TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/25 W250 2168322-13

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Veröffentlicht am 25.11.2021
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Entscheidungsdatum

25.11.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2

Spruch


W250 2168322-13/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2021, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 03.04.2021 bis 19.04.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2021, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 03.04.2021 bis 19.04.2021 werden für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 767,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt unrechtmäßig nach Österreich ein und wurde am 28.05.2017 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Besitz von Cannabiskraut aufgegriffen. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als belangte Behörde oder BFA bezeichnet) am 28.05.2017 gab der BF an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und Staatsangehöriger Libyens zu sein.

Im Zuge dieser Einvernahme stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit rechtskräftigem Urteil des zuständigen Landesgerichtes vom 22.06.2017 wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz – SMG sowie gemäß § 27 Abs. 2a SMG in Verbindung mit § 15 Strafgesetzbuch – StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Die dieser Verurteilung zu Grunde liegende letzte Tat hat der BF am 31.05.2017 begangen.

3. Das BFA stellte mit Aktenvermerk vom 29.06.2017 das Asylverfahren des BF ein, da er bereits am 31.05.2017 von der Grundversorgung abgemeldet wurde, nachdem er mehr als 48 Stunden aus dem Grundversorgungsquartier abgängig und sein Aufenthaltsort unbekannt war. Über eine Meldeadresse verfügte der BF nicht.

4. Am 05.07.2017 wurde der BF neuerlich von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und am 06.07.2017 vom Bundesamt zu seinem Asylantrag befragt. Dabei nannte der BF abermals seine am 28.05.2017 bekannt gegebenen Identitätsdaten, konnte jedoch grundlegende Fragen im Zusammenhang mit Libyen nicht beantworten. Nach Beendigung der Einvernahme wurde die Anhaltung beendet und der BF entlassen.

5. Am 25.07.2017 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Besitz von Suchtgiften aufgegriffen, festgenommen und dem Bundesamt zur Einvernahme vorgeführt. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.07.2017 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.08.2017 abgewiesen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.08.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 28.05.2017 vollinhaltlich abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Gleichzeitig wurde ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gegen diesen Bescheid erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht behob den angefochtenen Bescheid mit Beschluss vom 31.08.2017 und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurück. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Bundesamt zur Feststellung des Herkunftsstaates des BF auf ein Sprachgutachten gestützt habe, das ausschließlich fremdsprachlich im Akt erliege. Nach Zustellung dieses Beschlusses wurde der BF am 06.09.2017 aus der Schubhaft entlassen.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.10.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 28.05.2017 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist sowie dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Unter einem wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid erwuchs am 03.11.2017 in Rechtskraft.

8. Am 23.11.2017 wurde der BF nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung festgenommen und ab 24.11.2017 in Untersuchungshaft angehalten. Bei seiner am 23.11.2017 von der zuständigen Landespolizeidirektion durchgeführten Beschuldigtenvernehmung gab der BF an, dass er kein Geld habe und deshalb mit Drogen handle und vom Verkauf von Drogen lebe.

9. Am 17.01.2018 stimmte die algerische Vertretungsbehörde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zu. Seine Identität als algerischer Staatsangehöriger wurde festgestellt. Von seinem Herkunftsstaat Algerien wurde er als Staatsbürger identifiziert, Heimreisezertifikate wurden bereits ausgestellt.

10. Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 23.01.2018 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wovon 12 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Die letzte dieser Verurteilung zu Grunde liegende Tat hat der BF am 23.11.2017 begangen. Auf Grund dieser Verurteilung wurde der BF bis 23.05.2018 in Strafhaft angehalten.

11. Im März 2018 wurde vom Bundesamt die begleitete Abschiebung des BF auf dem Luftweg für den 26.05.2018 vorbereitet.

12. Am 24.05.2018 wurde der BF zur beabsichtigten Erlassung eines Schubhaftbescheides unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch vom Bundesamt einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er gesund sei und algerischer Staatsangehöriger sei. Der BF verließ während der Einvernahme den Raum und gab dabei an, dass er mit der Dolmetscherin nicht weiter reden wolle.

