TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/13 94/01/0573

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Veröffentlicht am 13.11.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §3;
AVG §14;
AVG §15;
AVG §69 Abs1;
VwRallg;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):95/01/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner sowie den Senatspräsidenten Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1. des DB in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juni 1994, Zl. 4.278.495/4-III/13/94, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Asylsache (hg. Zl. 94/01/0573), und 2. der RB in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 1995, Zl. 4.278.495/8-III/13/94, betreffend Wiederaufnahme des Asylverfahrens und Ausdehnung der Asylgewährung (hg. Zl. 95/01/0062), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 17. September 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gemäß § 3 Asylgesetz (1968) fest, daß der Erstbeschwerdeführer - ein rumänischer Staatsangehöriger - nicht mehr Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes sei, weil hinsichtlich seiner Person der im Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei. Die Verständigung von der Absicht, eine derartige Feststellung zu treffen, war - nach dem Versuch der Zustellung an der damals aus den Verwaltungsakten bekannten Adresse des Erstbeschwerdeführers in L. - am 4. Mai 1992 vom Zustellpost mit dem Vermerk "verzogen" zurückgesandt worden.

Am 13. Mai 1992 sprach der Erstbeschwerdeführer bei der Behörde erster Instanz vor und gab an, daß er sich seit 30. April 1992 an einer bestimmten Adresse in S. aufhalte, wo er noch etwa einen Monat verbleiben werde. Er sei dort jedoch nicht polizeilich gemeldet. Über den Inhalt dieser Vorsprache, die von der Erstbehörde als "Anhörung im Verfahren zur Aberkennung der Flüchlingseigenschaft" bezeichnet wurde, wurde eine Niederschrift angefertigt, welche den abschließenden Vermerk enthält, daß die Aufnahme in deutscher Sprache erfolgt sei und der Erstbeschwerdeführer alles verstanden habe.

Die Erstbehörde verfügte zunächst die Zustellung ihres Bescheides vom 17. September 1992 an die vom Erstbeschwerdeführer bei der Vorsprache am 13. Mai 1992 bekanntgegebene Adresse. Die Sendung wurde vom Postamt S. in der Folge mit dem Vermerk zurückgesandt, daß eine Zustellung nicht möglich gewesen sei, weil der Empfänger laut Auskunft des Meldeamtes an der von der belangten Behörde angeführten Anschrift nicht gemeldet und laut Auskunft der Hausbewohner unbekannt sei.

Daraufhin veranlaßte die Behörde erster Instanz ohne Durchführung weiterer Erhebungen eine neuerliche Zustellung dieses Bescheides durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 Zustellgesetz beim Postamt S. Der Beginn der Abholfrist ist am Zustellschein mit 25. September 1992 ausgewiesen.

Mit Eingabe vom 20. Mai 1994 erhob der Erstbeschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung und führte zur Rechtzeitigkeit aus, daß die gemäß § 8 Zustellgesetz vorgenommene Zustellung unwirksam gewesen sei, weil er vom Verfahren nach § 3 Asylgesetz (1968) keine Kenntnis gehabt habe. Die Niederschrift vom 13. Mai 1992 habe er zwar unterschrieben, doch sei diese ohne Beiziehung eines Dolmetschers verfaßt worden, sodaß er mangels ausreichender Deutschkenntnisse den Inhalt nicht verstanden habe. Der Erstbeschwerdeführer sei damals nur deshalb bei der Behörde erster Instanz erschienen, weil er eine Kopie des Asylbescheides benötigt habe. Er habe daher - entgegen dem Inhalt der Niederschrift - keine Kenntnis von dem ihn betreffenden Verfahren gehabt. Vom erstinstanzlichen Bescheid habe er erst bei seiner Einvernahme durch das Bundesaslyamt am 6. Mai 1994 (im Verfahren seiner Gattin betreffend Ausdehnung der Asylgewährung) erfahren.

Mit Bescheid vom 8. Juni 1994 hat der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, der erstinstanzliche Bescheid sei durch Hinterlegung am 25. September 1992 "gültig zugestellt worden". Zur angeblichen Unkenntnis über das eingeleitete Verwaltungsverfahren vermeint die belangte Behörde, daß die gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift gemäß § 15 AVG, soweit nicht Einwendungen erhoben worden seien, vollen Beweis liefere. Durch die Unterschrift habe der Erstbeschwerdeführer sein Einverständnis mit dem Inhalt der Einvernahme erklärt, sodaß die Behörde erster Instanz von der Kenntnis des Erstbeschwerdeführers über das eingeleitete Verfahren habe ausgehen können. Aber selbst bei Unkenntnis des Verfahrensgegenstandes wegen mangelnder Deutschkenntnisse hätte dem Erstbeschwerdeführer klar sein müssen, daß irgendein ihn betreffendes Verwaltungsverfahren in Gange sei, weil sich diese Information bereits aus dem Faktum seiner Einvernahme ergebe. Der letzte Tag für die fristgerechte Einbringung der Berufung sei der 9. Oktober 1992 gewesen. Die erst am 20. Mai 1994 eingebrachte Berufung sei daher verspätet.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Am 17. März 1993 beantragte die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 4 Asylgesetz 1991 die Ausdehnung der Asylgewährung auf sie, wobei sie den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Oktober 1989 vorlegte, mit welchem die Flüchtlingseigenschaft des Erstbeschwerdeführers festgestellt worden war. Diesem Antrag gab das Bundesasylamt mit Bescheid vom 17. März 1993 statt.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid vom 9. Februar 1995 hat der Bundesminister für Inneres in Erledigung der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. August 1994

