TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/9 G307 2244755-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.08.2021
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Entscheidungsdatum

09.08.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G307 2244755-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Deutschland, vertreten durch die Bundesbetreuungsagentur in 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2021, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A)       

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig z u r ü c k g e w i e s e n .

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 08.06.2021, setzte dieses den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis und forderte diesen zugleich auf, seine persönlichen, familiären wie finanziellen Verhältnisse darzulegen und hierzu binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens dazu Stellung zu nehmen.

Hierauf erstattete der BF noch am selben Tag eine Stellungnahme, welche am 16.06.2021 beim BFA einlangte.

2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, dem BF persönlich zugestellt am 01.07.2021, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf 4 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt III.).

3. Mit Schriftsatz vom 23.07.2021, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) möge eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchführen, der vorliegenden Beschwerde stattgeben und das Aufenthaltsverbot ersatzlos beheben, in eventu die Gültigkeitsdauer des ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes entsprechend zu reduzieren, in eventu die angefochtene Entscheidung beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA am 23.07.2021 dem BVwG vorgelegt und langten am 28.07.2021 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist deutscher Staatsbürger, ledig, frei von Obsorgepflichten und verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen. Er ist gesund und arbeitsfähig.

1.2. Der BF besuchte in Deutschland die Schule und schloss die Hauptschule im Jahr 2003 in Berlin ab. Von 2006 bis 2009 absolvierte der BF eine Ausbildung zum Koch, welche er 2009 erfolgreich abschloss.

1.3. In Österreich war der BF erstmalig vom 11.12.2017 bis 23.04.2018 gemeldet, danach folgten Meldungen vom 19.02.2020 bis 16.03.2020 und 12.08.2020 bis 18.09.2020. Seitdem ist der BF mit Hauptwohnsitz in XXXX in der XXXX gemeldet, jedoch seit XXXX.2021 in der Justizanstalt XXXX untergebracht.

1.4. Der BF war – beginnend mit 14.12.2017 bis 19.05.2021 bei 7 Arbeitgeberin in insgesamt 8 Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Seine Beschäftigungen im Bundesgebiet waren saisonbedingt. Aktuell übt der BF keine Beschäftigung im Inland aus und bezieht kein regelmäßiges Einkommen.

1.5. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX (LG XXXX) zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am 04.11.2020 wegen teils versuchten Suchtmittelhandels gemäß §§ 15 StGB, §§ 28a Abs. 1, 2. Fall, 28a Abs. 1, 3. Fall, 28a Abs. 3 1. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 12 Monaten verurteilt, wovon 8 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahre verhängt wurden.

Der BF wurde darin für schuldig befunden, er habe am XXXX.2019 versucht, vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls übersteigenden Menge, nämlich 257k3 Gramm Amphetamin (Trockenware) mit einem Gehalt von 39,9 Gramm freier Base, von Deutschland aus- und nach Österreich einzuführen, indem er diese Menge mit dem Zug von XXXX nach XXXX verbrachte, um sofort nach der Ankunft mit der angeführten Suchtgiftmenge in einen Pkw umzusteigen und mit diesem von XXXX nach XXXX weiterzufahren, was allerdings daran scheiterte, dass er noch am Bahnhof in XXXX mit dem Schmuggelgut festgenommen wurde, wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftat vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Als erschwerend wurden hiebei die beiden auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen, als mildernd das von Anfang an reumütige und zur Wahrheitsfindung wesentlich beitragende Geständnis, die untergeordnete Rolle, das Verbleiben der Tathandlung beim Versuch sowie die Sicherstellung des Suchtgiftes gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF das beschriebene Verhalten gesetzt und die erwähnten Taten begangen hat. Derzeit verbüßt der BF die diesbezügliche Strafhaft in der Justizanstalt XXXX. Der BF trat seine Haft am XXXX.2021 an und ist das Strafende mit XXXX.2021 angesetzt.

Des Weiteren liegen dem BF 7 Verurteilungen in Deutschland zur Last. Darunter finden sich unter anderem eine fahrlässige Gefährdung im Straßenverkehr, obwohl der BF infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen und er dabei fahrlässig handelte; ferner versuchte, schwere, räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz (2009); Betrug (2011); Diebstahl (2012); Betrug (2013); Erschleichen von Leistungen (2016) sowie unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln (2018).

