TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/18 I413 2235863-1

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Veröffentlicht am 18.11.2021
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Entscheidungsdatum

18.11.2021

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

Spruch


I413 2235863-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse Landesstelle XXXX vom 27.08.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.10.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als es im angefochtenen Bescheid zu lauten hat:

„1. XXXX , geb. XXXX , XXXX , XXXX , schuldet als Geschäftsführer von Beitragskontoinhaber(in) XXXX , XXXX , XXXX , der Österreichischen Gesundheitskasse gem. § 67 Abs 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge s.Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Dezember 2014 bis April 2015 von

EUR 2.152,84.

2. XXXX ist verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die Österreichische Gesundheitskasse zu bezahlen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit angefochtenem Bescheid vom 27.08.2020, Zl. XXXX , verpflichtete die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle XXXX – im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet – den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Beitragskontoinhaber(in) XXXX der belangten Behörde gemäß § 67 Abs 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume August 2014 bis April 2015 von EUR 2.152,84 binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Im Wesentlichen führt der Beschwerdeführer dabei aus, dass es ihm – wie er bereits in einem vorherigen Schreiben an die belangte Behörde festgehalten habe – aufgrund fehlender Zahlungsbefugnis nicht möglich gewesen sei, Zahlungen direkt zu veranlassen oder diesbezüglich Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, da sein Aufgabenbereich auf die Verkaufsverantwortung eingeschränkt gewesen sei. Ein E-Mail der belangten Behörde mit der Bitte um Übermittlung eines entsprechenden Nachweises (Verträge) wäre bedauerlicherweise im Spam-Ordner gelandet und habe er erst aufgrund des Bescheides von diesem Kenntnis erlangt. Aus diesem Grunde brachte er im Zuge seiner Beschwerde zugleich die am 13.04.2009 abgeschlossene Geschäftsführerordnung in Vorlage.

3. Am 09.10.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Abgabe einer Stellungnahme mit dem Hinweis, dass die Beschwerde nicht rechtzeitig erfolgt wäre samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

4. Mit Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sich die Beschwerde nach der Aktenlage als verspätet darstelle, da der Bescheid laut Rückschein der Post mit 28.08.2020 an die entsprechende Abgabestelle zugestellt worden wäre und ausgehend davon die vierwöchige Beschwerdefrist am 25.09.2020 geendet hätte. Laut Poststempel am Kuvert des Beschwerdeschriftsatzes sei die mit 27.09.2020 datierte Beschwerde am 28.09.2020 zur Post aufgegeben worden. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zum Ergebnis des Beweisverfahrens eingeräumt.

5. Der Beschwerdeführer führte mit Schreiben vom 03.11.2020 aus, er könne nicht bestätigen, dass das Schreiben am 28.08.2020 im Postkasten gewesen wäre, welches aufgrund der COVID-Verordnung nicht mehr persönlich übergeben worden wäre, sondern er dieses am 01.09.2020 dem Postkasten entnommen hätte. Hinzu komme, dass an derselben Adresse auch die Firma, bei welcher er Geschäftsführer sei, ihre Postadresse habe und der Briefkasten tagtäglich geleert werde, weshalb er das Datum der Hinterlegung bzw Übernahme – welche offensichtlich vom Zusteller selbst unterschrieben worden sei – anzuzweifeln sei.

6. Am 18.11.2020 langte seitens der Österreichischen Post AG ein E-Mail betreffend den Rückschein des Beschwerdeführers ein.

7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.08.2021 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung I410 abgenommen und der Gerichtsabteilung I413 neu zugewiesen.

8. Mit Beschluss vom 22.09.2021 erfolgte die Ladung des Beschwerdeführers als Partei zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX .

9. Mit Schreiben vom selbigen Tag wurde die belangte Behörde aufgefordert, ein ergänzendes Vorbringen zu erstatten, welches am 11.10.2021 unter Vorlage weiterer Urkunden beim Bundesverwaltungsgericht einlangte.

10. Am 15.10.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Der angefochtene Bescheid wurde gemäß dem vom Zusteller ausgefüllten und unterfertigten Rückschein am 28.08.2020 übernommen. Die Übernahmebestätigung trägt nicht die Unterschrift des Beschwerdeführers oder einer Person, die mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebt. Der Beschwerdeführer entnahm am 01.09.2020 die Beschwerde dem Hausbrieffach.

