebe sich, daß die Vorschreibung weiterer Auflagen zur Errichtung bzw. Herstellung von Lärmschutzmaßnahmen entgegen den Ausführungen der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei nicht zu befürchten sei. Ob die S-Gesellschaft mbH eine Betriebsbewilligung besitze, sei aus den vorgelegten Urkunden nicht ersichtlich. Die Baubehörde sei daher nicht in der Lage, die Zulässigkeit der davon ausgehenden Immissionen im Sinne des § 31 Abs. 5 vorletzter Satz OÖ. Bauordnung 1994 zu prüfen. Eine amtswegige Prüfung verbiete sich, weil nach dem letzten Satz der genannten Bestimmung in diesem Fall der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen habe, d.h. durch Vorlage des Betriebsbewilligungsbescheides. Dieser gesetzlichen Verpflichtung seien die Antragsteller aber auch im zweitinstanzlichen Verfahren nicht nachgekommen.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Jänner 1996 wurde die gegen den Bescheid des Gemeinderates der drittmitbeteiligten Partei vom 24. Oktober 1995 erhobene Vorstellung der S-Gesellschaft mbH als unzulässig zurückgewiesen, der Vorstellung der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei hingegen mit der Feststellung Folge gegeben, daß die Einschreiter durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt werden. Der bekämpfte Bescheid wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde P zurückverwiesen. Als Nachbar im Sinne des § 31 Abs. 1 der OÖ. Bauordnung 1994 kämen nur (Mit-)Eigentümer von Grundstücken in Frage. Dies gelte prinzipiell auch für die in Abs. 5 leg. cit. angesprochenen "Immissionen von einer bestehenden benachbarten baulichen Anlage", sei doch im letzten Satz dieser Gesetzesbestimmung ausdrücklich davon die Rede, daß "der Nachbar (dieser muß gemäß Abs. 1 leg. cit. jedenfalls auch (Mit-)Eigentümer eines Grundstückes sein) die entsprechenden Nachweise beizubringen hat". Die S-Gesellschaft mbH sei nicht (Mit-)Eigentümerin der zur Begründung der Parteistellung ins Treffen geführten Grundstücke. Die erst- und die zweitmitbeteiligten Parteien hätten sämtliche zur Begründung der Nachbarparteistellung nach § 31 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 der OÖ. Bauordnung 1994 geforderten Tatbestandsmerkmale erfüllt und wären daher die Gemeindebehörden verpflichtet gewesen, diesen die Parteistellung in dem das Grundstück Nr. 441/8 der KG P betreffenden Bauverfahren einzuräumen, ihnen den Baubewilligungsbescheid zuzustellen und im Bauverfahren die eingewendeten Betriebsimmissionen entsprechend zu würdigen. Die im § 31 Abs. 5 OÖ Bauordnung 1994 geforderten "Nachweise" müßten nicht schon in einem Verfahren betreffend die Zuerkennung der Parteistellung, sondern erst (von der anerkannten Partei) im Baubewilligungsverfahren beigebracht werden. Erst in diesem sei über die Begründetheit der gegen ein Bauvorhaben vorgebrachten Nachbareinwendungen abzusprechen, was nichts anderes bedeute, als daß ein im Sinne des § 31 Abs. 5 leg. cit. zulässiger Einwand im Bauverfahren selbst auf seine Berechtigung hin zu überprüfen sei. Ergebe sich dann bei dieser Überprüfung im Bauverfahren etwa, daß ein zulässiger "Immissionseinwand" auch berechtigt sei, so wäre das benachbarte Bauvorhaben nur unter diversen Vorschreibungen zulässig. Gegebenenfalls wäre die Baubewilligung sogar zu versagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Baubewilligung verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Nachbar im Sinne des § 31 Abs. 5 der OÖ. Bauordnung 1994 sei nur der Betriebsanlagenbetreiber, nicht aber der bloße (Mit-)Eigentümer des Grundstückes, auf dem die Betriebsanlage errichtet ist und betrieben wird. Die Rechtsansicht der belangten Behörde würde dazu führen, daß jeweils die Grundstückseigentümer Einwendungen erheben müßten, um den Anlagenbetreiber vor Nachteilen durch eine heranrückende Wohnbebauung zu schützen; dies sei insbesondere dann nicht einzusehen, wenn etwa das Grundstück von den Eigentümern verpachtet worden sei, darauf ein Baurecht bestehe und es sich bei der Anlage um ein Superädifikat handle. Der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei komme sohin eine Parteistellung im gegenständlichen Verfahren schon aus diesem Grunde nicht zu. Hinzu käme, daß der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen habe, daß die Immissionen aufgrund rechtskräftiger Bescheide zulässig seien. Dies hätten die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei unterlassen. Überdies seien nach § 31 Abs. 5 OÖ. Bauordnung 1994 nur solche Einwendungen zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht würden, die von einer bestehenden benachbarten Anlage ausgehen UND auf das geplante Bauvorhaben einwirkten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den gegenständlichen Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der hier anzuwendenden OÖ. Bauordnung 1994 (BO) haben folgenden Wortlaut:

