TE Vwgh Beschluss 2021/11/4 Ra 2021/14/0330

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Veröffentlicht am 04.11.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
SMG 1997 §28a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr. Alexander Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. September 2021, L510 2228562-1/24E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Dem Revisionswerber, einem armenischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid vom 8. Oktober 2003 vom (damals zuständigen) Bundesasylamt Asyl im Wege der Asylerstreckung (abgeleitet vom Vater des Revisionswerbers) gewährt.

2        Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22. Jänner 2020 wurde dem inzwischen mehrfach straffällig gewordenen Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Die Behörde erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung zulässig sei. Es sprach eine Frist für die freiwillige Ausreise aus und erließ ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Armenien zulässig sei und das Einreiseverbot auf die Dauer von vier Jahren herabgesetzt werde, als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es das Vorliegen eines „besonders schweren Verbrechens“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bejaht habe. Der Revisionswerber sei zunächst vier Mal wegen eines Vergehens, davon zweimal zu einer gänzlich bedingten Freiheitsstrafe und zweimal zu einer unbedingten Freiheitsstrafe, verurteilt worden. Im Jahr 2017 sei er erstmals wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel, des Verbrechens des Suchtgifthandels und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Diese Verurteilungen erfüllten die Qualifikation eines „besonders schweren Verbrechens“ nicht, zumal auch bei der letzten Verurteilung zu berücksichtigen sei, dass der Revisionswerber seitens des Strafgerichts die Wohltat der Fußfessel erlangt habe.

8        Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht stützte die Aberkennung des Status des Asylberechtigten primär auf den Ausschlussgrund des Vorliegens einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens und der daraus resultierenden Gefahr für die Gemeinschaft (§ 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005). Für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein: Der Revisionswerber muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden, drittens gemeingefährlich sein, und viertens müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

9        Unter den Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen, wobei der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, dass es sich dabei um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK handelt (vgl. VwGH 22.10.2020, Ra 2020/14/0456, mwN).

10       Das - auch im vorliegenden Fall herangezogene - Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 Suchtmittelgesetz ist somit grundsätzlich vom Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ umfasst (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 15.4.2020, Ra 2020/19/0003, mwN).

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass es aber nicht genügt, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und es sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (vgl. erneut VwGH 22.10.2020, Ra 2020/14/0456, mwN).

12       Der Revisionswerber wurde insgesamt fünfmal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar im Jahr 2010 wegen des Vergehens der schweren, vorsätzlichen Körperverletzung, im Jahr 2012 wegen des Vergehens des schweren Betrugs, im Jahr 2013 wegen der Vergehen des Freiheitsentzugs und der versuchten Nötigung sowie des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Im Jahr 2017 wurde der Revisionswerber rechtskräftig wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel, des Verbrechens des Suchtgifthandels (§ 28a SMG) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine konkrete fallbezogene Prüfung der vom Revisionswerber verübten Straftaten vorgenommen und berücksichtigte insbesondere auch die relevanten Tatumstände des zuletzt verübten Verbrechens, nämlich die große Menge an Suchtgift, die der Revisionswerber herstellte und in Verkehr zu bringen beabsichtigte, die hohe Rückfallgefahr bei Straftaten im Suchtgiftmilieu, das mangelnde Vorliegen von Milderungsgründen und die einschlägigen Vorstrafen des Revisionswerbers. Es führte weiters aus, dass sich die Gemeingefährlichkeit des Revisionswerbers aus seinen Vorstrafen, dem gegen ihn verhängten Waffenverbot, der Leugnung der (letzten) Tat durch den Revisionswerber vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht und aufgrund der Tatsache, dass der Revisionswerber auch nach der letzten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung mehrfach verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten ist, ergebe. Es sah letztlich die damit einhergehenden überwiegenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen im Bundesgebiet als gegeben an. Entgegen dem Revisionsvorbringen berücksichtigte das Verwaltungsgericht dabei auch die familiären Bindungen des Revisionswerbers.

13       Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung, wonach im Revisionsfall ein besonders schweres Verbrechen im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorliege, von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre. Der Umstand, dass der Revisionswerber anlässlich seiner letzten Verurteilung die Rechtswohltat des Tragens einer Fussfessel erlangte, ist hingegen für die Frage der Qualifikation als „besonders schweres Verbrechen“ ohne Bedeutung.

14       Das Bundesverwaltungsgericht hat die Aberkennung von Asyl nicht ausschließlich auf den Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005, sondern alternativ auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gestützt, wogegen sich die Revision auch wendet.

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass sich eine Revision als unzulässig erweist, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird (vgl. VwGH 12.4.2021, Ra 2021/20/0089; 7.10.2020, Ra 2020/14/0348, jeweils mwN). Da - wie dargelegt - hinsichtlich des vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Aberkennungsgrundes nach § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt wurde, erübrigt es sich, zusätzlich auf das in der Revision zu § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erstattete Vorbringen einzugehen, weil das rechtliche Schicksal der Revision nicht (mehr) von der Beantwortung der damit im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen abhängt.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140330.L00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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