TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/5 W142 2136311-3

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Veröffentlicht am 05.10.2021
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Entscheidungsdatum

05.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
AsylG-DV 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W142 2136311-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2021, Zl. 1023491504-200817930, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Vorverfahren:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) wies mit Bescheid vom 04.07.2014 diesen Antrag sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erkannte dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei; schließlich hielt die Behörde fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Mit Schreiben vom 08.01.2015 wurde vom BFA die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft von Indien in Wien beantragt.

3. Am 02.03.2015 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a FPG.

Mit Bescheid vom 09.09.2016 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung einer Karte für Geduldete abgewiesen. Die vom BF dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 27.08.2019, W163 2136311-1/8E, abgewiesen. Diese Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

4. Mit Mandatsbescheid vom 03.10.2019 trug das BFA dem BF gemäß 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG auf, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung „ XXXX “ zu nehmen, wobei er dieser Verpflichtung innerhalb von drei Tagen nachzukommen habe.

Gegen diesen Mandatsbescheid erhob der BF am 17.10.2019 das Rechtsmittel der Vorstellung.

5. Mit Bescheid vom 10.08.2020 trug das BFA dem BF gemäß 57 Abs. 1 FPG auf, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung „ XXXX “ zu nehmen, wobei er dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen habe (Spruchpunkt I.); unter einem wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Der BF erhob am 12.08.2020 gegen diesen Bescheid „Vorstellung“. Das BFA legte diese Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.08.2020, W252 2136311-2/3E, gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 Abs. 1 FPG als unbegründet abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt.

Gegenständliche Verfahren:

6. Am 12.08.2020 brachte der BF einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG: Aufenthaltsberechtigung plus (Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt) ein. Mit dem Antrag wurden in Kopie vorgelegt: Eine beglaubigte und übersetzte Geburtsurkunde, die indische Geburtsurkunde, ein Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau A2, der österreichische Führerschein, eine ZMR-Meldung, die Vorderseite einer E-Card, ein Wohnungsuntermietvertrag, ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag (Einstellungszusage), die Vollmachtserteilung für die Rechtsvertretung des BF sowie zwei Lichtbilder in Original.

7. Mit Schriftsatz vom 11.09.2020, zugestellt am 15.09.2020, übermittelte das BFA einen Verbesserungsauftrag und trug dem BF gemäß § 13 Abs. 3 AVG auf, binnen einer zweiwöchigen Frist seinen Reisepass im Original samt vollständiger Kopie sowie ein begründetes Antragsvorbringen hinsichtlich eines geänderten Sachverhalts im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG vorzulegen.

8. Am 22.09.2020 übermittelte die Rechtsvertretung des BF eine Stellungnahme per E-Mail an das BFA. Darin wurde zunächst darauf hingewiesen, dass sich der BF seit sechs Jahren im Bundesgebiet befinde und strafrechtlich unbescholten geblieben sei. Er sei seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen und sei zu jeder Ladung erschienen. Der BF habe auch ein Sprachdiplom auf Niveau A2 absolviert, führe einen geregelten Alltag, besitze eine ortsübliche Unterkunft und trage täglich Zeitungen aus. Der BF sei jedenfalls gut integriert und habe Freundschaften verschiedenster Nationen geschlossen. Ferner beantragte die Rechtvertretung des BF die „Heilung des Mangels vom Erfordernis des Reisepasses“. Dazu wurde ausgeführt, dass der BF bereits mehrmals bei der Botschaft seines Heimatlandes vorgesprochen habe und seine Identität nie verschleiert habe. Es sei dem BF jedoch trotz der mehrmaligen Vorsprachen bei der Botschaft nicht möglich gewesen einen Reisepass zu erlangen. Der Hinderungsgrund zur Vorlage eines Reisepasses liege sohin nicht in seinem Einflussbereich. Zur Situation in Indien wurde auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.03.2020 verwiesen und ausgeführt, dass sich aus den Länderberichten keine seriösen Informationen zur Covid-19 Pandemie ergeben würden. Ferner wurde auf den Abschnitt „Sicherheit und Kriminalität“ des Länderinformationsblattes zu Indien, Stand 08.09.2020 verwiesen und ausgeführt, dass sich der BF in einem derartigen Chaos in Indien nicht zurechtfinden könne und in eine ausweglose Situation geraten würde. Es gäbe in Indien keine Einrichtungen für Rückkehrer und humanitäre Hilfe sei nicht verfügbar. Der BF könne sich in seinem Herkunftsstaat das Existenzminimum nicht erwirtschaften.

