TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/23 W200 2131824-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2021
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Entscheidungsdatum

23.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1 Abs1
VOG §2
VOG §3
VOG §4
VOG §6a

Spruch


W200 2131824-1/49E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch den Richter Dr. KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 17.06.2016, Zl. 314-614778-006, mit dem der Antrag auf Gewährung von Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz in Form

1.       des Ersatzes von Verdienstentgang

2.       der Selbstbehalte im Rahmen der Heilfürsorge

3.       Zahnersatz und eine Brille im Wege der orthopädischen Versorgung

abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.09.2021 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 30.04.2014 einen Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges. Am 15.10.2014 beantragte er Selbstbehalte im Rahmen der Heilfürsorge sowie Zahnersatz und eine Brille im Wege der orthopädischen Versorgung nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Für die Gleitsichtbrille hätte er kein Geld, das Zahnimplantat benötige er wegen der Misshandlungen.

Der Beschwerdeführer (BF) gab an von 1979-1983 im Heim Schloss Leonstein untergebracht gewesen und u.a. dort Opfer von psychischer, physischer und sexueller Gewalt geworden zu sein. Aufgrund des Heimaufenthaltes leide er an psychischen Problemen und habe Probleme mit den Augen und mit der Nasenscheidewand. Er befinde sich in psychotherapeutischer Behandlung, er habe in der Gastronomie und als Kraftfahrer gearbeitet. Derzeit lebe er von einer I-Pension.

Folgende Unterlagen sind dem Akt zu entnehmen:

1.       Klinisch- psychologischer Kurzbericht vom 1.9.2012 (AS 32, 33):

Der BF gibt an, dass es in der Sakristei der Pfarrkirche XXXX vom damaligen Pfarrer (an dessen Namen er sich aufgrund der dramatischen Ereignisse von damals nicht mehr erinnern kann) von 1978 bis 06. Februar 1979 (Tode der Großmutter am 06.02.1979) zu regelmäßigen mehrmaligen sexuellen Übergriffen gekommen sei, immer dann wenn er zum Ministrieren eingeteilt war. Der Pfarrer habe den Burschen im Genitalbereich berührt, befriedigte sich selbst und habe sich vom Burschen sexuell befriedigen lassen. Er selbst sei bis dato in keiner Weise mit sexuellen Aktivitäten vertraut gewesen. Der Pfarrer habe ihn bedroht und am ganzen Körper geschlagen, besonders ins Gesicht. Weiters habe ihn der Priester immer wieder mit verbalen Beleidigungen gedemütigt. Der BF sei damals zwischen 10 und 11 Jahre alt gewesen. Den Priester hat der BF als großen, kräftigen Mann in Erinnerung. Laut BF drohte er dem Burschen, ihn vom Ministrantenstab zu entfernen, wenn er ihm nicht zu Diensten sei. Der BF habe sich damals massiv unter Druck gesetzt gefühlt und habe aufgrund dessen eine massive Enuresis entwickelt und unter Angstzuständen gelitten. Erschwerend sei hinzugekommen, dass er mit niemandem über die sexuellen Übergriffe habe reden können.

Laut Erinnerung des BF waren damals in der Pfarre zwei Priester und ein weiterer kirchlicher Würdenträger tätig, die sich um die Pfarre und den kirchlichen Messbetrieb gekümmert hatten, und auch die Messe lasen.

Pater XXXX sei damals als Religionslehrer und Stadtpfarrer tätig gewesen und habe mit den sexuellen Übergriffen gegenüber dem BF nichts zu tun.

Ein Priester habe den Täter mit dem Opfer erwischt, während der Priester den BF sexuell missbrauchte. Er habe den BF vor Ort verteidigt und den Täter verbal und körperlich gemaßregelt. Es sei zu einer Schlägerei zwischen den Geistlichen gekommen. Danach sei der BF nicht mehr von dem Geistlichen missbraucht worden.

Laut Erinnerung des BF und seiner Mutter habe sich der Pfarrer, der den Missbrauch gesehen hatte und dafür sorgte, dass er beendet wurde, kurze Zeit später das Leben genommen.

Der BF habe dem damaligen Hauptschuldirektor von den sexuellen Übergriffen in der Sakristei erzählt. Der Direktor habe dem Burschen nicht geglaubt, habe ihn geschlagen und ihm einen öffentlichen Schulverweis erteilt, woraufhin der Bursche in eine sozialpädagogische Wohngruppe in Oberösterreich eingeliefert worden sei. Dies sei für den BF fatal gewesen, da es dort erneut über Jahre zu sexuellen Übergriffen und zu massiver psychischer und physischer Gewalt gegenüber dem damals Jugendlichen gekommen sei.

Der BF ist geschieden, lebt zurückgezogen in einer Garconniere und befindet sich in Frühpension aufgrund einer kombinierten Persönlichkeitsstörung.

Ursprünglich habe der BF Theologie studieren und Priester werden wollen.

2.       Vorbringen beim Antrag auf Verfahrenshilfe gegen das Land OÖ (AS 294-302):

Der BF wurde im Juli 1979 über Antrag seiner alleinerziehenden Mutter im Kinderheim Schloss Leonstein untergebracht. Als Grund für die Unterbringung seien schulische Schwierigkeiten des Klägers angegeben worden. Dem Kläger sei, als damals minderjährigem Jungen, vom ersten Moment an, eine sehr negative Stimmung entgegengebracht worden. Der Kläger beschreibt den Zustand als systematisches Mobbing kombiniert mit sehr starkem Sadismus einiger Erzieherinnen. Der Kläger sei als Kind Bettnässer gewesen und habe seine Mutter daher der Heimleitung angeboten, seine Wäsche privat zu waschen. Der Kläger sei aus diesem Grund im Heim so eingestuft worden, als ob er sich als etwas „Besseres" fühlen würde und das habe sich wiederum nachteilig auf ihn ausgewirkt. Der Kläger habe im ersten Jahr die Hauptschule in XXXX besucht und die darauffolgenden drei Jahre die Hauptschule in XXXX . Außer dem Besuch der Hauptschule, wo er auch mit anderen Kindern, die nicht im Heim lebten, in Kontakt gewesen sei, hätte der BF überhaupt keine sozialen Kontakte außerhalb des Heimes gehabt. Der Kläger sei als Kind Bettnässer gewesen und sei hierfür regelmäßig bestraft worden. Der Tagesablauf habe sich so gestaltete, dass die Kinder um 6:00 Uhr aufstehen mussten, um 6:30 Uhr habe es Frühstück bis 6:45 Uhr gegeben. Danach hätten sie sich anziehen und für die Schule fertigmachen müssen. Weil der Kläger Bettnässer war, sei er von den Erzieherinnen regelrecht vorgeführt worden und habe sich in seinem durchnässten Pyjama im Wohnraum des Heimes vor den anderen Kindern zur Schau stellen müssen. Das sei sehr häufig passiert. Weil der Kläger seinen Pyjama verschmutzt habe, habe er oft kein Frühstück bekommen und habe als Allerletzter duschen müssen. Der Kläger sei Jahre hindurch unterernährt und untergewichtig gewesen, wog lediglich 40 kg. Während des Heimaufenthaltes des Klägers wurde er Wohngruppe 4 zugeteilt. Für diese Gruppe waren die zuständigen Erzieherinnen Frau Z., Frau R. und Frau W. Die Heimleitung oblag Herrn XXXX .