13. Am 25.05.2018 schluckte der BF einen Teil einer Metallgabel, seine Flugtauglichkeit wurde dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Am 26.05.2018 begann der BF unmittelbar nach Besteigen des Luftfahrzeuges laut zu schreien, weshalb der Abschiebeversuch abgebrochen werden musste. Im Anschluss daran wurde er vom Bundesamt einvernommen, wobei der BF im Wesentlichen angab, dass er nicht nach Algerien zurückwolle, da er dort familiäre Probleme habe. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.05.2018 wurde über den BF Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser unangefochten gebliebene Bescheid wurde dem BF am 26.05.2018 durch persönliche Übergabe zugestellt.

14. Den zweiten Versuch, den BF auf dem Luftweg nach Algerien abzuschieben, vereitelte der BF am 16.06.2018 abermals durch lautes Schreien im Flugzeug und die Weigerung, nach Algerien auszureisen.

15. Am 29.06.2018 stellte der BF im Stande der Schubhaft seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 09.07.2018 wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.07.2018 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

16. Am 08.08.2018 vereitelte der BF den dritten Versuch, ihn nach Algerien abzuschieben, indem er neuerlich im Flugzeug lautstark zu schreien begann.

17. Seine Abschiebung am 19.09.2018 vereitelte der BF wiederum durch lautes Schreien. Bei einer Sicherheitskontrolle wurde eine Rasierklinge im losen Tabak des BF gefunden.

18. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.09.2018 wurde über den BF neuerlich Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen vom BF erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.10.2018 abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF vorliegen.

19. Das Bundesamt legte am 16.11.2018 den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG vor woraufhin mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2018 festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen.

20. Am 10.12.2018 wurde die Abschiebung des BF vom Bundesamt im Rahmen einer Sondermaßnahme vorbereitet, über die geplante Abschiebung wurde der BF am 12.12.2018 nachweislich in Kenntnis gesetzt. Am 15.12.2018 um 19.30 Uhr verschluckte der BF den Stiel einer Gabel. Er wurde in einem Krankenhaus behandelt und kehrte um 22.15 Uhr wieder in das Polizeianhaltezentrum zurück. Der BF wurde vom Abschiebetermin am 16.12.2018 abgemeldet, ein Heimreisezertifikat wurde von der algerischen Vertretungsbehörde für diesen Abschiebetermin nicht ausgestellt.

21. Am 17.12.2018 versuchte sich der BF mit einer Rasierklinge selbst zu verletzen und fügte sich oberflächliche Verletzungen an der linken Hand zu. Eine Versorgung in einem Krankenhaus war nicht erforderlich.

22. Mit Bescheid vom 20.12.2018 wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 29.06.2018 gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG wegen entschiedener Sache zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.07.2019 abgewiesen.

23. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.01.2019, 13.03.2019 und 14.05.2019 wurde festgestellt, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig ist.

24. Am 25.05.2019 wurde neuerlich versucht, den BF auf dem Luftweg nach Algerien abzuschieben. Dieser Abschiebeversuch musste ebenfalls abgebrochen werden, da eine Beförderung auf Grund des Verhaltens des BF vom Flugkapitän verweigert wurde.

25. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2019 und 24.07.2019 wurde festgestellt, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig ist.

26. Ein neuerlicher Versuch den BF nach Algerien abzuschieben wurde für den 18.09.2019 vorbereitet, dieser scheiterte jedoch daran, dass für den BF ein Heimreisezertifikat nicht rechtzeitig ausgestellt wurde. Das Bundesamt bereitete daraufhin die Abschiebung des BF für den 06.11.2019 vor und gab ihm diesen Termin am 24.10.2019 bekannt. Am 30.11.2019 stellte der BF wiederum einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Abschiebeversuch am 06.11.2019 musste erneut aufgrund des Verhaltens des BF abgebrochen werden.

27. Die Verwaltungsbehörde unterließ es in der Folge, die Akten gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG erster Satz zur Prüfung der nächsten Verlängerung – Stichtag: 14.10.2019 – vorzulegen, sondern legte diese erst mit Schreiben vom 08.11.2019 neuerlich vor. Gegen die fortdauernde Anhaltung des BFin Schubhaft seit 07.10.2019 – aufgrund der unterlassenen Vorlage – erhob der BF mit Schriftsatz vom 07.11.2019 Beschwerde.