9. Am 27.10.2020 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF zu seinem Antrag über einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 statt. Darin wurde entscheidungswesentlich wie folgt vorgebracht (Schreibfehler korrigiert):

„[…]

F: Warum haben Sie sich keinen Reisepass bei der indischen Botschaft besorgt?

A: Ich war vor ca. drei bis vier Monaten bei der indischen Botschaft, jedoch haben die mir gesagt, dass ich keinen Reisepass bekomme, bevor ich nicht eine Bestätigung vorlege, dass ich in Österreich bleiben darf. Ich bin regelmäßig, so ca. alle zwei Monate, bei der indischen Botschaft.

F: Wann waren Sie bei der indischen Botschaft? Haben Sie eine Bestätigung, dass Sie einen Antrag auf Aufstellung eines Reisepasses eingebracht haben und eine Einzahlungsbestätigung?

A: Das genaue Datum weiß ich nicht. Eine Bestätigung habe ich nicht. Schon beim Eingang wird man schon zurückgeschickt.

F: Warum schickt die indische Botschaft indische Staatsangehörige schon beim Eingang zurück?

A: Die Security beim Eingang lässt mich nicht rein, weil ich aus einem anderen Bundesstaat als sie kommen. Schon beim Eingang wird ein Visum oder ein indischer Reisepass verlangt.

F: Wie bekommen dann indische Staatsangehörige, deren Reisepass gestohlen wurde oder verloren ging, einen neuen Reisepass?

A: Keine Antwort.

V: Laut Website der indischen Botschaft in Wien (https://eoivienna.gov.in/) können indische Staatsbürger trotz Corona-Beschränkungen einen indischen Reisepass beantragen und abholen.

A: Ich werde nochmals zur Botschaft gehen und einen Reisepass beantragen.

F: Warum sind Sie nicht in der Betreuungsstelle Tirol Rückkehrberatung, wie Ihnen mit Bescheid, der vom BVwG bestätigt, aufgetragen wurde?

A: Ich kenne niemanden in Tirol und kenne dort niemanden. In Wien habe ich viele Freunde und Bekannte und einen Sikh-Tempel. Was soll ich in Tirol tun?

F: Wie finanzieren Sie sich den Unterhalt im Bundesgebiet?

A: Ich helfe meinen Freunden im Haushalt. Diese unterstützen mich finanziell und geben mir zu essen. Nachgefragt, gebe ich an, dass ich meinen indischen Freunden beim Putzen helfe. Dafür bekomme ich Geld und Essen. Meine Freunde sind zum größten Teil Asylwerber, aber auch welche mit österreichischem Reisepass. Nachgefragt nach Namen dieser Freunde gebe ich an, dass ich die Namen nicht kenne. Einer heißt XXXX , ein anderer XXXX . Die genaue Adresse von XXXX weiß ich nicht, er war früher Chef der Pizzeria XXXX . Ich helfe auch im Sikh-Tempel im XXXX und bekomme auch dort zu essen.

F: Wie viel Geld bekommen Sie für Ihre Hilfe?

A: Ich bekomme € 10-20. Ich gehe nicht jeden Tag, sondern ein- bis zweimal im Monat helfen. Manchmal bekomme ich Guthaben für mein Handy oder sie kaufen mir Lebensmittel.

F: Wie viele Stunden arbeiten Sie bei diesen Personen?

A: Keine Antwort.

V: Sie dürfen in Österreich mit Ihrem Status nicht arbeiten!

F: Sind Sie sozialversichert?

