TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/7 W171 2248834-1

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Veröffentlicht am 07.12.2021
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Entscheidungsdatum

07.12.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
BuLVwG-EGebV §2 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch


W171 2248834-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit China, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2021, Zl. XXXX sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 08.11.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.11.2021 wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG idgF stattgegeben, der angefochtene Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2021, Zl. XXXX aufgehoben und die Anhaltung in Schubhaft vom 08.11.2021 bis 07.12.2021 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs 2 Zi. 2 FPG idgF wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung n i c h t vorliegen.

III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 VwGVG iVm § 2 Abs. 1 BuLVwG-EingabengebührenV hat der Bund der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 30,00 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (in Folge BF) reiste nach eigenen Angaben am 05.11.2021 mit dem Flugzeug von Italien her kommend in Österreich ein. Sie wurde im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle in einem Nachtlokal am 07.11.2021 festgenommen.

Sie ist im Besitz eines chinesischen Reisepasses sowie eines gefälschten französischen Aufenthaltstitels.

Am 08.11.2021 erfolgte sodann eine Haftgrundänderung von § 39 FPG auf § 40 BFA-VG. Die Zuständigkeit ging daher auf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge BFA) über.

Es wurde kein aufrechter Wohnsitz im Bundesgebiet festgestellt.

Die BF wurde in ein PAZ überstellt. Mit 08.11.2021 wurde gegen sie ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendeten Maßnahme eingeleitet und sogleich die Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens verhängt.

Die BF habe danach durch ihr Vorverhalten die Tatbestandmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1 und

9 FPG erfüllt und es sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit der BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Ansicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung der BF in ihren Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig. Eine Einvernahme fand zuvor nicht statt.

Am 09.11.2021 wurde die BF einvernommen und knapp zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt. Dabei gab sie an von Italien nach Österreich gekommen zu sein um hier als Masseurin zu arbeiten. Sie habe in Österreich keinerlei Bindungen und noch nicht angefangen zu arbeiten. Sie verfüge über € 1.400,-- und wohne in einem Zimmer des Etablissements. Sie wolle nicht in ihre Heimat zurück.

Gleichsam am 09.11.2021 erfolgte auch eine Vernehmung als Beschuldigte im Vorverfahren in welcher sie im Wesentlichen ihre ersten Angaben präzisierte und angab, nicht gewusst zu haben, dass der von ihr vorgelegte französische Aufenthaltstitel gefälscht sei, zumal sie diesen bereits wiederholt bei ihrer Einreise vorgewiesen habe.

Mit Bescheid des BFA vom 09.11.2021 wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.); gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die BF erlassen (Spruchpunkt II.); gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt III.); gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen die BF ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.); sowie einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit Schriftsatz vom 30.11.2021 erhob die BF durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 08.11.2021 sowie die darauf gegründete Anhaltung. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass es Anhaltspunkte dafür gäbe, dass die BF ein Opfer von Menschenhandel sei und sei mit ihr daher bereits die Einrichtung LEFÖ in Kontakt getreten. Es sei ihr weder vor der Schubhaftverhängung, noch vor der Entscheidung zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung „besonderer Schutz“ gem. § 57 AsylG Bedenk- und Erholungszeit eingeräumt worden. Die BF sei traumatisiert und sei eine sichere Unterbringung durch die Bereitstellung einer Schutzwohnung durch IBF LEFÖ gewährleistet.

Sammelabschiebungen nach China seien bisher nicht durchgeführt worden. Einzelabschiebung seien vor März 2022 nicht möglich, da diese laut IOM derzeit nicht gebucht werden könnten. Die Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht im Verfahren nicht ausreichend nachgekommen und sei die BF nicht über ihre Rechte als Opfer von Menschenhandel aufgeklärt worden, wiewohl dafür konkrete Hinweise gegeben gewesen seien.

Selbst bei Fluchtgefahr sei die Verhängung eines gelinderen Mittels ausreichend. Beantragt wurde die Einvernahme der BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowie Kostenersatz. Die Einzahlung der Eingabengebühr wurde dem Gericht nicht nachgewiesen.

Die BF stellte ebenso am 30.11.2021 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Schubhaft wurde daraufhin mit AV vom 01.12.2021 gem. § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten.

Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 01.12.2021 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde im Wesentlichen (gekürzt) wie nachstehend ausgeführt:

„Mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.11.2021 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach China für zulässig erklärt, gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FP G ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Dieser Bescheid wurde der BF am 11.11.2021 zugestellt und befindet sich derzeit (noch) unangefochten in Rechtsmittelfrist.