"§ 24

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung) bedürfen:

1. Der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;

...

§ 28

Baubewilligungsantrag

...

(2) Dem Antrag auf Baubewilligung sind anzuschließen:

...

3. Ein Verzeichnis der Nachbargrundstücke und Nachbarn (§ 31 Abs. 1);

...

§ 31

Einwendungen der Nachbarn

(1) Nachbarn sind die Eigentümer (Miteigentümer) der Grundstücke, die unmittelbar an jene Grundstücke angrenzen, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, und darüber hinaus jene Grundeigentümer, die durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern gleichgestellt.

...

(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

(5) Bei Neubauten auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) sind auch Einwendungen zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten Anlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Dies gilt jedoch nur für Immissionen, die aufgrund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind. In diesem Fall hat der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen.

...

§ 32

Bauverhandlung

(1) Wird der Antrag nicht gemäß § 30 zurückgewiesen oder abgewiesen, hat die Baubehörde über jeden Baubewilligungsantrag nach § 28 eine mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbindende mündliche Verhandlung (Bauverhandlung) gemäß den §§ 40 ff. AVG durchzuführen, der mindestens ein Bausachverständiger beizuziehen ist. Zur Bauverhandlung sind jedenfalls die Parteien (insbesondere der Bauwerber, die Nachbarn einschließlich jener Miteigentümer, die im Sinn des § 31 Abs. 2 als Nachbarn gelten, und sofern es sich nicht um bauliche Anlagen handelt, die keine regelmäßige Verbindung mit öffentlichen Straßen erhalten, die zuständige Straßenverwaltung), der Planverfasser und der Bauführer, wenn er bereits bestimmt ist, zu laden. Die Ladung kann auch für bekannte Beteiligte durch Anschlag der Kundmachung in den betroffenen Häusern an einer den Hausbewohnern zugänglichen Stelle (Hausflur) erfolgen; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden.

...

§ 33

Übergangene Parteien

Nachbarn, die im Widerspruch zu § 32 Abs. 1 nicht zur mündlichen Bauverhandlung geladen wurden und die auch bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens ohne ihr Verschulden Einwendungen nicht vorgebracht haben (übergangene Parteien), können nur innerhalb eines Jahres nachträgliche Einwendungen gegen das Bauvorhaben bei der bescheiderlassenden Behörde erheben. Die Frist bemißt sich ab dem Zeitpunkt des Beginns der Bauausführung (§ 39 Abs. 1) des gegenüber den anderen Verfahrensparteien rechtskräftig bewilligten Bauvorhabens.

...

§ 39

Beginn der Bauausführung, Planabweichungen

(1) Mit der Ausführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens darf erst nach dem Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides - im Fall der Einbringung einer Vorstellung (Art. 119a Abs. 5 B-VG) gegen diesen Bescheid erst nach rechtskräftigem Abschluß des Vorstellungsverfahrens - begonnen werden. Als Zeitpunkt des Beginns der Bauausführung gilt der Tag, an dem mit Erd- und Bauarbeiten zur Verwirklichung des Bauvorhabens begonnen wird."