A: Ja, ich bin von der Caritas versichert. Ich habe auch eine E-Card mit. Ich habe auch einen österreichischen Führerschein.

V: Sie sind seit dem XXXX nicht mehr sozialversichert!

F: Wo im Bundesgebiet wohnen Sie?

A: Ich wohne seit dem XXXX .

F: Aufgrund welchen Rechtsverhältnisses wohnen Sie dort? Haben Sie einen Mietvertrag?

A: Ich habe keinen Mietvertrag. Ich zahle Geld, wenn ich Geld habe, wenn ich kein Geld habe, zahle ich nichts. Das Geld zahle ich an einen XXXX , der XXXX heißt. Ich zahle alle zwei bis drei Monate € 100,00 an XXXX .

V: Sie haben die Kopie eines am 29.01.2018 geschlossenen und auf maximal fünf Jahre befristeten Untermietvertrags zwischen XXXX übermittelt. Sie sind in diesem Untermietvertrag nicht erwähnt.

F: Wer wohnt noch in dieser Wohnung? Haben Sie einen Schlüssel für diese Wohnung?

A: Ich wohne dort zusammen mit drei Indern ( XXXX ). Ich habe einen Schlüssel für die Wohnung.

F: Wie groß ist diese Wohnung?

A: Es handelt sich um eine Zweizimmerwohnung. Die Größe der Wohnung kann ich nicht sagen.

F: Wie ist Ihr Familienstand?

A: Ich bin ledig.

F: Führen Sie eine Lebensgemeinschaft oder Partnerschaft in Österreich?

A: Nein, ich habe weder eine Freundin noch eine Lebensgefährtin.

F: Haben Sie Kinder oder Sorgepflichten?

A: Nein.

F: Welche Schulbildung haben Sie?

A: Ich habe in Indien acht Jahre besucht.

F: Welche Berufserfahrung haben Sie?

A: Ich habe keinen Beruf gelernt und in Indien habe ich nie gearbeitet. Nachgefragt gebe ich an, dass mich mein Vater unterstützt hat. Dieser ist aber bereits verstorben. In Österreich habe ich als Zeitungsausträger gearbeitet.

F: Wie lautet Ihre Wohnadresse in Indien?

A: Meine letzte Adresse in Indien lautet: XXXX . Ich habe im elterlichen Haus gewohnt.

F: Wer von Ihrer Familie oder Verwandten lebt in Indien?

A: Meine zwei Brüder und meine Mutter leben in Indien. Ich habe noch viele Verwandte in Indien.

F: Haben Sie Familie oder Verwandte in Österreich bzw. der Europäischen Union?

A: Nein.

F: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

A: Ich surfe über Handy im Internet. Ich gehe mit meinen Freunden in einen Fitnessklub im 16. Bezirk. Ein- bis zwei Mal im Monat helfe ich meinen Freunden. Nachgefragt gebe ich an, dass ich noch Zeitungen zustelle und dafür € 500,00 pro Monat bekomme. Das Geld bekomme ich von einem Asylwerber im 16. Bezirk namens XXXX in bar. Einen Vertrag habe ich nicht.

V: Sie dürfen in Österreich nicht arbeiten.

A: Ja, ich weiß das. Was soll ich aber machen? Soll ich betteln gehen?

F: Haben Sie soziale (Freunde), wirtschaftliche oder sonstige Bindungen zu Österreich?

A: Ja, ich habe viele Bekannte und Freunde. Meine Freunde gehen entweder Zeitungen zustellen oder sonstiger Arbeit nach. Ich verbringe viel Zeit im Sikh-Tempel im XXXX , wo ich auch meine Freunde treffe.

F: Wie heißen Ihre besten Freunde und wo wohnen diese?

A: XXXX . Von weiteren Freunden weiß ich nur die Rufnamen, jedoch nicht die vollständigen Namen. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Freunde hauptsächlich Inder sind. Im Fitnessklub habe ich auch Freunde, die ich aber nur oberflächlich kenne und begrüße.

F: Bestehen Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich?

A: Nein.