Die BF verfügt über einen gültigen chinesischen Reisepass, der sich derzeit bei den Effekten im PAZ befindet. Aufgrund der noch offenen Rechtsmittelfrist in der Rückkehrentscheidung konnte kein Flugtermin fixiert werden, jedoch ist eine Rückführung in den Herkunftsstaat innerhalb der zulässigen Anhaltedauer aufgrund des vorhandenen gültigen chinesischen Reisepasses nach wie vor als wahrscheinlich anzusehen.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass eine freiwillige Ausreise entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin eine freiwillige Ausreise sehr wohl auch dzt. möglich wäre.

Die BF verfügt über keinen geeigneten Wohnsitz im Bundesgebiet und auch nicht über die nötigen finanziellen Mittel. Des Weiteren steht für die Behörde fest, dass aufgrund der illegalen Einreise sowie der Tatsache, dass sich die BF mit einem gekauften und gefälschten Aufenthaltstitel ausgewiesen hat und dies in der Beschuldigtenvernehmung durch die Exekutive am 09.11.2021 auch gestand, dass die BF jegliche Glaubwürdigkeit im Hinblick auf ein gelinderes Mittel abgesprochen werden kann.

Auch der Asylantrag im Stande der Schubhaft ist aus Sicht der Behörde mit Verzögerungsabsicht im Hinblick auf weitere aufenthaltsbeendete Maßnahmen gestellt worden. Dazu wird auf den Aktenvermerk gem. § 76 Abs. 6 FPG hingewiesen.

Zum Vorhalt in der Beschwerde bezüglich Opfer von Menschenhandel wird angemerkt, dass mehrfach von konkreten Anhaltspunkten in der Beschwerde sowie der Stellungnahme des LEFÖ die Rede war, jedoch wurde keinerlei dieser Anhaltspunkte genauer bzw. näher ausgeführt. Auch erwähnte die BF in der Beschuldigenteneinvernahme vor der Exekutive einen solchen Vorfall mit keinem Wort. Es gab auch keinerlei Hinweise, die auf ein Opfer von Menschenhandel hingewiesen hätte. Auch fanden laut Aufenthaltsinformation des PAZ bereits am 16.11.2021 sowie 19.11.2021 Rechtsberatungs- und Rückkehrberatungstermine mit der BBU statt. Weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme des LEFÖ finden sich Hinweise, dass zu diesem Zeitpunkt der Verdacht auf Opfer von Menschenhandel bestand.

In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass selbst für den Fall, dass sich im weiteren Verfahren ein Sachverhalt ergeben sollte, der sich hinsichtlich § 57 AsylG als rechtserheblich darstellen könnte, diese Entwicklung seitens der ho. Behörde natürlich auch bei der laufenden Verhältnismäßigkeitsprüfung miteinzubeziehen wäre.

Seitens des BFA wird beantragt die gegenständliche Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen und gem. § 35 VwGVG iVm § 1 Z 3 bis 5 VwG-Aufwandersatzverordnung die dort vorgesehenen Kosten zuzusprechen.“

Das Gericht holte ein amtsärztliches Gutachten (02.12.2021) über den gesundheitlichen Zustand der BF ein, aus dem sich ergab, dass psychische Beschwerden bis dato nicht bekannt seien und die BF nach wie vor haftfähig sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A. Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1. Zur Person der Beschwerdeführerin:


1.1. Die BF reiste nach eigenen Angaben am 05.11.2021 aus Italien kommend ins österreichische Bundesgebiet ein.

1.2. Ihre Identität steht fest. Sie ist chinesische Staatsangehörige, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sie nicht. Sie ist daher Fremde iSd Diktion des FPG. Der BF wurde im Zuge ihrer Festnahme am 07.11.2021 ihr chinesischer Reisepass abgenommen und sichergestellt.

1.3. Die BF ist im Wesentlichen gesund. Es handelt sich bei ihrer Person um eine Schwarzarbeiterin.

1.4. Sie ist im österreichischen Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.

1.5. Die BF befindet sich seit 08.11.2021 in Schubhaft.

2. Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die gegenständliche Schubhaft wurde am 08.11.2021 gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 2 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verhängt. Mit Bescheid vom 09.11.2021 wurde über die BF sodann eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt und die Entscheidung mit einem auf die Dauer von vier Jahren befristeten Einreiseverbot verbunden. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt. Beschwerde wurde inzwischen erhoben.