Die gegenständliche Beschwerde wurde am 28.09.2020 zur Post gegeben.

1.2. Zum Sachverhalt

Der Beschwerdeführer vertrat ab 11.04.2009 als handelsrechtlicher Geschäftsführer die zu FN XXXX im Firmenbuch eingetragene Gesellschaft XXXX (seit 07.03.2020 XXXX in Liqu.) selbständig neben dem weiteren Geschäftsführer XXXX .

Aufgrund der am 13.04.2009 unterfertigten Geschäftsführerordnung wurden dem Beschwerdeführer folgende Aufgaben und Befugnisse erteilt:

„1. Aufgaben des Geschäftsführers:

Im Allgemeinen:

Dem Geschäftsführer obliegt die Vertretung der Gesellschaft. Er ist verpflichtet, die ihm übertragenen Obliegenheiten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu erfüllen.

Der Geschäftsführer beachtet bei Ausübung seiner Tätigkeit stets die Gebote der größtmöglichen Sparsamkeit in der Verwaltung unter Berücksichtigung bestmöglichen Einsatzes eigener Ressourcen und des ökonomischen Prinzips.

Im Verhältnis zur Gesellschaft ist der Geschäftsführer verpflichtet, die an ihn gestellten Aufgaben engagiert wahrzunehmen und die Geschäftsführerbeschränkungen einzuhalten, welche durch Geschäftsführerordnung und Gesellschafterbeschlüsse festgesetzt sind oder werden.

Der Geschäftsführer berichtet den Gesellschaftern zumindest vierteljährlich über wesentliche Geschäftsvorgänge.

Im Besonderen:

Dem Geschäftsführer obliegen ausschließlich die nachstehend aufgezählten Aufgabenbereiche.

-        Der Verkaufsleitung für die Liegenschaften und Liegenschaftsanteile der Gesellschaft, welche sich im Anlage- und Umlaufvermögen befinden. Dies umfasst auch die Vermietung und Verpachtung.

-        Der Erwerb und Handel mit Immobilien: Akquisition, Bewertung, Ein- und Verkauf von bebauten und unbebauten Liegenschaften, Gewerbe- und anderen Immobilien oder Teilen davon.

Für Geschäfte dieser Art wird der Geschäftsführer vor Abschluss rechtsverbindlicher Vereinbarungen die Zustimmung der Gesellschafter nach Anhörung des Beirates einholen.

2. Beschränkung des Geschäftsführers

Es sind mehrere Geschäftsführer bestellt, es wurde eine Prokura erteilt. Es gilt die nachstehende Aufgabenverteilung in der Gesellschaft welche strikt zu wahren ist.

XXXX :

Geschäftsführung – Verantwortlichkeit für die Bereiche Verträge, Recht, Rechnungswesen, Verwaltung, Zahlungsverkehr, Banken, Personal.

GF XXXX :

Geschäftsführung – Verantwortlichkeit für die Bereiche Akquisition, Ein- und Verkauf, Projektentwicklung, Vertrieb und Marketing.

XXXX :

Prokurist – Verantwortlichkeit für die Bereiche Bauwesen, Baukalkulation, Ausschreibung, Abrechnung, Bauleitung.

Vorherige Zustimmung notwendig:

Der Geschäftsführer bedarf der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss für alle Geschäfte, die über die vorgenannten Beschränkungen hinausgehen. Die Geschäftsführer sind insbesondere verpflichtet jeweils einen Gesellschafterbeschluss einzuholen:

a) Veräußerung des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens im Ganzen oder zum Teil sowie die Stilllegung von Betrieben:

b) Zustimmung zur Teilung, Übertragung oder Belastung von Geschäftsanteilen:

c) Erlassung, Änderungen und Aufhebung der Geschäftsordnungen für Geschäftsführer und Prokuristen:

d) Verlegung des Firmensitzes:

e) Errichtung und Schließung von Zweigniederlassungen:

f) Festlegung der allgemeinen Grundsätze der Geschäftspolitik:

