TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/28 94/11/0371

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Veröffentlicht am 28.11.1996
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Index

L94056 Ärztekammer Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
23/04 Exekutionsordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §56 Abs6 impl;
ÄrzteG 1984 §58;
ÄrzteG 1984 §79 Abs1 impl;
ÄrzteG 1984 §79 Abs4 impl;
AVG §56;
Beitrags- und UmlagenO ÄrzteK Stmk §13;
Beitrags- und UmlagenO ÄrzteK Stmk §14 Abs4;
B-VG Art18 Abs1;
EO §1;
EO §35;
VVG §1 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/11/0408

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerden der Dr. V in G, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, 1. gegen den Bescheid des Vorstandes der Ärztekammer für Steiermark vom 6. Mai 1994, Zl. A IV-1/1-Ru, betreffend Kammerumlagen und -beiträge (hg. Zl. 94/11/0371), und 2. gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses bei der Ärztekammer für Steiermark vom 11. März 1994, ohne Zahl, betreffend Kammerumlagen und -beiträge (hg. Zl. 94/11/0408), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörden aufgehoben.

Die Ärztekammer für Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Nach Erlassung von Vorschreibungen betreffend Kammerumlagen und -beiträge für die Jahre 1988 bis einschließlich 1992 ergingen seitens der Ärztekammer für Steiermark zwei schriftliche Mahnungen an die Beschwerdeführerin, in denen sie zur Bezahlung der sich aus den Vorschreibungen ergebenden Beträge aufgefordert wurde. Mangels Bezahlung erging in der Folge an die Beschwerdeführerin ein mit 30. August 1993 datierter, vom Präsidenten und Finanzreferenten der Ärztekammer für Steiermark gefertigter "Rückstandsausweis über offene Kammerbeiträge". Darin werden die ausstehenden Kammerumlagen und Kammerbeiträge für die Jahre 1988 bis 1992 mit insgesamt S 344.190,70 angeführt. Zuzüglich Mahnspesen und Verzugszinsen betrage die von der Beschwerdeführerin zu begleichende Schuld insgesamt S 347.860,70. Beigesetzt war eine Rechtsmittelbelehrung, in welcher auf die Möglichkeit einer Beschwerde gegen den Rückstandsausweis gemäß § 14 der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark (in der Folge B-UO) hingewiesen wurde. Eine Behördenbezeichnung ist aus dem Rückstandsausweis nicht ersichtlich.

Die Beschwerdeführerin erhob im Sinne der beigegebenen Rechtsmittelbelehrung Beschwerde gegen den Rückstandsausweis, in welcher sie die Ärztekammer für Steiermark als belangte Behörde bezeichnete.

Über die Beschwerde ergingen gleichlautende Bescheide des Beschwerdeausschusses bei der Ärztekammer für Steiermark vom 11. März 1994 und des Vorstandes der Ärztekammer für Steiermark vom 6. Mai 1994, mit denen der Beschwerde jeweils gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 14 B-UO keine Folge gegeben und ausgesprochen wurde, daß die sofortige Fälligkeit des aushaftenden Betrages gegeben sei.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen beide Bescheide Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit zwei Beschlüssen vom 26. September 1994 die Behandlung der Beschwerden ab und trat diese mit Beschlüssen vom 24. November 1994, B 1338/94, und vom 7. Dezember 1994, B 793/94, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und über sie erwogen:

Gemäß § 56 Abs. 6 Ärztegesetz 1984 (ÄrzteG) ist der Präsident erste Instanz für das Kammerumlageverfahren. Gegen seine Beschlüsse steht den Betroffenen das Recht der Beschwerde an den Vorstand zu. Gemäß § 79 Abs. 1 ÄrzteG obliegt die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds einem Verwaltungsausschuß. Gegen dessen Beschlüsse steht nach Abs. 4 dieses Paragraphen den Betroffenen das Recht der Beschwerde an einen Beschwerdeausschuß zu. Das ÄrzteG weist somit die Angelegenheiten der Kammerumlagen und der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds (Kammerbeiträge) (§§ 56, 57 ÄrzteG) verschiedenen Behörden zu, wobei jeweils zwei Instanzen vorgesehen sind. Diese Zuständigkeitsregelung gilt mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung unter anderem auch für die Entscheidung über Einwendungen gemäß § 35 EO gegen Rückstandsausweise von Ärztekammern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zl. 93/11/0007).