In ihrem am 10. April 1995 bei der Baubehörde erster Instanz eingelangten, mit Einwendungen verbundenen Antrag auf Zustellung des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides behaupten die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei, welche am Baubewilligungsverfahren nicht teilgenommen haben, gestützt auf § 31 Abs. 5 BO, Parteistellung in diesem Verfahren. Ob ein Nachbar in einem Baubewilligungsverfahren als übergangen anzusehen ist, kann erst beurteilt werden, wenn feststeht, ob ihm tatsächlich Parteistellung zukommt. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung bestimmt sich hiebei nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Hiefür kommen in der Hauptsache Normen des materiellen Verwaltungsrechtes, aber auch Vorschriften des speziellen Verfahrensrechtes in Betracht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg.Nr. 9.994/A). Gemäß § 31 Abs. 1 BO sind Parteistellung genießende Nachbarn auch jene Grundeigentümer, die durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Den Eigentümern jener Grundstücke, die nicht unmittelbar an das Grundstück des Bauwerbers angrenzen, kommt somit Parteistellung im Baubewilligungsverfahren dann zu, wenn sie durch das Bauvorhaben "voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können". Das Wort "voraussichtlich" bedeutet in diesem Zusammenhang, daß im Verfahren im voraus, also vor Verwirklichung des Vorhabens, beurteilt werden muß, ob eine Beeinträchtigung der Nachbarn möglich ist. Dies hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles, insbesondere auch davon ab, mit welchen Auswirkungen von einem bestimmten Vorhaben zu rechnen ist (vgl. hiezu das zur insoweit gleichen Rechtslage des § 46 Abs. 1 der OÖ. Bauordnung 1976 ergangene hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 92/05/0125). Bei der Frage, ob im Hinblick auf die Bestimmung des § 31 Abs. 1 BO Grundstückseigentümer als Nachbarn dem Baubewilligungsverfahren beizuziehen sind, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die in manchen Fällen klar, in anderen Fällen, wie auch dem vorliegenden, nicht so ohne weiteres zu beantworten ist. Parteistellung kommt daher einem Nachbarn gemäß § 31 Abs. 1 BO jedenfalls dann zu, wenn seine Rechte durch den Bescheid berührt werden können. Maßgebend ist allein die Möglichkeit einer Verletzung der dem Nachbarn zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte. Nicht maßgebend ist für die Parteistellung, ob nachteilige Einwirkungen auch tatsächlich eintreten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/05/0003). Die subjektiven Rechte, die dem Nachbarn im Falle der Möglichkeit ihrer Beeinträchtigung eine Parteistellung gemäß § 31 Abs. 1 BO im Baubewilligungsverfahren gewähren, wurden gegenüber der OÖ. Bauordnung 1976 im Abs. 5 des § 31 BO dahingehend erweitert, daß nunmehr auch bei Neubauten auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) Einwendungen zu berücksichtigen sind, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten Anlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Im § 31 Abs. 5 BO wurde - entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung - nicht der Nachbarbegriff anders als im Abs. 1 dieser Gesetzesstelle umschrieben, sondern die Möglichkeit des Nachbarn zur Erhebung öffentlich-rechtlicher Einwendungen, die im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen sind (vgl. hiezu § 37 Abs 2 BO), erweitert. Dies ergibt sich auch aus dem letzten Satz des § 31 Abs. 5 BO, welcher den Nachbarbegriff nicht neu definiert, sondern voraussetzt. Eine auf § 31 Abs. 5 BO gestützte Einwendung kann daher - vom unmittelbar angrenzenden Nachbarn abgesehen - nur von jenen Grundeigentümern erhoben werden, auf deren Grundstücken sich eine Anlage befindet, von der Immissionen ausgehen. Ein vom Grundeigentümer verschiedener Anlagenbetreiber ist somit - vom Baurechtsinhaber abgesehen - kein Nachbar im Sinne des § 31 BO. Für die Zuerkennung der Parteistellung eines Nachbarn, der sich auf das im § 31 Abs. 5 BO gewährleistete subjektiv-öffentliche Recht stützt, gilt ebenso, daß die Möglichkeit einer Verletzung des von ihm behaupteten Rechtes gegeben ist. Ausgehend davon vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Annahme der belangten Behörde, der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei komme im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren Parteistellung zu, keine Rechtswidrigkeit zu erblicken, haben diese doch in ihrem Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides der Baubehörde erster Instanz vom 28. März 1995 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 Abs. 5 BO nicht nur behauptet, sondern durch Vorlage von Urkunden, insbesondere mehrerer Betriebsanlagengenehmigungsbescheide und den Nachweis über mögliche Lärmimmissionseinwirkungen auf das zu bebauende Grundstück durch die auf den Grundstücken der erst- und zweitmitbeteiligten Partei - wie in ihrem Antrag behauptet - betriebene Anlage als möglich bescheinigt. Ob die behaupteten Immissionen tatsächlich auf das geplante Bauvorhaben einwirken, ist bei Prüfung der Parteistellung des Nachbarn noch nicht maßgebend. Diese Frage ist erst im Baubewilligungsverfahren unter Beiziehung der Nachbarn zu klären, wobei im Fall des § 31 Abs. 5 BO nur diejenigen Immissionen beachtlich sind, die aufgrund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind. An diesem Ergebnis ändert auch nichts der letzte Satz der vorzitierten Gesetzesstelle, wonach der Nachbar für die von ihm erhobenen Einwendungen die entsprechenden Nachweise beizubringen hat. Diese Bestimmung legt dem Nachbarn eine vom allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsverfahrens abweichende formelle Beweislast auf (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. April 1985, Slg.Nr. 11.760/A). Diese vom Gesetzgeber dem Nachbarn auferlegte Verpflichtung, bestimmte Beweise zu erbringen, ist entgegen der von der Berufungsbehörde vertretenen Rechtsauffassung nicht auf den für Einwendungen vorgesehenen Zeitraum begrenzt, vielmehr können die entsprechenden Nachweise der Behörde - wie auch andere Beweismittel - bis zur Erlassung des Bescheides unter Beachtung der Verfahrensgrundsätze für das Ermittlungsverfahren (siehe insbesondere § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG) an die Hand gegeben werden. Auf die Verpflichtung zur Beibringung der entsprechenden Nachweise hat die Behörde hinzuweisen (vgl. hiezu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsrechtes, 6. Auflage, Rz. 320, S. 131).

