TE OGH 2021/10/18 7Ob139/21y

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Veröffentlicht am 18.10.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Mag. Painsi und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** S***** GesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Blümke Schöppel Schürz in Linz, gegen die beklagte Partei V*****Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 306.319,77 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 19. Mai 2021, GZ 2 R 33/21x-33, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[2]            2. Gemäß § 1489 Satz 1 ABGB ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Schädigers dem Beschädigten bekannt wurde.

[3]            2.1. Die kurze Verjährungszeit beginnt zwar nicht vor dem tatsächlichen Eintritt der Rechtsgutverletzung (also des „Primärschadens oder Erstschadens“) zu laufen, mit dessen positiver Kenntnis wird sie nach ständiger Rechtsprechung aber auch schon dann in Gang gesetzt, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern kann, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind (RS0087615). Mit Kenntnis des Primärschadens beginnt auch die Verjährungsfrist für alle voraussehbaren künftigen weiteren Teilschäden oder Folgeschäden (RS0034511; RS0097976). Der drohenden Verjährung ist mit einer Feststellungsklage zu begegnen (RS0087613; RS0034618 [T5]). Bei fortgesetzter Schadenszufügung ist der Geschädigte hingegen nicht genötigt, innerhalb von drei Jahren nach Eintritt und Bekanntwerden des Primärschadens eine Feststellungsklage zur Wahrung seines Anspruchs auf Ersatz künftiger Schäden einzubringen und zwar selbst dann nicht, wenn diese Schäden schon vorhersehbar sind (RS0034536 [T20]). Diesfalls beginnt die Verjährung für den Ersatz des Erstschadens mit dessen Kenntnis durch den Geschädigten zu laufen; für jede weitere Schädigung beginnt eine neue Verjährung in dem Zeitpunkt, in welchem sie dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt (RS0034536).

[4]            2.2. Nach der gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt der Primärschaden im Fall einer fehlerhaften Anlageberatung bereits darin, dass sich das Vermögen des Anlegers wegen einer Fehlinformation des Schädigers anders zusammensetzt, als es bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters der Fall wäre. Ein (realer) Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung tritt also schon durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts ein (RS0022537 [T22, T24]; RS0129706 [T3]). Bei einer Schädigung durch die wegen Hochwassergefahr rechtswidrige Baulandwidmung und Baubewilligung tritt der Primärschaden als realer Schaden mit dem Erwerb (und der Bebauung) der Liegenschaft ein und nicht erst mit dem Auftreten hochwasserbedingter Schäden (RS0129706 [T6]).

[5]            2.3. Die kurze Verjährungsfrist wird durch die Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen sowie des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem schadensstiftenden Verhalten in Gang gesetzt (RS0034374 [auch T4]). Diese Kenntnis muss den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kausalität zwischen Schaden und einem bestimmten Verhalten des Schädigers und jene Umstände, aus denen sich ein Verschulden des Schädigers ableiten lässt (RS0034951 [T7]). Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten dabei nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, eine Klage mit Aussicht auf Erfolg zu führen (RS0034366; RS0034524; RS0034366 [T19]).

[6]            2.4. Im vorliegenden Fall wollte die Klägerin Versicherungsdeckung auch für den Fall, dass auf ihrem Betriebsgelände Beschädigungen im Zusammenhang mit Diebstählen oder Einbrüchen erfolgen. Die von der Beklagten vermittelte Versicherung mit Wirksamkeit 1. Jänner 2007 umfasste nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen – mit Ausnahme von Schäden an versicherten Gebäuden – jedoch entgegen der Vorgabe der Klägerin nicht auch Schäden durch „Beraubung und Einbruchsdiebstahl oder Vandalismus im Zuge eines Einbruchsdiebstahls“. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach der Primärschaden mit dem Erwerb des in Wahrheit nicht in dieser Form gewollten Versicherungsprodukts eingetreten ist, steht im Einklang mit der dargestellten Rechtsprechung.

[7]            2.5. Die Klägerin hat ihren Anspruch nicht nur auf die Verletzung von Beratungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags, sondern auch auf eine Verletzung der Nachbetreuungspflichten des § 28 Z 7 MaklerG gestützt. Der Maklervertrag verpflichtet nämlich auch nach dem Abschluss des Versicherungsvertrags zu einem laufenden Best-Risk-Management im Interesse des Versicherungskunden (5 Ob 252/15t; vgl auch RS0118893).

[8]            Auf die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen muss aber schon deshalb nicht eingegangen werden, weil der Geschäftsführer der Klägerin spätestens seit 2. März 2012 wusste, dass die bestehende Versicherung die von ihm gewünschte Deckung von Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit Diebstählen oder Einbruchsdiebstählen nicht aufwies und sich der letzte von der Versicherung nicht gedeckte Schadensfall, auf den die Klägerin ihren Haftungsanspruch gegenüber der Beklagten stützt, im November 2014 ereignet hat. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der mit Klage vom 17. Jänner 2018 geltend gemachte Schadenersatzanspruch jedenfalls verjährt ist, ist nicht korrekturbedürftig.

[9]       Damit liegen auch die behaupteten sekundären Feststellungsmängel nicht vor.

[10]           3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E133219

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00139.21Y.1018.000

Im RIS seit

09.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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