F: Sie sind bereits länger im Bundesgebiet. Welche Schritte haben Sie unternommen, um sich zu integrieren?

A: Ich habe einen Deutschkurs Niveau A2 besucht. Mir gefällt Österreich sehr gut und ich möchte in Österreich bleiben.

F: Sind Sie im Bundesgebiet oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union jemals straffällig geworden?

A: Nein.

F: Werden Sie politisch oder strafrechtlich verfolgt in Indien?

A: Mein Leben wird in Indien von einer Gruppe bedroht.

V: Ihr Antrag auf internationalen Schutz, in dem Sie diese Gründe bereits vorgebracht haben, wurde negativ entschieden und Ihre Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Sie halten sich daher unrechtmäßig in Österreich auf und müssen Österreich verlassen.

A: Ich habe politische Gegner in Indien. Ich bin Unterstützer der Partei Akali Dal, meine Gegner sind von der Kongress-Partei. Nachgefragt gebe ich an, dass ich die Akali Dal seit ca. 8-10 Jahren unterstütze. Ich helfe der Partei während der Wahlzeit, Stimmen zu bekommen. Von Österreich unterstütze ich die Partei in Indien nicht.

V: Das haben Sie im Asylverfahren nicht vorgebracht.

A: Keine Antwort.

Anmerkung: Die VP nickt nur bejahend.

F: Spricht irgendetwas gegen Ihre Rückkehr nach Indien?

A: Nein, ich möchte aber in Österreich bleiben.

F: Wollen Sie in die Länderinformationen der Staatendokumentation des BFA zu Indien Einsicht nehmen und zu diesen Stellung beziehen?

A: Nein, ich will nur in Österreich bleiben wollen, alles andere ist mir egal.

[…]“

10. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des BFA vom 22.02.2021 wurde der Antrag des BF vom 22.09.2020 auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG-DV 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), sowie der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 55 Abs. 2 AsylG, gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005, als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF kein Reisedokument vorgelegt habe, obwohl ihm die Beschaffung möglich und zumutbar gewesen sei und er auch dazu aufgefordert und belehrt worden sei. Mit der am 17.10.2016 ausgestellten und der Behörde am 29.07.2020 übermittelten indischen Geburtsurkunde, habe der BF die Möglichkeit gehabt einen Reisepass beantragen zu können. Es sei dem BF zumutbar, die Ausstellung von Reisedokumenten bei der indischen Botschaft zu beantragen, zumal die Botschaft gewillt sei, Reisedokumente für ihre Staatsangehörigen auszustellen. Der BF habe kein Beweismittel vorgelegt, wonach er sich um die Ausstellung eines Reisepasses ernsthaft bemüht hätte. Der BF finanziere sich seinen Aufenthalt im Bundesgebiet durch Schwarzarbeit und verfüge über kein schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich. Er habe sich vom 30.06.2014 bis zum 02.08.2014 rechtmäßig aufgrund des § 51 AsylG 2005 im Bundesgebiet aufgehalten. Ab dem 02.08.2014 halte sich der BF jedoch beharrlich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und missachte seine Verpflichtung zur Ausreise. Insgesamt sei im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber dem persönlichen Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Der BF gehöre auch keiner Covid-19 Risikogruppe an, weshalb sein individuelles Risiko an Sars-Cov-2 schwer oder gar tödlich zu erkranken als gering einzustufen sei. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe dem BF in seinem Herkunftsstaat aufgrund der Covid-19 Pandemie daher nicht.

11. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig in vollem Umfang Beschwerde erhoben. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Anwesenheit des BF im Bundesgebiet zu keinen Ärgernissen oder Gefahren beigetragen habe. Der BF sei ordentlich gemeldet, er sei krankenversichert, habe eine ortsübliche Unterkunft und nehme seine Integration ernst. Er stelle keine Belastung für die Gebietskörperschaft dar, da er keine staatlichen finanziellen Hilfen in Anspruch nehme. Die Behörde habe nicht nachvollziehbar darlegen können, weshalb der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung sein soll.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des BF und zum Verfahrensgang:

Der BF ist Staatsangehöriger von Indien. Er führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX ; seine Identität steht nicht fest. Die Muttersprache des BF ist Punjabi. Der BF ist ledig, kinderlos und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Er besuchte acht Jahre lang die Schule in Indien und verfügt über keine Berufsausbildung. Der BF lebte vor einer Ausreise aus Indien in der Stadt XXXX , Bezirk Gurdaspur, Bundesstaat Punjab im elterlichen Haus. In Indien leben nach Angaben des BF noch seine beiden Brüder, seine Mutter sowie viele weitere Verwandte.