28. Am 08.11.2019, wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.

29. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.11.2019 wurde die Schubhaftbeschwerde des BF vom 18.11.2019 hinsichtlich des Zeitraumes von 07.10.2019 bis 14.10.2019 als unbegründet abgewiesen und die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in diesem Zeitraum festgestellt. Der Beschwerde gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft vom 15.10.2019 bis 08.11.2019 wurde Folge gegeben und festgestellt, dass die Anhaltung in diesem Zeitraum rechtswidrig war.

30. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.01.2020 wurde der neuerlich gestellte Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 30.10.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dieser Bescheid musste durch Hinterlegung im Akt zugestellt werden, da der BF eine Zustelladresse nicht bekanntgegeben hatte und untergetaucht war.

31. Am 18.05.2020, rechtskräftig am selben Tag, wurde der BF vom zuständigen Landesgericht zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Mit Beschluss eines Landesgerichtes vom 13.01.2021 wurde er am 03.04.2021 bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren aus der Strafhaft entlassen.

32. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes vom 23.03.2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Vor Anordnung der Schubhaft wurde der BF mit Schreiben vom 05.03.2021, zugestellt am 06.03.2021, vom Ergebnis der Beweisaufnahme informiert.

Das Bundesamt stellte im gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheid insbesondere fest, dass sich der BF seit 03.11.2017 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Von seinem Herkunftsstaat sei mitgeteilt worden, dass ein Heimreisezertifikat nach Flugbuchung ausgestellt werden könne. Der BF habe bereits mehrere Abschiebungen verhindert. Die Erlassung eines gelinderen Mittels sei nicht möglich, da sich der BF der Behörde entziehen werde. Der BF verfüge über keine Arbeitsstelle, keine ausreichenden Barmittel und eine Zustelladresse des BF sei nicht bekannt. Es bestehe in Österreich keinerlei soziale Integration durch den BF. Aufgrund der Straffälligkeit des BF läge es im öffentlichen Interesse ihn bis zur baldigen Abschiebung sicherzustellen. Die Verhältnismäßigkeit sei gegeben, da eine baldige Abschiebung absehbar sei und der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle.

33. Am 16.04.2021 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid vom 23.03.2021 und brachte im Wesentlichen vor, der angefochtene Schubhaftbescheid sei nicht ausreichend begründet. Die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft seien nicht vorgelegen und lägen nicht vor. Weder bestehe Fluchtgefahr, noch seien gelindere Mittel ausreichend geprüft worden. Darüber hinaus erscheine eine Abschiebung nach Algerien nicht durchführbar.

Der BF beantragte die Verhängung der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung nicht vorliegen, dem BF Kostenersatz gemäß der VwG-Aufwandersatzverordnung zuzuerkennen sowie eine mündliche Verhandlung unter Befragung von Zeugen zum Beweis des bestehenden Privat- und Familienlebens durchzuführen.

34. Mit Beschwerdevorlage vom 19.04.2021 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt durch die belangte Behörde vorgelegt. Mit der Beschwerdevorlage gab die belangte Behörde eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen ab. In dieser brachte sie im Wesentlichen vor, dass durch das Verhalten des BF die Abschiebung mehrfach nachweislich vereitelt worden sei und aufgrund der fehlenden Wohnsitzadresse und der fehlenden Unterhaltsmittel bei der Verhängung der erneuten Schubhaft von einer hohen Fluchtgefahr ausgegangen werden müsse. Darüber hinaus bestehe aufgrund der begangenen strafrechtlichen Delikte ein hohes Interesse an einer baldigen Abschiebung. Im Rahmen der Schubhaftbeschwerde und der damit neu gewonnenen Erkenntnis, dass der BF bereits längere Zeit zwischen den Inhaftierungen bei seiner Lebensgefährtin (ohne ZMR-Meldung) gelebt habe, sowie aufgrund der gerechtfertigten Überschreitung der insgesamten Anhaltedauer in Schubhaften von 18 Monaten, sei dem BF am 19.04.2021 das gelindere Mittel samt Meldeverpflichtung auferlegt worden und er aus der Schubhaft entlassen worden.