Die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei behaupten in ihrem der Beschwerde zugrunde liegenden Antrag, "übergangene Parteien" zu sein. § 33 BO definiert übergangene Parteien als Nachbarn, die im Widerspruch zu § 32 Abs. 1 nicht zur mündlichen Bauverhandlung geladen wurden und die auch bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens ohne ihr Verschulden Einwendungen nicht vorgebracht haben. Solche Parteien können nur innerhalb eines Jahres ab Beginn der Bauausführung nachträgliche Einwendungen gegen das Bauvorhaben bei der bescheiderlassenden Behörde erheben. Zu dieser Gesetzesstelle wird im Ausschußbericht zum kurzschriftlichen Bericht des oberösterreichischen Landtages zur OÖ. Bauordnung 1994, XIV. GP, Blg. 434/1994 (AB), ausgeführt:

"Nach geltender Gesetzeslage kann ein bekannter Nachbar, der - aus welchen Gründen immer - zur Bauverhandlung nicht geladen war und dem kein Baubewilligungsbescheid zugestellt wurde, die nachträgliche (fristgemäß nicht begrenzte) Zustellung des Bescheides begehren und dagegen Berufung erheben. Im Interesse des Schutzes des mit dem Baubewilligungsbescheid erworbenen Rechtes auf Bauführung ist es geboten und sachlich gerechtfertigt, das jetzt unbeschränkte Recht des (übergangenen) Nachbarn auf eine Frist von einem Jahr ab der aufgrund der rechtskräftigen Baubewilligung begonnenen Bauausführung (Baubeginn) einzuschränken. Durch diese Bestimmung werden die im AVG vorgesehenen Präklusionsfolgen nicht beeinträchtigt; vielmehr soll durch diese Regelung nur erreicht werden, daß (übergangene) Nachbarn nach Ablauf der normierten Frist keine Einwendungen mehr gegen das schon realisierte "Projekt" vorbringen können."

