TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/3 W171 2241151-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2021
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Entscheidungsdatum

03.12.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3
VwGVG §8a

Spruch


W171 2241151-6/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX StA. Marokko, alias Syrien, alias Algerien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2021, Zahl XXXX und gegen die Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 22.11.2021 wird gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit dem 29.11.2021 gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG für rechtswidrig erklärt.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung n i c h t vorliegen.

IV. Die Anträge der Parteien auf Kostenersatz werden gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

V. Der beschwerdeführenden Partei wird Verfahrenshilfe im Umgang der Befreiung von der Eingabengebühr gewährt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 31.10.2015 im Rahmen eines Aufgriffs durch Beamte einer LPD einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26.03.2016 wurde gegen ihn eine Entscheidung in I. Instanz rechtskräftig erlassen, dergemäß der Antrag auf internationalen Schutz vom 31.10.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen wurde, gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko abgewiesen wurde, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt wurde und gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen wurde und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt wurde, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig sei und gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrug.

Der BF konnte seine freiwillige Ausreise innerhalb offener Frist gegenüber dem BFA nicht nachweisen.

Am 08.02.2017 stellte der BF in Dänemark einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesbezüglich stellten die dänischen Behörden am 03.03.2017 ein Rückübernahmeersuchen entsprechend der Dublin III Verordnung.

Nur wenige Tage später, bereits am 15.02.2017, stellte der BF auch in Schweden einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF wurde daraufhin am 08.05.2018 gemäß der Dublin III Verordnung am Luftweg von Schweden nach Österreich überstellt.

Der in Schweden gestellte Asylantrag galt somit als in Österreich eingebracht und wurde der BF am 11.05.2018 in eine Betreuungsstelle überstellt. Am 04.06.2018 tauchte der BF unter.

Am 08.06.2018 wurde sein Asylverfahren gem. § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG eingestellt.

Am 10.07.2018 langte beim BFA neuerlich ein Ersuchen aus Dänemark um Rückübernahme des BF gemäß der Dublin III Verordnung ein. Am 25.09.2018 langte beim BFA ein weiteres Rückübernahmeersuchen gemäß der Dublin III Verordnung aus Schweden ein.

In Schweden wurde der BF straffällig und am 09.02.2018 wegen Diebstahles und Drogendelikten verurteilt. Weiters wurde der BF von einem Strafgericht in Schweden am 07.09.2018 wegen eines Raubüberfalles zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Er wurde bis zum 27.02.2019 in Schweden in Strafhaft angehalten und anschließend nach Österreich überstellt.

Seit dem 16.11.2018 besteht gegen den BF ein bis zum 07.09.2023 gültiges schengenweites Einreise-/Aufenthaltsverbot, welches durch Schweden erlassen wurde.

Der Antrag auf internationalen Schutz vom 08.05.2018 wurde mit Bescheid des BFA vom 19.03.2019 wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 52 FPG Abs. 2 Z 2 und § 9 Abs 1-3 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 52 Abs. 9 und § 46 FPG nach Marokko zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 FPG Abs 1a FPG versagt und gem. § 53 Abs 2 Z 6 FPG ein Einreiseverbot verhängt. Dagegen erhob der BF Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2019 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

Der BF wurde am 06.07.2019 von Beamten einer Landespolizeidirektion wegen des dringenden Verdachtes der Übertretung nach dem Strafgesetzbuch festgenommen und am selben Tage in eine Justizanstalt eingeliefert. Es wurde die Untersuchungshaft verhängt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 29.08.2019 wurde der BF wegen gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e (3) StGB und Urkundenunterdrückung nach § 229 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt. Das Urteil ist seit 29.08.2019 rechtskräftig.

In Haft befindlich wurde der BF am 17.06.2020 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen und führte dort im Wesentlichen aus, er sei gesund und benötige keine Medikamente. Er habe einen Wohnsitz, habe aber die Adresse vergessen. Er habe bei seinem Cousin genächtigt, wisse aber die Anschrift nicht. In Österreich seien nur der Cousin und Bekannte ansässig. Er habe in Marokko an einer genannten Adresse gelebt.

Er wurde am 03.07.2020 aus der Justizanstalt entlassen, festgenommen und auf Grundlage des Bescheids des BFA vom 01.07.2020 gegen ihn die Schubhaft in Vollzug gesetzt.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 05.10.2020 wurde der BF wegen Körperverletzung nach § 83 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Am 19.10.2020 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen und trat seine Haftstrafe in einer Justizanstalt an.

Am 18.12.2020 wurde der BF im Beisein eines Dolmetschers erneut zur geplanten Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung einvernommen.

Am 18.12.2020 wurde ein weiterer Schubhaftbescheid zu Sicherung der Abschiebung erlassen und ausgeführt, der BF habe durch sein Vorverhalten die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG erfüllt und sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

Mit Verbalnote der Marokkanischen Botschaft vom 15.01.2021 wurde die Staatsangehörigkeit des BF bestätigt und eine Einreisegenehmigung für den BF in XXXX angefordert.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.04.2021, XXXX , wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.05.2021, XXXX , wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Der BF wurde am 27.05.2021 aus der Schubhaft entlassen.

Mit Bescheid des BFA vom 27.05.2021 wurde dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer konkret bestimmten Betreuungseinrichtung zu nehmen. Dort war der BF von 31.05.2021 bis 01.06.2021 gemeldet. In der Folge entzog er sich der Wohnsitzauflage.

Mit Mandatsbescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX , vom 19.06.2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Ab 19.06.2021 befand sich der BF erneut in Schubhaft. Dagegen erhob der BF Beschwerde.

Am 20.07.2021 wurde zu dieser Beschwerde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Mit mündlicher Verkündung vom selben Tag zur XXXX gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlagen. In dieser Verhandlung wurde ein informierter Vertreter des Bundesministeriums für Inneres (Referat Rückkehrvorbereitung) als Zeuge betreffend Erlangung von Heimreisezertifikaten für Marokko sowie Abschiebungen nach Marokko einvernommen. Mangels fehlender Beendigungsperspektive wurde die Schubhaft daher – trotz ausgeprägter Fluchtgefahr – als nicht als verhältnismäßig angesehen.

Am 20.07.2021 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen. Anschließend wurde gegen ihn das gelindere Mittel gem. § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erlassen. Dem BF wurde dabei aufgetragen, sich täglich zwischen 09:00 und 11:00 Uhr in einer PI zu melden.