Die B-UO regelt im § 3 die Vorschreibung der Kammerumlage und des Kammerbeitrages; sie hat durch die Rechnungsabteilung des Kammeramtes zu erfolgen (Abs. 1). Dagegen kann der beitragspflichtige Kammerangehörige binnen zwei Monaten einen Berichtigungsantrag an die Ärztekammer für Steiermark stellen (Abs. 2). Die Überprüfung obliegt hinsichtlich der Kammerumlage dem Präsidenten unter Zuziehung des Finanzreferenten und hinsichtlich des Kammerbeitrages dem Verwaltungsausschuß. Gegebenenfalls ist eine neue, berichtigte Vorschreibung zu erlassen.

§ 13 B-UO enthält Regelungen über den Rückstandsausweis. Danach ist ein Rückstandsausweis nach zwei erfolglos gebliebenen, gehörig ausgewiesenen Mahnungen unter Zugrundelegung der Vorschreibung zu erlassen, der dann die Grundlage der Zwangsvollstreckung bildet. Er hat Name und Anschrift des Beitragspflichtigen, den Betrag der Schuld, aufgegliedert nach Beiträgen und Jahren, die Nebenansprüche und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten (Abs. 2). Der Rückstandsausweis ist vom Präsidenten, Finanzreferenten und gegebenenfalls vom Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses zu unterfertigen und bildet nach § 58 des Ärztegesetzes einen Exekutionstitel für das behördliche und gerichtliche Exekutionsverfahren (Abs. 4).

Der mit "Instanzenzug, Rechtsmittel" überschriebene § 14 B-UO lautet:

"(1) Der Verwaltungsausschuß entscheidet in allen Kammerbeitrags- und Leistungssachen. Der Präsident entscheidet in allen die Kammerumlage betreffenden Angelegenheiten.

(2) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsausschusses und des Präsidenten steht den Betroffenen das Rechtsmittel der Beschwerde zu. Richtet sich das Rechtsmittel gegen den Kammerbeitrag, dann entscheidet hierüber der Beschwerdeausschuß. Richtet sich das Rechtsmittel gegen die Kammerumlage, dann entscheidet hierüber der Kammervorstand.

(3) Die Beschwerde ist binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich bei der Ärztekammer für Steiermark einzubringen. Die Beschwerde hat den angefochtenen Bescheid zu bezeichnen, sowie ein bestimmtes Begehren und eine Begründung zu enthalten. Wird keine Begründung angegeben oder wird diese nicht binnen der Rechtsmittelfrist nachgereicht, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

(4) Darüber hinaus steht demjenigen, der sich durch die im Rückstandsausweis enthaltene Vorschreibung in seinen Rechten verletzt fühlt, das Rechtsmittel der Beschwerde zu. Dieser Beschwerde gegen den Rückstandsausweis kommt aufschiebende Wirkung zu. Die Fälligkeit wird somit bis zur Entscheidung über die Beschwerde aufgeschoben. Im übrigen gelten die allgemeinen Bestimmungen der Abs. 1, 2 und 3."