2.2. Die BF war hafttauglich.

2.3. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides vom 08.11.2021 war von der Möglichkeit einer Abschiebung der BF innerhalb einer zumutbaren und gesetzmäßigen Zeitspanne auszugehen. Einen konkreten Termin für die Abschiebung gibt es noch nicht.

3. Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen die BF wurde im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet und in weiterer Folge eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen.

3.2. Die BF befand sich während des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits in Schubhaft und wirkte an diesem Verfahren mit. Sie hat bisher ihre Rückkehr und Abschiebung nicht umgangen oder behindert.

3.3. Seit dem 11.11.2021 besteht eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3.4. Die BF ist im Hinblick auf ihren Herkunftsstaat nicht ausreisewillig.

4. Zur familiären/sozialen Komponente (5.1.-5.4.):

4.1. Die BF ist in Österreich weder sozial, noch familiär verankert. Sie ging keiner legalen Beschäftigung nach.

4.2. Sie spricht nicht Deutsch.

4.3. Die BF konnte bei Schubhaftverhängung keine gesicherte Unterkunft nachweisen und war bisher in Österreich nicht melderechtlich erfasst.

4.4. Sie verfügt über einen Geldbetrag von ca. € 1.095,-- (Stand 30.11.2021), der sich im PAZ befindet.

4.5. Die BF könnte nach einer Haftentlassung in einer Betreuungsstelle des LEFÖ wohnen und würde dort betreut werden.

B. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

1. Zur Person der Beschwerdeführerin (1.1.-1.5.):

Die Einreise der BF nach Österreich ergibt sich aus dem übereinstimmenden Parteienvorbringen mit der Aussage der BF im Rahmen der Einvernahmen am 09.12.2021. Die BF legte zum Beweis ihrer Identität einen auf ihren Namen lautenden chinesischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. Aus dem Behördenakt ergibt sich, dass die BF ihren Reisepass freiwillig ausgehändigt hat (1.1. und 1.2.). Beeinträchtigungen ihres gesundheitlichen Zustandes sind nicht hervorgekommen. So gab die BF selbst an, gesund zu sein. Auch das gerichtlicherseits eingeholte amtsärztliche Gutachten vom 02.12.2021 erklärt die BF im Wesentlichen für gesund und haftfähig. Psychische Beschwerden seien bis dato nicht bekannt geworden. Aus dem Festnahmeprotokoll ist zu entnehmen, dass die BF in einem einschlägigen Etablissement in Vorbereitung einer nicht registrierten gewerblichen Tätigkeit betreten wurde (1.3.). Dass die BF im österreichischen Bundesgebiet strafrechtlich unbescholten ist (1.4.), ergab sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. Die Dauer ihrer Anhaltung wiederum ergibt sich aus dem vorliegenden Auszug der Anhaltedatei (1.5.).

2. Zu den formalen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):

Die Verhängung der gegenständlichen Schubhaft im Wege eines Mandatsbescheides und die Einleitung des Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung (Rückkehrentscheidung) ergeben sich aus dem unbestrittenen Verfahrensgang. Der Bescheid des BFA vom 09.11.2021, mit welchem ua. eine Rückkehrentscheidung gegen die BF erlassen und die aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen wurde, liegt dem Gericht vor und wurde dieser nach der Aktenlage am 11.11.2021 zugestellt. Die Schubhaft erfolgte zur Sicherung des Verfahrens und war diese sohin zu diesem Zeitpunkt formal zulässig (3.1.).

Hinsichtlich der Hafttauglichkeit des BF (2.2.) wird auf die Ausführungen zu 1.3. verwiesen.


Die Feststellung zu 2.3. beruht auf dem behördlichen Akteninhalt, dem zu entnehmen war, dass eine Abschiebung zwar noch nicht mit einem konkreten Termin vorgesehen war, jedoch dadurch, dass die BF über einen gültigen Reisepass verfügt, einer baldigen Abschiebung nichts entgegenstehen würde. Aus dem Akt ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung der BF wesentlich verzögert werden könnte. Die Behörde durfte daher von einer Abschiebemöglichkeit für die BF in nächster Zeit ausgehen. Das Vorbringen in der Beschwerdeschrift (Flugabschiebungen erst wieder ab März 2022 möglich) konnte durch die Ausführungen in der Stellungnahme des BFA von 01.12.2021 klar widerlegt werden.

