TE Lvwg Beschluss 2021/8/18 LVwG-604674/2/FP

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Veröffentlicht am 18.08.2021
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Entscheidungsdatum

18.08.2021

Norm

VwGVG §7
VwGVG §9
AVG §13
AVG §32
AVG §33

Text

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fasst durch seinen Richter Mag.  Pohl über die Beschwerden von B U, geb. x, S x, x S gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 30. Juni 2021, (1) GZ: BHGM/920070025352/20 und (2) GZ: BHGM/920070038826/20, wegen zweier Übertretungen der StVO den

BESCHLUSS

I.     Die Anbringen vom 1. August 2021 werden zurückgewiesen.

II.    Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit den im Rubrum genannten Straferkenntnissen verhängte die belangte Behörde Strafen über die Beschwerdeführerin (Bf) und warf ihr Geschwindigkeitsverstöße vor.

Die Straferkenntnisse wurden der Bf am 2. Juli 2021 durch Übergabe an einen Mitbewohner zugestellt.

I.2. Mit E-Mails vom Sonntag, 1. August 2021 teilte die Bf der belangten Behörde mit, dass sie „gegen die Strafverfügungen“ Beschwerde erhebe. Ein sonstiges Vorbringen erstattete die Bf nicht. Sie stellte keine Anträge und brachte nichts vor. Die Anbringen enthalten keine Begründungen und kein inhaltliches Vorbringen.

I.3. Mit Schreiben vom 11. August 2021 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Anbringen samt Verfahrensakten als Beschwerde zur Entscheidung vor und beantragte die Zurückweisung wegen Verspätung.

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakten. Zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die Anbringen als unzulässig zurückzuweisen sind, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gem. § 44 Abs 2 VwGVG.

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:

Die der Bf durch Übergaben an einen Mitbewohner am 2. Juli 2021 zugestellten Straferkenntnisse enthalten folgende Rechtsmittelbelehrungen (Auszug):

„Rechtsmittelbelehrung

Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Beschwerde zu erheben.

Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Das heißt, der

Bescheid kann bis zur abschließenden Entscheidung nicht vollstreckt werden.

Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich bei uns einzubringen. Die Beschwerde hat den Bescheid, gegen den sie sich richtet, und die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, zu bezeichnen. Weiters hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, das Begehren und die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist, zu enthalten.

Sie haben das Recht, in der Beschwerde zu beantragen, dass eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt wird. Bitte beachten Sie, dass Sie, falls die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, auf Ihr Recht auf Durchführung einer Verhandlung verzichten, wenn Sie in der Beschwerde keinen solchen Antrag stellen.

[...]“

[Straferkenntnisse]

Die Bf sandte am 1. August 2021 um 10:04 Uhr und um 8:51 Uhr E-Mails mit folgenden Inhalten an die belangte Behörde:

(1)

„[...] Subject: BHGM/920070025352/20 Beschwerde gegen Strafverfügung

Sehr geehrte Damen und Herren!

ich erhebe Beschwerde gegen Strafverfügung BHGM/920070025352/20.

Mit besten Grüßen

B U“

(2)

„[...]Subject: BHGM/920070038826/20 Beschwerde gegen Strafverfügung

Sehr geehrte Damen und Herren!

ich erhebe Beschwerde gegen Strafverfügung BHGM/920070038826/20.

 

Mit besten Grüßen

B U“

[Beschwerden]

In den Verfahren vor der belangten Behörde hat die Bf gegen die Strafverfügungen vom (1) 17. Juni 2020 und (2) vom 9. Juli 2020 jeweils mit folgendem Text Einspruch erhoben:

„Ich erhebe Einspruch:

1.) Dem Grunde nach

2.) Der Höhe nach

Mit besten Grüßen

B U

S x

x B G“

[Einsprüche]

Auf die Aufforderungen zur Rechtfertigung vom (1) 10. August 2021 und vom (2) 12. August 2021 reagierte die Bf jeweils (formularmäßig) mit folgendem Text:

„[...]Bitte um Zusendung:

1.) der angewandten Meßmethode mit genauen Abstandsangaben.