Nachstehend werden exemplarisch einige Situationen aus dem Heimalltag des Klägers geschildert, welche das unbeschreibliche ihm zugefügte Leid veranschaulichen sollen:

Eines Morgens habe der Heimleiter den Kläger um 06:00 Uhr früh aus seinem Bett geholt und ihn in sein Büro gebracht. Alle Kinder hätten sich vor dem Heimleiter sehr gefürchtet. Kaum sei der Kläger im Büro des Heimleiters angekommen, habe ihn dieser so schwer verprügelt, dass das Blut gespritzt sei und der Kläger hiervon so schwere Verletzungen davongetragen habe, dass er bis zum heutigen Tag eine etwa 2 x 2 cm große Narbe am Hinterkopf habe. Der Heimleiter habe einen Siegelring gehabt, mit welchem er sowie mit einem Gurt auf den Kläger mehrfach eingeschlagen habe. Er sei in die heiminterne Krankenstation gebracht und der Vorfall vertuscht worden. Während seines Heimaufenthaltes sei der Kläger häufig weggesperrt worden, mehrmals sogar über ein ganzes Wochenende. Einmal habe Frau Z. den Kläger in einen Einbauschrank gesperrt und zwar über das ganze Wochenende. Er sei nur zum Toilettengang sowie zum Essen rausgelassen worden. Oft habe der Kläger aber überhaupt nichts zu essen bekommen. Nach dem Ausscheiden vom Heimleiter übernahm Frau R. die Heimleitung. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten sei es in den Jahren 1982 und 1983 immer wieder zum sexuellen Missbrauch durch Frau R. gekommen. Der BF habe zum damaligen Zeitpunkt noch keinerlei sexuelle Erfahrungen gemacht und sei sich über die Tragweite der Geschehnisse zum damaligen Zeitpunkt in keinster Weise bewusst gewesen. Frau R. habe dem BF mitgeteilt, dass sein feuchtes Bettzeug trocknen müsse und habe den BF eingeladen, in ihrem Dienstzimmer zu schlafen. Dort habe sie ihn dann mehrmals befriedigt und zum Samenerguss gebracht, anschließend habe sich Frau R. selbstbefriedigt und habe den BF gezwungen ihr hierbei zuzusehen. Es kam des Öfteren zu solchen Übergriffen. Bei einem Vorfall sei auch Frau Z. anwesend gewesen. Auch sie habe dem BF befohlen sich selbst bis zum Samenerguss zu befriedigen. Durch Frau Z. sei es etwa zwei- bis dreimal zu sexuellen Übergriffen gekommen. Frau R. habe den BF über mehrere Monate hindurch regelmäßig missbraucht. Wenn der BF sich geweigert habe die geforderten Handlungen vorzunehmen, sei ihm mit einer Überstellung in die sogenannten Korrektions-Baracken von XXXX oder Klink XXXX gedroht worden.

Bei Erkrankungen sei ihm nie geglaubt worden.

3.       Angaben bei Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ (AS 61-63):

Er habe im Heim Psychoterror, Mobbing, schwere körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe erlebt.

Er sei Bettnässer gewesen; vor dem Heim sporadisch, im Heim dann chronisch und nach der Entlassung aus dem Heim habe es dann "auf den Tag" aufgehört. Er sei deswegen von manchen Erzieherinnen im Nachtdienst schikaniert, beschimpft und "an den Pranger gestellt" worden. Er habe im nassen Pyjama stundenlang auf dem kalten gefliesten Flur stehen müssen. Meist habe er auch das Bett alleine neu beziehen müssen. Einige Erzieher hätten ihn auch mit einer Watsche aufgeweckt, wenn sie bei der Kontrolle festgestellt hätten, dass das Bett nass war. Oft habe er dann in der Früh auch nicht mit den anderen duschen dürfen, man habe zu ihm gesagt, er sei "ein Schwein", weil er immer ins Bett mache; er habe deshalb die Dusche nicht mit den anderen gemeinsam, sondern erst später benutzen dürfen, sodass er mit der Morgenroutine nicht zurechtgekommen sei und kein Frühstück mehr bekommen habe. Der BF berichtet, dass er auch oft ohne Abendessen hungrig ins Bett geschickt worden sei, oft schon um 4 Uhr am Nachmittag.

Als besonders belastend und folgenschwer beschreibt er auch, dass er von den Erzieherinnen häufig in eine Truhe oder einen Stehschrank "weggesperrt" worden sei. Er habe sich entsetzlich gefürchtet und seither eine extreme Klaustrophobie. Er wisse eigentlich nicht, wofür er da eingesperrt worden sei; er glaube, dass die Erzieherinnen (v.a. Frau R.) damit ihre Macht demonstrieren wollten.

Es habe einen sehr strengen Drill gegeben; die Erzieherinnen hätten mit den Kindern geschrien. Der Heimleiter sei ihm als extrem furchteinflößend in Erinnerung; er habe Pfeife geraucht und daher habe man es immer schon gerochen, wenn er den Gang entlang-gekommen sei. Teilweise habe man auch gut mit ihm reden können, er habe aber auch ordentlich zuschlagen können. Er sei mehrmals "zum Rapport" in das Büro des Heimleiters gerufen worden, und habe dort von ihm Schläge bekommen, "dass das Blut gespritzt" sei. Einmal habe er ihn mit dem Kopf auf den Katheder geschlagen, BF glaubt, dass er damals eine Gehirnerschütterung gehabt habe.

Von den Erzieherinnen nennt er Frau R. und Frau Z.. Vor allem Frau R. habe "viel Macht ausgeübt", sie sei "unfair streng" gewesen und habe ihn häufig geschlagen, hungern lassen (er hätte seither immer viel zu viele Lebensmittel zuhause), sie habe auch die Nachtdiensterzieherinnen angeleitet, streng zu ihm zu sein.