1. gemäß § 69 AVG die Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 4 Asylgesetz 1991 von Amts wegen verfügt und

2. den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Gewährung (Ausdehnung) von Asyl gemäß § 4 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen.

Die belangte Behörde führte dazu aus, daß dem Erstbeschwerdeführer im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Ausdehnung der Asylgewährung auf die Zweitbeschwerdeführerin bereits durch den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. September 1992 "die Flüchtlingseigenschaft aberkannt" gewesen sei. Der Bescheid vom 17. September 1992 stelle ein neues Beweismittel dar, das einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Darüber hinaus sei die Ausdehnung der Asylgewährung erschlichen worden, weil der Erstbeschwerdeführer, der in diesem Verfahren als Vertreter der Zweitbeschwerdeführerin aufgetreten sei, im Zeitpunkt der Antragstellung von der "Aberkennung seiner Flüchtlingseigenschaft hätte Kenntnis haben müssen".

Die Zweitbeschwerdeführerin macht in der dagegen erhobenen Beschwerde Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges erwogen:

1. Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:

Nach Auffassung des Erstbeschwerdeführers habe die belangte Behörde zu Unrecht die Verspätung der Berufung angenommen. Die belangte Behörde gehe unzutreffend von der Annahme eines vollen Beweises betreffend den Inhalt der Niederschrift vom 13. Mai 1992 aus, weil nach § 15 zweiter Satz AVG ausdrücklich der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig sei. Es sei jedoch seinerzeit erwiesenermaßen kein Dolmetscher beigezogen worden. Auch der Hinweis auf das Erkennenmüssen irgendeines den Beschwerdeführer betreffenden Verfahrens aufgrund dessen Einvernahme gehe ins Leere. Vielmehr sei nach § 8 Zustellgesetz erforderlich, daß für die Partei das Verfahren zweifelsfrei erkennbar und zuordenbar sein müsse. Außerdem sei der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Unterfertigung der Niederschrift der Auffassung gewesen, es handle sich dabei lediglich um eine Art Empfangsbestätigung für die von ihm anläßlich seiner Vorsprache begehrte Kopie seines Asylbescheides. Für die Annahme einer wirksamen Hinterlegung gemäß § 8 Zustellgesetz hätte die belangte Behörde auf jeden Fall noch ergänzende Erhebungen durchführen müssen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist im Fall der Unterlassung dieser Mitteilung, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Zu der am 13. Mai 1992 aufgenommenen Niederschrift, von der die belangte Behörde annimmt, diese liefere einen vollen Beweis im Sinne des § 15 erster Satz AVG, ist zu bemerken, daß aufgrund der hg. Judikatur eine Niederschrift bereits dann keinen vollen Beweis im Sinne des § 15 AVG liefert, wenn sie keinen Hinweis darauf enthält, daß sie vorgelesen oder auf die Verlesung verzichtet worden wäre (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 186 unter E. 6 zu § 15 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, daß sich in der besagten Niederschrift, abgesehen vom Hinweis auf deren Abfassung in deutscher Sprache und des Verstehens ihres Inhaltes durch den Erstbeschwerdeführer, im Sinne des § 14 Abs. 3 erster Satz AVG kein Anhaltspunkt dafür findet, daß der Erstbeschwerdeführer auf eine Verlesung verzichtet hätte oder die Niederschrift vorgelesen worden wäre.

Ist jedoch die Niederschrift nicht gemäß den Bestimmungen des § 14 AVG aufgenommen worden, so hat die Partei gegen die Richtigkeit des bezeugten Vorganges nicht den Gegenbeweis anzutreten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 186, E. 3 zu § 15 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Es oblag daher vorliegend der Behörde, durch geeignete Ermittlungen von Amts wegen den Beweis über die Kenntnis des Beschwerdeführers vom eingeleiteten Verwaltungsverfahren aufzunehmen. Wie der Erstbeschwerdeführer zutreffend rügt, hat die belangte Behörde jedoch - trotz ausdrücklicher Bestreitung der Kenntnis der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens durch den Erstbeschwerdeführer - keinerlei Ermittlungen im Berufungsverfahren durchgeführt. Allein aus der Tatsache einer Befragung durch die erstinstanzliche Behörde, noch dazu ohne vorhergehende Ladung zu einer Einvernahme in einer bestimmten Verwaltungsangelegenheit, mußte der Erstbeschwerdeführer - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - auch nicht ableiten, daß im Beschwerdefall bereits ein Verfahren nach § 3 Asylgesetz (1968) von Amts wegen eingeleitet worden ist. Schon