2.) der Beweismittel (Radarfoto, Meßprotokol)

3.) des Eichprotokolles des Radargerätes.

4.) der detaillierten technischen Beschreibung der angewandten

Meßmethode.

5.) Dienstnummer der messenden Person[...]“

[genannte E-Mails]

Auf die Verständigungen vom Ergebnis der Beweisaufnahme, mit welchen die belangte Behörde der Bf die zugrundeliegenden straßenpolizeilichen Verordnungen und Radarfotos [(1) und (2)], sowie einen Eichschein [(1)] übermittelte, reagierte die Bf wie folgt:

(1)

„[...] Bitte um Zusendung des Protokolls des Messbeamten, das die Aufbautätigkeit nachvollziehbar wiedergibt.

Bitte um Zusendung des Protokolls des Messbeamten, das die

Einstellung des Messwinkels und die Probeaufnahmen wiedergibt.

Bitte um Zusendung des Messprotokolls während des Messeinsatzes. [...]“

(2)

„[...] Bitte um Zusendung des genauen Standortes des Geschwindigkeismeßgerätes zum Zeitpunkt der Messung in Meter in Bezug zum Ortafelende Schild ‚S‘[...]“

[genannte E-Mails]

Die Bf hat sich nie zu ihren Geschwindigkeitsverstößen geäußert und hat keinerlei Stellungnahmen abgegeben.

[Akt]

II.3. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt, insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln. Eine Beschwerdebegründung, sowie Aufhebungs- oder Abänderungsanträge sind den Schriftsätzen Bf nicht zu entnehmen. Die Feststellungen zu den Zustellzeitpunkten und den Übersendungszeitpunkten der Beschwerden ergeben sich aus öffentlichen Urkunden und den E-Mails der Bf.

III. Rechtliche Beurteilung:

III.1. Rechtsvorschriften:

§§ 7 und 9 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz lauten:

a)

Beschwerde

Beschwerderecht und Beschwerdefrist

§ 7. (1) Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden.

(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

(3) Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

         1.       in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,

         2.       in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zuständigen Bundesminister zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat,

         3.       in den Fällen des Art. 132 Abs. 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung,

         4.       in den Fällen des Art. 132 Abs. 4 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem die Schulbehörde, an die die Weisung gerichtet ist, von dieser Kenntnis erlangt hat, und

         5.       in den Fällen des Art. 132 Abs. 5 B-VG dann, wenn der Bescheid dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

b)

Inhalt der Beschwerde

§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

         1.       die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

         2.       die Bezeichnung der belangten Behörde,

         3.       die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

         4.       das Begehren und

         5.       die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

(2) Belangte Behörde ist

         1.       in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat,

         2.       in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG jene Behörde, der die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist,

         3.       in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG jene Behörde, die den Bescheid nicht erlassen hat,

         4.       in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG jene Behörde, deren Organ die Weisung erteilt hat, und

         5.       in den Fällen des Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG jene Behörde, die das Verhalten gesetzt hat.

(3) Soweit bei Beschwerden gegen Bescheide gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG eine Verletzung des Beschwerdeführers in Rechten nicht in Betracht kommt, tritt an die Stelle der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, die Erklärung über den Umfang der Anfechtung.

(4) Bei Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG tritt an die Stelle der Bezeichnung der belangten Behörde, soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ die Maßnahme gesetzt hat.

(5) Bei Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG entfallen die Angaben nach Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5. Als belangte Behörde ist die Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache begehrt wurde. Ferner ist glaubhaft zu machen, dass die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 abgelaufen ist.

§ 32 AVG lautet:

„5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“

§ 33 AVG lautet:

„§ 33. (1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.