1.6. Der BF bezog – zumindest zum Stichtag 10.06.2020 – € 432,00 an monatlichem Arbeitslosengeld aus Deutschland, ist vermögenslos und weist Außenstände in der Höhe von € 30.000,00 auf, welche aus privaten, vertraglichen Verpflichtungen herrühren.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund des vorliegenden Aktes durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Freisein von Obsorgepflichten, Schul- und Berufsausbildung in Deutschland und Gesundheitszustand des BF getroffen wurden, ergibt sich dies aus dem Inhalt der vom BF auf das Parteiengehör hin erstatteten Stellungnahme.

Der BF legte zum Beweis seiner Identität einen auf seinen Namen ausgestellten deutschen Personalausweis vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Die bisherigen Wohnsitzmeldungen und Aufenthalte im Bundesgebiet sind dem ZMR-Auszug des BF zu entnehmen und decken einander mit den Ausführungen des BF in dessen Stellungnahme.

Der Bezug von Arbeitslosengeld aus Deutschland im Zeitpunkt der Verurteilung, Schuldenstand, die 7 Verurteilungen in Deutschland sowie die Verurteilung in Österreich sind dem im Akt einliegenden Urteil des LG XXXX zu entnehmen.

Die bisher in Österreich ausgeübten Beschäftigungen sind dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges zu entnehmen. Anhaltspunkte für das Fehlen einer Arbeitsfähigkeit fanden sich nicht. Dass der BF im Inland bis dato nur saisonbedingt beschäftigt war, brachte er in seiner Stellungnahme vor.

Der Zeitpunkt des Selbstantritts der Strafe sowie das (voraussichtliche Strafende) sind aus der Vollzugsdateninformation der Justizanstalt XXXX vom XXXX.2021 ersichtlich.

Der BF hat im Zuge der jüngsten Einvernahme vor dem BFA erwähnt, gesund zu sein. Anhaltspunkte für das aktuelle Vorliegen von Krankheiten ergaben sich nicht.

Da der BF immer wieder unter Beiziehung eines Dolmetschers der Sprache Polnisch einvernommen wurde und auch keine Belege über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus vorgelegt hat, konnte er dahingehend nichts bescheinigen.

2.3. Zum Beschwerdevorbringen:

2.3.2. Wenn im Rechtsmittel vermeint wird, die Behörde habe ihre Entscheidung ohne die Durchführung einer vorherigen Einvernahme gefällt und habe dies den BF jedenfalls in seinen Rechten verletzt, so ist kein Grund ersichtlich, dass das Bundesamt dahingehend fehlerhaft und damit rechtswidrig gehandelt hätte. Wie das dem BF schriftlich eingeräumte Parteiengehör zeigt, wurde ihm hinreichend die Möglichkeit geboten, sich zur Sache zu äußern und Beweismittel in Vorlage zu bringen. Vor diesem Hintergrund kann ein Ermittlungsmangel nicht festgestellt werden. Was die Art und Form der Einräumung des besagten Parteiengehörs betrifft, so war das Bundesamt im vorliegenden Fall nicht gehalten, dieses dem BF ausschließlich durch persönliche Einvernahme einzuräumen. In welcher Form nämlich die Behörde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in concreto zur Kenntnis bringen und Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die Partei dadurch in die Lage versetzt wird, ihre Rechte geltend zu machen (VwGH 18.01.2001, 2000/07/0090), wobei eine Einvernahme weder das Gesetz noch die einschlägige Judikatur des VwGH vorschreibt (vgl. VwGH 18.01.2001, 2000/07/0099; 05.09.1995, 95/08/0002; 24.02.1988, 87/18/0126; 18.10.1990, 89/09/0145; 17.09.2002, 2002/18/0170). Diesem Gebot wurde im gegenständlichen Fall entsprochen.

Genaue (weitere) Ermittlungen im Hinblick auf das Recht auf Privat- und Familienleben des BF waren entbehrlich, zumal der BF in seiner Stellungnahme unmissverständlich dargetan hat, über keine Familienangehörigen, jedoch einen kleinen Freundeskreis im Bundesgebiet zu verfügen.

Es ist zwar richtig, dass die belangte Behörde – entgegen den Tatsachen – davon ausging, dass der BF bis dato keiner Beschäftigung nachging. Dieser Umstand vernichtet den Bescheid jedoch nicht in seinem Bestand. Dahingehend ist hervorzuheben, dass nicht jeder Begründungsmangel die Rechtswidrigkeit des Bescheides bewirkt, sondern nur ein wesentlicher Mangel (siehe VwGH vom 05.10.2017, Geschäftszahl Ro 2017/21/0007). Davon abgesehen hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 23.04.2021, Zahl Ra 2020/12/0014 unter anderem erwogen, dass dann, wenn die Beweiswürdigung des VwG nicht auf einer geradezu unvertretbaren Auslegung des Inhaltes und Umfanges der Begründungspflicht beruht. eine grundlegende Verkennung tragender Verfahrensgrundsätze nicht vorliege (vgl. VwGH Ra 2015/12/0032 und 0033 = VwSlg 19382 A/2016).