3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.4.):

Das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich wiederum aus dem im Rückkehrentscheidungsverfahren ergangenen Bescheid des BFA vom 09.11.2021. Dieser Bescheid wurde nach der Aktenlage am 11.11.2021 der BF zugestellt. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde ausgeschlossen. Der mittlerweile eingebrachten Beschwerde wurde bisher keine aufschiebende Wirkung zugesprochen (3.1.).

Aus der Chronologie ergibt sich, dass eine Einvernahme der BF erst nach Verhängung der Schubhaft am 09.11.2021 stattfand. Sohin ist davon auszugehen, dass die Schubhaft in Voraussicht des danach abgeführten Rückkehrverfahrens am 08.11.2021 verhängt wurde. Die BF befand sich daher während des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits in Schubhaft und sind keine Angaben im Akt darüber, dass sich die BF während der Anhaltung in Schubhaft, oder auch davor unkooperativ verhalten hätte. Das Gericht konnte sohin davon ausgehen, dass die BF während des laufenden Verfahrens zwischen der Schubhaftverhängung und der vorläufigen Beendigung des Rückkehrentscheidungsverfahrens mit Bescheid von 09.11.2021 bzw. mit dessen Erlassung am 11.11.2021 im Verfahren mitwirkte und weder ihre Rückkehr, noch ihre Abschiebung umgangen hatte. Den gesamten im Akt dokumentierten Handlungen (Einvernahmen) ist kein Hinweis zu entnehmen, dass die BF in den laufenden Verfahren nicht mitgewirkt hätte. Die BF wurde auch sogleich bei ihrer Betretung festgenommen und kann sich daher auch keinem Verfahren entzogen haben (3.2.). Sodann wurde mit Bescheid vom 09.11.2021 eine Rückkehrentscheidung erlassen, die mit 11.11.2021 durchsetzbar wurde (3.3.). Die BF gab im Rahmen ihrer Einvernahmen am 09.11.2021 an, nicht nach Hause zurückkehren zu wollen (3.4.).

4. Zur familiären/sozialen Komponente (4.1.-4.5.):

Die fehlende Verankerung der BF in Österreich (4.1.) und die fehlenden Deutschkenntnisse (4.2.) sind unstrittig und wurden auch von der BF selbst in den bisherigen Einvernahmen am 09.11.2021 bestätigt. Das erkennende Gericht sieht keinen Grund an den diesbezüglichen Angaben zu zweifeln.

Der fehlende gesicherte Wohnsitz ergibt sich daraus, dass die BF im Rahmen der behördlichen Einvernahmen zwar angab, in einem Zimmer, welches zu dem Etablissement gehören würde mit einer zweiten Person bewohnt zu haben, sie allerdings dort weder zur gewerblichen Arbeit durch den Dienstgeber angemeldet wurde, noch eine diesbezügliche Meldung beim Meldeamt durch den Unterkunftgeber vorgenommen wurde. Die Behörde durfte daher zu Recht nicht von einem gesicherten Wohnsitz ausgehen (4.3.).

Die Feststellung eines Guthabens von € 1.095,-- in bar begründet sich auf die per 30.11.2021 abgefragte Information aus der Anhaltedatei des BMI (4.4.).

In der Beschwerdeschrift wurde unter Vorlage einer unbedenklichen Urkunde eine Wohnmöglichkeit für die BF in einer Opferbetreuungsstelle bei LEFÖ geltend gemacht. Aus dem Schreiben der LEFÖ geht erkennbar hervor, dass die BF bei einer allfälligen Entlassung aus der Schubhaft von dieser Einrichtung Unterkunft erhalten und eine Betreuung erfahren würde. Das Gericht geht daher hinsichtlich der zu treffenden Fortsetzungsentscheidung nunmehr von einem gesicherten Wohnsitz aus.

5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:
Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Bei der Mittellosigkeit und der fehlenden sozialen Integration handelt es sich in Bezug auf (noch nicht lange in Österreich aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, um kein tragfähiges Argument für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs. Die Heranziehung des Gesichtspunktes, der Fremde sei in Österreich nicht ausreichend integriert, ist vielmehr bei Asylwerbern, die sich noch nicht lange in Österreich aufhalten, verfehlt; der Frage der Integration kommt primär im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 FrPolG 2005 Bedeutung zu (Hinweis E 30. August 2007, 2007/21/0043; weiters E 28.02.2008, 2007/21/0512).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).

Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0014; 19.03.2013, 2011/21/025; 28.08.2012, 2010/21/0388).