35. Mit Schreiben vom 27.04.2021 nahm der BF zur Beschwerdevorlage samt dem Vorbringen der belangten Behörde vom 19.04.2021 Stellung. Bei der Begründung warum die belangte Behörde den BF nach Einbringung der Beschwerde entlassen habe und gegen ihn ein gelinderes Mittel verhängt habe, habe die Behörde bestätigt, dass das durch sie durchgeführte Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen sei da sie der Verpflichtung zur amtswegen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen sei. Die Behörde habe in diesem Fall insbesondere nicht ausreichend ermittelt, ob der BF eine Wohnmöglichkeit oder Bezugspersonen in Österreich habe. Hätte sie den BF dazu befragt, hätte sie von diesen Umständen bereits vor der Erlassung des Bescheides Kenntnis erlangt. Die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung in Schubhaft seien daher rechtswidrig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.35.)

1.1.1. Der unter I.1. bis I.35. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.2.1. Der BF hat keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen. Er wurde von der algerischen Vertretungsbehörde als algerischer Staatsangehöriger identifiziert. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2.2. Zu den Zeiten, in denen der BF bisher in Schubhaft angehalten wurde:

Der BF befand sich von 26.07.2017 bis 06.09.2017, somit einen Monat und elf Tage, in Schubhaft. Zum damaligen Zeitpunkt wurde sein Verfahren unter dem Namen XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Libyen, geführt. Die Anhaltung in Schubhaft erfolgte zum Zweck der Sicherung eines Verfahrens auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung.

Der BF befand sich erneut von 26.05.2018 bis 08.11.2019, somit 17 Monate und 13 Tage in Schubhaft.

Der BF wurde von 03.04.2021 bis 19.04.2021, somit für 17 Tage auf Grund des gegenständlichen Schubhaftbescheides erneut in Schubhaft angehalten, am 19.04.2021 wurde er unter Anordnung eines gelinderen Mittels aus der Schubhaft entlassen.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides am 23.03.2021 hatte sich der BF bereits 18 Monate und 24 Tage in Schubhaft befunden.

Die maximale Höchstdauer von 18 Monaten war zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides am 23.03.2021 bereits überschritten.

1.2.3. Die algerische Vertretungsbehörde hat schon mehrmals ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt, es fanden mehrere Versuche statt, den BF nach Algerien abzuschieben: am 26.05.2018, 16.06.2018, 04.07.2018, 08.08.2018, 19.09.2018, 25.05.2019, 06.11.2019, und am 16.11.2019. Diese Abschiebeversuche wurden durch den BF vereitelt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des BF betreffend, sowie in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

2.1. Zum Verfahrensgang

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des BF betreffend, sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des BF betreffend.

2.2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Daraus ergibt sich, dass der BF keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebensowenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Die Anträge des BF auf internationalen Schutz wurden rechtskräftig ab- bzw. zurückgewiesen. Der BF war daher im Zeitraum der hier zu beurteilenden Schubhaft weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Dass er algerischer Staatsangehöriger ist ergibt sich aus der Zustimmung der algerischen Vertretungsbehörden für den BF ein Heimreisezertifikat auszustellen sowie aus den bisher für ihn ausgestellten Heimreisezertifikaten.

2.2.2. Die Feststellungen zur Anhaltung des BF in Schubhaft ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres und den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des BF betreffend.

2.2.3. Aus selbigen ergibt sich, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides am 23.03.2021 bereits 18 Monate und 24 Tage in Schubhaft befunden hatte und die Höchstfrist von 18 Monaten somit bereits überschritten war.

2.2.4. Die Feststellung, wonach der BF die bisherigen zahlreichen Abschiebeversuche durch sein Verhalten vereitelt hat, ergibt sich aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des BF betreffend.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

§ 80 des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

„Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Art 2 und Art 15 Rückführungsrichtlinie lauten auszugsweise:

„Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“

„Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten. (…)“

3.1.2. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb der Verhängung der Schubhaft keine in der Person des BF liegenden Umstände entgegenstanden.

3.1.3. Zur höchstmöglichen Dauer der Schubhaft:

Zu prüfen ist, wie lange der BF bei Erlassung des Schubhaftbescheides am 23.03.2021 und dem Beginn der Anhaltung in Schubhaft am 03.04.2021 vor dem Hintergrund der zulässigen Höchstdauer einer Anhaltung in Schubhaft angehalten werden durfte.