g) Aufnahme und Auflassung von Geschäftszweigen und Produktionsarten:

h) Betriebsfremde Geschäfte sowie Spekulationsgeschäfte jeder Art:

i) Entscheidung über alle strittig gebliebenen Fragen zwischen den Geschäftsführern:

j) Aufnahme von Krediten und Darlehen für die Gesellschaft:

k) Gewährung von Darlehen und Krediten, soweit sie nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören:

l) Begebung von Anleihen sowie die Abschlüsse von Genussrechtsvereinbarungen:

m) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Liegenschaften und grundstücksgleichen Rechten:

n) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Liegenschaften und grundstücksgleichen Rechten:

o) Ausübung des Stimmrechtes in Unternehmen und Gesellschaften, an denen die Gesellschaft beteiligt ist:

p) Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten:

3. Entlohnung des Geschäftsführers

[…]“

Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 21.05.2015 zu 7 S XXXX erfolgte eine Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung, welches mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 14.08.2015 zu 7 S XXXX eine Änderung der Bezeichnung von Sanierungs- auf Konkursverfahren erfuhr und die Gesellschaft damit aufgelöst wurde. Die Löschung der Funktion des Beschwerdeführers erfolgte mit 06.12.2018, jene des XXXX mit 05.01.2019. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 17.02.2020 zu 7 S XXXX wurde der Konkurs mangels Kostendeckung gemäß § 123a IO aufgehoben. Auf die belangte Behörde entfiel keine Quote.

Die XXXX schuldet der belangten Behörde für die Zeiträume Dezember 2014 bis April 2015 nicht entrichtete Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 2.152,84 inklusive Verzugszinsen und Nebengebühren. Die von der Primärschuldnerin geschuldeten Beiträge wurden von dieser nicht fristgerecht bezahlt. Die zwangsweise Eintreibung der Forderung zu 23 E XXXX wurde (aufgrund des Beschlusses des Landesgerichtes XXXX vom 21.05.2015 zu 7 S XXXX über die Eröffnung des Sanierungsverfahrens) nicht vollzogen. Die von der Primärschuldnerin geschuldeten Beiträge sind bei ihr nicht mehr einbringlich.

Der Beschwerdeführer legte keine Nachweise für die finanzielle Situation der Primärschuldnerin während der Zeit seiner Geschäftsführung und ebenso wenig einen rechnerischen Entlastungsnachweis zur Überprüfung der Gleichbehandlung vor. Er hat sich auch nie um die finanziellen Belange der Gesellschaft gekümmert und sich auf seinen Mitgeschäftsführer verlassen. Die verfahrensgegenständlichen Beitragsrückstände entstanden in dem Zeitraum, in dem der Beschwerdeführer selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin war. Erst mit Insolvenzeröffnung trat der Beschwerdeführer als Geschäftsführer zurück, wobei die Löschung seiner Funktion mit November 2018 erfolgte. Eine Überwachung der Geschäftsführeraktivitäten des Mitgeschäftsführers XXXX erfolgte seitens des Beschwerdeführers nicht. Der Beschwerdeführer erhielt die Bilanzen der Gesellschaft betreffend das jeweils abgeschlossene Geschäftsjahr, welche er gesichtet hat. Eine Kontrolle der Tätigkeit seines Mitgeschäftsführers, wie zB durch ein unterjähriges Überprüfen von Bankkonten, Aufstellungen oder Unterlagen der Gesellschaft während des laufenden Geschäftsjahres erfolgte seitens des Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt. Er verließ sich darauf, dass sein Mitgeschäftsführer den diesem nach der Geschäftsführerordnung zukommenden Agenden nachkommen wird.

Der Beschwerdeführer hat trotz Vorliegens konkreter Anhaltspunkte - nämlich bei Auftauchen von Finanzierungsproblemen hinsichtlich eines Bauprojektes durch die Bank sowie nach Erhalt des Rückstandsausweises - nichts unternommen, um die Gleichbehandlung der belangten Behörde mit anderen Gläubigern zu gewährleisten.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des angefochtenen Bescheides vom 27.08.2020, der Beschwerde vom 27.09.2020 und der Stellungnahme der belangten Behörde vom 08.10.2020 im Zuge der Aktenvorlage, daneben auch des ergänzenden Vorbringens der belangten Behörde vom 08.10.2021. Ergänzend zum vorliegenden Verwaltungsakt wurden Auszüge aus dem Firmenbuch sowie ein ZMR-Auszug zur Person des Beschwerdeführers eingeholt.