(4) Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.“

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat erwogen:

III.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21. Februar 1995, 95/05/0010 (seinerzeit noch zur Berufung) klargestellt, dass es an einem an eine Berufung zu stellenden Mindesterfordernis mangelt, wenn es an einer Begründung des Berufungsantrages fehlt und eine solche auch innerhalb der Berufungsfrist nicht nachgereicht wird.

In seiner Entscheidung vom 17. Februar 2015, Ro 2014/01/0036 legte der Verwaltungsgerichtshof dar, dass Mängel im Hinblick auf die Inhaltserfordernisse des § 9 Abs 1 VwGVG (dort: Beschwerdegründe und Beschwerdebegehren) gemäß der Bestimmung des § 13 Abs 3 AVG grundsätzlich einer Verbesserung zuzuführen sind. § 13 Abs 3 AVG diene jedoch dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. „Hat hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um zum Beispiel auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages kein Raum und das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen sofort zurückzuweisen (Hinweis Erkenntnisse vom 25. Februar 2005, 2004/05/0115, vom 25. April 2008, 2008/02/0012, sowie vom 6. Juli 2011, 2011/08/0062; vgl. auch die Beschlüsse vom 22. Februar 2012, 2012/11/0019, sowie vom 18. Dezember 2012, 2012/11/0228). Dies gilt auch für die bewusste und rechtsmissbräuchliche Einbringung "leerer" Beschwerden nach dem VwGVG 2014. Um ein derartiges Anbringen sofort zurückweisen zu können, ist die rechtsmissbräuchliche Absicht in der Zurückweisungsentscheidung nachvollziehbar darzustellen (Hinweis E vom 10. Juni 2008, 2007/02/0340).

In seiner ganz aktuellen Entscheidung Ra 2019/08/0123 vom 3. September 2019 hat der VwGH diese Ansicht bekräftigt.

Das wissentliche Unterlassen einer Begründung ist im Übrigen einem Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG an sich nicht zugänglich. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seiner Entscheidung vom 28. März 2012, 2011/08/0375 klargestellt: „Wenn eine Partei jedoch in Kenntnis der an ein Rechtsmittel gestellten inhaltlichen Anforderungen, das heißt wissentlich, einen Schriftsatz einbringt..., der sich mit keinem Wort inhaltlich gegen den angefochtenen Bescheid richtet, sondern lediglich ankündigt, dass die Begründung für die Berufung nachgereicht werde, weil eine bestimmte Person ‚diese Woche auf Urlaub ist‘, was im Ergebnis als Antrag auf Erstreckung der Berufungsfrist bzw. als bloße Anmeldung eines Rechtsmittels gegen späteres Nachbringen der Berufungsbegründung aufzufassen ist, dann fehlt es wegen des Elementes der Wissentlichkeit (Wissen um die Frist bzw. Kenntnis davon, dass ein Einspruch eine nähere Begründung benötigt) an einer Mangelhaftigkeit, die bloß auf einem (allenfalls auch auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführenden) Versehen der Partei beruht. Daher ist auf solche Eingaben § 13 Abs.3 AVG von vornherein nicht anzuwenden. Dieses Ergebnis wird durch die weitere Überlegung gestützt, dass die Zulassung von Verbesserungsverfahren auch bei derartigen, wissentlich als Fristerstreckungsansuchen oder bloße Rechtsmittelanmeldungen gestalteten Eingaben dazu führen würde, dass ungeachtet dessen, dass der Gesetzgeber solche Rechtsinstitute in den allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzen nicht vorgesehen hat (im Gegensatz z. B. zu § 245 Abs. 3 BAO), diese durch das Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG ohne weiteres substituiert werden könnten (Hinweis: E 6. Juli 2011, 2011/08/0062).“