Der BF wurde am 27.07.2021 im Zuge eines versuchten Ladendiebstahls betreten, wobei diesbezüglich Anzeige erstattet wurde.

Ab 27.07.2021 entzog der BF sich zudem aus dem gelinderen Mittel. Er konnte lediglich zufällig wieder aufgegriffen werden, da der BF, welcher sich in einem Zug von XXXX nach XXXX befand, am 30.07.2021 von einem Zugbegleiter gemeldet wurde.

Am selben Tag erließ das BFA einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-VG (Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen) gegen den BF und er wurde von Beamten einer LPD festgenommen. Im Zuge der Festnahme versuchte der BF ein Messer aus seiner Umhängetasche zu entnehmen, was durch den einschreitenden Beamten durch Wegnahme der Tasche unterbunden werden konnte. In weiterer Folge beleidigte der BF eine Beamtin, und spuckte ihr vorsätzlich aus kurzer Entfernung ins Gesicht. Zudem verhielt er sich in weiterer Folge aggressiv, warf einen Stuhl gegen einen Glastisch und beschädigte eine Matratze. Aufgrund der Beleidigung und der Sachbeschädigung wurde Anzeige gegen den BF erstattet.

Im Anschluss an die Festnahme wurde der BF einer Basisbefragung durch Organe einer LPD unterzogen. Hier gab er im Wesentlichen an, er wolle in Österreich bleiben und sei mit einer Außerlandesbringung nicht einverstanden. An schwerwiegenden Krankheiten leide er nicht, einen Wohnsitz im Bundesgebiet habe er, jedoch weder Familie noch Personen, bei welchen er wohnen könne, oder jemanden, von dem er sich im Bundesgebiet Geld ausborgen könne. Im Fall einer Entlassung, würde er zurück nach XXXX gehen. Er wolle nicht in Schubhaft genommen werden, zumal er erst vor Kurzem entlassen worden sei.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom 30.07.2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Mandatsbescheid wurde dem BF am 30.07.2021 durch persönliche Übergabe zugestellt.

Der BF wurde ab 30.07.2021 erneut in Schubhaft angehalten.

Mit Schriftsatz vom 12.08.2021 erhob der BF durch seine Vertretung Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2021 und die darauf gegründete Anhaltung.

Am 13.08.2021 wurde dem BF nachweislich eine Mitteilung gemäß § 80 Abs. 7 FPG zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 13.08.2021 erstattete das BFA Stellungnahme und führte im Wesentlichen aus, der BF habe sich nachweislich dem gelinderen Mittel entzogen. Mittlerweile bestehe ein begleiteter Abschiebetermin für den 21.08.2021 und ein Heimreisezertifikat (HRZ) liege zeitnah vor. Durch sein Verhalten im Hinblick auf das gelindere Mittel habe der BF versucht ein Abschiebehindernis auszulösen, sodass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 FPG erfüllt seien. Beantragt wurden die Abweisung der Beschwerde und ein positiver Fortsetzungsausspruch sowie Kostenersatz im gesetzlichen Ausmaß.

Am 17.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der BF und die Leiterin des Referates Rückkehrvorbereitungen des Bundesministeriums für Inneres als Zeugin einvernommen wurden. Die Einvernahme der Zeugin ergab, dass seit dem 20.07.2021 erfolgreiche Rückführungen nach Marokko stattgefunden haben. Der Fall des BF werde prioritär behandelt und mit der Botschaft ein Abschiebetermin für den 21.08.2021 fixiert worden. Das HRZ werde zeitnah vor dem Flug ausgestellt. Für den 21.08.2021 sei eine begleitete Abschiebung des BF nach Marokko geplant. Am Schluss der Verhandlung wurde mündlich folgende Entscheidung verkündet: „Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 7 und Z 9 FPG idgF iVm § 76 ABs. 2a FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.“

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 18.08.2021, rechtskräftig seit 24.08.2021, wurde der BF wegen §§ 15 und 127 StGB zu einer weiteren unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer vom 10 Wochen verurteilt. Weiters scheiterte die für den BF für 21.08.2021 geplante begleitete Abschiebung nach Marokko daran, dass der BF am 20.08.2021 die Mitwirkung an der Durchführung eines PCR-Tests verweigerte. Er wurde im Stande der Strafhaft am 05.11.2021 in der marokkanischen Botschaft interviewt und für ihn ein Heimreisezertifikat ausgestellt.

Der BF wurde in weiterer Folge am 10.09.2021 aus der Schubhaft entlassen und in die Strafhaft überstellt wo er sich bis 19.11.2021 befand. Der BF wurde sohin nach Entlassung aus der Strafhaft erneut festgenommen und in ein PAZ überstellt. Im Rahmen einer Einvernahme am 21.11.2021 sagte der BF aus, dass es ihm psychisch schlecht gehe da er schon sehr lange in Haft sei. Man könne ihn nur noch höchstens 2 Monate in Schubhaft halten und würde er sich an ein gelinderes Mittel halten. Bei einer Entlassung werde er kooperieren und sich einen marokkanischen Reisepass holen. Er könne bei einer Freundin wohnen. Zum Leben bekomme er Geld von seinem Onkel aus Frankreich.

Mit Bescheid des BFA vom 22.11.2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG die gegenständliche Schubhaft verhängt. Der BF habe danach durch sein Vorverhalten die Tatbestandmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1, 3, 7, 8 und 9 FPG erfüllt und es sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Ansicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

Mit Beschwerdeschrift vom 26.11.2021 wurde im Wesentlichen die Erreichbarkeit des Sicherungszwecks der Abschiebung in Zweifel gezogen, da bisher eine Abschiebung noch nicht absehbar sei und das vorliegende Heimreisezertifikat für den BF nur bis zum 11.12.2021 gültig sei. Der BF befinde sich bereits über 16 Monate in Schubhaften und sei daher nurmehr eine kurze Frist für die Abschiebung vorhanden. Darüber hinaus habe sich das BFA in seinem Bescheid nicht mit der Zulässigkeit der Anhaltung bis zur Höchstdauer von 18 Monaten auseinandergesetzt, was den Bescheid mit Rechtwidrigkeit belaste. Weiters sei aufgrund der aktuellen Situation im Zusammenhang mit der verbreiteten Viruskrankheit CoVid-19 nicht sicher, dass eine Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer durchführbar wäre, was die gegenständliche Schubhaft ebenfalls unverhältnismäßig mache.