Zutreffend ist jedoch, dass der BF aktuell keiner Beschäftigung nachgeht. Im Übrigen ist die im Rechtsmittel angesprochene, in der Haft ausgeübte Beschäftigung, nicht mit einer solchen in Freiheit vergleichbar. In Haft besteht gemäß § 44 Abs. 1 StVG eine Arbeitspflicht für arbeitsfähige Insaßen, in Freiheit steht es jedem Menschen frei, ob er einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder nicht.

Die weiteren in der Beschwerde ins Treffen geführten Argumente treten der Beweiswürdigung des bekämpften Bescheides nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides.:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jeder der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 8 leg cit. als EWR-Bürger, ein Fremder der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF ist auf Grund seiner deutschen Staatsbürgerschaft EWR-Bürger gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.1.2. Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen, dies aus folgenden Gründen:

Der BF hielt sich zuletzt seit 12.08.2020 im Bundesgebiet auf, wobei er sich seit XXXX.2021 in Haft befindet. Auch zuvor war er immer nur für mehrere Monate im Inland gemeldet und aufhältig. Von einem 5jährigen, durchgehenden Aufenthalt kann insgesamt nicht gesprochen werden.

Da der BF, der aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzungen eines durchgehenden und rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet weder seit fünf noch seit zehn Jahren erfüllt, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß §§ 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet ist. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

In diesem Zusammenhang weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

3.1.3. Der BF wurde zuletzt unbestritten vom LG XXXX wegen Suchtmittelhandels zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 12 Monaten verurteilt, wovon 8 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Monaten ausgesprochen wurden. Diese Haft verbüßt er derzeit in der Justizanstalt XXXX.

Insbesondere im Falle von Suchtmitteldelikten (vgl. VwGH 12.09.2012, 2011/23/0311; 18.10.2012, 2011/23/0318) hat der VwGH wiederholt festgehalten, dass im Grunde eine dahingehende – maßgebliche – Gefährdung (auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben vgl. VwGH 25.04.2012, 2013/18/0053) angenommen werden könne. Ferner hat er auf eine Suchtmittelkriminalität immanente Rückfallgefährlichkeit (vgl. VwGH 10.12.2008, 2008/22/0876) hingewiesen und dabei, bei der Beurteilung der Rückfallgefährlichkeit an sich, nicht dabei unterschieden, ob die Straftaten zur Finanzierung einer eigenen Suchtmittelgewöhnung oder einzig aus reiner Bereicherungslust heraus begangen wurden (vgl. VwGH 20.12.2012, 2011/23/0554).

Die Rückfallgefährlichkeit des BF hat sich im gegenständlichen Fall sogar insofern bewahrheitet, als der BF trotz teils einschlägiger Vorverurteilungen erneut im Bereich der Suchtmitteldelikte straffällig wurde.

Das, durch eine Vielzahl an teils wiederholten, teils einschlägigen Verstößen gegen gültige Rechtsnormen geprägte Verhalten des BF lässt erkennen, dass es diesem an einer Verbundenheit zu rechtsstaatlichen Normen mangelt. Der seit der letzten Verurteilung des BF verstrichene straffreie Zeitraum erweist sich insbesondere vor dem Hintergrund der 7 Vorverurteilungen und des zeitweiligen Zubringens desselben in Strafhaft, als zu kurz, um allein daraus auf ein Wohlverhalten in Zukunft schließen zu können (vgl. VwGH 21.02.2013, 2011/23/0192; 22.11.2012, 2011/23/0332: wonach es für die Beurteilung einer zukünftigen Rechtsreue, eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens in Freiheit bedarf).

Insgesamt kann man von einer – bereits im Jahr 2009 begonnen – bis in die Gegenwart hineinreichenden „Verurteilungskette“ sprechen. Innerhalb dieser Zeitspanne hat der BF aus seinem Verhalten augenscheinlich nichts gelernt, wurde er doch immer wieder straffällig.

Der belangten Behörde ist sohin nicht entgegenzutreten, wenn diese im konkreten Verhalten des BF eine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erkennt. Angesichts der vom BF gezeigten wiederkehrenden Missachtung gültiger Bestimmungen und einer erkennbaren Neigung zu Delikten, die sich gegen verschiedene Rechtsgüter richten, liegt es nahe bzw. kann es nicht ausgeschlossen werden, dass der BF weiterhin Rechtsverstöße begehen wird, sodass von auch von einer gegenwärtigen Gefahr seitens des BF auszugehen ist.