Des Weiteren fand am 15.10.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX statt, in welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde.

2.1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde

In Hinblick auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde gilt auszuführen, dass zwar auf dem ursprünglichen Rückschein eine Übernahme am 28.08.2020 vermerkt ist, dieser jedoch in seiner ursprünglichen Version die Anführung vermissen lässt, wer den Bescheid tatsächlich übernommen haben soll. Er trägt keine Unterschrift des Beschwerdeführers als Adressat der Zustellung bzw einer im gemeinsamen Haushalt lebenden Person. Bereits aus diesem Grunde liegt fallgegenständlich kein „unbedenklicher“ – dh die gehörige äußere Form aufweisender – Zustellnachweis vor, welcher die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorgangs bereits dadurch begründen vermag (vgl dazu VwGH 30.01.2014, 2012/03/0018). Erst im Nachhinein, nämlich im November 2020, erfuhr der Rückschein dahingehend seitens der Österreichischen Post AG eine Berichtigung, wobei sich jedoch dabei neuerlich Divergenzen ergeben haben, zumal im diesbezüglichen E-Mail vom 18.11.2020 vermerkt ist, beim Rückschein wäre „Übernehmer“ – gemeint wohl Empfänger – angekreuzt, tatsächlich weist der Rückschein im Anhang den Vermerk „Arbeitnehmer des Empfängers“ auf. Dieser nunmehrige Vermerk gestaltet sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der auf dem Rückschein angeführten Adresse entsprechend einem ZMR-Auszug um den Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers handelt, als nicht nachvollziehbar. Aufgrund dieser Erwägungen ist vielmehr dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge des Verspätungsvorhaltes vom 03.11.2020 und seinen übereinstimmenden Darlegungen im Zuge der mündlichen Verhandlung (Protokoll vom 15.10.2021, S 3 f) zu folgen, wonach er tatsächlich den Bescheid erst am Dienstag, den 01.09.2020 aufgefunden habe (statt am Freitag, den 28.08.2020), weshalb die – entsprechend dem im Akt befindlichen Kuvert – am 28.09.2020 zur Post gegebene Beschwerde im Zweifel als rechtzeitig eingebracht anzusehen ist.

2.2. Zum Sachverhalt

Dem amtswegig eingeholten historischen Firmenbuchauszug waren die Feststellungen zur Geschäftsführertätigkeit und Vertretungsbefugnis des Beschwerdeführers (und auch des XXXX ) ab 11.04.2009 zu entnehmen, wobei der Beschwerdeführer im Übrigen seine Geschäftsführertätigkeit auch nicht bestritt, sondern im Zuge der mündlichen Verhandlung selbst bestätigte (Protokoll vom 15.10.2021, S 4).

Die Feststelllungen zu den Aufgaben und Befugnissen des Beschwerdeführers basieren auf der am 13.09.2009 von XXXX und dem Beschwerdeführer unterfertigten sowie in Vorlage gebrachten Geschäftsführerordnung, wobei der Beschwerdeführer auch im Zuge der mündlichen Verhandlung bestätigte, dass diese Geschäftsführerordnung effektiv so gelebt worden wäre (Protokoll vom 15.10.2021, S 5).

Aus dem Auszug aus dem Firmenbuch geht hervor, dass mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 21.05.2015 zu 7 S XXXX eine Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung erfolgte. Die Änderung der Bezeichnung von Sanierungs- auf Konkursverfahren und die damit einhergehende Auflösung der Gesellschaft fußt ebenfalls auf den diesbezüglichen Firmenbucheintragungen, des Weiteren auch die Feststellung zur Löschung der Funktionen samt Datum sowie die Aufhebung des Konkurses mit Beschluss vom 17.02.2020. Aus der in Vorlage gebrachten Mitteilung des Insolvenzgerichtes geht hervor, dass (unter anderem) auf die belangte Behörde keine Quote entfallen ist.