Er sei durch die Schläge manchmal sichtbar verletzt gewesen. Er sei oft ins Gesicht geschlagen worden, auch mit dem Handrücken. Auch in der Schule sei er vom Direktor geschlagen worden, einmal so heftig, dass er starkes Nasenbluten bekommen habe. Als es nicht aufgehört habe, habe die Lehrerin die Panik bekommen und die Rettung gerufen. Er sei dann nach XXXX ins Krankenhaus gebracht worden. Allerdings sei dann alles so hingestellt worden, dass er mit einem Klassenkollegen gerauft und sich dabei verletzt hätte.

Es habe auch gute Erzieherinnen gegeben; das seien vor allem die jungen gewesen, die hätten sich individuell um die Kinder gekümmert. Es habe aber einen Herrn S. (auch seine Frau war im Heim beschäftigt) gegeben, der extrem streng bei den Lernstunden gewesen sei. Der BF meint, er sei ja im Heim dann eigentlich gut in der Schule gewesen, habe auch einen Vorzug erreicht, aber Herr S. habe immer irgendeine Kleinigkeit gesucht und ihn deswegen dann geschlagen. Als Folge davon habe er sich nicht mehr konzentrieren können und habe erst recht Fehler gemacht. Zu den sexuellen Übergriffen: Der BF bezeichnet die Vorfälle als "sexuelle Nötigung" Frau R. habe ihm befohlen, sich selbst zu befriedigen bzw. seinen Penis zu stimulieren und habe dabei zugesehen. Er sei damals noch recht kindlich und naiv gewesen, und habe gar nicht richtig verstanden, worum es da gehen würde. Er habe geglaubt, das sei irgendein medizinischer Test, weil er so oft krank gewesen sei (hatte z.B. chronische Stirnhöhleneiterung, wurde ohne Narkose punktiert). Er sei anfangs überrascht gewesen, als er dann einen Samenerguss bekommen habe, weil er noch gar nicht gewusst habe, was das zu bedeuten habe. Die Erzieherin (auch Frau Z. habe es gewusst, bzw. zugesehen) habe sich dann über ihn lustig gemacht. Das sei mehrere Male passiert, über einen Zeitraum von einigen Monaten.

Er habe sich immer unwohler gefühlt dabei, und habe sich schließlich geweigert. Dann habe er wieder Schläge bekommen.

4.       Inhalt Pflegschaftsakt (AS 212-276):

Überprüfungsvermerke 23.6.1977: 3. Kasse VS, kommt ganz gut mit.

Überprüfungsvermerke 2.2.1978: 4. Klasse VS, lernt ganz gut. Keine Klagen über den MJ.

Aus dem Jugendamtsakt geht hervor, dass der BF bis zum Eintritt in die Hauptschule im Unterricht gut mitkam und es keine Klagen gab. Erstmals scheinen in einer Niederschrift vom 1.8.1979 Beschwerden über den damals Minderjährigen auf.

Niederschrift vom 1.8.1979: Mutter wird mit der Erziehung des Mj. nicht mehr fertig. Er hat heuer in der Schule total versagt.

AV. 25.10.1979: XXXX war wahrscheinlich der Rädelsführer in der Angelegenheit Sparbuch. Es wurde ein Sparbuch gefunden, von diesem wurde Geld (500 Schillinge) abgehoben.

BH Gmunden 13.8.1979: Sehr schlecht, muss die 1. Klasse HS wiederholen. Bisher A-Zug, soll jedoch in B-Zug kommen.

Bericht 4.9.1979: in 1. Klasse HS einen ungenügenden Lernerfolg (Deutsch, Englisch und Mathematik 5). XXXX hatte auch in der 4. Klasse VS in den Hauptgegenständen nur die Note Befriedigend.

Überprüfungsvermerke 21.8.1979: 1. Klasse HS, Mj. hat heuer in der Schule vollkommen versagt. Auch zuhause schwierig.

Heimbericht 16.5.1980: Seit Heimeintritt besucht der BF die 1. Klasse HS 2. Klassenzug. Mit Ausnahme von Deutsch (Genügend), überdurchschnittlicher Lernerfolg.

AV 24.6.1980: sehr garstig zu den Kleinen. Großer Angeber

11.9.1980: Blinddarm-OP

AV 23.9.1980: Hat einen Buben mit Schlapfen abgeschossen.

Bericht 10.10.1980: Wegen Nebenhöhlenkatarrh punktiert. Lernmäßig gut, das Betragen gibt viel Anlass zu klagen.

Heimbericht 19.1.1981: Ließ sein Mitteilungsheft verschwinden, riss Eintragungen raus, Klassenvorstand gegenüber außergewöhnlich frech und provozierend. Im Dezember vergangen Jahres aus Geschäft Uhr entwendet.

5.6.1981: Mittäterschaft an Rauferei mit Ortsbuben

AV 10.12.1981: Gegen XXXX (Mitzögling) oft recht garstig. Tintenpatrone ins Gesicht.

Jänner 1982: XXXX verbrachte die Weihnachtsferien bei seiner Mutter. Diese rief an und gab bekannt, dass sie den Mj. nicht mehr nehmen will, da er so undankbar und auflehnend gegen sie sei.

Unfallmeldung 2.2.1982: in der Turnstunde das linke Handgelenk verletzt.

Mai 1982: XXXX stänkerte während der Pause einen Zögling an, welcher ihm einen Schlag ins Gesicht verpasste. XXXX wurde dabei leicht verletzt.

29.6.1982: verspottet die Buben, die zuhause in ärmlichen Verhältnissen leben.

21.9.1982: Mutter rief an, dass XXXX täglich eingenässt hat, obwohl ihm dies im Heim lediglich 2-3 Mal passierte.

Bericht 9.11.1982: Sprang aus dem Bett und fiel auf die Hand.

AV 22.11.1982: falsch, versucht die Kleineren zu unterdrücken. Er wird von der Mutter verwöhnt.

Bericht 1.2.1983: Besucht derzeit 4 HS Klasse im 2.Klassenzug mit gut- durchschnittlichem Erfolg. Er möchte Bäcker und Konditor werden.

AV 1.3.1983: XXXX sperrte sich ins Mädchen WC ein, wollte Mädchen bespitzeln.

Heimbericht 26.4.1983: XXXX hat sich nach einer Rauferei in der HS vom 17. bis 19.5.1982 wegen Verdachtes einer Gehirnerschütterung in stationärer Behandlung des Krankenhauses XXXX befunden. 4. Klasse, 2. Klassenzug, überdurchschnittliche Leistungen (Außer Deutsch (Genügend)). Klagen über Benehmen mehren sich.

AV 11.4.1983: stachelt die ganze Klasse zu passiver Resistenz auf. Es ist alles „wurscht". Auch leistungsmäßig großer Abfall, lernt nicht mit, arbeitet nicht mit.