3.1.3. Rechtlich folgt daraus:

Bescheid und bisherige Anhaltung:

Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts bisher kein ausreichender Sicherungsbedarf gegeben. Geht man vom bisherigen Verhalten der Beschwerdeführerin in Österreich aus so zeigt sich, dass der Tatbestand des § 76 Abs 3 Z 3 FPG nunmehr zwar erfüllt ist. Hier darf angemerkt werden, dass die diesbezügliche Rückkehrentscheidung jedoch erst nach einigen Tagen nach der Verhängung der Schubhaft erfolgte und dieser Tatbestand richtigerweise sohin bei Schubhaftbescheiderlassung noch nicht gegeben war. In den meisten Schubhaftkonstellationen ist zu diesem Zeitpunkt bereits der Titel vorhanden. Dennoch ist die Ziffer 3 (erster Fall) leg. cit. mittlerweile erfüllt.

Die im Bescheid unterstellte Verwirklichung des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG konnte jedoch gerichtlich nicht festgestellt werden. Wie bereits in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die BF in irgendeiner Weise vor der Schubhaftbescheiderlassung, aber auch nicht danach an einem Verfahren nicht mitgewirkt, oder ihre Abschiebung behindert hätte.

Im Schubhaftbescheid wird die Erfüllung des Tatbestandes der Ziffer 1 leg.cit. wie folgt begründet:

„Aufgrund der Tatsache, dass Sie über keinen Wohnsitz außerhalb der Schubhaft verfügen in Verbindung mit Ihrem bisherigen fremdenrechtlichen Fehlverhalten und der damit einhergehenden Unzuverlässigkeit Ihrer Person, ist mit einem Untertauchen auf freiem Fuß belassen, zu rechnen. Zudem wollten Sie im Bundesgebiet der illegalen Prostitution nachgehen. Damit erfüllen Sie den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG.“

Hiezu ist zu sagen, dass ein fehlender Wohnsitz, behauptete Unzuverlässigkeit und die Annahme des Untertauchens auf freiem Fuße sowie die illegale Prostitution nichts mit der Erfüllung der in Zif. 1 genannten Kriterien zu tun hat und daher die bescheidmäßige Begründung lediglich als Scheinbegründung anzusehen ist. Nur das Fehlverhalten im bisherigen fremdenrechtlichen Verfahren könnte ansatzweise, bei näheren Ausführungen in Frage kommen. In konkreto lag jedoch bei Einleitung des fremdenrechtlichen Verfahrens keine mangelnde Mitwirkung, Umgehung oder Behinderung vor. Auch eine generelle Missachtung von Regeln oder gar Unwille sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen bzw. behördlichen Anforderungen Folge zu leisten, war bei und nach Betretung der BF durch die Behörde nicht erkennbar. Eine Verwirklichung von Z. 1 leg. cit. lag und liegt sohin nicht vor.

Ziffer 9 des Abs. 3 leg cit. ist als teilweise verwirklicht anzusehen, was jedoch im Fall der BF nicht schwer ins Gewicht fällt. So wurde die BF in Vorbereitung auf eine nichtgemeldete gewerbliche Tätigkeit aufgegriffen. Naturgemäß hatte sie im Inland weder einen gesicherten Wohnsitz, noch war sie sozial bzw. familiär verankert. Dies wiegt jedoch im Hinblick auf ihre Kooperationsbereitschaft und ihre Unbescholtenheit verhältnismäßig weniger schwer. Zudem war feststellbar, dass die BF finanzielle Mittel hatte um so ihren Aufenthalt bis zu einer möglichen Abschiebung u. U. auch zu finanzieren. Es ist zwar richtig, dass die BF bisher im Inland nicht gemeldet war, sie hat sich jedoch durch dieses Meldevergehen keinem behördlichen Verfahren entzogen, da bis zum Zeitpunkt der Betretung noch kein derartiges behördliches Verfahren eingeleitet gewesen ist.

Ein weiterer wesentlicher Grund für das Gericht, nicht von hinreichender Fluchtgefahr auszugehen war, dass der Reisepass der BF durch die Behörde sichergestellt wurde und die BF daher zumindest rechtlich nur im Wege über die Behörde eine geregelte Rückkehr in ihren Heimatstaat bewerkstelligen wird können. Es ist daher aus Sicht des Gerichts wenig wahrscheinlich, dass die BF, die zu Erwerbszwecken nach Österreich gekommen ist, illegal und ohne ihren Reisepass unbemerkt aus Österreich ausreisen werde, zumal ihr Asylverfahren im Inland noch nicht abgeschlossen ist.