In Hinblick auf die nicht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 2.152,84 inklusive Verzugszinsen und Nebengebühren liegt sowohl das Schreiben der belangten Behörde vom 23.06.2020, ein Rückstandsausweis vom 27.08.2020 sowie der Bescheid vom 27.08.2020 dem Akt bei, welche gleichbleibend den entsprechenden Betrag ausweisen. Zudem vermochte die belangte Behörde im Zuge ihres ergänzenden Vorbringens plausibel die Haftungsbeiträge - unter Berücksichtigung bereits bezahlter Dienstnehmer-Anteile und unter Abzug der Anteile seitens des Insolvenzentgeltfonds – aufzuschlüsseln, weshalb für den erkennenden Richter keine Zweifel an der im Bescheid festgelegten Höhe von EUR 2.152,84 (samt Nebengebühren und Verzugszinsen) besteht. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer die Höhe der zu entrichten gewesenen Beiträge zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens bestritten. Aus einer Rückstandsaufstellung vom 09.06.2015 und einem Rückstandsausweis vom 28.04.2015, dem Rückstandsausweis vom 23.06.2020 und 27.08.2020 sowie dem ergänzenden Vorbringen vom 08.10.2021 geht eindeutig hervor, dass es sich – entgegen dem Spruch des Bescheides vom 27.08.2020 – um die Beitragszeiträume Dezember 2014 (nicht August 2014) bis April 2015 gehandelt hat. Die Feststellungen zur nicht vollzogenen Eintreibung der Forderung der belangten Behörden fußen auf dem in Vorlage gebrachten Bericht des Gerichtsvollziehers vom 10.06.2015 unter Begründung der Eröffnung des Sanierungsverfahrens am 21.05.2015 zu 7 S XXXX seitens des Landesgerichtes XXXX . Dass die von der Primärschuldnerin geschuldeten Beiträge bei ihr nicht mehr einbringlich sind, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Konkurs mangels Kostendeckung mittels Beschluss aufzuheben war, wobei der Firmenbuchauszug dazu die entsprechenden Eintragungen aufweist.

Die Feststellung, wonach die Beitragsrückstände in dem Zeitraum entstanden, in dem der Beschwerdeführer selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin war, ergibt sich unzweifelhaft aus den diesbezüglichen Eintragungen im Firmenbuchauszug, ebenso – wie bereits ausgeführt – der Zeitpunkt der Löschung seiner Funktion. Der Umstand, wonach sein Rücktritt als Geschäftsführer erst mit Insolvenzeröffnung erfolgte, basiert auf den eigenen diesbezüglichen Darlegungen des Beschwerdeführers (Protokoll vom 15.10.2021, S 8). Hinsichtlich dem Erhalt und der Sichtung der Bilanzen sowie hinsichtlich dem Umstand, wonach seinerseits unterjährig ein Überprüfen von Bankkonten, Aufstellungen oder Unterlagen nicht erfolgte, bleibt ebenfalls auf die entsprechenden Schilderungen des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Richter zu verweisen (Protokoll vom 15.10.2021, S 7).

Aus einer Zusammenschau der Ermittlungsergebnisse folgt zunächst, dass der Beschwerdeführer im haftungsbegründenden Zeitraum (und auch sonst) in Anbetracht der Geschäftsführerordnung nicht für die Abfuhr der Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zuständig war, wobei er auch im Zuge der mündlichen Verhandlung glaubhaft darzulegen vermochte, dass diese Geschäftsführerordnung auch tatsächlich so gelebt worden war (Protokoll vom 15.10.2021, S 5). Der Beschwerdeführer gibt auch an, die Bilanzen erhalten zu haben und keinen Anlass zu einer Beanstandung entdeckt zu haben. Hierbei ist zu erwägen, dass Bilanzen regelmäßig nur für das vergangene Geschäftsjahr erstellt werden (und auch im Falle der Primärschuldnerin erstellt wurden, vgl dazu Protokoll vom 15.10.2021, S 7). Aus seinen Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist auch zu entnehmen, dass er keine unterjährigen Kontrollen des Bankkontos der Primärschuldnerin oder von Aufzeichnungen udgl vornahm (Protokoll vom 15.10.2021, S 7). Aus diesen Aussagen und den wiederholten Verweisen auf die Geschäftsführerordnung ist zu schließen, dass sich der Beschwerdeführer in keiner Weise um die finanziellen Belange, die in die Kompetenz seines Mitgeschäftsführers fielen, kümmerte und offensichtlich diesem grenzenlos vertraute und ihn daher nicht weiter kontrollierte. In weiterer Folge lässt sich erkennen, dass der Beschwerdeführer – obgleich es zu Finanzierungsproblemen durch die Bank hinsichtlich eines Bauprojektes gekommen war (Protokoll vom 15.10.2021, S 6) und er auch bei Erhalt des Rückstandsausweises (Protokoll vom 15.10.2021, S 8) nichts weiter unternommen hat, um Abhilfe zu schaffen, wie in der rechtlichen Beurteilung noch weiter ausgeführt werden wird. Daher waren die diesbezüglichen Feststellungen zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Rechtzeitigkeit