Die Bf hat vorliegend lediglich leere Beschwerden eingebracht, die nur durch ihre Überschriften (Beschwerde) darauf hinweisen, dass die Bf ein Rechtsmittel im Sinn hat. Die Anbringen enthalten weder Anträge, etwa die Straferkenntnisse aufzuheben oder die Strafen zu mildern, noch Begründungen, in welchen Rechten sich die Bf beschwert fühlt. Damit verfolgt die Bf weiterhin die Taktik, die sie schon in den behördlichen Verfahren verfolgt hat, hat sie sich doch im gesamten Verfahren, mit keinem Wort inhaltlich geäußert oder den ihr vorgeworfenen Sachverhalt konkretisiert bestritten. Die Bf behauptet nicht einmal, die Verkehrsverstöße nicht begangen zu haben.

Vielmehr stellte die Bf im behördlichen Verfahren begründungslos und ohne den Vorgaben des VwGH zur Konkretisierung zu Beweisanträgen folgend (vgl. bspw. VwGH 15. Februar 2021 Ra 2019/17/0125), stereotyp Übersendungsanträge zu bestimmten Unterlagen und forderte von der Behörde bestimmte Ermittlungen, die für die Sache – vor allem ohne bestreitendes Vorbringen – nicht von Relevanz sind. Es zeigt sich hiebei, dass die Bf nicht als rechtsunkundig oder unerfahren eingeschätzt werden kann. Vielmehr handelt es sich nach den Erfahrungen des Gerichts um – in der jüngeren Vergangenheit aufgrund verschiedener Publikationen gebräuchlicher - ganz typische Anträge, die in Verfahren in der Regel dazu gestellt werden, die Sache zu verschleppen und die Verwaltungsbehörde bis zum Ablauf der Verjährungsfristen zu beschäftigen. Insgesamt erweisen sich die Anträge angesichts des gänzlich fehlenden Vorbringens der Bf aber nicht als relevant und hätte die belangte Behörde diesen entsprechend der Judikatur des VwGH auch nicht nachkommen müssen (vgl. bspw. VwGH 5. September 2013, 2013/09/0063; 27. September 1988, 88/08/0147).

Die formularmäßig in beiden Verfahren gleichförmig gestellten Anträge zielen in Zusammenschau mit dem Umstand, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Sache – vor allem eine Bestreitung - seitens der Bf nicht erfolgt, zweifellos darauf ab, Zeit zu gewinnen. Schon aus der bisherigen Vorgehensweise der Bf ergibt sich, dass sie sich zu ihren Taten gar nicht äußern, sondern nur Zeit gewinnen will.

Auch in den nunmehrigen Beschwerdeverfahren äußert sich die Bf wiederum nicht auf Sachverhaltsebene.

Die Rechtsmittelbelehrungen der Straferkenntnisse enthalten Darstellungen, die ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines Begehrens und die Begründungspflicht bei Beschwerdeerhebung an das Verwaltungsgericht hinweist. Die Bf wusste daher um die Begründungs- und Begehrensbedürftigkeit einer Beschwerde. Es ergibt sich aus ihren bisherigen Eingaben auch, dass sie über eine gewisse Erfahrung verfügt, auf ihre Weise in solchen Angelegenheiten vorzugehen.

Die Bf hat insofern bewusst Anbringen eingebracht, die sich mit keinem Wort inhaltlich gegen die angefochtenen Bescheide richten, sondern lediglich darstellen, dass Rechtsmittel eingebracht werden sollen, was als bloße Anmeldung von Rechtsmitteln aufzufassen ist (sog. „leere Beschwerden“).

Es fehlt sohin wegen des Elementes der Wissentlichkeit (Wissen bzw. Kenntnis davon, dass eine Beschwerde einer näheren Begründung und eines Begehrens bedarf) an einer Mangelhaftigkeit, die bloß auf einem Versehen der Partei beruht. Die Anbringen der Bf zielen darauf ab, leer zu sein.