Für Nachbarn im Sinne des § 31 BO, auf welche die kumulativ geforderten Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 leg. cit. zutreffen ("Die im Widerspruch zu § 32 Abs. 1 nicht zur mündlichen Bauverhandlung geladen wurden UND die auch bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens ohne ihr Verschulden Einwendungen nicht vorgebracht haben."), wurden somit die der "übergangenen Partei" grundsätzlich zustehenden, zeitlich nicht begrenzten Parteienrechte insoweit eingeschränkt, als diese Übergangenen nunmehr nur innerhalb eines Jahres die im § 42 Abs. 1 AVG angeordnete Präklusionswirkung durch nachträgliches Erheben von Einwendungen gegen das Bauvorhaben bei der bescheiderlassenden Behörde aufheben können. Nur wenn diese nachträglichen Einwendungen rechtzeitig bei der bescheiderlassenden Behörde eingebracht worden sind, können sie Berücksichtigung finden. Im übrigen hat die Regelung des § 33 BO an der Parteistellung der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nichts geändert. Aufgrund der Einwendungen der übergangenen Partei im Sinne des § 33 BO hat die bescheiderlassende Behörde zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung der subjektiven Rechte des Betreffenden möglich ist, d.h. ob ihm tatsächlich Parteistellung zukommt, und bejahendenfalls der übergangenen Partei - sofern dies noch nicht geschehen ist - auch ohne ausdrücklichen Antrag derselben den ihr gegenüber noch nicht erlassenen Bescheid zuzustellen, da selbst Parteien, die keine Einwendungen erhoben haben, das Recht auf Zustellung des Bescheides zusteht (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1960, Slg.Nr. 3.845, sowie das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1975, Slg.Nr. 8903/A). Gegen diesen Bescheid steht der übergangenen Partei im Umfang ihrer nachträglich erhobenen Einwendungen - sofern es sich nicht um einen letztinstanzlichen Bescheid handelt - das Berufungsrecht zu. Insoweit keine Einwendungen erhoben worden sind, ist die Partei präkludiert; dies haben sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu berücksichtigen (vgl. hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, S. 95). Es bleibt somit auch im Geltungsbereich des § 33 BO mit Ausnahme der zeitlichen Befristung der nachträglich bei der bescheiderlassenden Behörde zu erhebenden Einwendungen gegen das Bauvorhaben unter den dort näher umschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen bei den für die übergangene Partei im allgemeinen geltenden Grundsätzen. Demnach kann der übergangene Nachbar nach Abschluß des Verfahrens durch Erlassung des Bescheides der Baubehörde an die im Baubewilligungsverfahren beteiligten anderen Parteien jedenfalls auch einen Antrag auf Zustellung dieses Bescheides stellen und dagegen berufen. Hinsichtlich seiner erhobenen Einwendungen steht ihm - von der Geltendmachung allfälliger fehlender Prozeßvoraussetzungen wie z.B. Unzuständigkeit der Baubehörde und mangelnde Partei- oder Handlungsfähigkeit des Bauwerbers abgesehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg.Nr. 10.317/A) - ein Rechtsanspruch auf Überprüfung des unterinstanzlichen Bescheides zu (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0294).

Die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG können für übergangene Parteien nur dann nicht eintreten, wenn sie im Widerspruch zu § 32 Abs. 1 BO nicht zur mündlichen Bauverhandlung geladen wurden (vgl. § 33 BO). § 32 Abs. 1 BO verweist bezüglich der für die Durchführung der Bauverhandlung maßgeblichen Rechtsvorschriften auf die §§ 40 ff AVG.

Gemäß § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen und wird nach Bedarf überdies noch durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekannt gemacht. Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekannt gemacht, so hat dies gemäß § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen. Gemäß § 42 Abs. 2 AVG erstreckt sich im Fall einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung die im § 42 Abs. 1 AVG bezeichnete Rechtsfolge bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