Der Zustellnachweis über die Zustellung des angefochtenen Beweises vermag nicht eine Zustellung vor 01.09.2020 – dem Datum, an dem der Beschwerdeführer den Bescheid erhalten haben will – nachzuweisen. Gerechnet vom 01.09.2020 erweist sich die am 28.09.2020 als rechtzeitig. Mangels gesicherten Datums der Zustellung ist im Zweifel von der Rechtzeitigkeit der Beschwerde auszugehen.

3.2. Rechtslage

Gemäß § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 58 Abs 5 ASVG haben die Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

3.3. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Der Beschwerdeführer war - wie sich aus dem Auszug aus dem Firmenbuch ergibt und wie er auch vor dem erkennenden Richter bestätigte – (unter anderem) im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von Dezember 2014 bis April 2015 neben XXXX selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer.

Es kann ihn somit grundsätzlich eine Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG treffen. Es gilt daher nun zu prüfen, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 Abs 10 ASVG vorliegen.

Vorab gilt festzuhalten, dass Voraussetzung für die Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs 10 ASVG die objektive, gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge beim Primärschuldner ist (vgl VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039), daneben auch die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach (vgl VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Unstrittig sind fallgegenständlich die Beiträge bei der Primärschuldnerin nicht einbringlich, wie sich aus dem Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 17.02.2020 zu 7 S XXXX , welcher die Aufhebung des Konkurses mangels Kostendeckung zum Inhalt hat, ergibt (vgl auch VwGH 30.04.2003, 2001/16/0252).

Neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden ist auch eine ziffernmäßige Bestimmtheit gegeben, da die Beitragsschuld im konkreten Fall mit EUR 2.152,84 (inklusive Verzugszinsen und Nebengebühren) seitens der belangten Behörde bestimmt wurde, wobei der Rückstandsausweis eine öffentliche Urkunde darstellt, welche nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld begründet (VwGH 12.01.2016, Ra 2014/08/0028). Einer weiteren Darstellung, wie sich der Haftungsbetrag im Einzelnen zusammensetzt, bedarf es aufgrund der Zusammenschau des Bescheides und dem ergänzenden Vorbringen, welche eine Aufgliederung in Teilbeträge für bestimmte Zeiträume zuzüglich Verzugszinsen (und Nebengebühren, auch unter Abzug bereits bezahlter Dienstnehmer-Anteile und Anteilen aus dem Insolvenzentgeltfonds) erkennen lässt, nicht (vgl VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Weitere Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 67 Abs 10 ASVG sind neben der ziffernmäßigen Bestimmtheit der Höhe nach auch schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit (vgl VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Es gilt daher in der Folge zu prüfen, ob der Beschwerdeführer infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der belangten Behörde haftet. Die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft verletzt hat (vgl VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039).

Für die Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG genügt dabei bereits leichte Fahrlässigkeit in Bezug auf das Verschulden für die Nichtleistung von Sozialversicherungsbeiträgen. Unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne dieser Gesetzesstelle sind im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese im § 111 ASVG iVm § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs 2 ASVG (vgl nunmehr § 153c Abs 2 StGB) umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs 10 ASVG führen. Für nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmeranteile bzw für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind, hat der Geschäftsführer ohne Bedachtnahme auf die Frage der Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern und ohne Bedachtnahme auf die bei Fälligkeit oder bei tatsächlich erfolgter Lohnzahlung noch vorhandenen Mittel im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze zu haften (vgl VwGH 23.05.2012, 2010/08/0193 mit Hinweis auf VwGH 25.05.2011, 2010/08/0076 und VwGH 17.11.2004, 2002/08/0212).