Bei einem Mangel iSd § 13 Abs 3 AVG kann es sich nur um ein Defizit des eingebrachten Dokuments handeln, also um ein Hindernis für eine Sachentscheidung, das durch eine „äußere“ Veränderung des Schriftsatzes und nicht erst durch die Änderung des Begehrens selbst (des Antrags ieS) oder überhaupt nicht (mehr) behoben werden kann (Hengstschläger/Leeb, AVG² § 13 Rz 27 [Stand 1.1.2014, rdb.at]).

Vorliegend müsste den Beschwerden als Inhalt zumindest ein rudimentäres Beschwerdevorbringen entnommen werden können, um ein sinnvolles Verbesserungsverfahren möglich zu machen.

Die Zulassung von Verbesserungsverfahren auch zB bei wissentlich als Fristerstreckungsansuchen oder bloße Berufungsanmeldungen gestalteten Eingaben würde zudem dazu führen, dass vom Gesetzgeber (bewusst) nicht vorgesehene Rechtsinstitute durch das Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs 3 AVG substituiert werden könnten. (VwGH 6. Juli 2011, 2011/08/0062; Hengst-schläger/Leeb, AVG² § 13 Rz 27/1 [Stand 1.1.2014, rdb.at] mwN).

Der VwGH hat im Übrigen judiziert, dass § 13 Abs 3 AVG – auch iVm § 13a AVG – die Behörde nicht dazu verpflichtet, der Partei Anleitungen dahin gehend zu geben, mit welchen rechtlichen Mitteln und welchen Anträgen sie ein von ihr allenfalls angestrebtes Ziel erreichen könnte (Hengstschläger/Leeb, AVG² § 13 Rz 25 [Stand 1.1.2014, rdb.at] mwN).

Der Umstand, dass man sich für ein Rechtsmittel die nötige Zeit nicht nehmen will oder kann oder bewusst auf eine Beschwerdebegründung verzichtet, etwa weil man eine Rechtsmittelbelehrung nicht lesen wollte, kann also nicht dazu führen, dass es zu einer Erstreckung der Rechtsmittelfrist kommt oder ein vollkommen mangelhaftes Rechtsmittel, welches keinerlei Vorbringen enthält und eine sinnvolle Bearbeitung gar nicht erst zulässt, einem Verbesserungsverfahren unterzogen wird.

Da die Anbringen der Bf die Kriterien des § 9 VwGVG nicht einmal rudimentär erfüllen, insbesondere kein Vorbringen enthalten, sind diese aus den oben dargestellten Gründen sogleich als unzulässig zurückzuweisen und ist § 13 Abs 3 AVG von Vorneherein nicht anwendbar.

III.2.2. Zur Verspätung

Die Beschwerden sind zudem verspätet.

Die gegenständlichen Bescheide wurde der Bf nach den Feststellungen am 2. Juli 2021 zugestellt.

Sie konnte daher binnen einer Frist von vier Wochen ab diesem Tag bekämpft werden (§ 7 Abs 4 VwGVG).

Nach § 32 Abs 2 AVG (iVm § 17 VwGVG) enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Es erweist sich vorliegend, dass die nicht verlängerbare Beschwerdefrist am Freitag, 2. Juli 2021 zu laufen begonnen hat und mit Ablauf des 30. Juli 2020, dem Dienstag der darauffolgenden letzten (= 4.) Woche der Frist, endete.

Die Bf hat die Beschwerden am 1. August 2021 versendet, also nach Ablauf der Frist bei der Behörde eingebracht.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Straferkenntnisse bereits rechtskräftig.

Auf einen Verspätungsvorhalt kann angesichts der Ausführungen unter Punkt III.2.1. verzichtet werden, zumal das Anbringen nicht als Beschwerde gewertet werden kann.

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Für die Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs.4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

Schlagworte

Verbesserungsauftrag; Fristen; Fristwahrung; Mindesterfordernisse Beschwerde; bewusst rechtsmissbräuchliche Anbringen; leere Beschwerde; Beschwerde;

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2021:LVwG.604674.2.FP

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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