Der BF reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 04.07.2014 vollinhaltlich abgewiesen und wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei. Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen. Er hat keinen Nachweis darüber erbracht, dass er sich zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes an die zuständige Botschaft seines Herkunftslandes gewandt hat. Ferner vermochte der BF nicht glaubhaft darzulegen, dass er sich um die Ausstellung eines Reisedokumentes aus Eigenem bemüht habe.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich. Er verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau A2 und hat weder Mitgliedschaften in Vereinen noch die Teilnahmen an Fort- und Weiterbildungen nachgewiesen. Er geht keiner legalen Arbeit nach und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er finanziert seinen Lebensunterhalt nach eigenen Angaben durch das Austragen von Zeitungen. Der Beschwerdeführer lebt derzeit mit drei indischen Staatsangehörigen in einer privaten Wohnung.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Im Strafregister des BF scheint keine Verurteilung auf.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2. Zur Situation in Indien sowie einer möglichen Rückkehr des BF dorthin:

Der BF läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

1.3. Zur allgemeinen Lage in Indien wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden (vgl. BFA Bescheid S. 16):

[…]

Der wesentliche Abschnitt „Rückkehr“ des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des BFA zur Lage in Indien vom 11.11.2020 lautet:

24 Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen

Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 9.2020). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen

(ÖB 9.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

• ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

[…]

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des BF nicht fest. Der oben angeführte Name und das Geburtsdatum des BF dienen lediglich zu Identifizierung als Verfahrenspartei.

Die Feststellungen zu den bisherigen Verfahren ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zu den Sprachkenntnissen, der Herkunft des BF und seinen in Indien lebenden Verwandten ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des BF im Verfahren, insbesondere aus seinen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA (AS 52-62), sowie dem Vorverfahren.

Dass der BF gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren und daraus, dass der BF selbst keine Umstände dargelegt hat, die auf eine Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit schließen ließen.

Dass der BF das Bundesgebiet nach rechtskräftig negativen Abschluss seines Asylverfahrens nicht verlassen hat, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem noch andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt des BF.

Dass der BF keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien beruht darauf, dass der BF weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 nicht möglich wäre.

2.2. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Der BF verzichtete auf die Aushändigung der Länderberichte (AS 61). In der Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF, sowie im Beschwerdeschriftsatz wurde den Länderberichten nicht substantiiert entgegengetreten. Wie da BFA in seinem Bescheid bereits zutreffend ausgeführt hat (vgl. BFA Bescheid S. 101), konnte der BF die erstmals in der Einvernahme am 27.10.2020 vorgebrachte Gefährdung aufgrund einer behaupteten Tätigkeit für die Partei Alkali Dal, weder belegen noch glaubhaft machen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages auf Mängelheilung):

§ 4 Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 (AsylG-DV), BGBl. II Nr. 448/2005 in der geltenden Fassung, lautet:

„§ 4. (1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1.       im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2.       zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3.       im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.“

Der BF legte keine Reisedokumente vor und führte auch auf Vorhalt keine stichhaltigen Gründe an, weshalb ihm die Erlangung von Reisedokumenten unmöglich oder unzumutbar sei. In der Einvernahme vom 27.10.2020 behauptete der BF zwar, dass er mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen habe und er erst nach Erteilung von einem Aufenthaltstitel einen Reisepass erhalten würden, jedoch blieb diese Behauptung bis dato unbelegt. Der BF vermochte keine Bestätigungen darüber zu erbringen, dass er sich zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes an die zuständige Botschaft gewandt hat, obwohl ihm die Einholung einer solchen Bestätigung bei der indischen Botschaft in Wien möglich und zumutbar war.