Die Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist in § 80 FPG geregelt, der in Abs. 2 eine grundsätzliche höchstmögliche Dauer der Anhaltung in Schubhaft von bis zu drei bzw. sechs Monaten vorsieht. Gemäß Abs. 5 leg.cit. kann die Dauer der Schubhaft auf 10 Monate, und gemäß Abs. 4 auf 18 Monate – bei Vorliegen aller Voraussetzungen – verlängert werden. Gemäß § 80 Abs. 4 FPG verlängert sich die höchstmögliche Dauer der Schubhaft, wenn zumindest eine der in den Z 1 bis 4 genannten zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt ist.

Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 80 FPG (RV 1523 BlgNR XXV. GP 2, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) ergibt sich: „Schließlich wird durch die Änderung des § 80 FPG einerseits die Regelung der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft den Vorgaben des Unionsrechts auf Grund der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98 (im Folgenden: „Rückführungs-RL“) angepasst.“ Mit § 80 FPG wird die Bestimmung des Art. 15 Rückführungs-RL umgesetzt. Ist eine Anhaltung des Fremden in Schubhaft über die übliche Dauer gemäß § 80 Abs. 2 FPG vorgesehen und fällt daher die Überprüfung einer Anhaltung in Schubhaft in den Anwendungsbereich der Rückführungs-RL, ist die innerstaatliche Bestimmung des § 80 FPG richtlinienkonform auszulegen.

Beim BF handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 1 Rückführungs-RL um einen Drittstaatsangehörigen, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält. Die Rückführungs-RL ist im gegenständlichen Fall daher anwendbar und die Bestimmung des § 80 FPG daher im Sinne der Rückführungs-RL auszulegen.

Die Anhaltung in Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG grundsätzlich die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Dies steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 der Rückführungs-RL.

Im Fall des BF ist aufgrund der Bestimmungen des § 80 Abs. 4 FPG iVm Art. 15 Rückführungs-RL von einer Schubhafthöchstdauer von bis zu 18 Monaten auszugehen.

Gemäß § 80 Abs. 4 Z 3 FPG kann die Schubhaft höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt.

Insgesamt hat der BF bereits neun Versuche ihn abzuschieben vereitelt. Bei den Abschiebeversuchen widersetzte er sich der Zwangsgewalt, die Dauer der Schubhaft von über sechs Monaten war daher durch das Verhalten des BF selbst bedingt. Das Bundesamt hat in jenem Zeitraum, in dem sich der BF in Strafhaft befunden hat, seine Abschiebung so organisiert, dass eine Anhaltung in Schubhaft nicht erforderlich gewesen wäre. Über den BF wurde erst die Schubhaft verhängt, als er den ersten Versuch ihn abzuschieben, durch sein Verhalten im Flugzeug vereitelt hat.

Gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. a der Rückführungs-RL umgesetzt, wonach sich in den Fällen, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen wahrscheinlich länger dauern werden, die höchstmögliche Schubhaftdauer um weitere 12 Monate verlängert. § 80 Abs. 4 Z 4 FPG stellt auf eine Gefährdung der Abschiebung ab, die sich daraus ergeben kann, dass sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder er ein Abschiebehindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat. Art. 15 Abs. 6 lit a der Rückführungs-RL stellt darauf ab, dass sich eine Abschiebung aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des BF verzögert. Nach der Rückführungs-RL muss die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Drittstaatsangehörigen daher kausal für die Verzögerung von Abschiebungsmaßnahmen sein, sodass auch § 80 Abs. 4 Z 4 FPG diesbezüglich im Sinn von Art 15 Rückführungs-RL auszulegen ist.

Der VwGH (15.12.2020, Ra 2020/21/0404, Rn. 27) hielt hierzu vor dem Hintergrund von Art. 15 Abs. 6 lit. a der Rückführungs-RL und dem Urteil EuGH 5.6.2014, Mahdi, C-146/14 PPU, zusammenfassend fest, dass es für die Verwirklichung dieses Tatbestandes erforderlich sei, dass ein während der Haft gesetztes, mangelnde Kooperationsbereitschaft zum Ausdruck bringendes Verhalten des Drittstaatsangehörigen kausal für die längere, mehr als sechsmonatige Dauer seiner Anhaltung in Schubhaft ist.

