TE Vwgh Beschluss 2021/11/17 Ra 2020/12/0044

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Veröffentlicht am 17.11.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz

Norm

AVG §56
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §56 Abs1
BDG 1979 §56 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision des T F in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2020, W213 2228310-1/4E, betreffend Untersagung einer Nebenbeschäftigung gemäß § 56 BDG 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber steht als Exekutivbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2        Mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 erteilte ihm seine Dienstbehörde die Weisung, dass die von ihm als Nebenbeschäftigung gemeldete Entwicklung von Applikationen für Mobilfunkgeräte in einer Firma, bei der [er] einen Geschäftsanteil von 40 % habe, untersagt werde, weil sie „den Anschein eines Interessenkonfliktes“ ergeben könne und geeignet sei, „... die Art und Weise der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zu erschweren“.

3        Der Revisionswerber beantragte die Erlassung eines Bescheides zur Feststellung, dass die genannte Untersagung der Nebenbeschäftigung unzulässig sei.

4        Am 17. Dezember 2019 erließ der Bundesminister für Inneres einen die Weisung vom 13. Dezember 2018 bestätigenden Bescheid.

5        Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab. Das Bundesverwaltungsgericht traf Feststellungen zur dienstlichen Tätigkeit des Revisionswerbers. In weiterer Folge stellte das Bundesverwaltungsgericht zur Art der vom Revisionswerber gemeldeten Nebenbeschäftigung fest, dass diese darin bestehe, dass er als Gesellschafter (40 % der Anteile) der E GmbH fungiere, welche sich mit der Entwicklung von Applikationen für Mobilfunkgeräte befasse. Ziel des Unternehmens sei die Entwicklung einer Applikation für Smartphones zur Überwindung von Sprachbarrieren und Ortsunkenntnis, beispielsweise durch Unterstützung bei der Absetzung eines Notrufs im Fall eines Verkehrsunfalls im Ausland. Die Applikation sei ein Abfrageprogramm, das die „5 W-Fragen“ (Wer?, Was?, Wann?, Warum?, Wo?) abarbeite. Die Applikation ermögliche die automationsunterstützte Weitergabe der erforderlichen Informationen.

6        Die operative Führung des Unternehmens erfolge durch den geschäftsführenden Gesellschafter F. Der Revisionswerber übe aktuell keine Tätigkeit aus und habe „abgesehen von der Mitwirkung am Gründungsprozess (Erstellen von Homepage, Notariatstermin zwecks Abschlusses des Gesellschaftsvertrages etc.)“ nicht aktiv im Unternehmen gearbeitet. Allfällige Tätigkeiten würden nicht am geplanten Firmensitz, sondern vom Hauptwohnsitz des Revisionswerbers aus ausgeübt. Der Revisionswerber sei auf einem Screenshot der Homepage des Unternehmens abgebildet, wobei im Begleittext darauf hingewiesen werde, dass er Polizeibeamter und Gruppenkommandant einer polizeilichen Sondereinheit gewesen sei.

7        In der Beweiswürdigung hielt das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die zuletzt erwähnte Feststellung Folgendes fest: „Der Screenshot der Homepage ... wurde von der Vertreterin der belangten Behörde in der Verhandlung vom 09.06.2020 mit dem Hinweis vorgelegt, dass der Ausdruck etwa zehn Tage vor der Verhandlung erfolgt sei und die Homepage derzeit nicht mehr abgerufen werden könne. Der Beschwerdeführer hat diesen Sachverhalt nicht bestritten.“

8        In seiner rechtlichen Würdigung führte das Bundesverwaltungsgericht - nach Darstellung der Rechtslage und Rechtsprechung - aus, der Revisionswerber sei (in seiner Tätigkeit als Beamter) in einem hochsensiblen Bereich tätig, nämlich der Spionageabwehr und Bekämpfung des illegalen Waffenhandels. In diesen Bereichen komme es zu Kooperationen mit ausländischen Partnerdiensten, die sich auch auf geheime Technologien im Bereich der Spionageabwehr erstreckten. Es liege auf der Hand, dass eine derartige Kooperation nur dann stattfinden könne, wenn die internationalen Kooperationspartner darauf vertrauen könnten, dass das Wissen über neuartige bzw. geheime Technologien nicht nach außen dringe. Der Umstand, dass sich der Revisionswerber auf der Homepage der E GmbH als Polizeibeamter und Gruppenkommandant einer polizeilichen Spezialeinheit präsentiert habe, sei geeignet, das Vertrauen der nationalen Kooperationspartner zu gefährden. Es sei daher von einer Gefährdung wesentlicher dienstlicher Interessen im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 durch die beabsichtigte Nebenbeschäftigung auszugehen.

9        Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       1. Gemäß § 56 Abs. 2 BDG 1979 darf der Beamte keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung seiner Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet. Jeder der in dieser Bestimmung genannten Tatbestände rechtfertigt für sich allein die Feststellung der Unzulässigkeit der Nebenbeschäftigung (vgl. VwGH 31.1.2006, 2005/12/0147).

