TE OGH 2021/8/16 4R122/21d

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Veröffentlicht am 16.08.2021
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Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Gosch und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. F*****, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagte Partei U*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, wegen (restlich) Nebengebühren, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 19.5.2021, 40 Cg 124/17x-35, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

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Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.

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Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 489,05 (darin EUR 81,51 an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

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Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

BEGRÜNDUNG:

Im vorangegangenen Berufungsverfahren zu 4 R 9/21m war nur mehr der Umfang des Zinsenbegehrens gegenständlich. Mit Urteil vom 8.4.2021 gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers hinsichtlich des Zinsenbegehrens Folge und sprach aus, dass die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass das Berufungsgericht restlich nur mehr über Zinsen zu entscheiden hatte, sodass der Entscheidungsgegenstand bei Null (RS0042793) und damit unter EUR 5.000,-- gelegen habe.

Gegen diese Entscheidung erhob die Beklagte eine außerordentliche Revision, die das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückwies. Begründend führte es aus, dass Zinsen als Nebenforderung zur Hauptforderung nicht hinzuzurechnen, sondern bei der Streitwertfestsetzung nach § 54 Abs 2 JN unberücksichtigt zu bleiben hätten. § 54 Abs 2 JN sei auch für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht heranzuziehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Beklagten, der in den Antrag mündet, den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Vorlage der außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof aufzutragen.

Der Kläger begehrt in seiner Rekursbeantwortung, das Rechtsmittel der Gegenseite als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit

Übersteigt der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert - wie hier - nicht den Betrag von EUR 2.700,--, so kann gemäß § 517 Abs 1 Z 1 ZPO gegen Beschlüsse erster Instanz unter anderem dann Rekurs ergriffen werden, wenn die Einleitung oder Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage verweigert wurde. Die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage wird - allgemein formuliert - mit allen Beschlüssen verweigert, die einen Verfahrensstillstand bewirken oder aufrecht erhalten oder eine verfahrensbeendende Wirkung entfalten. Die Zurückweisung einer Berufung durch das Erstgericht ist im Sinn des § 517 Abs 1 Z 1 ZPO daher zum Beispiel bekämpfbar (Sloboda in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 517 ZPO, Rz 16, 17). Dasselbe muss für die Zurückweisung einer außerordentlichen Revision durch das Erstgericht gelten.

Die Argumentation des Klägers, wonach der Rekurs nach § 500 Abs 4 ZPO unzulässig sei, ist nicht stichhältig, da sich der Rekurs nicht gegen den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit der Revision zu 4 R 9/21m wendet, sondern gegen die Zurückweisung der außerordentlichen Revision durch das Erstgericht. Der Rekurs erweist sich als zulässig.

2. Zur Sache:

Die Beklagte macht in ihrem Rekurs zusammengefasst geltend, dass das Berufungsgericht zu 4 R 9/21m zwingende Bewertungsvorschriften verletzt habe. Richte sich die Revision nur gegen den Zinsenzuspruch, sei für die Revisionszulässigkeit nämlich ausschließlich der übrige Entscheidungsgegenstand maßgeblich (RS0108266 [T3] = 2 Ob 88/17f). Das Erst- und das Berufungsgericht hätten weiters übersehen, dass das Klagebegehren nicht auf Zinsen und Kosten eingeschränkt worden sei, sondern die Hauptforderung im Berufungsverfahren nicht mehr Gegenstand gewesen sei, weil die Entscheidung über die Hauptforderung in Rechtskraft erwachsen sei. Die korrekte Bemessungsgrundlage für die Berufung wäre bei EUR 47.527,66, jedenfalls aber entsprechend dem Zuspruch der Zinsen bei EUR 39.108,06 und nicht bei EUR 1.000,-- oder Null gelegen. Der Ausspruch über die absolute Unzulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht widerspreche auch den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Ra 2017/16/0113 und Ra 2008/16/0080.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist zu erwägen:

2.1 Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert insgesamt EUR 5.000,-- nicht übersteigt.

Der für die Zulässigkeit der Revision wesentliche Entscheidungsgegenstand ist immer der, über den das Berufungsgericht erkannte, und zwar auch wenn das Berufungsgericht ein Teilurteil fällte und im Übrigen einen Aufhebungsbeschluss fasste. Demnach sind weder das Revisionsinteresse noch der Streitwert in erster Instanz von Bedeutung (Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 502 ZPO Rz 134).

2.2 Der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht zu 4 R 9/21m zu entscheiden hatte, lag nicht über EUR 5.000,--. Wie bereits zu 4 R 9/21m ausgeführt, sinkt der Streitwert gemäß § 54 Abs 2 JN auf Null, wenn eine Klage auf Zinsen und Kosten eingeschränkt wird (RS0042793).

Richtig ist zwar, dass hier gegenständlich das Klagebegehren nicht eingeschränkt wurde. Faktum ist jedoch auch, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom 3.11.2020 über die Hauptforderung in Höhe von EUR 226.884,42 unbekämpft in Rechtskraft erwuchs. Nachdem vom Erstgericht ein erheblicher Anteil des Zinsenbegehrens abgewiesen worden war, erhob nur mehr der Kläger hinsichtlich der nicht zugesprochenen Zinsen eine Berufung. Das Berufungsgericht hatte ausschließlich über das noch offene Zinsenbegehren zu entscheiden. Der Entscheidungsgegenstand im Sinn des § 502 Abs 2 ZPO, über den das Berufungsgericht zu entscheiden hatte, betraf nur mehr „Nebengebühren“.

2.3 Die Beklagte macht unter Hinweis auf 2 Ob 88/17f (= RS0108266 [T3]) geltend, dass für die Revisionszulässigkeit ausschließlich der übrige Entscheidungsgegenstand maßgeblich sei, wenn sich die Revision nur gegen den Zinsenzuspruch richte.

Dieser Rechtssatz ist nicht einschlägig, da dort der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgericht bei EUR 35.000,-- sA lag und ein Feststellungsbegehren betraf, sodass das Erfordernis des § 502 Abs 2 ZPO erfüllt war, obwohl sich die Revision selbst nur mehr gegen den Zinsenausspruch des Berufungsgerichts wandte. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor, da über die Hauptforderung bereits in erster Instanz rechtskräftig entschieden wurde, sodass das Berufungsgericht über das Hauptbegehren keine Diskretionsbefugnis mehr hatte.

2.4 Da hier gegenständlich das Berufungsgericht ausschließlich über Nebenforderungen (Zinsen) zu entscheiden hatte, ist der Weg zum Obersten Gerichtshof wegen § 502 Abs 2 ZPO versperrt. Es ist unerheblich, wie hoch das summierte Zinsenbegehren rechnerisch tatsächlich ist oder wäre.

2.5 Aus den von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs ist nichts zu gewinnen, da sich diese - mangels Cognitionsbefugnis - nicht auf die Revisionszulässigkeit bezieht (und beziehen darf), sondern nur und ausschließlich die verwaltungsrechtliche Frage der Gebührenbemessung nach § 18 GGG betrifft. Dem Rekurs war der Erfolg zu versagen.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Die unterlegene Beklagte hat dem Kläger die Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen. Die Bemessungsgrundlage beträgt jedoch nicht EUR 39.108,06, sondern gemäß § 12 Abs 4 lit b RATG nur EUR 1.000,-- (vgl auch Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 2.41).

4. Die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 502 Abs 2 Z 2 ZPO (Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 502 ZPO Rz 191).

Textnummer

EI0100092

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2021:00400R00122.21D.0816.000

Im RIS seit

01.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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