Mangelnde Kooperationsbereitschaft gemäß Art. 15 Abs. 6 lit. a RückführungsRL kann somit nur dann angenommen werden, wenn die Prüfung des Verhaltens des Drittstaatsangehörigen während der Haft ergibt, dass er bei der Durchführung der Abschiebung nicht kooperiert hat und dass die Abschiebung wegen dieses Verhaltens wahrscheinlich länger dauern wird als vorgesehen. Das Verhalten des Drittstaatsangehörigen muss demnach kausal für die längere - mehr als sechsmonatige (vgl. Art 15 Abs. 5 RückführungsRL) - Dauer seiner Anhaltung in Schubhaft sein. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG - vor dem Hintergrund der gebotenen richtlinienkonformen Interpretation – auszulegen (vgl. VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

Das Verhalten des BF war kausal für das Abschiebehindernis. Der BF hat sich bereits im vorangegangenen Asylverfahren dem Verfahren entzogen und ist untergetaucht. Er hat zudem neun Mal seine Abschiebung verhindert. Da der BF seine Abschiebung mehrmals vereitelt hat, er also ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat und damit mangelnde Kooperationsbereitschaft gezeigt hat, konnte im konkreten Fall die Schubhaft im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG für höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Im gegenständlichen Fall wurde der BF von 26.07.2017 bis 06.09.2017 zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angehalten. Gemäß § 80 Abs. 5 FPG durfte der BF zu diesem Zeitpunkt als Asylwerber höchstens 10 Monate bis zur Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme angehalten werden, wobei die Dauer dieser Schubhaft auch auf die Zeit der über den Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme fortgesetzten Schubhaft oder neuerlich angeordneten Schubhaft anzurechnen ist. Der BF wurde neuerlich von 26.05.2018 bis 08.11.2019 – zur Sicherung seiner Abschiebung – in Schubhaft angehalten. Bei der höchstzulässigen Dauer dieser Schubhaft war gemäß § 80 Abs. 5 FPG auch die von 26.07.2017 bis 06.09.2017 aufrecht erhaltene Schubhaft anzurechnen (vgl. VwGH vom 19.11.2020, Ro 2020/21/0015, insbesondere Rn 18).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten (08.04.2021, Ra 2021/21/0005), dass bei der Frage der höchstzulässigen Schubhaftdauer, aber auch bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft, die bisherige in Schubhaft verbrachte Dauer miteinzubeziehen ist. Aus § 80 Abs. 4 FPG lässt sich nämlich ableiten, dass zur Ermittlung der Höchstdauer „wegen desselben Sachverhalts“ verhängte Schubhaften zusammen zu rechnen sind (vgl. auch VwGH 12.1.2021, Ra 2020/21/0378, nunmehr Rn. 21, mwN).

Der VwGH stellte klar (vgl. VwGH vom 16.07.2020, Ra 2020/21/0099), dass bei der Ermittlung der viermonatigen Dauer der Anhaltung in Schubhaft nicht nach § 32 Abs. 2 AVG vorzugehen ist, wonach im Ergebnis der Tag, in den das fristauslösende Ereignis fällt, nicht mitgezählt wird (vgl. dazu des Näheren unter Bezugnahme auf VwGH 17.1.1990, 89/03/0003, Hengstschläger/Leeb, AVG [2. Ausgabe 2014], Rz. 12 zu § 32). Bei der Ermittlung der (durchgehenden) Dauer der Schubhaft wäre es nämlich nicht gerechtfertigt, den ersten Tag der Anhaltung nicht zu berücksichtigen.

Der BF befand sich von 26.07.2017 bis 06.09.2017, somit einen Monat und elf Tage, in Schubhaft und wurde erneut von 26.05.2018 bis 08.11.2019, somit 17 Monate und 13 Tage, in Schubhaft angehalten.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides am 23.03.2021 hatte sich der BF somit bereits 18 Monate und 24 Tage in Schubhaft befunden. Die maximale Höchstdauer von 18 Monaten war zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides am 23.03.2021 daher bereits überschritten, weshalb der Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären waren.