15       Der dritte Tatbestand des § 56 Abs. 2 BDG 1979 ist dann erfüllt, wenn die Ausübung der Nebenbeschäftigung ihrer Art nach eine Gefahr für die aus der Rechtsordnung ableitbaren wesentlichen dienstlichen Interessen (die nicht bereits durch die ersten beiden Untersagungstatbestände des § 56 Abs. 2 BDG 1979 erfasst sind) darstellt. So wie beim zweiten Tatbestand des § 56 Abs. 2 BDG 1979 die Vermutung der Befangenheit genügt, also nicht der Nachweis von konkreten Befangenheitssituationen geführt werden muss, reicht beim dritten Tatbestand die Gefährdung solcher wesentlicher dienstlichen Interessen aus. Diese Gefährdung darf aber - ähnlich wie bei der Vermutung der Befangenheit - keine bloß hypothetische sein, sondern muss vielmehr unter Beachtung der Erfahrungen des täglichen Lebens und des dienstlichen Aufgabenbereiches des Beamten möglichst konkret dargelegt werden. Eine durch die Nebenbeschäftigung bedingte Gefährdung der sachlichen und gesetzestreuen Aufgabenerfüllung durch Bedienstete wie auch die Gefährdung des darauf gerichteten Vertrauens der Allgemeinheit können ein solches wesentliches dienstliches Interesse im Sinne des § 56 Abs. 2 BDG 1979 an der Untersagung der Nebenbeschäftigung darstellen (vgl. VwGH 30.5.2006, 2005/12/0087; 29.4.2011, 2010/12/0054).

16       2. Soweit die Revision ihre Zulässigkeit darauf stützt, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wonach das bloße Innehaben von Vermögensrechten vom Begriff der Nebenbeschäftigung nicht umfasst sei (Hinweise auf VwGH 26.1.2000, 98/12/0095, und 31.1.2006, 2005/12/0147), vermag sie die Einschlägigkeit der angeführten Rechtsprechung nicht aufzuzeigen, weil sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts (wonach ein „Screenshot“ des Internet-Auftritts des Unternehmens eine Abbildung des Revisionswerbers samt dem Hinweis zeige, dass er Polizeibeamter und Gruppenkommandant einer polizeilichen Sondereinheit gewesen sei) ergibt, dass die vom Revisionswerber als Nebenbeschäftigung gemeldete Beteiligung an der E GmbH über das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen hinausgeht.

17       Inwieweit dabei dem Hinweis des Revisionswerbers Relevanz zukommen soll, dass in der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses erwähnt wurde, dass die Vertreterin der belangten Behörde in der Verhandlung vom 9. Juni 2020 den genannten Screenshot mit der Bemerkung vorgelegt habe, dass dieser etwa zehn Tage vor der Verhandlung erstellt worden sei und die Internetseite „derzeit nicht abrufbar“ sei, ist nicht ersichtlich, zumal mit dem angefochtenen Erkenntnis - wie vom Revisionswerber selbst beantragt - feststellend über die Rechtmäßigkeit der in Bezug auf die gemeldete Nebenbeschäftigung ausgesprochenen Untersagung zu entscheiden war (vgl. zur Zulässigkeit der Feststellung der Rechtmäßigkeit von Weisungen auch bei bereits abgeschlossenem Geschehen VwGH 30.9.2021, Ra 2020/12/0034; 14.10.2013, 2013/12/0042).

18       3. Die Zulässigkeitsbegründung erblickt weiters (erkennbar) eine Abweichung von der (in Rn. 15 dargestellten) Rechtsprechung darin, dass das Bundesverwaltungsgericht von einer „rein theoretisch hypothetischen Möglichkeit eines Informationsabflusses“ ausgegangen sei und dass eine konkrete Gefährdung wesentlicher dienstlicher Interessen nicht vorliege, weil der Revisionswerber im Unternehmen nicht operativ tätig sei und es sich bei der dort entwickelten Anwendung um ein „technisch simples Abfrageprogramm“ handle, „welches nicht ansatzweise mit neuartigen bzw. geheimen Technologie[n] im Bereich der Spionageabwehr“ zu tun habe.

19       Bei der Beurteilung, ob unter Beachtung der Erfahrungen des täglichen Lebens und des dienstlichen Aufgabenbereiches des Beamten eine Gefährdung wesentlicher dienstlicher Interessen anzunehmen ist, handelt es sich um eine Entscheidung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, sodass in der Regel keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen wird (vgl. in diesem Sinn etwa auch im Zusammenhang mit der Beurteilung dienstlicher Interessen im Sinn der §§ 50a und 50d BDG 1979 VwGH 5.9.2018, Ra 2018/12/0040; im Zusammenhang mit dem einer Versetzung gegebenenfalls entgegenstehenden „dienstlichen Interesse“ VwGH 28.2.2019, Ra 2018/12/0065; weiters VwGH 5.9.2018, Ra 2017/12/0118). Für eine solche genügt auch nicht bereits das Fehlen einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt, wäre der Verwaltungsgerichtshof sonst doch in vielen Fällen zur Entscheidung berufen, obgleich in Wahrheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen aufgeworfen werden (vgl. erneut VwGH 5.9.2018, Ra 2018/12/0040).

20       Das gegen die im vorliegenden Fall vorgenommene Einzelfallbeurteilung des Verwaltungsgerichts gerichtete Vorbringen blendet aus, dass jenes tragend darauf abgestellt hat, dass sich der Revisionswerber „auf der Homepage der [...] GmbH als Polizeibeamter und Gruppenkommandant einer polizeilichen Spezialeinheit präsentiert hat“ und dass dieser Umstand geeignet sei, „das Vertrauen der [inter]nationalen Kooperationspartner zu gefährden“, weil die Kooperation „mit ausländischen Partnerdiensten“ erfordere, dass diese darauf vertrauen könnten, dass das Wissen um neuartige bzw. geheime Technologien nicht nach außen dringe. Dass das Verwaltungsgericht damit die Gefährdung dienstlicher Interessen in einer unvertretbaren Weise bejaht hätte, lässt das Zulässigkeitsvorbringen nicht erkennen.

21       4. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. November 2021

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020120044.L00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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