AV 15.4.1983: XXXX ist seit 14 Tagen im Krankenhaus wegen Einnässen. Arbeitet in der Schule wenig mit, schlechte Noten. In der Gruppe nicht erträglich. Kameraden beschweren sich oft über ihn, dass er ausfällig, frech und gemein wird. Es hilft weder schimpfen noch ein ordentliches Gespräch unter 4 Augen. Seine Dienste macht er unordentlich und erst nach oftmaligen Ermahnen.

AV 12.6.1983: lässt sein Mitteilungsheft verschwinden, führt sich sehr präpotent auf, auf Ermahnungen reagiert er nur frech oder überhaupt nicht. Schreibt im Unterricht nicht mehr mit, macht auch keine Aufgaben mehr, stört. Fühlt sich über alle Heimordnung erhaben, kritisiert alle Erzieher.

5.       Medizinische Unterlagen:

a)       Ärztliches Gutachten, Facharzt für Psychiatrie vom 27.6.2011 (AS 41 -45):

PW sagt, dass er ja nun schon seit 11 Jahren (seit 2001) nicht mehr arbeitsfähig sei u. krankheitshalber befr. Pension erhalte. Er leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, habe massive klaustrophobische Ängste bedingt durch seine Kindheitserlebnisse. Dass er ein Opfer von Gewalt als Heimkind wurde, sei nun offiziell vom Land OÖ anerkannt, deswegen hat er auch eine Kopie des Schreibens des Landeshauptmanns mitgebracht, damit dieses dem Akt beigelegt werden kann. Auch wird er nun eine ambulante Psychotherapie vom Land OÖ zur Verfügung gestellt bekommen. Auf diese Therapie freue er sich, er hoffe, sich alles von der Seele reden zu können. Er sei ja viele Jahre als Lügner dagestanden, nun sei er endlich sozusagen rehabilitiert. Seine Therapieziele kann er nicht nennen, er möchte sie aber dennoch in Anspruch nehmen. Seine Stimmung unterliege sehr großen Schwankungen, er habe schon Phasen, wo es ihm gut gehe, dann sei er ein sehr "sozialer" Mensch, habe immer gearbeitet, faul sei er nie gewesen, dann jedoch würde seine Stimmung plötzlich in den Keller stürzen, er ziehe sich zurück. Es würden ihn dann nur mehr die Natur, sein Hund u. die Musik Freude machen. Stark sei er deswegen, da er keinerlei Drogen nehme, auch nicht rauche u. keinen Alkohol konsumiere. Auch sei er sehr gesundheitsbewusst. Stress halte er nicht aus, wenn er unter Druck gerate, würden seine Augen zuschwellen, tränenentzündet sein, er könne dann gar nichts mehr sehen, habe auch starke Schmerzen im Bereich der Augenlider. Dies sei auch der Grund gewesen, warum er beim letzten Termin nicht habe hierher zur Untersuchung kommen können. Seine Konzentrationsfähigkeit sei schwankend, Probleme habe er mit seinem Kurzzeitgedächtnis, besonders bei Druck od. Aufregung. Haushaltsführung erfolgt selbstständig, auch Kochen könne er gut. Regelm. u. auch gutes Essen sei ihm wichtig, da er als Kind habe hungern müssen. Er habe immer wieder massive Existenzängste, da die Pension immer nur befristet bewilligt wird, deswegen hat er nun um eine unbefr. Pension angesucht. Er meint, dies würde ihm schon zustehen, da er von einer oö Landeseinrichtung kaputt gemacht worden sei. Zu Beginn seiner Erkrankung habe er ja einen guten Therapeuten, Hr. Dr. XXXX , gehabt, den habe er sich aber nicht mehr leisten können. In den vergangenen Jahren keine adäquate Therapie. PW ist es ein großes Anliegen, dass er aufgrund seiner zahlreichen Misshandlungen psychisch erkrankt sei, dass er eben nicht nur unter kombinierter Persönlichkeitsstörung, sondern auch Zyklothymie leide u. dass er eben ein Opfer sei, man möge sich den Aussagen der Opferschutzkommission anschließen.

Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit: ICD-10: F60.9, ICD-10: F43.2

kombinierte Persönlichkeitsstörung auf überwiegend neurotischem Niveau mit narzisstischen, paranoiden u. dissozialen Anteilen, Anpassungsstörung, rezidivierende depressive Episoden, derzeit Remission. Weitere Leiden werden nicht angegeben.

Ärztliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit:

Klinisch/neurologisch ist der Status altersentsprechend ohne Befund.

Klinisch/psychiatrischerseits ist bei PW eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit deutlichen narzisstischen, paranoiden u. dissozialen Anteilen bekannt. Des Weiteren besteht eindeutig eine Anpassungsstörung, zahlreichen Traumaerfahrungen in Kindheit u. Jugend sowie auch rezidivierende depressive Episoden, derzeit jedoch keine Depression vorliegend. Da PW keinerlei psychotherapeutische Behandlung seit der Letztbegutachtung in Anspruch genommen hat, weder ambulant noch stationär, ist auch keine Besserung der Symptomatik festzustellen. Allerdings wurde ihm nun durch die Opferschutzkommission eine ambulante Psychotraumatherapie zugesprochen, welche vom Land Oö finanziert wird, PW hat mit dieser Therapie jedoch noch nicht begonnen, kann auch noch nicht den Termin des Erstgespräches nennen. Er ist jedoch der Überzeugung, dass "seine Beschwerden nicht heilbar" sind. Weswegen er dennoch die Therapie in Anspruch nehmen möchte, kann er eigentlich nicht sagen. Aufgrund der äußerst eingeschränkten sozialen Kompetenzen, ist die psychische Belastbarkeit drastisch reduziert u. kann nur mit gering eingestuft werden. Übliche Arbeitspausen wären dem PW bei durchschnittlichem Zeitdruck zwar zumutbar, das geistige Leistungsvermögen ist mit mäßig schwierig bis schwierig einstufbar, die Arbeitsunfähigkeit ergibt sich jedoch aufgrund der mangelnden Einordenbarkeit in den Arbeitsprozess bei ausgeprägter dissozialer, paranoider u. narzisstischer Persönlichkeitsstörung.

b)       Ärztliches Gutachten, FA f. Psychiatrie und Neurologie, vom 8.1.2004 (AS 120-124):

Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit: ICD-10: F43.21, ICD-10: F60.0

Längerdauernde depressive Anpassungsstörung, Persönlichkeitsstörung,

Differentialdiagnose: wahnhafte Störung. Weitere Leiden werden keine angegeben. Psychiatrischerseits steht ein depressiv-dysphorisches Zustandsbild im Vordergrund mit zusätzlich Hinweisen auf paranoide Züge sowie angedeutet auch auf eine formale Denkstörung. Diagnostisch kommt neben einer längerdauernden depressiven Anpassungsreaktion durchaus eine paranoid/querulatorische Persönlichkeitsstörung in Betracht. Differentialdiagnostisch ist an eine wahnhafte Störung zu denken. Außenanamnestische Angaben, die für eine genauere Diagnosezuordnung hilfreich wären, standen nicht zur Verfügung.