Damit ist der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV nicht erfüllt.

Da es sich bei dem BF nicht um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, konnte auch eine Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 1 leg. cit nicht eintreten. Dass eine Heilung des Mangels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK indiziert gewesen wäre, hat sich im Verfahren ebenfalls nicht ergeben. Hierzu darf auf die näheren Ausführungen zu Punkt 3.2. verwiesen werden.

Die Anträge auf Heilung wurden daher zu Recht vom BFA abgewiesen.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte II.-V. des angefochtenen Bescheides:

Zurückweisung des Antrags gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005:

Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2). Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8. Abs. 1 AsylG-DV sind folgende Urkunden und Nachweise – unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 – im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1.gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);
2.Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;
3.Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;
4.erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0039, ausführlich mit der Auslegung des § 58 Abs. 11 AsylG 2005 auseinandergesetzt und ist dabei zum Ergebnis gekommen, mit den (mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2014) vom NAG in das AsylG 2005 transferierten Regelungen für „Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ sei es insoweit der Sache nach lediglich zu einer Zusammenfassung der Abs. 4, 6 und 10 des § 19 NAG gekommen. Von Bedeutung sei allerdings, dass die unterbliebene Vorlage von Identitätsurkunden, wie etwa des Reisepasses, nunmehr einheitlich von § 58 Abs. 11 AsylG 2005 geregelt werde, sodass diesbezüglich im Antragsverfahren nicht auf § 13 Abs. 3 AVG zurückgegriffen werden müsse. Im Übrigen beziehe sich aber auch § 58 Abs. 11 AsylG 2005 (sonst nur) auf Mitwirkungsverpflichtungen im Zusammenhang mit erkennungsdienstlichen Daten und mit der Zustelladresse des Fremden, nicht aber auf solche, die mit der Erhebung von inhaltlichen Erteilungsvoraussetzungen im Zusammenhang stehen (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0168).

Im vorliegenden Fall wurde der BF nachweislich mit Schreiben des BFA vom 11.09.2020 („Verbesserungsauftrag“) aufgefordert, einen gültigen Reisepass im Original vorzulegen, widrigenfalls der Antrag zurückzuweisen sei. Indem der BF keine gültigen Reisepässe vorgelegt hat, ist er seiner gesetzlich normierten Mitwirkungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten trotz diesbezüglich nachweislicher Aufforderung nicht ausreichend nachgekommen.

Dementsprechend war die Beschwerde gegen Spruchpunkte II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall auch eine inhaltliche Behandlung des Antrags des BF gemäß § 55 AsylG 2005 zu keinem für diesen günstigeren Ergebnis geführt hätte, zumal die im angefochtenen Bescheid in nicht zu beanstandender Weise vorgenommene Interessenabwägung zur Begründung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidungen - welche im Wesentlichen den gleichen Prüfgegenstand umfasst (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; 24.5.2016, Ra 2016/21/0101-7) - kein Überwiegen der Interessen des BF gemäß Artikel 8 EMRK an einem Verbleib im Bundesgebiet aufgezeigt hat.

Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 3 FPG unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Da die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005 zurückgewiesen wurden und kein Fall des § 58 Abs. 9 AsylG 2005 vorliegt, hat die Behörde zu Recht die Erlassung von Rückkehrentscheidungen geprüft.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

„1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

Aus § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ergibt sich aber gerade, dass dann, wenn kein Fall des § 58 Abs. 9 AsylG 2005 vorliegt, auch eine Antragszurückweisung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist (vgl. VwGH 17.05.2017, Ra 2017/22/0059).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Mangels familiärer Anknüpfungspunkte des BF in Österreich liegt ein schützenswertes Familienleben des BF im Bundesgebiet im oben dargestellten Sinn nicht vor. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des BF eingreifen.

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl zB EGMR 5.9.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 9.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.4.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich; 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande; 31.7.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg 17.516 und VwGH vom 26.6.2007, Zl 2007/01/0479).