Begehrt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Einvernahme eines informierten Vertreters des BFA, der Ersatz der Aufwendungen gem. VwG-Aufwandersatzverordnung und die Gewährung der Verfahrenshilfe im Ausmaß der Eingabengebühr.

Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 29.11.2020 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde im Wesentlichen (durch das Gericht gekürzt) wie nachstehend ausgeführt:

„Der Beschwerdeführer (Bf.) stellte erstmals am 31.10.2015 im Rahmen eines Aufgriffes durch Beamte der LPD einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 26.03.2016 wurde die mittels Bescheid erlassene Abweisung des Antrages in I.Instanz rechtskräftig und gegen den Bf, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. INr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

Am 08.02.2017 hat der Bf. lt. Eurodac-Abgleich in Dänemark einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Diesbezüglich stellten die dänischen Behörden am 03.03.2017 ein Rückübe-rnahme-Ersuchen entsprechend der Dublin III Verordnung.

Nur wenige Tage später stellte der Bf. in Schweden einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 08.05.2018 gemäß Dublin III Verordnung nach Österreich überstellt.

Am 09.05.2018 wurde der Bf. am 11.05.2018 in die Betreuungsstelle überstellt, woraus sich der Bf. am 4.6.2018 entfernte und untertauchte..

Am 08.06.2018 wurde das Asylverfahren gem. § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG, da Ihr Aufenthaltsort wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht (§ 13 Abs. 2 BFA-VG, §§ 15 oder 15a) und trotz Belehrung über etwaige negative Konsequenzen, weil der Bf. die Betreuungseinrichtung ohne Angabe einer weiteren Anschrift verlassen hatte, eingestellt.

Der Bf. wurde in Schweden straffällig und am 09.02.2018 wegen Diebstahles und Drogendelikten verurteilt. Weiters wurde er vom Strafgericht von XXXX am 07.09.2018 wegen eines Raubüberfalles zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und bis zum 27.02.2019 in Schweden in Strafhaft angehalten.

Seit dem 16.11.2018 besteht gegen den Bf. ein bis 07.09.2023 gültiges Einreiseverbot im Schengener Gebiet gem. Art. 24 EU-VO 1987/2006, welches durch Schweden erlassen wurde.

Der Antrag des Bf. vom 08.05.2018 auf Internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost, rechtskräftig in II. Instanz am 15.04.2019, wegen entschiedener Sache nach §§ 3, 8 AsylG (§ 68 AVG) Abs 1 zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt , gemäß § 52 FPG Abs. 2 Z 2 und § 9 Abs 1-3 BFA-VG wurde gegen den Bf. eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gem § 52 Abs. 9 und § 46 FPG nach Marokko zulässig ist, die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 FPG Abs 1a FPG versagt und gem. § 53 Abs 2 Z 6 FPG ein Einreiseverbot verhängt.

Der Bf. wurde am 06.07.2019 von Beamten der Landespolizeidirektion wegen des dringenden Verdachtes der Übertretung nach dem Strafgesetzbuch festgenommen und in die Justizanstalt XXXX eingeliefert

Der Bf, wurde mit Urteil des Landesgerichtes vom 29.08.2019, wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB, der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e (3) StGB, und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt. Das Urteil ist seit 29.08.2019 rechtskräftig und waren Sie danach in der Justizanstalt aufhältig.

Der Bf. ist nicht im Besitze eines gültigen Reisedokumentes, von der ha. Behörde wurde ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft Ihres Herkunftsstaates gestellt, der Bf. wurde nach mehreren Vorführungen als Marokkoner festgestellt.

Der Bf. wurdeam 03.07.2020 aus der Justizanstalt entlassen, festgenommen und mittels Bescheid des BFA vom 01.07.2020 in Schubhaft genommen.

Mit Urteil des Bezirksgerichts vom 05.10.2020 wurde der Bf. wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt.

Der Bf. wurde am 19.10.2020 aus der Schubhaft entlassen und hat seine Haftstrafe in der JA angetreten.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2020 wurde erneut die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung seiner Abschiebung verhängt.

Am 15.01.2021 wurde der Bf. von der marokkanischen Botschaft erfolgreich als marokkanischer Staatsangehöriger identifiziert.

Eine gegen die Anhaltung des Bfs. in Schubhaft eingebrachten Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 16.4.2021 mit der Feststellung abge-wiesen, daß die Anhaltung und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mit Bescheid wurde dem Bf. gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung zu nehmen. Dieser Verpflichtung ist der Bf. nicht nachgekommen, er hat sich bis zum heutigen Tage nicht rückkehrwillig gezeigt, obwohl er bereits mehrfach zur freiwilligen Rückkehr beraten wurde.

Seit dem 01.06.2021 ist der Bf. im Bundesgebiet untergetaucht, weshalb am 08.06.2021 ein Festnahmeauftrag gegen den Bf. erlassen wurde.

Der Bf. wurde am 19.06.2021 um 12:00 in XXXX , durch die LPD im Zuge eines Einsatzes wegen eines gemeldeten Ladendiebstahles betreten, festgenommen und in das Polizei-Anhaltezentrum eingeliefert.

Der Bf. wurde gem. § 76 Abs. 2 Zi. 1 FPG in Schubhaft genommen.

Diese Schubhaft wurde nach Folgeleistung der dagegen eingebrachten Beschwerde vom BVwG behoben und der Bf. am 20.7.2021 aus der Schubhaft entlassen und in das Gelindere Mittel entlassen. Aus diesem hat sich der Bf. am 27.7.2021 entzogen.

Der Beschwerde einer weiteren Anhaltung in Schubhaft wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes am 29.10.2021 ebenfalls nicht stattgegeben.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 17.08.2021 wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 7 und Z 9 iVm § 76 Abs. 2a FPG festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen (Spruchpunkt A) und ausge-sprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist (Spruchpunkt B).

Mit rechtskräftigem Urteil des BG vom 18.08.2021 wurden der Bf. wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Wochen verurteilt.

Der Bf. verhinderte eine für den 21.08.2021 geplante begleitete Abschiebung nach Marokko, indem er einen erforderlichen PCR-Test verweigerte.

Der Bf. wurde am 10.09.2021 vom PAZ in die Justizanstalt zur Verbüßung der Freiheitsstrafe überstellt.