Stellungnahme des chefärztlichen Bereiches vom 28.1.2004 (AS 126): Längerdauernde depressive Anpassungsstörung, Persönlichkeitsstörung, Differentialdiagnose: wahnhafte Störung (ICD-10: F 43.2 ICD-10: F 60.0).

c)       Ärztliches Gutachten, FA f. Psychiatrie und Neurologie, vom 27.4.2005 (AS 127 - 130):

Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit: ICD-10: paranoid/querulatorische

Persönlichkeitsstörung F 60.0 leichtgradige depressive Episode F 32.0.

Stellungnahme des chefärztlichen Bereiches vom 9.5.2005 (AS 131): ICD-10: F 32.0, ICD-10: F 60.0, Leichtgradige depressive Episode, Paranoid - querulatorische Persönlichkeitsstörung. Stellungnahme des chefärztlichen Bereiches vom 6.2.2006 (AS132): ICD-10: F 32.0, ICD-10: F 60.0, Leichtgradige depressive Episode, Paranoid - querulatorische Persönlichkeitsstörung.

d)       Ärztliches Gutachten, FA f. Psychiatrie und Neurologie, vom 10.10.2006 (AS 133 - 136):

Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit: ICD-10: F 32.0 Verdacht auf Persönlichkeitsstörung anhaltende depressive Episode, leicht bis mittelschwer

Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes vom 19.10.2006 (AS 139): ICD-10: F 32.0, Anhaltende depressive Episode, leicht bis mittelschwer. Verdacht auf Persönlichkeitsstörung.

e)       Ärztliches Gutachten, FA f. Psychiatrie und Neurologie, vom 26.11.2015 (AS 152 - 157):

Diagnosen in deutscher Sprache: Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit: ICD-10: F 61, ICD-10: F 43.2, Verdacht auf Persönlichkeitsstörung, kombiniert Anpassungsstörung Rezidivierende depressive Episoden, aktuell leichtgradig - F 32.0

f)        Neuropsychologischer Befund vom 10.1.2008 (AS 160 - 162): 

Diagnose: Verdacht auf Persönlichkeitsstörung, kombiniert, Anpassungsstörung, rezidivierende depressive Episoden, aktuell leichtgradig. Im MWT-B (Mehrfach-Wortschatz-Intelligenztest zur Abschätzung des prämorbiden Intelligenzniveaus) ergibt sich ein durchschnittlicher IQ-Wert von 97 (FR = 43.5 %). Somit lässt sich das verbale Intelligenzniveau von Herrn XXXX als durchschnittlich beschreiben. ZVT: Der Patient erzielt ein Ergebnis, das mit einem IQ-Wert von 55 (PR = 0 %) vergleichbar ist. Dies ist ein Maß für eine unterdurchschnittliche basale kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit. Der d2 misst Tempo und Sorgfalt des Arbeitsverhaltens: Die Leistungsmenge liegt im unterdurchschnittlichen Bereich (PR = 0,5 %). Der Benton-Test ist ein Verfahren, das die visuelle Merkfähigkeit misst. Der PW kann 7 von 10 Vorgaben richtig wiedergeben. Dieses Ergebnis entspricht einem IQ-Wert von 80 bis 94. Somit ergibt sich keine signifikante Diskrepanz zur prämorbiden Leistung. Im Rorschachtest zeigt sich ein verhaltener Assoziationsbetrieb. Die Ich-Stärke ist stark beeinträchtigt, d. h. kaum Frustrationstoleranz und geringe innere Kompromissbereitschaft. Der Bereich der Affektivität ist impulsiv und überschwemmt in emotional intensiven Situationen den psychischen Apparat. Die Realitätswahrnehmung und die Beziehungsfähigkeit sind gut gegeben. Es zeigen sich narzisstische und antisoziale Tendenzen. Es ergeben sich Hinweise auf eine schwere Persönlichkeitsstörung. Der IPDE gibt einen Überblick über die Diagnosen des ICD-10- Systems. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kriterien für die Diagnose einer dissozialen PS (F60.2) und einer paranoiden PS (F60.0) erfüllt werden. Tendenziell zeigen sich auch Anteile einer schizoiden, impulsiven, emotional instabilen und anankastischen PS. Das BPI ist ein differentialdiagnostisches Instrument, das Borderline- Persönlichkeitsstrukturen von neurotischen und psychotischen Erkrankungen unterscheidet. Mit einem Wert von 5 (Cut-Off = 10) kann von keiner emotional instabilen Persönlichkeitsstörung auf Borderline-Niveau ausgegangen werden.

g)       Stellungnahmen des chefärztlichen Dienstes

vom 23.1.2008 (AS 164): ICD-10: F 61, ICD-10: F 43.2, kombinierte Persönlichkeitsstörung, depressive Anpassungsstörung.

vom 7.7.2011 (AS 196): kombinierte Persönlichkeitsstörung auf überwiegend neurotischem Niveau mit narzisstischen, paranoiden und dissozialen Anteilen, Anpassungsstörung, rezidivierende depressive Episoden, derzeit Remission, ICD-10: F60.9 ICD-10: F43.2

h)       Ärztliches Gutachten, FA f. Psychiatrie und Neurologie, vom 24.08.2009 (AS 170 - 174):

Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit: ICD-10: F60.9 kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und paranoiden Anteilen

Prognose: keine Besserung möglich

Stellungnahmen des chefärztlichen Dienstes vom 27.8.2009 (AS 177): ICD-10: F60.9

i)       Ärztliches Gutachten, FA f. Psychiatrie und Neurologie, vom 27.06.2011 (AS 187 - 194):

Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit: ICD-10: F60.9; ICD-10: F43.2

kombinierte Persönlichkeitsstörung auf überwiegend neurotischem Niveau mit narzisstischen, paranoiden und dissozialen Anteilen, Anpassungsstörung, rezidivierende depressive Episoden, derzeit Remission.

Prognose: Besserung möglich

Stellungnahmen des chefärztlichen Dienstes vom 07.07.2011 (AS 196): ICD-10: F60.9, ICD-10: F43.2

Bescheid PVA vom 2011 (AS 201): Die befristet zuerkannte I-Pension wird unbefristet weitergewährt.

j)       OÖGKK (Abi.113-115): 30.8.2001-30.9.2001 F 32.9 depressive Episode, nicht näher bezeichnet NÖGKK (Abl.117-118)

6.       Haftbestätigung 1.10.2009-1.3.2010 wg. § 146 StGB, § 147 Abs. 2 StGB, § 105 Abs. 1 StGB (AS 197)

7.       Das von der belangten Behörde eingeholte nervenfachärztliche Gutachten vom 24.2.2016 ergab als Diagnose eine „Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzissistischen, paranoiden und dissozialen Zügen“.