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.5.2008, Nr 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 8.4.2008 (Nr 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Eine besonders fortgeschrittene Integration des BF kann seitens des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls nicht erkannt werden.

Der BF reiste illegal nach Österreich ein und stellte in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat. Trotz der rechtskräftigen und durchsetzbaren Entscheidung im Asylverfahren ist der BF nicht aus dem Bundesgebiet ausgereist. Er missachtete beharrlich seine Verpflichtung zur Ausreise, setzte seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich fort und verblieb irregulär im Bundesgebiet.

Da über den Antrag des BF auf internationalen Schutz eine rechtskräftig negative Entscheidung vorlag, durfte er seinen zukünftigen Aufenthalt nicht mehr als gesichert betrachten und nicht mehr darauf vertrauen, in Zukunft in Österreich verbleiben zu können (vgl. VwGH 29.04.2010, 2010/21/0085). Das Gewicht eines zwischenzeitig entstandenen Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich der BF nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen. Es wird seitens des erkennenden Gerichtes nicht verkannt, dass der BF einen geregelten Alltag führt, einige soziale Kontakte geknüpft hat und über Wohnraum in einer privaten Wohnung verfügt. Er bezieht zwar keine Leistungen aus der Grundversorgung, geht aber auch keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach. Von einer nachhaltigen Integration, welche die im vorliegenden Fall gewichtigen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, kann nicht gesprochen werden.

Auch der Umstand, dass der BF während seines Aufenthaltes in Österreich strafgerichtlich unbescholten geblieben ist, vermag allein seine persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich gemäß der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht entscheidend zu verstärken (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/0018/0029).

Insgesamt sind zum Entscheidungszeitpunkt trotz der bereits relativ langen Aufenthaltsdauer des BF in Österreich keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration des Beschwerdeführers in Österreich hervorgekommen.

Es ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet kein Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet die persönlichen Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordneten Rückkehrentscheidungen eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

Obigen Erwägungen zufolge wären daher auch die (inhaltlichen) Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

Zulässigkeit der Abschiebung:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Indien nicht.

Der BF hat sein gesamtes Leben bis zur Ausreise in Indien verbracht. In Indien leben nach eigenen Angaben des BF nach wie vor seine Mutter, zwei Brüder sowie weitere Verwandte des BF. Es ist davon auszugehen, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr möglich und zumutbar ist, wieder Kontakt zu Familie und Bekannten aufzunehmen. Es ist selbst nach einer mehr als siebenjährigen Abwesenheit vom Herkunftsstaat davon auszugehen, dass sich der BF, der dort jedenfalls vollständig sozialisiert wurde, in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird, zumal er auch die Sprache Punjabi beherrscht und in Indien acht Jahre lang die Schule besuchte.

Unter Berücksichtigung der hier relevanten persönlichen Umstände des BF ist im Falle einer Rückkehr nach Indien nicht von einer völligen Perspektivenlosigkeit des BF auszugehen. Folglich ist es dem BF als einem arbeitsfähigen, gesunden Mann, zumutbar, sich in seinem Herkunftsstaat den notwendigen Unterhalt zu sichern. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 50 FPG nicht. Der BF ist 33 Jahre alt und leidet an keinen schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen. Er fällt somit – wie das BFA bereits richtig ausgeführt hat – weder in die Covid-19-Risikogruppen der älteren Personen noch in jene der Personen mit spezifischen physischen Vorerkrankungen, sodass auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der BF bei einer Rückkehr nach Indien eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus zu gewärtigen hätte.

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der BF im Heimatland im Sinne des § 50 FPG bedroht wäre, ist der Ausspruch des BFA über die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Indien nicht zu beanstanden.

Frist für die freiwillige Ausreise:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, wurde die Frist von der belangten Behörde zu Recht mit zwei Wochen festgelegt.

3.3. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Im vorliegenden Fall konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Heilung Interessenabwägung Mitwirkungspflicht Nachweismangel öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Reisedokument Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W142.2136311.3.00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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