Der Bf. wurde am 05.11.2021 in der Justizanstalt vom marokkanischen Botschafter in Österreich interviewt und wurde in weiterer Folge Ersatzreisedokumente für ihn ausgestellt. Diese befinden sich zurzeit in der BFA-Abteilung.

Mit Verständigung der Staatsanwaltschaft vom 15.11.2021, wurde dem BFA mitgeteilt, dass gegen ihn wegen §§ 125, 115 StGB zu Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben wurde.

Derr Bf. wurde am 19.11.2021, 8:00 Uhr, aus der Strafhaft in der Justizanstalt entlassen, aufgrund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG festgenommen und in das PAZ eingeliefert.

Der Bf. wurde mit Bescheid vom 22.11.2021 wurde der Bf. erneut in Schubhaft genommen.

Der Sicherungsbedarf begründete sich auf mehrere Punkte gem. § 76 Abs. 3:

-        Die Identität des Bfs. liegt mangels eines Identitätsdokumentes nicht fest.

-        Der Bf. verfügt derzeit über kein gültiges Reisedokument

-        der Bf. bediente sich im Verkehr mit Behörden zur Verschleierung seiner wahren Herkunft verschiedener Identitäten

-        der Bf. ist entgegen einer rechtskräftigen Ausreiseentscheidung im Österreichischen Bundesgebiet aufhältig geblieben und hat sich zuletz im Verborgenen aufgehalten.

-       unbekannter Aufenthalt des Bfs., der Bf. ist für die Behörde nicht greifbar und kann zu seinem tatsächlichen Aufenthalt und seiner Erreichbarkeit keine Angaben machen,

-        der Bf. hat im BG und mehreren Mitgliedsstaaten wiederholt ungerechtfertigte Asylanträge gestellt, um seinen Aufenthalt zu begründen und zu verlängern

-        der Bf. wurde sowohl im Österreichischen Bundesgebiet als auch in einem Mitgliedsstaat wiederholt massiv straffällig

-        der Bf. hat sich nach Entlassung aus der Schubhaft dem Gelinderen Mittel entzogen

-        Punkt 9 trifft in vollem Umfang zu (keine soziale Verankerung, kein gesicherter Wohnsitz, keine behördliche Meldung, keine legale Erwerbstätigkeit, keine ausreichenden Existenzmittel).

Die Schubhaft wurde nicht als Standard-Maßnahme angewendet, sondern es konnten aufgrund des bisherigen Verhaltens zurzeit keine Gründe gefunden werden, welche eine Abstandnahme von dieser Sicherungsmaßnahme rechtfertigen würden. Eine gesicherte Ausreise des Bfs. aus dem Schengener Raum ist mangels eines Reisedokumentes ebenfalls nicht möglich.

Der Bf. verfügt über keine ausreichenden Barmittel zu Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Er hat über die Art und Weise, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet lediglich angegeben, daß er von seiner in Frankreich lebenden Tante finanziell unterstützt wird. Einer Erwerbstätigkeit ist der Bf. noch nie nachgekommen.

Zu seinem Aufenthaltsort gab der Bf. an, bei einer Freundin Unterkunft zu nehmen, jedoch konnte diese im Zentralen Melderegister nicht aufgefunden werden.

Nach eigenen Angaben befindet sich der Bf. seit nunmehr 15 Jahren im europäischen Raum, es ist ihm bisher nicht gelungen, seinen Aufenthaltsstatus auf rechtliche Beine zu stellen oder einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen.

Eine Entlassung des Bfs. aus der Schubhaft in ein Gelinderes Mittel mit Anordnung einer Unterkunftnahme mit periodischer Meldeverpflichtung kann aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bfs. nicht als verfahrenssichernd angesehen werden.Es bestand daher der begründete Verdacht, daß der Bf., auf freiem Fuß belassen, sich dem folgenden fremdenrechtlichen Verfahren und somit seiner Abschiebung zu entziehen suchen werde bzw.dass bezüglich des Bfs. ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Weiters scheinen neben mehreren strafrechtlichen Verurteilungenim Kriminalpolizeilichen Aktenindex zahlreiche Einträge wegen sexueller Belästigung und verschiedenen Gewalt- und Eigentumsdelikten und Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz auf.

Aus dieser erheblichen strafrechtlichen Auffälligkeit des Fremden ist daher der Schluss mangelnder Vertrauenswürdigkeit zulässig, was auch bei der Prüfung von Sicherungs-maßnahmen nach dem FPG nicht außer Betracht bleiben konnte.

Zusammengefasst wird festgehalten, dass erhebliche Fluchtgefahr besteht, welcher lediglich durch Verhängung der Schubhaft wirksam zu begegnen war. Der Bf. hat durch sein Vorverhalten unter Beweis gestellt, dass er nicht gewillt ist, Mitwirkungspflichten im Verfahren sowie die Rechtsordnung insgesamt zu respektieren und sich gesetzeskonform zu verhalten.

Vor diesem Hintergrund und seinen privaten Vermögensverhältnissen ist jedenfalls eine vom Bf. ausgehende schwerwiegende, dauernde Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegeben.

Zur Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft wird festgehalten, dass aufgrund der massiven strafrechtlichen Delinquenz des BF einerseits gem. Judikatur des VwGH das öffen-liche Interesse an seiner raschen Außerlandesbringung als maßgeblich vergrößert anzusehen ist; andererseits ist das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates noch laufend und ist die Schubhaft bis dahin unbedingt notwendig, um die für die Abschiebung notwendige Ausstellung des erforderlichen Reisedokuments gem. § 97 FPG zu erlangen.

Die allfällige Anwendung gelinderer Mittel zur Sicherung der Abschiebung war als nicht zielführend zu beurteilen, da mit bereits dargelegter ausführlicher Begründung anzunehmen ist, dass sich der Fremde wiederum einem solchen Verfahren aus freien Stücken nicht zur Verfügung halten wird, insbesondere da er sich bereits dem Verfahren entzogen hat und dies in der Einvernahme erneut angedroht hat. Er wäre somit für die Behörde nicht greifbar und die Abschiebung undurchführbar.

Es mangelt dem BF an jener Vertrauenswürdigkeit und Kooperationswilligkeit mit den Behörden, welche prinzipiell Voraussetzung für die Anwendung gelinderer Mittel wie der periodischen Meldeverpflichtung oder der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit ist.

