TE Bvwg Beschluss 2021/10/21 W129 2247379-1

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Veröffentlicht am 21.10.2021
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Entscheidungsdatum

21.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
UG §19
UG §46
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W129 2247379-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, gegen den Bescheid der stellvertretenden Curriculumsdirektorin für Zahnmedizin an der Medizinischen Universität Wien vom 01.06.2021, Zl. 27-Z-453-2020, nach Beschwerdevorentscheidung vom 13.08.2021:

A)

Die Beschwerde wird gem. § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

1. Mit gegenständlichem Bescheid vom 01.06.2021, Zl. 27-Z-453-2020, erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, belangte Behörde) wies die stellvertretende Curriculumsdirektorin für Zahnmedizin an der Medizinischen Universität Wien den Nostrifizierungsantrag des Beschwerdeführers ab.

2. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 11.06.2021 (Beginn der Abholfrist) zugestellt.

3. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 09.07.2021 (zur Post gegeben am 13.07.2021) das Rechtsmittel der Beschwerde.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13.08.2021, zugestellt durch Hinterlegung am 15.09.2021 (Beginn der Abholfrist), wies die belangte Behörde die Beschwerde als verspätet zurück. Die vierwöchige Beschwerdefrist habe am 09.07.2020 geendet und sei vom Beschwerdeführer versäumt worden.

6. Am 20.09.2021 erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel des gegenständlichen Vorlageantrages (ohne nähere Begründung).

7. Mit Begleitschreiben vom 11.10.2021 übermittelte die belangte Behörde den Vorlageantrag und den Verwaltungsakt an das Bundesverwaltungsgericht (eingelangt am 15.10.2021).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der verfahrensgegenständliche Bescheid der stellvertretenden Curriculumsdirektorin für Zahnmedizin an der Medizinischen Universität Wien vom 01.06.2021, Zl. 27-Z-453-2020, wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am Freitag, 11.06.2021 (Beginn der Abholfrist), zugestellt.

Der Bescheid der belangten Behörde beinhaltet folgende Rechtsmittelbelehrung: „Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich (….) einzubringen (…).“. Die Wortfolge „vier Wochen“ wurde dabei fett gedruckt und unterstrichen.

Die vierwöchige Beschwerdefrist endete am Freitag, 09.07.2021.

Die Beschwerde wurde am 13.07.2021, nach Ende der Beschwerdefrist, zur Post gegeben.

Es wurde kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde.

Das Datum der Hinterlegung des gegenständlichen Bescheides vom 01.06.2021 ergibt sich aus dem Rückschein, auf welchem ein Zustellversuch am 10.06.2021 vermerkt ist, weiters eine Verständigung des Beschwerdeführers von der Hinterlegung sowie das Datum der Hinterlegung mit 11.06.2021 (Beginn der Abholfrist).

Der Poststempel auf dem Kuvert, mit welchem der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde einbrachte, weist als Datum den 13.07.2021 aus.

Die genannten Daten wurden auch seitens der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung festgestellt, wenngleich ohne vorherigen Verspätungsvorhalt. Der Beschwerdeführer ist jedoch den Ausführungen der belangten Behörde im Vorlageantrag nicht entgegengetreten.

Dass kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt wurde, ergibt sich unstrittig aus dem Vorlageantrag.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

3.1. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt nach Z 1 in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.

Gemäß § 32 Abs. 1 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

Der Beginn von Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren (nach "Kalenderzeiträumen") bemessen sind, hat weder im AVG noch im FristenÜb eine ausdrückliche Regelung erfahren. Aus dem AVG geht aber doch hervor, dass auch solche Fristen an dem Tag beginnen, auf den das fristauslösende Ereignis (z.B. die Zustellung des Bescheides (vgl. § 63 Abs. 5 AVG) oder das Einlangen des Antrages fällt (vgl. VwGH vom 17.01.1990, Zl. 89/03/0003; 22.05.1990, Zl. 90/11/0089; Hellbling 217; Hengstschläger RZ 250; Mannlicher/Quell AVG § 32 Anm. 3; Thienel/Schulev-Steindl 141; Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger RZ 234; ferner etwa auch VwGH vom 10.09.1998, Zl. 98/20/0347; Art 3 Abs. 1 FristenÜb: "dies a quo"). Dies wird von § 32 Abs. 1 AVG nämlich offenkundig vorausgesetzt und daher darin angeordnet, dass dieser Tag bei einer nach Tagen bestimmten Frist nicht mitzuzählen ist. Dementsprechend hat der VwGH ausgesprochen, dass sich aus dem Zusammenhalt von § 32 Abs. 2 AVG und Art 3 Abs. 1 FristenÜb ergibt, "dass nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen an dem Tag, und zwar um 24:00 Uhr dieses Tages, zu laufen beginnen, an dem das den Fristenlauf bestimmende Ereignis stattgefunden hat (VwGH vom 17.01.1990, Zl. 89/03/0003 vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I, 2. Ausgabe 2014, § 32 AVG, RZ 12).

