TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/5 LVwG-2021/44/0918-24

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Veröffentlicht am 05.11.2021
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Entscheidungsdatum

05.11.2021

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

WRG 1959 §83 Abs1 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde (1.) des AA, Adresse 1, **** Z, und (2.) des BB, Adresse 2, **** Z, beide vertreten durch die Rechtsanwälte CC und DD, Adresse 3, **** Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 26.02.2021, Zahl ***, betreffend eines Antrags auf Auflösung einer Wassergenossenschaft nach dem WRG 1959 (mitbeteiligte Partei: Wassergenossenschaft EE, **** Z), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Antrag auf Auflösung der Wassergenossenschaft vom 16.01.2019 als unzulässig zurückzuweisen ist.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.02.2017, Zahl ***, wurde die Satzung der freien Wassergenossenschaft EE gemäß § 74 und 77 WRG 1959 genehmigt. Der Genossenschaftszweck wurde in § 1 dieser Satzung mit der Versorgung der Genossenschaftsmitglieder mit Trink- und Nutzwasser definiert. Gemäß § 2 der Satzung sind die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Nr **1, **2, **3, **4, **5 und **6, alle KG Z, Mitglieder der Genossenschaft. Aufgrund einer mit Bescheid vom 30.03.2018, Zahl ***, genehmigten Satzungsänderung ist das Grundstück Nr **1 ausgeschieden.

Mit Antrag vom 12.06.2017 hat die Wassergenossenschaft um die wasser- und naturschutzrechtliche Bewilligung einer Wasserversorgungsanlage angesucht. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 16.05.2019, Zahl ***, wurde jedoch dem widerstreitenden Vorhaben des BB gemäß § 17 WRG 1959 der Vorzug eingeräumt. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 10.10.2019, Zahl ***, wurde das obsiegende Vorhaben des BB wasserrechtlich bewilligt und für überprüft erklärt.

Am 16.01.2019 haben die Genossenschaftsmitglieder AA (als Eigentümer des Grundstücks Nr **4) und BB (als Eigentümer des Grundstücks Nr **5) bei der Wasserrechtsbehörde beantragt, die Wassergenossenschaft aufzulösen. Zusammengefasst wurde dieser Antrag damit begründet, dass der Genossenschaftszweck mangels ausreichendem Wasserdargebot und der fehlenden Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer nicht realisiert werden könne. Mittlerweile habe die Gemeinde den Beschluss gefasst, nach Auflösung der Wassergenossenschaft die betroffenen Liegenschaften an die öffentliche Wasserversorgung anzuschließen. Der weitere Bestand der Wassergenossenschaft würde nur noch eine finanzielle Belastung darstellen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.02.2021 wurde dem Auflösungsantrag vom 16.01.2019 gemäß § 83 Abs 1 WRG 1959 keine Folge gegeben. Zusammengefasst stehe es der Wassergenossenschaft nämlich frei, eine alternative Wasserversorgung aus anderen Quellen zu verfolgen. Interne Genossenschaftsstreitigkeiten seien aufgrund der Satzung zu schlichten bzw könne dafür die Wasserrechtsbehörde angerufen werden; sie seien aber kein Grund für eine Auflösung.

Dagegen haben AA und BB am 31.03.2021 fristgerecht eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Tirol eingebracht. Zusammengefasst sei die Realisierung des Genossenschaftszwecks gescheitert. Der Weiterbestand der Wassergenossenschaft lasse keine Vorteile mehr erwarten und stelle nur noch eine Kostenbelastung dar. Die internen Streitigkeiten der Genossenschaft könnten nicht mehr geschlichtet werden. Auch wenn es der Wassergenossenschaft freistehe, neue Projekte einzureichen, würden dafür die faktischen Voraussetzungen fehlen. Genossenschaftsmitglieder dürften nicht gezwungen werden, an einer Wassergenossenschaft festzuhalten, deren Zweck nicht mehr realisierbar sei, nur weil die notwendigen Mehrheitsverhältnisse zur Auflösung in der Vollversammlung nicht erreicht würden.

Am 27.09.2021 hat das Landesverwaltungsgericht auf Antrag der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

II.      Rechtslage:

Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959):

„Einteilung und Bildung der Wassergenossenschaften.

§ 74. (1) Eine Wassergenossenschaft wird gebildet

a)   durch Anerkennung einer freien Vereinbarung der daran Beteiligten (freiwillige Genossenschaft),

b)   durch Anerkennung eines Mehrheitsbeschlusses der Beteiligten und gleichzeitige Beiziehung der widerstrebenden Minderheit (Genossenschaft mit Beitrittszwang, § 75),

c)   durch Bescheid des Landeshauptmannes (Zwangsgenossenschaft, § 76).

(2) Der Anerkennungsbescheid schließt die Genehmigung der Satzungen in sich. Die Wassergenossenschaft erlangt Rechtspersönlichkeit als Körperschaft öffentlichen Rechtes, wenn gegen einen Bescheid gemäß Abs. 1 kein ordentliches Rechtsmittel mehr ergriffen werden kann.

(…)

Ausscheiden.

§ 82. (1) Einzelne Liegenschaften oder Anlagen können im Einvernehmen zwischen ihren Eigentümern (Berechtigten) und der Genossenschaft wieder ausgeschieden werden. Bei Zwangsgenossenschaften ist die vorherige Zustimmung der Behörde erforderlich.