Da der BF ausreiseunwillig ist und dies in der Einvernahme wiederholt und glaubhaft kundgetan hat, ist davon auszugehen, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin aus eigenem nicht nachkommen wird, womit die getroffene Maßnahme zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens als dringend erforderlich und einzig mögliches verhältnismäßiges Mittel anzusehen ist.

Im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist auf die Wichtigkeit eines geordneten Fremdenwesens Bedacht zu nehmen, sodass die gesetzten behördlichen Maßnahmen notwendig und aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes, insbesondere aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens des Fremden rechtmäßig und verhältnismäßig sind.

Am 26.11.2021 langte hieramts gegenständliche Beschwerde ein.

Dem Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit der Haft wird insofern entgegengetreten, als der Bf. für die Behörde nicht greifbar ist und mehrere Punkte eines Sicherungsbedarfes gem. § 76 Abs. 3 vorlagen.

Den privaten Interessen des Bf. und seinem Recht auf persönliche Freiheit stehen die öffentlichen Interessen an der Beendigung seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Sinne eines geordneten Fremdenwesens gegenüber und fallen hier stärker ins Gewicht.

Der Bf. hat seine bisherige Zeit der Anhaltung nicht genutzt, über die Schubhaftbetreuung eine Rückkehrorganisation zu kontaktieren um seine Ausreise vorzubereiten.

Er hat bisher keine Bereitschaft gezeigt, seinen unrechtmäßigen Aufenthalt aus eigenem zu beenden.

Offensichtlich ist, daß der Bf. mit allen Mitteln versuchen wird, seine Ausserlandesbringung zu verhindern bzw. zu erschweren. Er legt auch während seiner Anhaltung im PAZ ein aggressives Verhalten an den Tag und ist seit seiner Festnahme bereits dreimal nur für kurze Zeit in Hunger-streik getreten.

Es wurde für den 8.12.2021 eine begleitete Flugabschiebung via Istanbul nach Casablanca gebucht.“

Mit Schriftsatz vom 30.11.2021 stellte die Rechtsvertretung des BF auf Anregung des Gerichts die bisherigen Schubhaftzeiten richtig.

Mit mail vom 30.11.2021 wurde auf diesbezügliche Anfrage des Gerichts folgende Information seitens des BFA nachgereicht:

„Laut Mitteilung der BFA-Abteilung B/II und B/I operative Angelegenheiten ist die Ausstellung eines neuen HRZ möglich, unter der Voraussetzung, dass der mar. Botschaft erneut Flugdaten für eine Rückführung übermittelt werden.

Der generelle Flugbetrieb nach Marokko wurde für mindestens 2 Wochen eingestellt. Flüge bis einschließlich 12.12.2021 wurden bereits storniert. Es ist aktuell nicht absehbar, ob der durch die neue Variante des Corona Virus bedingte Ausnahmezustand in Marokko verlängert wird, wie lange dieser verlängert wird, oder ob dieser nach der genannten Frist von 2 Wochen wieder aufgehoben wird.

Die nächste begleitete Abschiebung nach Marokko wäre für den 13.12.2021 geplant, ob auch diese storniert werden muss, kann erst in den nächsten Tagen beschlossen werden. Es ist somit aktuell nicht absehbar, ab wann Abschiebungen nach Marokko tatsächlich wieder durchgeführt werden können. Sobald dahingehend neue Informationen einlangen, werden wir uns mit dir in Verbindung setzen.

Weiters wird mitgeteilt, daß eine Abschiebung des Hrn. XXXX noch nicht als gänzlich unmöglich erscheint, solange keine definitive Ablehnung der Ausstellung eines neuen HRZ bzw. keine Unmöglichkeit der tatsächlichen Abschiebung mangels einer Flugverbindung gegeben ist. Somit liegt auch die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Hrn. XXXX in Schubhaft vor.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A. Feststellungen:

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1. Der volljährige BF ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er ist nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er trat unter den im Spruch ersichtlichen Aliasidentitäten auf.

1.2. Der BF befand sich zu nachstehenden Zeiten in unterschiedlichen Justizanstalten in Haft:

?        06.07.2019 bis 03.10.2019

?        03.10.2019 bis 12.03.2020

?        12.03.2020 bis 03.07.2020

?        19.10.2020 bis 18.12.2020

?        10.09.2021 bis 19.11.2021

1.3. Der BF befand sich – soweit verfahrensrelevant – zu nachstehenden Zeiten in unterschiedlichen Polizeianhaltezentren in Schubhaft:

?        28.02.2019 bis 27.06.2019

?        03.07.2020 bis 19.10.2020

?        18.12.2020 bis 27.05.2021

?        19.06.2021 bis 20.07.2021

?        30.07.2021 bis 10.09.2021

?        seit 21.11.2021 laufend

Zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung befand sich der BF sohin insgesamt um die 16 Monate in Schubhaft.

1.4. Der BF stellte mehrere erfolglose Anträge auf internationalen Schutz und wurde zwei Mal von Schweden nach Österreich rücküberstellt.

2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist Fremder iSd Diktion des FPG. Er ist volljährig.

2.2. Gegen den BF besteht eine – zweitinstanzlich rechtskräftige – Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem zweijährigen Einreiseverbot. Zudem besteht gegen den BF ein bis zum 07.09.2023 gültiges schengenweites Einreise-/Aufenthaltsverbot, welches durch Schweden erlassen wurde, da der BF dort straffällig wurde. Der Aufenthalt des BF in Österreich ist rechtswidrig.

2.3. Mit Mandatsbescheid vom 22.11.2021 wurde über ihn die Schubhaft iSd § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG verhängt.

2.4. Der BF war gesund und haftfähig. Es lagen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor.

3. Zu Fluchtgefahr, Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

3.1. Der BF behinderte seine Abschiebung, indem er seine wahre Identität nicht preisgab, unter zahlreichen Aliasidentitäten auftrat und seinen Mitwirkungspflichten im fremdenrechtlichen Verfahren nicht nachkam. Er wartete den Ausgang seines ersten Asylverfahrens nicht ab, sondern tauchte unter. Der BF ist höchst mobil und musste bereits zwei Mal aus Schweden nach Österreich rücküberstellt werden. Vor seinem Aufgriff am 30.07.2021 befand sich der BF in einem Zug von XXXX nach XXXX . Der BF konnte lediglich aufgrund der zufälligen Meldung eines Zugbeleiters in XXXX aufgegriffen und in der Folge festgenommen werden. Er entzog sich ab dem 27.07.2021 (keine Meldung mehr ab 28.07.2021) dem ihm auferlegten gelinderen Mittel und versuchte so wiederum, seine Abschiebung zu verhindern.