Einen Geschäftsführer treffen dabei Überwachungs- und Kontrollpflichten, die auch alle Pflichten eines Dienstgebers miteinschließen, die diesem nach den Bestimmungen der §§ 33 (An- und Abmeldung zur Versicherung) und 58 (Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge, Beitragsvorauszahlungen) ASVG treffen. In diesem Zusammenhangt trifft den Beschwerdeführer die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann (VwGH 25.03.2019, Ra 2019/08/0059 ua).

Fallgegenständlich bringt der Beschwerdeführer vor, er habe nicht schuldhaft bzw fahrlässig in Bezug auf die Abgabenschuld gehandelt, weil es ihm aufgrund fehlender Zahlungsbefugnis nicht möglich gewesen sei, Zahlungen direkt zu veranlassen oder diesbezüglich Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, da sein Aufgabenbereich auf die Verkaufsverantwortung eingeschränkt gewesen wäre. Seine dahingehenden Ausführungen im Zuge der Beschwerde und auch vor dem erkennenden Richter werden dabei durch die – in Vorlage gebrachte und unterfertigte – Geschäftsführerordnung verschriftlicht, der zufolge der Beschwerdeführer mit der Verkaufsleitung sowie dem Erwerb und Handel mit Immobilien befasst war und XXXX die Verantwortlichkeit für die Bereiche Verträge, Recht, Rechnungswesen, Verwaltung, Zahlungsverkehr, Banken und Personalwesen trug.

In diesem Zusammenhang gilt auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Aufgabenverteilung unter Geschäftsführern selbst bei größter Spezialisierung nicht bewirken kann, dass ein Geschäftsführer sich nur noch auf das ihm zugeteilte Aufgabengebiet beschränken darf und sich um die Tätigkeit der anderen Geschäftsführer nicht mehr kümmern muss. Hinsichtlich der von den anderen Geschäftsführern unmittelbar betreuten Aufgabengebiete bleibt eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) und gegebenenfalls zur Schaffung von Abhilfe aufrecht. Besteht der Verdacht, dass im Arbeitsbereich eines anderen Geschäftsführers Missstände vorliegen, dann muss sich der Geschäftsführer einschalten, um nicht selbst ersatzpflichtig zu werden. Eine Verletzung dieser Pflicht liegt vor, wenn der von der Wahrnehmung der zu erfüllenden Pflichten entbundene Geschäftsführer trotz Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen (VwGH 19.12.2012, 2011/08/0107). Spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem dem eigentlich „agendenfremden“ Organmitglied bekannt ist, dass der zuständige Mitgeschäftsführer Beiträge nicht bezahlt und damit gegen seine Pflicht zur Berichtigung der Beiträge verstoßen hat, ist er verpflichtet, für eine Gläubigergleichbehandlung Sorge zu tragen (Derntl in Sonntag, (Hrsg), ASVG10 (2019) § 67 RZ 91 mit Hinweis auf VwGH 2009/08/0190).

Die Überwachungspflicht geht jedoch nicht soweit, dass den Geschäftsführer - auch ohne bestimmten Anlass - eine (ständige) initiative Pflicht zur aktiven Überwachung und Überprüfung der Erfüllung der (beitragsrechtlichen) Pflichten durch seinen Mitgeschäftsführer trifft, dies im Gegensatz zur Überwachungspflicht gegenüber Personen, derer sich der Geschäftsführer zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient (vgl VwGH 23.05.2012, 2010/08/0193 mit Hinweis auf VwGH 20.09.2006, 2001/14/0202 und VwGH 25.05.2011, 2010/08/0076).