In der Beschwerde wurde nicht auf das Überschreiten der Höchstdauer von 18 Monaten eingegangen.

In ihrer Stellungnahme brachte die belangte Behörde zur Höchstdauer der Schubhaft zusammengefasst vor, dass mehrere aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den BF erlassen worden seien und die Anhaltungen des BF in Schubhaft im Rahmen der versuchten Abschiebungen jeweils im Flugzeug geendet hätten, was eine Änderung iSd § 80 Abs. 4 FPG darstelle „und somit der Schubhafterlassung vom 02.04.2021 und einer weiteren Sicherung über die 18 Monate nicht entgegenstehen“ (vgl. Seite 4 der Stellungnahme der belangten Behörde vom 19.04.2021). In dieser Stellungnahme gab die belangte Behörde auch an, dass der BF schließlich am 19.04.2021 „aufgrund der gerechtfertigten Überschreitung der insgesamten Anhaltedauer in Schubhaften von 18 Monaten aus der Schubhaft entlassen“ worden sei.

Dazu ist festzuhalten, dass sowohl gemäß § 80 Abs. 4 FPG als auch gemäß § 80 Abs. 5 FPG die Dauer der auf Grund desselben Sachverhaltes angeordneten Schubhaften auf die höchstzulässige Dauer der Schubhaft anzurechnen sind. Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Falle von mehreren erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen unter Umständen ein geänderter Sachverhalte vor, wenn es „auf Grund geänderter Umstände [zur] neuerlichen Durchführung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens (wenn es etwa in einem vorangegangenen Verfahren nicht zu einem Titel für die Abschiebung gekommen ist oder ein solcher Titel wieder wegfiel)“ kommt (vgl. VwGH vom 19.11.2020, Ro 2020/21/0015, Rz 21). Derartige Umstände liegen im vorliegenden Fall jedoch nicht vor und wurden vom Bundesamt auch nicht vorgebracht. Der Vollständigkeit halber ist noch festzuhalten, dass die Schubhaft auch im Falle erfolgloser Abschiebeversuche aufrecht bleibt, solange sich der BF in Gewahrsame der Behörde befindet (vgl. VwGH vom 25.09.2018, Ra 2018/21/0106, Rz 20).

3.1.4. Ergebnis:

Die Verhängung der Schubhaft am 03.04.2021 stellt sich als rechtswidrig dar, weil der BF bei Anordnung der Schubhaft aufgrund der höchstmöglichen Schubhaftdauer gemäß § 80 FPG nicht mehr in Schubhaft angehalten werden durfte. Zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides am 23.03.2021 hatte sich der BF bereits 18 Monate und 24 Tage in Schubhaft befunden. Es war entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur die gesamte bisher in Schubhaft verbrachte Dauer zusammen zu rechnen. Auch jene, die der BF unter seiner falsch angegebenen Identität im ersten Asylverfahren bereits in Schubhaft verbracht hatte.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft von 03.04.2021 bis 19.04.2021 war daher rechtswidrig.

Der Beschwerde war gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 80 Abs. 4 FPG stattzugeben und der angefochtene Schubhaftbescheid vom 23.03.2021 sowie die Anhaltung des BF in Schubhaft von 03.04.2021 bis 19.04.2021 für rechtswidrig zu erklären.

3.1.5. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.2. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt II. Kostenersatz

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den BF zum Ersatz des Vorlageaufwandes sowie des Verhandlungsaufwandes zu verpflichten. Der BF stellte einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG und beantragte in der Beschwerde auch den Ersatz der Eingabengebühr.

3.2.3. Der BF ist auf Grund der Stattgabe der Beschwerde, obsiegende Partei, weshalb er Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Darin enthalten ist auch der Kostenersatz im Umfang der Eingabengebühr, da diese entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls zu ersetzen ist (vgl. VwGH vom 28.05.2020, Ra 2019/21/0336). Der belangten Behörde gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

3.3. Zu Spruchteil B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Dauer der Maßnahme Kausalität Kostenersatz Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Vereitelung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W250.2168322.13.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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