3.2. Gegen den BF besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot.

3.3. Der BF hatte im Bundesgebiet zu keiner Zeit einen ordentlichen Wohnsitz. Er verbrachte den Großteil seines Aufenthaltes in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren. Die übrige Zeit lebte der BF im Verborgenen.

3.4. Der BF befand sich in der Vergangenheit bereits mehrfach in Schubhaft. Zuletzt wurde er am 20.07.2021 in ein gelinderes Mittel entlassen. Diesem entzog er sich jedoch ab 27.07.2021. Am 30.07.2021 wurde er festgenommen, jedoch am 10.09.2021 wieder entlassen und in Strafhaft überstellt. Am 19.11.2021 wurde der BF erneut aus der Strafhaft in Verwaltungshaft überstellt und seit 21.11.2021 erneut in Schubhaft angehalten. Bereits in der Vergangenheit entzog er sich einmal aus einer Wohnsitzauflage und einmal aus dem gelinderen Mittel.

3.5. Der BF war und ist im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat nicht ausreisewillig.

3.6. Der BF war bisher nicht kooperationswillig, nicht bereit sich den geltenden Rechtsvorschriften zu unterwerfen, entzog sich den Behörden, trat unter zahlreichen falschen Identitäten auf und zeigte im Zuge von Anhaltung massive Verhaltensauffälligkeiten.

3.7. Der BF war in exzeptionellem Ausmaß als nicht vertrauenswürdig anzusehen. Im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft würde der BF erneut untertauchen.

3.8. Der BF wurde im österreichischen Bundesgebiet straffällig und weist folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:  
01) Urteil eines Landesgerichtes vom 29.08.2019, rechtskräftig am selben Tag, wegen §§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB; § 241e (3) StGB; § 229 (1) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr.

02) Urteil eines Bezirksgerichtes vom 05.10.2020, rechtskräftig seit 08.10.2020, wegen § 83 (1) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten.

03) Urteil eines Bezirksgerichtes vom 18.08.2021, rechtskräftig seit 24.08.2021, wegen § 15 StGB und § 127 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Wochen.

3.9. Der BF verfügt in Österreich über keinerlei familiäre oder verfahrensrelevante sozialen Kontakte. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der BF verfügte über keinerlei Barmittel. Der BF spricht Deutsch.

4. Dauer der Anhaltung:

4.1. Zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung befand sich der BF seit ca. 16 Monaten in Schubhaften.

4.2. Zum Zeitpunkt der Überschreitung einer Schubhaftdauer von sechs Monaten konnte die Abschiebung des BF nicht effektuiert werden, da noch keine Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats der marokkanischen Botschaft vorlag. Die Verzögerung lag in der Sphäre der marokkanischen Behörden und bis Jänner 2021 des BF, der nicht an seiner Identifizierung mitwirkte. Es erfolgten zumindest 19 Urgenzen bis zur Identifizierung des BF im Jänner 2021. Das Bundesamt hat rechtzeitig, bereits im Jahr 2019, angemessene Bemühungen betreffend einer HRZ Erlangung betrieben, HRZ Verfahren mit Marokko, Tunesien und Algerien geführt, und seine Bemühungen in weiterer Folge aufrechterhalten. Zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 26.11.2021 war eine begleitete Abschiebung für den 08.12.2021 gebucht. Es lag ein bis 11.12.2021 gültiges HRZ vor.

4.3. Mit Erkenntnis des BVwG vom 20.07.2021, XXXX , wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2021 keine Heimreisezertifikate für Marokko ausgestellt worden seien und im Jahr 2021 bis dato niemand nach Marokko abgeschoben worden sei. Eine weitere Prognose sei frühestens ab August 2021 möglich. Mangels fehlender Beendigungsperspektive war die Schubhaft daher – trotz ausgeprägter Fluchtgefahr – nicht weiter als verhältnismäßig anzusehen. Die Erreichbarkeit des Haftzwecks der Schubhaft – die Abschiebung – war zum Zeitpunkt der Verkündung am 20.07.2021 nicht mehr als wahrscheinlich anzusehen.

4.4. Die zeitnahe Effektuierung der Abschiebung war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung für 08.12.2021 geplant und auch gebucht. Ein Heimreisezertifikat lag vor. Die Behörde durfte daher zu diesem Zeitpunkt von einer Abschiebung des BF binnen weniger Tage ausgehen.

4.5. Am 29.11.2021 wurden die aktuellen Abschiebeparameter hinsichtlich Marokko durch das BFA evaluiert und ein Update mit Bericht von diesem Tage erstellt. Derartige Updates werden regelmäßig auch dem Gericht zeitnah durch das BFA übersandt und gelten sohin als „gerichtsnotorisch“. Von der Richtigkeit dieser Informationen darf ausgegangen werden. Festgestellt wird daher, dass vom 29.11.2021 bis jedenfalls 12.12.2021 aufgrund der aktuellen CoVID – Ausnahmesituation, keine Flugverbindungen nach Marokko vorhanden sind, bzw. sein werden. Der für den 08.12.2021 geplante Abschiebeflug wird daher nicht stattfinden. Aufgrund der derzeit nicht abschätzbaren Pandemiesituation ist im Zeitpunkt dieser gerichtlichen Entscheidung keine mit der notwendigen Sicherheit gegebene Prognose darüber möglich, ob eine Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat innerhalb angemessener Zeit durchführbar sein wird, oder nicht.

B. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des BFA und des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG), durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1. Die persönlichen Daten des BF sowie seine Aliasidentitäten ergeben sich aus dem Zentralen Fremdenregister. Dass der BF österreichischer Staatsbürger, Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigter wäre, wurde nicht behauptet und geht auch aus dem gesamten Akteninhalt nicht hervor. An der Volljährigkeit des BF besteht kein Zweifel.

1.2. und 1.3. Die Aufenthalte des BF in Justizanstalten und in Schubhaft gehen aus den vorliegenden Auszügen aus dem Zentralen Melderegister hervor. Die Entlassung des BF am 10.09.2021 ist der E-Mailnachricht des BFA vom 15.09.2021 zu entnehmen. Die Gesamtdauer der bisherigen Schubhaften ergibt sich aus einer Zusammenrechnung der einzelnen Schubhaftzeiträume im Vergleich mit den Ausführungen in der Beschwerdeschrift und der Stellungnahme des BFA hiezu.