Die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG treten somit immer nur ein, wenn ein bekannter Beteiligter unter Hinweis auf diese Folgen persönlich geladen wurde oder nichtbekannten Beteiligten gegenüber eine ordnungsgemäße Kundmachung der Anberaumung der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen erfolgte.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist zu entnehmen, daß die mündliche Bauverhandlung gemäß § 41 AVG durch Anschlag in der Gemeinde erfolgt ist. Die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG sind daher gegenüber der erst- und zweitmitbeteiligten Partei dann nicht eingetreten, wenn sie bekannte Beteiligte im Sinne des § 41 Abs. 1 AVG waren. Diese Frage wurde weder von den Baubehörden noch von der Vorstellungsbehörde erörtert. Dem Vorbringen der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei in ihrem Antrag vom 10. April 1995 läßt sich entnehmen, daß sie offenkundig davon ausgehen, bekannte Beteiligte zu sein. Die Klärung dieser Frage ist jedoch deshalb von entscheidungswesentlicher Bedeutung, weil die Präklusion auch dann eintritt, wenn eine nicht persönlich zu ladende Partei ordnungsgemäß durch öffentliche Kundmachung zur Verhandlung geladen wurde, aber keine Einwendungen - aus welchem Grund immer - erhoben hat (vgl hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/07/0028, mwN). Das im § 41 Abs. 1 AVG umschriebene Tatbestandsmerkmal der "bekannten Beteiligten", für die eine persönliche Ladung erforderlich ist, trifft nicht nur auf solche Beteiligte zu, die in der den Gegenstand der Verhandlung bildenden Angelegenheit die Tätigkeit der Behörde in Anspruch genommen haben. Vielmehr obliegt es der Behörde, zu dem angeführten Zweck unter Bedachtnahme auf die Rechtslage anhand der ihr zugänglichen Unterlagen zu prüfen, auf welche Personen im konkreten Rechtsfall das bezogene Tatbestandsmerkmal des § 41 AVG zutrifft (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1976, Slg.Nr. 9.060/A, und vom 26. Juni 1990, Zl. 89/05/0210). Das vom Bauwerber vorgelegte Anrainerverzeichnis ist von der Behörde somit auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen und hat die Behörde von Amts wegen dafür Sorge zu tragen, daß sämtliche Parteien der Verhandlung beigezogen werden (vgl. hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Anm. 4 zu § 41 AVG, S. 272).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag derzeit aufgrund der vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu beurteilen, ob die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei bekannte Beteiligte im Sinne der obigen Ausführungen sind. Die Baubehörde erster Instanz hat aufgrund des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Anrainerverzeichnisses, in welchem die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei nicht enthalten sind, und aufgrund des dem Einreichplan beigelegten Lageplanes, dem die im Antrag der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei vom 10. April 1995 angeführten Grundstücke Nr. 438, 439, KG P, und Nr. 1955/2, KG A, nicht zu entnehmen sind, die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei zur mündlichen Bauverhandlung nicht persönlich geladen. Die Baubehörde erster Instanz war im Zeitpunkt der Kundmachung offenkundig auch in Kenntnis der im Verwaltungsakt erliegenden Mitteilung der Abteilung Umweltschutz, Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, vom 28. Februar 1994, welche sich nicht auf das der Beschwerde zugrundeliegende Baubewilligungsverfahren bezieht. Dieser Urkunde kann zwar entnommen werden, daß für das zu bebauende Grundstück Nr. 441/8 der Beschwerdeführerin eine "Minderung der Wohnqualität, bedingt durch die errichtete Lärmschutzwand, nicht zu erwarten ist". Mangels gesicherter Feststellungen durch die Baubehörden kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob sich diese Aussage (auch) auf von den Grundstücken der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei ausgehende Immissionen bezogen hat, und daher die Baubehörde erster Instanz davon ausgehen durfte, daß aufgrund der ihr vorliegenden und zugänglichen Urkunden keine Auswirkungen auf das zu bebauende Grundstück durch die bestehende Sägewerksanlage zu erwarten sind.

In den tragenden Gründen des den Berufungsbescheid aufhebenden angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde, ausgehend von der zutreffend erkannten Rechtsansicht, der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei komme im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren Parteistellung zu, "den Gemeindebaubehörden" aufgetragen, den Baubewilligungsbescheid der Baubehörde erster Instanz vom 28. März 1995 zuzustellen und "im Bauverfahren die eingewendeten Betriebsimmissionen entsprechend zu würdigen". Der erteilte "Auftrag" war aber - wie dargelegt - jedenfalls im Hinblick darauf rechtswidrig, daß zu der Frage, ob die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei bekannte Beteiligte im Sinne des § 41 Abs. 1 AVG sind, keine entsprechenden Feststellungen getroffen worden sind. Allenfalls stellt sich sodann die Frage der Präklusion.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Rechtsfähigkeit ParteifähigkeitBaurecht Nachbar übergangenerHandlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050149.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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