der Wortlaut des § 8 Abs. 1 Zustellgesetz ("... während eines

Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ...") läßt klar erkennen, daß es bei amtswegig eingeleiteten Verfahren - entgegen der diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde - nicht auf ein mögliches Erahnen oder Erkennen irgendeines behördlichen Verfahrens, sondern auf die konkrete Kenntnis der Partei über die Durchführung eines bestimmten, sie betreffenden Verwaltungsverfahrens ankommt. Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht lediglich aufgrund des Inhalts der Niederschrift vom 13. Mai 1992 davon ausgegangen, daß der Erstbeschwerdeführer Kenntnis vom gegenständlichen Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hatte und daher - mangels Mitteilung von der Änderung der Abgabestelle - die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz wirksam war.

Eine mangelhafte Zustellung wäre gemäß § 7 Zustellgesetz in dem Zeitpunkt geheilt, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist. Im vorliegenden Verfahren geht weder aus dem Inhalt der Verwaltungsakten noch aus dem Parteienvorbringen hervor, daß der erstinstanzliche Bescheid dem Erstbeschwerdeführer jemals tatsächlich zugekommen ist. Der Erstbeschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde lediglich vorgebracht, von diesem Bescheid "Kenntnis erlangt" zu haben. Auch die belangte Behörde hat in der über Anfrage durch den Verwaltungsgerichtshof abgegebenen Stellungnahme ausgeführt, eine (weitere) Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sei nicht erfolgt und es sei auch nicht ersichtlich, daß dieser Bescheid dem Erstbeschwerdeführer physisch zugekommen sei.

Für die Heilung eines Zustellmangels ist jedoch die bloße Kenntnisnahme vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstückes durch den Empfänger nicht ausreichend (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 1216, E. 2 zu § 7 Zustellgesetz wiedergegebene hg. Judikatur). Es kann daher auch aus der Kenntnis des Erstbeschwerdeführers vom Inhalt des Bescheides vom 17. September 1992 nicht darauf geschlossen werden, daß dieser Bescheid zugestellt und damit erlassen worden ist.

Dies hat die belangte Behörde verkannt, indem sie die Berufung als verspätet (und nicht bereits mangels Vorliegens eines bekämpfbaren erstinstanzlichen Bescheides als unzulässig) zurückgewiesen hat. Sie belastete den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weil die Zurückweisung der Berufung als verspätet die Erlassung des (mangels rechtzeitiger Berufung rechtskräftigen) erstinstanzlichen Bescheides voraussetzt und somit kein der Rechtslage entsprechendes Ergebnis darstellt (vgl. zum Ganzen die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 571 und 575 angeführte hg. Judikatur). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2. Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und (u.a.):

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Gemäß dem ersten Satz des Abs. 3 dieser Bestimmung kann die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Abs. 1 auch von Amts wegen verfügt werden.

Diese Bestimmung hat den Zweck, ein Korrektiv gegen aus bestimmten Gründen unrichtige rechtskräftige Bescheide einzurichten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 651, E. 1b zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

Die belangte Behörde hat die Unrichtigkeit des Bescheides, mit welchem die Asylgewährung auf die Zweitbeschwerdeführerin ausgedehnt wurde, darin erblickt, daß der Erstbeschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides aufgrund der mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. September 1992 getroffenen Feststellung gemäß § 3 Asylgesetz (1968) nicht mehr Flüchtling gewesen sei und daher die Voraussetzungen der Asylausdehnung gemäß § 4 Asylgesetz 1991 (iVm § 25 Abs. 3 leg. cit.) nicht mehr gegeben gewesen seien. Der Bescheid vom 17. September 1992 stelle ein "neu hervorgekommenes Beweismittel" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG dar, das voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte, bzw. habe die Zweitbeschwerdeführerin durch Verschweigen der bereits erfolgten Feststellung gemäß § 3 Asylgesetz (1968) im Zeitpunkt der Antragstellung die Ausdehnung der Asylgewährung im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 letzter Fall AVG "erschlichen".

Wie zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers ausgeführt, durfte die belangte Behörde nicht ohne weitere Erhebungen davon ausgehen, daß der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. September 1992 erlassen wurde und daher die als Grund für die amtswegige Wiederaufnahme (nach § 69 Abs. 1 Z. 1 oder Z. 2 AVG) herangezogene Feststellung gemäß § 3 Asylgesetz (1968) hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers vorliegt.

Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte und die Wiederaufnahme des Verfahrens über den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Ausdehnung der Asylgewährung von Amts wegen verfügte und den Asylausdehnungsantrag abwies, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994010573.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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