1.4. Die Antragstellungen sind im Zentralen Fremdenregister vermerkt.

2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen würde gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Seine Volljährigkeit ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

2.2. Diese Feststellung ergibt sich aus dem Zentralen Fremdenregister, in welchem die Rückkehrentscheidung in Verbindung mit dem Einreiseverbot und die Rechtskraft der Entscheidung zweiter Instanz vermerkt sind. Das diesbezügliche Erkenntnis des BVwG vom 12.04.2019 liegt dem erkennenden Gericht vor. Zumal der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam ist sein Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet zweifelsohne rechtswidrig. Das Aufenthaltsverbot ist aus den Verwaltungsakten ersichtlich (vgl. Akt RD XXXX Teil 1 – Teil 12, AS 608).

2.3. Der Schubhaftbescheid vom 22.11.2021 liegt im Akt ein.

2.4. An der Haftfähigkeit des BF sind keine Zweifel aufgekommen. Zwar geht aus dem Akteninhalt hervor, dass der BF vermehrt durch Selbstverletzungen (Verschlucken von Gegenständen, Trinken von Seife oder Shampoo, Essen von Teilen einer Matratze, versuchte Wiedereröffnung von Wunden am Oberschenkel, Verletzungen mit Draht einer FFP-2 Maske) in der Vergangenheit versuchte, seine Haftunfähigkeit herbeizuführen, jedoch wurde jeweils durch den zuständigen Amtsarzt die Haftfähigkeit des BF festgestellt. Der Haftfähigkeit des BF entgegenstehende Angaben wurden im Verfahren nicht vorgebracht.

3. Zur Fluchtgefahr, Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

3.1. Wie sich aus der vermehrten Verwendung von Aliasidentitäten und unterschiedlichen Staatsbürgerschaften klar ergibt, behinderte der BF seine Identifizierung und damit auch das fremdenrechtliche Verfahren. Dies entspricht auch den Angaben eines im Zuge der Verhandlung vom 20.07.2021 vor dem BVwG einvernommenen Zeugen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 20.07.2021, S. 30f). Erst zu Beginn des Jahres 2021 konnte der BF daher als marokkanischer Staatsbürger identifiziert werden. Aus dem Akt ergibt sich auch, dass der BF noch vor dem Abschluss seines ersten Asylverfahrens ausreiste und in der Folge zusätzlich in Dänemark und Schweden Anträge auf internationalen Schutz stellte. Diese sind im Zentralen Fremdenregister vermerkt. Die Reise des BF mit einem Zug, welcher von XXXX in Richtung XXXX unterwegs war und der Aufgriff des BF am 30.07.2021 ergeben sich aus dem Abschlussbericht einer LPD vom selben Tag (vgl. SIM Akt, AS 227ff). Die Nichtbefolgung des gelinderen Mittels ist dem Parteienvorbringen entnommen und durch die eigenen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 17.08.2021 bestätigt (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 17.08.2021, S. 12).

3.2. Die zweitinstanzlich rechtskräftige Rückkehrentscheidung inklusive Einreiseverbot ist im IZR vermerkt.

3.3. Die Aufenthalte des BF in Polizeianhaltezentren und Justizanstalten wurden bereits zu 1.2. und 1.3. behandelt. Aus dem Zentralen Melderegister geht abgesehen davon lediglich eine Meldung zur Wohnsitzauflage von 31.05.2021 bis 01.06.2021, bei der BBU-GmbH hervor.

3.4. Die Entlassung des BF in ein gelinderes Mittel am 20.07.2021 ist im Zentralen Fremdenregister vermerkt, der entsprechende Bescheid und die Übernahmebestätigung liegen vor (vgl. SIM-Akt, AS 277ff). Aus dem Fremdenregister geht auch die Entziehung aus dem gelinderen Mittel hervor. In der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2021 hierzu befragt gab der BF an, die Polizei habe ihn – im Zuge des Aufgriffs am 27.07.2021 wegen des Verdachts eines versuchten Ladendiebstahls – betrogen und ihn dahingehend belogen, dass er seiner Meldeverpflichtung nicht mehr nachkommen müsse (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 17.08.2021, S. 12). Der BF musste sich jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass er bereits zuvor unter behördlichen Auflagen (zweimalige Wohnsitzauflagen) stand und diese nicht befolgte, der Konsequenzen eines Nichterscheinens mittlerweile jedenfalls, und insbesondere als er soeben erst aus der Schubhaft entlassen worden war, bewusst sein. Hierfür spricht auch, dass er am 30.07.2021 lediglich zufällig aufgegriffen werden konnte. Es war festzustellen, dass der BF sich gezielt aus dem gelinderen Mittel entzogen hat.

3.5. Der BF gab bereits mehrfach in Einvernahmen an, nicht in seinen Herkunftsstaat zurückkehren zu wollen. Zuletzt gab er auch vor dem erkennenden Gericht an, er wolle in Österreich bleiben und sei gegen eine Abschiebung (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 17.08.2021, S. 13). Änderungen dieser Einstellung haben sich bisher nicht im Verhalten des BF widergespiegelt.

3.6. Aus den Verwaltungsakten sind zahlreiche aggressive Ausschreitungen und destruktives Verhalten des BF ersichtlich (vgl. etwa Akt RD XXXX Teil 2 AS 197ff, 205ff, 231ff, 301ff, 315ff). Auch im Zuge seines Aufgriffs am 30.07.2021 legte der BF erneut ein solches Verhalten an den Tag, beschädigte vorsätzlich eine Matratze und schluckte die Stücke, beleidigte und bespuckte eine Beamtin, versuchte ein Messer aus seiner Tasche zu ziehen und warf einen Stuhl gegen einen Glastisch (vgl. AS 227ff).

Auch im Zuge der Verwaltungsverwahrungshaft verhielt sich der BF am 30.07.2021 aggressiv, schrie lautstark und gestikulierte wild mit seinen Händen. Er schlug mit einem Stuhl gegen die Glastür der Zelle, in welcher er sich befand. Er stellte sein Verhalten auch auf Aufforderung der Beamten nicht ein. Er musste in eine Handarrestzelle verbracht werden.