(2) Die Genossenschaft ist verpflichtet, einzelne Liegenschaften oder Anlagen auf Verlangen ihres Eigentümers (Berechtigten) auszuscheiden, wenn ihm nach Ablauf einer zur Erreichung des erhofften Erfolges genügenden Zeit aus der Teilnahme am genossenschaftlichen Unternehmen kein wesentlicher Vorteil erwachsen ist und der Genossenschaft durch das Ausscheiden kein überwiegender Nachteil entsteht.

(…)

Auflösung der Genossenschaft.

§ 83. (1) Die Auflösung einer freiwilligen Genossenschaft oder einer Genossenschaft mit Beitrittszwang ist von der Wasserrechtsbehörde nach Sicherstellung der Verbindlichkeiten gegenüber Dritten auszusprechen, wenn

a)   die Genossenschaftsversammlung mit der für Satzungsänderungen erforderlichen Mehrheit (§ 77 Abs. 5) die Auflösung beschließt oder

b)   der Weiterbestand der Genossenschaft im Hinblick auf die gegebenen Verhältnisse keine besonderen Vorteile mehr erwarten läßt.

(…)“

III.    Erwägungen:

Zumal im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht die Frage aufgetreten ist, auf welcher Rechtsgrundlage die freiwillige Wassergenossenschaft besteht, ist zunächst klarzustellen, dass die Mitglieder in der konstituierenden Sitzung am 20.06.2016 die Genossenschaftssatzung beschlossen haben und die Wasserrechtsbehörde diese Satzung mit rechtskräftigem Bescheid vom 03.02.2017 gemäß §§ 74 und 77 WRG 1959 genehmigt hat. Diese behördliche Genehmigung der Satzung schließt die Anerkennung nach § 74 WRG 1959 mit ein.

Die Auflösung einer Genossenschaft ist nach § 83 Abs 1 lit a WRG 1959 möglich, wenn die Genossenschaftsversammlung mit der für Satzungsänderungen erforderlichen Mehrheit die Auflösung beschließt. Nach lit b hat die Wasserrechtsbehörde die Genossenschaft zudem von Amts wegen aufzulösen, wenn ihr Weiterbestand im Hinblick auf die gegebenen Verhältnisse keine besonderen Vorteile mehr erwarten lässt. Eine Auflösung ist somit nur auf Antrag der Genossenschaft selbst oder von Amts wegen möglich. Für einzelne Genossenschaftsmitglieder sieht das WRG 1959 hingegen keine entsprechende Antragslegitimation vor.

Die Beschwerdeführer haben im Parteiengehör zusammengefasst argumentiert, dass einzelnen Genossenschaftern auch ohne Mehrheitsbeschluss der Vollversammlung ein Rechtsanspruch auf Auflösung zukomme, um keine Rechtsnachteile erleiden zu müssen. Würde den Genossenschaftern eine Antragslegitimation verwehrt, wären sie „Gefangene“ der Wassergenossenschaft und weiterhin den „finanziellen Abenteuern“ der Mehrheit ausgesetzt. Sie wären damit auch in ihren Eigentumsrechten verletzt. Tatsächlich habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23.09.2004, 2001/07/0150, bereits entschieden, dass auch einzelnen Genossenschaftern eine Antragslegitimation und Parteistellung zukomme.

In der von den Beschwerdeführern zitierten Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch nur ausgesprochen, dass im Auflösungsverfahren nach § 83 WRG 1959 sowohl die Genossenschaft selbst als auch ihre Mitglieder Parteistellung haben und ihnen gegenüber das Parteiengehör zu wahren ist. Aus der Parteistellung alleine kann aber noch kein Recht auf Antragstellung abgeleitet werden. Es ist auch nicht so, dass Genossenschafter ohne Antragslegitimation „Gefangene“ der Wassergenossenschaft wären. Nach § 82 Abs 2 WRG 1959 ist die Wassergenossenschaft nämlich verpflichtet, Genossenschafter auf ihr Verlangen auszuscheiden, wenn ihnen nach Ablauf einer zur Erreichung des erhofften Erfolges genügenden Zeit aus der Teilnahme am genossenschaftlichen Unternehmen kein wesentlicher Vorteil erwachsen ist und der Genossenschaft durch das Ausscheiden kein überwiegender Nachteil entsteht.

Einzelne Genossenschaftsmitglieder können die Auflösung einer Wassergenossenschaft nur im Rahmen eines Mehrheitsbeschlusses nach § 83 Abs 1 lit a WRG 1959 herbeiführen. Findet sich keine Mehrheit zur Auflösung und sieht auch die Behörde die Voraussetzungen für ein amtswegiges Vorgehen nach § 83 Abs 1 lit b WRG 1959 nicht gegeben, so bleibt einzelnen Genossenschaftern nur die Möglichkeit des Ausscheidens nach § 82 WRG 1959. Gegen die Mehrheit der Genossenschafter und gegen den Willen der Behörde können einzelne Mitglieder somit keine Auflösung der Genossenschaft anstreben. Ihnen kommt keine Antragslegitimation nach § 83 Abs 1 lit b WRG 1959 zu.

Im Ergebnis hat die belangte Behörde dem Auflösungsantrag somit zu Recht keine Folge gegeben. Allerdings ist klarzustellen, dass die Entscheidung nicht aufgrund einer inhaltlichen Beurteilung der Auflösungsvoraussetzungen, sondern nur aufgrund des Fehlens der Antragslegitimation der Beschwerdeführer zu treffen ist.

IV.      Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war. Es fehlt nämlich an einer Rechtsprechung zur Antragslegitimation einzelner Genossenschaftsmitglieder nach § 83 Abs 1 lit b WRG 1959.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Wassergenossenschaft;
Auflösung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.44.0918.24

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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