Das Gutachten gestaltete sich wie folgt:

„Wohnhaft: seit 2013 im Burgenland wohnhaft, aufgewachsen in XXXX ; er sei ins Burgenland gezogen „aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit sei er im Land Oberösterreich Mobbing" ausgesetzt gewesen!

Wohnsituation: Genossenschaftswohnung, die Kündigung würde drohen

Erlernter Beruf: Kein erlernter Beruf, zuletzt im Außendienst tätig,

Zurzeit tätig: seit 2001 in Pension, seit 2011 unbefristet;

Monatliches Einkommen wird mit € 897.- Euro angegeben, davon würden noch € 12.- abgezogen werden; Schulden werden mit €120.000.- angegeben;

Familienstand: Die Ehe wurde nach 7 Jahren Ehe 2004 geschieden, keine Kinder, gegenwärtig keine Partnerschaft;

Führerschein: alle Klassen;

Bundesheer: Abrüstung nach Grundausbildung aufgrund von Bettnässen;

Vorstrafen: mehrere Vorstrafen bekannt, 5 Monate Haft aufgrund schweren Betruges, Körperverletzung und im Rahmen Nachbarschaftsstreit, seit 2008 nicht mehr straffällig geworden;

Nervenfachärztliche Behandlung: Bei Herrn Dr. XXXX von 2001-2005, zurzeit kein Kontakt zu Nervenarzt;

Medikamentöse Therapie: Aspirin C regelmäßig;

Psychotherapie: bei Herrn Mag. Bamminger bis 2013 etwa 10x in Anspruch genommen;

Nikotin: verneint Alkohol: verneint; KG/KGW: 179 cm/87 KG

Hobbies: Beschäftigung mit Hunden sowie Musikmachen;

Auf die Frage „Was belastet sie am meisten?" wird sinngemäß angegeben: Existenzängste, Angst vor Obdachlosigkeit und die Bewältigung der Vergangenheit;

Auf die Frage „Was war die beste Zeit in Ihrem Leben?" wird sinngemäß angegeben: Die Kindererziehung mit der Exfrau (Stieftochter);

Gesamteindruck: Herr XXXX erscheint pünktlich, ordentlich, der Witterung entsprechend gekleidet frei gehend, ohne Zuhilfenahme von Stock oder Krücke zur Untersuchung; 49-jähriger Pat. in gutem AZ und leicht adipösem EZ, der Augenkontakt wird gehalten, die Auskunftsbereitschaft ist gegeben, ausgeprägte Aggravationstendenz, wiederholtes Verweisen auf die während der Heimzeit erlittenen Misshandlungen und sexuellen Nötigungen, dabei wiederholt die Fassung verlierend, während der Untersuchung wiederholt bittend, eine positive Beurteilung des Antrages abzugeben;

Psychiatrischer Status: Pat. wach, allseits orientiert, im Duktus nicht immer kohärent, weitschweifig, stets auf erlittenes Unrecht hinweisend, dann wieder zurückziehend, sich als einsichtig und angepasst zeigend, kein Hinweis auf formale, jedoch inhaltliche Denkstörung im Sinne einer paranoiden Erlebnisverarbeitung, die Stimmungslage neutral, der Affekt mitschwingend, die Affizierbarkeit vorwiegend im negativen Skalenbereich, die Psychomotorik angepasst, Merkfähigkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung erscheinen unbeeinträchtigt, keine produktive Symptomatik, kein Hinweis auf eine Störung des Biorhythmus, keine suizidale Einengung;

Diagnose: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzissistischen, paranoiden und dissozialen Zügen;

STELLUNGNAHME:

1.       Welche Gesundheitsschädigungen liegen bei dem AW vor?

Herr XXXX wurde am 5.2.2016 untersucht und dabei die Diagnose „kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, paranoiden und dissozialen Zügen" gestellt. Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (PS) ist gekennzeichnet durch eine Überidealisierung des Selbst, damit verbunden ausgeprägte Selbstbezogenheit, hohe Empfindlichkeit gegenüber Einschätzung durch andere und Mangel an Einfühlungsvermögen. Ein Verhalten mit übertriebener Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung, Nachtragen von Kränkungen, durch Misstrauen, sowie eine Neigung, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missgedeutet werden, schließlich streitsüchtiges und beharrliches Bestehen auf eigenen Rechten kennzeichnet eine paranoide PS, während wiederum Missachtung sozialer Verpflichtungen und Normen, niedrige Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten, eine Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das Verhalten anzubieten hinweisend auf eine dissoziale PS sind.

Die Diagnose steht im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Diagnosen der wiederholten Begutachtungen durch die PVA. Der fachärztlichen Stellungnahme Dr. XXXX vom 21.9.2006 ist in sich zwar widersprüchlich („...inhaltlich keine psychopathologischen Auffälligkeiten. 140 IQ - Kognitive Fähigkeiten IQ 140 (hochgradig intelligent)), kommt jedoch zu selben Diagnose (Kombinierte Persönlichkeitsstörung).

Dem Gutachten Mag. XXXX vom 10.1.2008 (Abl. 162) kann vollinhaltlich gefolgt werden. Besonders hervorzuheben ist das festgestellte Intelligenzniveau (IQ) von 97, was als durchschnittlich zu werten ist.

Dem klinisch-psychologischen Kurzbericht vom 1.9.2012 (Abl 32-34 und 36-37) kann aufgrund mangelnder Objektivität im Rahmen einer therapeutischen Beziehung nicht gefolgt werden.

2.       Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit
- kausal auf das Verbrechen zurückzuführen (Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges bedeutet nach der Judikatur, dass wesentlich mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht)? Begründung.
- akausal, somit nicht auf die oben angeführten Verbrechen zurückzuführen?

Begründung.

Ein Einfluss des Verbrechens auf die festgestellten Gesundheitsschädigungen ist möglich, nicht wahrscheinlich.

Herr XXXX wurde mit 12 Jahren in einem Heim aufgenommen, Grund für die Aufnahme waren bereits Verhaltensauffälligkeiten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die festgestellte Persönlichkeitsstörung sich in diesem Lebensalter bereits manifestiert hat.