Das Verhalten des BF stellt angesichts seiner Aktualtität nicht nur eine gegenwärtige, sondern - wegen der massiven Vorstrafen – auch eine erhebliche und tatsächliche Gefahr dar.

Die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbots nicht rechtfertigen.

So spricht der BF zwar von einem „kleinen Freundeskreis“ in XXXX und XXXX. Diese Beziehungen haben jedoch angesichts der (auch zusammengerechnet) kurzen Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet und des strafbaren Verhaltens eine starke Relativierung zu erfahren.

Angesichts des besagten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens ist davon auszugehen, dass das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den BF) geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.

Es ist davon auszugehen, dass der BF seine in Österreich gelegenen Kontakte auch nach seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet weiterhin durch die Nutzung moderner Kommunikationsmittel aufrechterhalten kann.

Daher ist die belangte Behörde somit zu Recht von der Rechtsmäßigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ausgegangen, erweist sich dieses nämlich vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten in Bezug auf den BF als erforderlich, um der von diesem ausgehenden Gefährlichkeit zu begegnen.

3.1.4. Auch erweist sich die vom BFA gewählte, die mit 4 Jahren höchstzulässige Dauer von 10 Jahren nicht ausschöpfende Befristung des Aufenthaltsverbotes als angemessen.

Eine sich am Verhalten des BF unter Einbeziehung seiner Rechtsverstöße, deren Anzahl, deren Unrechtsgehalt, deren Wiederholung und der gerichtlichen Vorverurteilungen sowie Rückfallgefährlichkeit des BF orientierende Gefährlichkeitsprognose lässt eine Reduktion der Befristungsdauer nicht zu. Er reiste ferner – zweier Aufenthaltsverbote zuwider – mehrere Male nach Österreich und hielt sich nicht an die dahingehenden Bescheide.

Sohin war die Beschwerde in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit „Ausreisepflicht und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet wie folgt:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2.       die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

3.2.2. Vor dem Hintergrund der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit, insbesondere dessen negativen Zukunftsprognose, welche einen Rückfall des BF befürchten lässt, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn diese die sofortige Ausreise des BF als im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für gelegen erachtet. Der BF hat unter Beweis gestellt, zu strafbaren Verhaltensweisen, insbesondere zu Diebstahlsdelikten zu neigen, woraus sich wiederum auf eine Rückfallneigung schließen lässt. Insofern erweist sich eine unverzügliche Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet zum Schutze öffentlicher Interessen als unabdinglich.

Demzufolge ist die Beschwerde auch in diesem Umfang abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

3.3.1. Der mit „Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde“ betitelte § 18 BFA-VG lautet:

„§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1.       der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2.       schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3.       der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4.       der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5.       das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6.       gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7.       der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1.       die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2.       der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3.       Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

3.3.2. Wie bereits oben zur Gefährlichkeit des BF und dessen negativen Zukunftsprognose ausgeführt wurde, kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn diese die Effektuierung des ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für erforderlich erachtet. Vor dem Hintergrund des vom BF wiederholt gezeigten rechtsverletzenden Verhaltens kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser abermals in die gezeigten Verhaltensmuster zurückfällt, sodass sich eine Effektuierung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Anhaltspunkte, welche eine Beeinträchtigung der dem BF gemäß Art 2 oder 3 EMKR zugesicherten Rechte nahelegen ließen, konnten weder von Amts wegen festgestellt werden, noch wurde dies vom BF konkret behauptet. Eine Verletzung von Art 8 EMRK ist zudem schon aufgrund der gänzlichen Abweisung der Beschwerde nicht erkennbar.

Sohin lässt sich verfahrensgegenständlich ein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht feststellen und ist im Ergebnis die Beschwerde auch in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zu Spruchteil A II.

Was die Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung betrifft, so kommt dem BF auf dem Boden der Rechtsprechung des VwGH gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG - insbesondere jedoch auch vor dem Hintergrund dessen Wortlautes "von Amts wegen" (vgl. 2285/A XXV. GP) - kein Antragsrecht zu, sondern hätte das Verwaltungsgericht vielmehr - amtswegig - das Wiederzuerkennen einer allfällig aberkannten aufschiebenden Wirkung zu prüfen (vgl VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0284, mwH auf VwGH 13.9.2016, Fr 2016/01/0014 ua).

Im Ergebnis war der in der Beschwerde gestellte, besagte Antrag sohin als unzulässig zurückzuweisen.

3.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot EU-Bürger individuelle Verhältnisse Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2244755.1.00

Im RIS seit

09.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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