Die B-UO sieht somit in Übereinstimmung mit dem ÄrzteG in allen Kammerbeitragssachen die Zuständigkeit des Verwaltungsausschusses und des Beschwerdeausschusses und in allen Kammerumlageangelegenheiten die Zuständigkeit des Präsidenten und des Vorstandes der Ärztekammer für Steiermark vor. Sowohl der Beschwerdeausschuß als auch der Kammervorstand haben nach der B-UO als Rechtsmittelinstanz zu entscheiden; eine Befugnis, in den genannten Angelegenheiten erstmals in der Sache selbst durch Bescheid zu erkennen, steht ihnen nicht zu. Dem steht § 14 Abs. 4 B-UO nicht entgegen. Diese Regelung bedeutet nur, daß auch gegen einen Rückstandsausweis ein "Beschwerde" genanntes Rechtsmittel in Betracht kommt. In der Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung darüber und des Instanzenzuges trifft § 14 Abs. 4 B-UO keine eigene Regelung. Nach dem letzten Satz gelten insoweit ("im übrigen") die allgemeinen Bestimmungen unter anderem der Abs. 1 und 2. Demnach haben über Beschwerden gegen Rückstandsausweise in erster Instanz der Präsident (in Kammerumlageangelegenheiten) bzw. der Verwaltungsausschuß (in Kammerbeitragssachen) und in zweiter Instanz der Kammervorstand bzw. der Beschwerdeausschuß zu entscheiden. Nur dieses - nach dem Wortlaut auch mögliche - Verständnis des § 14 Abs. 4 B-UO läßt diese Bestimmung als gesetzeskonform erscheinen. Verstünde man sie nämlich dahin, daß auch über Beschwerden gegen Rückstandsausweise der Kammervorstand bzw. der Beschwerdeausschuß unmittelbar zu entscheiden hätten, wäre diese Bestimmung gesetzwidrig, weil sie dann gegen die gesetzlich vorgesehene Zuständigkeitsordnung verstieße. Dazu ist festzuhalten, daß ein Rückstandsausweis nach der B-UO kein Bescheid ist. Das ergibt sich daraus, daß in § 13, anders als in § 14, die Begriffe "Bescheid" bzw. "Entscheidung" nicht verwendet werden; dort ist ausschließlich vom "Rückstandsausweis" als Grundlage der Zwangsvollstreckung die Rede. Nach dieser Bestimmung bildet ein Rückstandsausweis einen Exekutionstitel nach § 58 ÄrzteG, eine Aussage, die im Falle seiner Bescheidqualität überflüssig wäre, weil ein Bescheid ex lege (§ 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 VVG) einen Exekutionstitel bildet. Dazu kommt das Fehlen jeglicher Bezugnahme in § 13 B-UO auf § 14 Abs. 1 B-UO, der von der Entscheidung über die dort genannten Angelegenheiten spricht und die dazu berufenen Behörden erster Instanz nennt. Es handelt sich somit bei Rückstandsausweisen nach der B-UO nicht um Bescheide, sondern bloß um förmliche, einen Exekutionstitel darstellende Aufstellungen der Ärztekammer über aushaftende Kammerumlagen, Kammerbeiträge und allfälle Nebenansprüche (Spesen, Zinsen).

Die belangten Behörden haben offensichtlich in Verkennung der dargelegten Rechtslage über die Beschwerde gegen den Rückstandsausweis vom 30. August 1993 meritorisch abgesprochen, obwohl ihnen mangels einer Entscheidung der jeweils zuständigen Erstbehörde die Zuständigkeit dazu fehlte. Die angefochtenen Bescheide sind daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörden behaftet.

Die belangten Behörden haben im übrigen mangels einer spruchmäßigen Einschränkung auch ihre sachliche Zuständigkeit überschritten, indem beide über die gesamte Beschwerde, also sowohl über Kammerumlagen als auch über Kammerbeiträge, entschieden haben. Einer exakten spruchmäßigen Trennung hätte es insbesondere auch in Ansehung der mitentschiedenen "Nebenansprüche" (Mahnspesen, Zinsen), die sowohl Kammerumlagen als auch Kammerbeiträge betreffen, bedurft.

Die angefochtenen Bescheide waren aus dem angegebenen Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich im Rahmen des (im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nur zu Zl. 94/11/0408) gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von S 300,-- zuzusprechen (S 240,-- für zwei Ausfertigungen der Beschwerdeergänzung; S 60,-- für eine Kopie des zweitangefochtenen Bescheides).

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Gesundheitswesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994110371.X00

Im RIS seit

22.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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