(siehe unter anderem: „Der Kläger hatte auch während er mit der Mutter und deren Lebensgefährten im Familienverband lebte, teilweise schulische Probleme und ist auch richtig, dass er im Jahre 1975 wegen kleinerer Gelddiebstähle der Erziehungsberatung vorgestellt wurde.", Abl. 70, Anmerkung: 8 Jahre alt), „Die Mutter kam sohin mit dem Jugendamt überein, den Kläger in das Kinderheim Schloss Leonstein aufzunehmen, dies, nachdem der Kläger einen Schulverweis erhalten hatte.(Abl 71, Anmerkung: 12 Jahre alt), „Der Kläger war schlicht und ergreifend ein schwer erziehbares Kind und war die Mutter, die in einem sehr engen Verhältnis mit ihrer Mutter stand, mit der Erziehung von fünf kleinen Kindern überfordert." (ebendort) und „Ich werde mit der Erziehung des Mj nicht mehr fertig. Er hat heuer in der Schule total versagt." (Abl. 250), „Mj. hat heuer in der Schule vollkommen versagt. Da er auch zu Hause schwierig ist, hat die Mutter eine Heimunterbringung beantragt." (Abl. 256), „Die Lebensbedürfnisse des Mj. können mit dem bisherigen Unterhalt nicht mehr gedeckt werden. Der Mj. befindet sich seit 4.9.1979 wegen Erziehungsschwierigkeiten im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe im Kinderheim Leonstein."(Abl. 261).

3.       Falls das Verbrechen nicht alleinige Ursache ist, wird um Beurteilung ersucht, ob das

Verbrechen als wesentliche Bedingung zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen

hat (d.h: Liegt eine wesentliche Bedingung vor - deutlich mehr spricht dafür als

dagegen- ist die Gesundheitsschädigung als vollkausal zu beurteilen).

Ein Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen ist nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

4.       Falls die festgestellten Gesundheitsschädigungen durch kausale und akausale Ursachen herbeigeführt worden sind, wir ersucht zu folgendem Stellung zu nehmen:

a.       Hat das erlittene Trauma die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit vorzeitig (erheblich früherer Zeitpunkt) ausgelöst oder wäre diese auch ohne die angeschuldigten Ereignisse im annähernd selben Zeitraum entstanden?

Der Einfluss des Verbrechens auf den gegenwärtigen psychiatrischen Leidenszustand kann nur als möglich bezeichnet werden.

Es ist davon auszugehen, dass die festgestellte Gesundheitsstörung auch ohne die angeschuldigten Ereignisse entstanden wäre.

b.       Hat das erlittene Trauma die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit verschlimmert? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Welche Gesundheitsschädigungen lägen ohne die angeschuldigten Ereignisse vor?

Eine Verschlimmerung ist möglich, nicht wahrscheinlich.

Es ist aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht anzunehmen, dass auch ohne die angeschuldigten Ereignisse eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vorliegen würde, die höchstwahrscheinlich schon vor Heimaufnahme angelegt war und letztendlich zur Heimaufnahme geführt hat und den weiteren Lebenslauf maßgeblich geprägt hat.

5.       Liegt bei dem AW Arbeitsunfähigkeit vor? (Abl.201)

a. Wenn ja, wegen der kausalen Gesundheitsschädigungen?

Entfällt: siehe 5b.)

b. Wenn ja, wegen der akausalen Gesundheitsschädigungen?

Herr XXXX ist seit 2011 in unbefristeter Invaliditätspension, wobei die Diagnosen (PVA, 2011, Abl 188-194) kombinierte Persönlichkeitsstörung auf überwiegend neurotischem Niveau mit narzisstischen, paranoiden und dissozialen Anteilen, Anpassungsstörung, rezidivierende depressive Episoden, derzeit Remission herangezogen wurden.

Es kann aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass die beschriebene Persönlichkeitsstörung einzig als Folge der Erlebnisse der Heimzeit zu werten ist. Frühkindliche Erfahrungen, problematische familiäre Verhältnisse, unter anderem fehlende oder inkonstante männliche Bezugspersonen, und Überforderung der Mutter mit kompensatorischer Nachgiebigkeit und Verwöhnung (siehe Abl. 71, letzter Absatz) haben an der negativen Persönlichkeitsentwicklung maßgeblichen Anteil.

6.       Kann aus medizinischer Sicht gesagt werden, ob die kausalen Gesundheitsschädigungen maßgebliche (überwiegende) Ursache für Zeiten sind, in denen der AW nicht gearbeitet hat? (Krankenstände Abl.113-115,117-118)

In den Unterlagen scheint lediglich ein Eintrag (30.8. - 30.9.2001, Abl 115) mit der Diagnose Depressio auf, was jedoch keinen kausalen Rückschluss erlaubt.

7.       Kann aus medizinischer Sicht gesagt werden, ob der Antragswerber aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigungen an einem kontinuierlichen Berufsverlauf oder einer besseren Ausbildung gehindert war?

Herr XXXX war durch die Störung der Persönlichkeit mit deutlich herabgesetzter psychischer Belastbarkeit, dissozialem Verhalten und Delinquenz an einem kontinuierlichen Berufsverlauf und an einer besseren Ausbildung gehindert, nicht durch kausale Gesundheitsschäden.

- Wenn ja: In welchem Ausmaß kann das festgestellt werden und welche Anhaltspunkte sprechen aus medizinischer Sicht dafür?

Entfällt, siehe oben.

In einer Stellungnahme monierte er durch die zugefügten Qualen schwer traumatisiert zu sein, ohne das widerfahrene Leid in der Lage gewesen zu sein, einen profitablen Beruf zu erlernen und auszuüben sowie mit einem Intelliquenzquotienten von 140 hochgradig intelligent zu sein. Die damaligen Missbräuche und Verbrechen auf Fragen eines fremden Arztes unter Zeitdruck zu beantworten, sei für ihn nach so langer Zeit eine Belastung.

Mit Bescheid vom 17.06.2016, 314-614778-006, wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen die Anträge vom 30.04.2014 und 15.10.2014 gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3, § 4 Abs. 2 letzter Satz, § 5 Abs. 1, § 6a sowie § 10 Abs. 1 des VOG ab.

Es wurde unter anderem festgestellt, dass die Mutter mit der Erziehung des Beschwerdeführers überfordert gewesen sei. Er sei im Jahr 1975 wegen Gelddiebstählen der Erziehungsberatung vorgestellt worden und hätte darüber hinaus schulische Probleme gehabt. Nach der Wiederholung der ersten Klasse Hauptschule erfolgte ein Wechsel vom A- in den B-Zug. Die Betragensnote sei schlecht gewesen. Er sei Bettnässer gewesen.