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Nach Abs. 2 ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember fällt, der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen. Gemäß Abs. 3 werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet. Gemäß Abs. 4 können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen nicht geändert werden.

Eine nach Wochen bestimmt Frist endet demnach um Mitternacht (24:00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (VwGH vom 18.10.1996, Zl. 96/09/0153 mwN).

3.2 Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Aus dem Akteninhalt ergibt sich unzweifelhaft, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid der stellvertretenden Curriculumsdirektorin für Zahnmedizin an der Medizinischen Universität Wien vom 01.06.2021, Zl. 27-Z-453-2020, durch Hinterlegung am Freitag, 11.06.2021 (Beginn der Abholfrist), zugestellt und sohin rechtswirksam erlassen wurde.

Ausgehend davon endete die vierwöchige Beschwerdefrist sohin mit Ablauf des Freitag, den 09.07.2021. Die erst am 13.07.2021 zur Post gegebene Beschwerde ist daher verspätet eingebracht worden.

In Vorlageantrag des Beschwerdeführers wird nichts vorgebracht, was Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges bzw. des Beginnes und Ablaufes der Rechtsmittelfrist aufkommen ließe.

Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde demnach zu Recht mittels Beschwerdevorentscheidung als verspätet zurückgewiesen.

3.3 Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten:

Die belangte Behörde war aufgrund von § 14 Abs 1 VwGVG zur Zurückweisung der verspäteten Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung berechtigt. Die Behörde machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und wies die Beschwerde innerhalb der zweimonatigen Frist (§ 14 Abs 1 VwGVG) als verspätet zurück. Infolge des vom Beschwerdeführer fristgerecht gestellten Vorlageantrags hatte nunmehr das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde zu entscheiden. Da die Beschwerde verspätet war, hatte sie das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der gegenständliche Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt. Dies hat die Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheids (also des Bescheids vom 01.06.2021) festgestellt wird (Vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026.)

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist im Verwaltungsverfahren das sogenannte „Überraschungsverbot“ zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Daraus folgert der Verwaltungsgerichtshof, dass der Partei eine Verspätung eines Rechtsbehelfs vorzuhalten ist, und zwar selbst eine nach dem Akteninhalt offenkundige Verspätung eines Rechtsbehelfs. Die zum „Überraschungsverbot“ entwickelten Grundsätze sind auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich, weil von den Verwaltungsgerichten auf dem Boden des § 17 VwGVG sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs 3 AVG zu beachten sind (vgl. mwN VwGH 18.06.2020, Ra 2019/10/0080).

Im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde anzulasten, dass sie einen derartigen „Verspätungsvorhalt“ unterlassen hat. Dieser Verfahrensmangel konnte jedenfalls durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren saniert werden (vgl. zB. VwGH 26.02.2019, Ra 2019/06/0011).

Nach VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0069, ist eine Verletzung des Parteiengehörs durch die Verwaltungsbehörde dann als saniert anzusehen, wenn die Partei Gelegenheit gehabt hat, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens im Rechtsmittel gegen den Bescheid Stellung zu nehmen. Dies setzt voraus, dass der Partei unter anderem durch die Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheids Kenntnis von den Beweisergebnissen verschafft wurde, die ihr eigentlich im Rahmen des Parteiengehörs zu vermitteln gewesen wären. Davon ausgehend bedarf es gegenständlich keines „Verspätungsvorhalts“ durch das Bundesverwaltungsgericht, weil die der rechtlichen Würdigung des vorliegenden Beschlusses zugrundeliegenden Sachverhaltselemente auch der – dem Beschwerdeführer zugestellten – Beschwerdevorentscheidung zugrunde lagen, sodass sie ihm bekannt waren. Er hatte zudem in Gestalt des Vorlageantrags die Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Sachverhaltselementen zu äußern, wovon er jedoch nicht Gebrauch machte. Der vom Beschwerdeführer erstattete Vorlageantrag enthält keine substantiierte Ausführungen dahingehend, dass er rechtzeitig Beschwerde erhoben hätte. Dem Zweck des „Überraschungsverbots“ wurde somit – auch ohne „Verspätungsvorhalt“ durch das Bundesverwaltungsgericht – vollständig entsprochen.

3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Im gegenständlichen Fall konnte gemäß eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage geklärt erscheint. Zudem ist in § 24 Abs. 2 VwGVG explizit geregelt, dass eine Verhandlung entfallen kann, wenn - wie gegenständlich - die Beschwerde zurückzuweisen ist.

3.5. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Beschwerdefrist Hinterlegung Rechtsmittelbelehrung rechtswirksame Zustellung Verspätung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2247379.1.00

Im RIS seit

16.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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