Sonstige Gründe um von Fluchtgefahr auszugehen hat weder das behördliche, noch das gerichtliche Verfahren ergeben. Da demgemäß schon das Vorliegen von ausreichend begründetem Sicherungsbedarf zu verneinen war, konnte die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Schubhaftverhängung unterbleiben. Nachdem sich bereits die Verhängung der Schubhaft als rechtswidrig erwies, war auch die darauf gegründete Anhaltung vom 08.11.2021 bis 07.12.2021 (Tag der Entlassung) für rechtswidrig zu erklären.

3.2. Zum Spruchpunkt II. – Fortsetzungsentscheidung:

Während im Zuge der Bescheidprüfung lediglich eine Erfüllung des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Zi. 9 (bzw. Zi. 3) FPG festgestellt werden konnte und die Erfüllung der Zi. 1 zu verneinen war, war zur Beurteilung der Fortsetzung nunmehr auch die hinzugekommene Zi. 5 zu berücksichtigen.

Zur Ziffer 9:

Aufgrund der ständigen Rpr. des VwGH, dass die Erfüllung der Zi. 9 alleine bei noch nicht lange im Inland aufhältigen Fremden für die Annahme von Sicherungsbedarf nicht hinreicht (VwGH, 28.02.2008, Zi. 2007/21/0512), und das Beschwerdeverfahren hervorgebracht hat, dass die BF zumindest über einen Barbetrag von € 1.095,-- verfügen kann und sohin nicht als mittellos zu bezeichnen ist, vermeint das Gericht, dass die BF daher in der Lage ist, sich mit ihren Bargeldreserven zumindest eine längere Zeit selbst erhalten könnte. Hinzu kommt, dass die BF eine Zusage von LEFÖ hat, dort in einem betreuten Wohnheim aufgenommen zu werden. In Zusammensicht mit der Tatsache, dass die Behörde nach wie vor im Besitz des Reisepasses der BF ist, was nach Ansicht des Gerichts ein wesentlicher Punkt ist, geht das Gericht auch zukünftig nicht vom Untertauchen des BF aus. Der Tatbestand der Ziffer 9 ist sohin nur mehr zu einem geringen Teil (soziale und familiäre Komponente) gegeben, was bei einer Gesamtbewertung in dieser Form Berücksichtigung zu finden hat.

Zur Ziffer 5:

Der Tatbestand der Ziffer 5 ist wohl erfüllt. Die BF stellte am 30.11.2021 im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dennoch sieht das Gericht im konkreten Fall im Rahmen einer Gesamtbetrachtung weiterhin keine maßgebliche Fluchtgefahr für gegeben an. Die BF hofft auf einen Verbleib in Österreich und auf einen positiven Ausgang ihres Asylverfahrens. Im Rahmen des Asylverfahrens wird auch zu prüfen sein, ob die BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erhält bzw. als Opfer von Menschenhandel anerkannt wird. Sie kann zunächst nach ihrer Entlassung mit einer Unterbringung und Betreuung durch eine Opferschutzeinrichtung rechnen und sich finanziell doch einige Zeit selbst erhalten. Das Gericht geht daher auch zukünftig nicht von maßgeblicher Fluchtgefahr aus.

3.3. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtliche Akten) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen nicht vor, zumal eine Einvernahme der BF zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft nicht erforderlich war. Das Gericht weicht im Wesentlichen nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und es hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt in Zusammensicht mit den Ausführungen in der Beschwerdeschrift klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich sein wird.

3.4. Zum Spruchpunkt III. u. IV. – Kostenentscheidungen:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren war die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig und auch eine Fortsetzung der Haft nicht tunlich. Die BF war daher als obsiegende Partei anzusehen und hat den Ersatz der Eingabegebühr in der Höhe von € 30,-- beantragt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Eingabegebühr ersatzfähig (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2019/21/0336). Die Behörde konnte im Verfahren nicht obsiegen und hat daher gemäß der zitierten gesetzlichen Bestimmung auch keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten. Mit der Einbringung der Beschwerde entsteht gemäß § 1 Abs. 2 BuLVwG-Eingabengebühren-verordnung die Gebührenschuld. Mit dem Entstehen der Gebührenschuld wird gemäß § 1 Abs. 2 letzter Satz leg.cit. die Gebühr auch fällig.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage war daher die Revision in Bezug auf sämtliche Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Schlagworte

Asylantragstellung Eingabengebühr Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Kostenersatz Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Schwarzarbeit Sicherungsbedarf Unbescholtenheit Untertauchen Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W171.2248834.1.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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