Ebenfalls am 30.07.2021, nach seiner Verlegung in eine normale Zelle, trank der BF Shampoo gab an ein Stück Metall von einem Spind verschluckt zu haben. Er gab an dies zu tun, da er nicht in Schubhaft sein wolle. Der BF wurde daraufhin aufgrund dieser Selbstverletzung und seiner Aggressivität erneut in die Handarrestzelle verbracht. Später an diesem Tag versuchte der BF sich mit dem Draht einer FFP2 Maske zu verletzen. Aufgrund seines Verhaltens wurde das Anlegen der Hand und Fußfesseln angedacht. Der BF schrie die einschreitenden Organen an, bespuckte sie und betitelte sie mit diversen wüsten Schimpfwörtern und abfälligen Bemerkungen. Das Verhalten des BF im Zuge der Anhaltung ist damit als in massivem Ausmaß regelbrüchig und unkooperativ zu bezeichnen. Er benahm sich so, um seine Entlassung aus der Schubhaft zu erzwingen. Dieses Verhalten ist in der Anhaltedatei vermerkt. Dass der BF sich den Behörden entzog wurde bereits mehrfach erörtert (vgl. auch Akt RD XXXX Teil 1 AS 629 ff und 663).

3.7. Aufgrund seines Gesamtverhaltens, insbesondere der klaren Missachtung von Regeln und Rechtsvorschriften und seiner erst kürzlich erfolgten weiteren Entziehung aus dem gelinderen Mittel sowie seinem Gebaren bei der Festnahme und im Zuge der Anhaltung ist der BF als außergewöhnlich unkooperativ anzusehen. Es war daher jedenfalls von einem erneuten Untertauchen des BF im Falle seiner Entlassung auszugehen, zumal zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Abschiebung des BF für den 21.08.2021 – drei Tage später – bereits geplant war.

3.8. Die Verurteilungen des BF ergeben sich aus dem Strafregister.

3.9. Der BF gab in der Basisbefragung vom 30.07.2021 an, keine Familie in Österreich zu haben. Zwar gab der BF vor der Kriminalpolizei an, bei seiner Freundin in XXXX zu leben, jedoch war dieser Umstand nicht wesentlich, zumal dies den BF auch bislang nicht an einem Untertauchen hinderte (vgl. SIM-Akt, AS 213). Der BF geht in Österreich jedenfalls keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, zumal er zur Ausübung einer solchen nicht befugt ist. Nach den Daten der Anhaltedatei verfügt der BF mittlerweile über kein Bargeld mehr. Er kann sich von niemandem Geld leihen (vgl. Basisbefragung vom 30.07.2021, S. 4). Dass der BF über Deutschkenntnisse verfügt ergibt sich aus den Verwaltungsakten (vgl. etwa SIM-Akt, AS 235).

4. Dauer der Anhaltung:

4.1. Die Feststellungen in 4.1. ergeben sich aus der Zusammenrechnung der bestätigten Anhaltezeiten des BF.

4.2. Die Bemühungen der Behörde, welche bereits im Jahr 2019 ein Heimreisezertifikat für den BF beantragte, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Dass sich die Ausstellung verzögerte ist ebenfalls aus dem Akt ersichtlich (vgl. Akt RD XXXX Teil 1 AS 593, 605 ff und AS 645; Akt RD XXXX Teil 2 AS 63 und 79), zumal der BF aufgrund dessen bereits am 27.06.2019 aus der Schubhaft entlassen wurde (vgl. wiederum AS 645 des genannten Verwaltungsaktes). An verschiedensten Stellen in den Verwaltungsakten wird darauf hingewiesen, dass eine Abschiebung bei Ausstellung eines HRZ erfolgen wird (vgl. etwa Akt RD XXXX . Teil 2 AS 133). Ebenfalls ist ersichtlich, dass die Behörde ihre Bemühungen in weiterer Folge aufrechterhielt (vgl. DEF Akt AS 45, 49). Die Vornahme von zumindest 19 Urgenzen und drei simultan geführten HRZ-Verfahren durch das BFA bis zur Identifizierung des BF durch die marokkanische Vertretungsbehörde ergibt sich aus dem Verhandlungsprotokoll des BVwG vom 20.07.2021. Hieraus geht auch hervor, dass der BF seinen Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachkam (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 20.07.2021, S. 31). Noch im Dezember 2020 behauptete der BF selbst, er sei aus Algerien (vgl. Niederschriftliche Einvernahme vom 18.12.2020 in Akt RD XXXX Teil 2, AS 247).

Die in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2021 einvernommene Zeugin gab an, der Fall des BF werde prioritär behandelt und es bestehe Kontakt zur Botschaft. Im Gegensatz zur Situation zum Zeitpunkt des letzten (negativen) Fortsetzungsausspruches vom 20.07.2021 lag zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits ein gültiges Heimreisezertifikates vor und war der Flug für 08.12.2021 gebucht.

4.3. Diese Feststellungen basieren auf dem genannten Erkenntnis vom 20.07.2021 und den diesbezüglichen Aktenteilen im behördlichen Akt.

4.4. Dies ergibt sich aus dem Akteninhalt (vgl. SIM-Akt, AS 279a-c) und den Angaben der in der seinerzeitigen mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugin. Sie führte aus, dass es nunmehr am 02.08.2021 und 14.08.2021 erfolgreiche Rückführungen nach Marokko gegeben habe. Der Flug war bereits gebucht und HRZ wurden erfahrungsgemäß zwei Tage vor dem Flug übergeben (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 17.08.2021, S. 32f).

Zur geplanten Abschiebung am 21.08.2021 wird angemerkt, dass diese in weiterer Folge auch lediglich aufgrund der Weigerung des BF, einen PCR-Test durchführen zu lassen, scheiterte.

4.5. Die Feststellungen ergeben sich im Wesentlichen aus dem als gerichtsnotorisch zu bezeichnenden vorliegenden Bericht des BFA zum Bestehen von abschiebeflugtauglichen Flugverbindungen nach Marokko (und andere Staaten) vom 29.11.2021 und der Stellungnahme des BFA hiezu vom 30.11.2021 (per e-mail). Eine Abschiebung des BF zum geplanten Termin ist danach unmöglich und eine verlässliche Prognose darüber, ob ein ins Auge gefasster Ersatztermin am 13.12.2021, unmittelbar nach Ablauf der derzeitigen Sperre auch stattfinden wird, aufgrund der derzeitigen ungewissen Pandemiesituation (neue Virusvariante noch unbekannter (hoher) Ansteckungsintensität) ist ebenso in keiner Weise möglich.

C. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A.):

1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenth

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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