Haftungsbegründend ist auch die vorwerfbare Unkenntnis von Pflichtverstößen des anderen Geschäftsführers (vgl VwGH 19.12.2012, 2011/08/0107 mit Hinweis auf VwGH 26.04.2006, 2005/08/0078). Eine haftungsrechtlich relevante Pflichtverletzung einer vorwerfbaren Unkenntnis solcher Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers (vgl VwGH 30.09.1997, 97/08/0108) ist dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine geeigneten Überwachungsmaßnahmen getroffen hat, die ihn in die Lage versetzt hätten, Pflichtverstöße des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Geschäftsführers überhaupt zu erkennen. In diesem Zusammenhang liegt ein für die Haftung bedeutsames Verschulden des Geschäftsführers daher auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Einschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt hat und diese Beschränkung dazu führt, dass er beitragsrechtliche (abgabenrechtliche) Pflichtverletzungen nicht erkennen kann (vgl VwGH 22.05.1996, 94/16/0292).

Gegenständlich lagen durch das Auftreten von Finanzierungsschwierigkeiten durch die Bank im Zuge eines Bauprojektes bzw auch bei Erhalt des Rückstandsausweises – was der Beschwerdeführer auch einräumte – jedenfalls konkrete Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers XXXX vor. Dessen ungeachtet beschränkte sich das Tätigwerden des Beschwerdeführers darauf, (erst) bei Insolvenzeröffnung als Geschäftsführer zurückzutreten, ansonsten unternahm der Beschwerdeführer nichts, um Abhilfe zu schaffen. Ein tatsächliches Einschalten seinerseits, um nicht selbst ersatzpflichtig zu werden, erfolgte durch die geschilderte Konfrontation mit XXXX (wobei dieser nichts gesagt und ausweichend regiert habe) nicht, woran auch der Umstand, wonach dieser „kein Interesse mehr an der Sache gehabt habe und psychisch krank gewesen wäre“, wie der Beschwerdeführer behauptet, nichts zu ändern vermag. Auch der Umstand, wonach der Beschwerdeführer aufgrund der vorherigen Tätigkeit des XXXX als Banker und Unternehmensberater darauf vertraut habe, dass dieser wisse was er mache, lässt den Rückschluss darauf zu, dass – selbst unter Berücksichtigung, dass eine (ständige) initiative Pflicht zur aktiven Überwachung und Überprüfung der Erfüllung der (beitragsrechtlichen) Pflichten durch seinen Mitgeschäftsführer nicht besteht –eine allgemeine Beaufsichtigung (Überwachung) seinerseits – mit Ausnahme der jährlichen Bilanzen – in keiner Weise erfolgt ist.

Des Weiteren bleibt seinen Darlegungen, wonach es ihm aufgrund fehlender Zahlungsbefugnis nicht möglich gewesen wäre, Zahlungen direkt zu veranlassen oder diesbezüglich Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - im Falle der Behinderung durch andere Geschäftsführer, durch Gesellschafter oder durch dritte Personen verpflichtet wäre, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Bleibt der Geschäftsführer weiterhin tätig – wie gegenständlich entsprechend den Feststellungen der Fall – obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sieht, verletzt er seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben, wobei gemeint ist, dass es der Vertreter in der Hand hat bzw dass es seine Sache ist, im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen (vgl VwGH 04.10.2001, 99/08/0120 mit Hinweis auf VwGH 19.09. 1989, 88/08/0283, VwGH 12.05.1992, 92/08/0072 und VwGH 25.09 1992, 91/17/0134, jeweils mwN).

Die nicht rechtzeitige Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Beitragsverbindlichkeiten war auch kausal für deren spätere Uneinbringlichkeit, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, da sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergaben, dass bereits eine Uneinbringlichkeit zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge gegeben war. Die Insolvenzeröffnung erfolgte vielmehr erst nach der bereits eingetretenen Fälligkeit der Beiträge.

Da somit alle Voraussetzungen für die Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 Abs 10 ASVG gegeben sind, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung ist im gegenständlichen, einen Einzelfall betreffenden Fall nicht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich im Rahmen seiner Entscheidung auf die nicht als uneinheitlich zu wertende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und wich nicht von ihr ab. Die Umstände des konkreten Einzelfalles sind für sich nicht reversibel.

Schlagworte

Beitragsschuld Geschäftsführer Haftung Kontrolle Sozialversicherung Uneinbringlichkeit Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2235863.1.00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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