Erzieherisch hätte er sich von seiner Mutter kaum noch positiv beeinflussen lassen und so hätte sie 1979 die Unterbringung im Landeskinderheim Schloss Leonstein beantragt. Die Schulnoten hätten sich deutlich verbessert, Schwierigkeiten im Gegenstand Deutsch hätten jedoch weiterhin vorgelegen. Anlass zu Klagen hätte sein Verhalten gegeben. Laut Jugendamtsakt hätte er sein Mitteilungsheft verschwinden lassen bzw. Seiten aus diesem hinausgerissen. Er sei gegenüber dem Klassenvorstand außergewöhnlich frech und provozierend gewesen, hätte eine Uhr aus einem Geschäft entwendet, hätte gemeinsam mit anderen Kindern ein Sparbuch gefunden, von dem er Geld behoben hätte, hätte andere Heimkinder mit dem Schlapfen abgeschossen und andere Heimzöglinge verspottet, die zuhause in ärmlichen Verhältnissen aufwuchsen. Wegen des Bettnässens sei er während der Heimunterbringung in sporadischer fachärztlicher Behandlung gestanden, hätte Medikamente erhalten, sei regelmäßig nachts geweckt worden und hätte sich in Observanz der Heimpsychologin befunden. Auch hätte er sich auf Wunsch seiner Mutter diesbezüglich vorübergehend im Krankenhaus befunden. Vor seiner Heimentlassung hätte er die 4. Klasse Hauptschule im zweiten Klassenzug mit gut durchschnittlichem Erfolg besucht. Im Jahr 1983 hätte er das Landeskinderheim verlassen und sodann bei der Mutter gelebt. Durch deren Vermittlung sei ein Lehrplatz als Bäcker und Konditor in XXXX in Aussicht gestanden. Von 1.10.2009 bis 1.3.2010 hätte er eine Haftstrafe in der Justizanstalt XXXX verbüßte.

Laut Versicherungsdatenauszug sei er zwischen den Jahren 1983 und 1985 Arbeiterlehrling bei 5 verschiedenen Arbeitgebern gewesen. Von 1985 bis 2001 schienen zahlreiche Beschäftigungen als Arbeiter auf, jedoch kaum länger als einige Monate oft auch nur für einige Tage. Seit 1.7.2001 sei er laufend in Pensionsbezug wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gestanden.

Im Landeskinderheim Schloss Leonstein sei er schikaniert, beschimpft, geschlagen, häufig in eine Truhe oder einen Schrank gesperrt worden, musste im nassen Pyjama stundenlang auf dem kalten gefliesten Flur stehen und hungern. Es sei zu sexuellen Übergriffen durch eine Erzieherin gekommen.

Nervenfachärztlich leide er an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, paranoiden und dissozialen Zügen. Ein Einfluss der festgestellten Verbrechen auf die obgenannte Gesundheitsschädigung könne nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Bezüglich seiner Angaben im klinisch- psychologischen Kurzbericht vom 01.09.2012, es habe Schläge durch den ehemaligen Schuldirektor, physische, psychische und sexuelle Übergriffe in einer sozialpädagogischen Wohngruppe sowie sexuelle, physische und verbale Übergriffe durch einen ehemaligen Pfarrer gegeben, könne nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit gesicherte Feststellungen getroffen werden, da diesbezüglich lediglich seine Angaben vorlägen. An den Namen des Priesters, der ihn missbraucht habe, könne er sich nicht erinnern. Ein weiterer Priester, der die Übergriffe gesehen und eingegriffen haben soll, sei laut seinen Angaben bereits verstorben bzw. habe dieser kurz nach dem Vorfall Selbstmord begangen. Auch sei in der Klage gegen das Land Oberösterreich zum sexuellen Missbrauch durch die Erzieherinnen im Heim Leonstein angegeben worden, dass er bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei sexuelle Erfahrungen gemacht hätte, was mit dem angeführten Vorbringen, er seien bereits im Jahr 1978 bzw. 1979 durch einen Pfarrer sexuell missbraucht worden, nicht im Einklang stehe. Eine Unterbringung in einer sozialpädagogischen Wohngruppe gehe aus seinen Unterlagen nicht hervor, auch sei nicht angegeben worden, um welche Wohngruppe es sich hierbei handele.

Der psychische Gesundheitszustand ergebe sich aus dem dieser Entscheidung zugrunde gelegten und als schlüssig erachteten nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 24.2.2016. Die gestellte Diagnose „kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, paranoiden und dissozialen Zügen“ stehe im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den festgestellten Krankheitsbildern der wiederholten Begutachtungen durch die Pensionsversicherungsanstalt. Ein Einfluss der festgestellten Verbrechen auf die obgenannte Gesundheitsschädigung könne nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Die Heimaufnahme sei im Alter von 12 Jahren erfolgt, Grund für die Aufnahme waren bereits bestehende Verhaltensauffälligkeiten wie etwa kleinere Diebstähle, schulische Schwierigkeiten sowie erhebliche Erziehungsschwierigkeiten. Es könne davon ausgegangen werden, dass sich die festgestellte Persönlichkeitsstörung in diesem Alter bereits manifestiert hätte. Es sei davon auszugehen, dass die festgestellte Gesundheitsstörung auch ohne die angeschuldigten Ereignisse entstanden wäre. Frühkindliche Erfahrungen, problematische familiäre Verhältnisse, unter anderem fehlende oder inkonstante männliche Bezugsperson und Überforderung der Mutter mit kompensatorischer Nachgiebigkeit und Verwöhnung hätten an der negativen Persönlichkeitsentwicklung maßgeblichen Anteil. Ein Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen hätte somit nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können.

Auch der Antrag auf Übernahme der Selbstbehalte im Rahmen der Heilfürsorge werde mangels kausalem Zusammenhang nicht bewilligt.

Der Antrag auf Zahnersatz im Wege der orthopädischen Versorgung werde mangels Angaben, aufgrund welches Vorfalls er eine Zahnschädigung erlitten habe, ebenfalls abgewiesen.

Der Antrag auf eine Brille im Rahmen der orthopädischen Versorgung werde mangels Angaben, welches konkrete Ereignis zu seiner Augenschädigung geführt hätte, sowie mangels Vorlage medizinischer Unterlagen vorzulegen, die die angegebenen Gesundheitsschädigungen belegen, ebenfalls abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde kritisiert, dass die belangte Behörde es unterlassen hätte, den Beschwerdeführer entsprechend aufzuklären und anzuleiten. Es sei für die belangte Behörde klar erkennbar gewesen, dass dem Beschwerdeführer die Tragweite der fehlenden Bekämpfung des eingeholten Gutachtens nicht bewusst gewesen sei (mangelnde Kausalität zwischen den festgestellten Verbrechen und den Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers), sonst hätte er sämtliche denkbare Verfahrensschritte gesetzt, um ein anderes korrektes Gutachtensergebnis zu erzielen. Weiters hätte er detaillierter ausgeführt, warum die Zahn- und Augenschädigungen auf die Verbrechen in der Pfarrkirche XXXX sowie im Kinderheim zurückzuführen seien: Aufgrund der von zahlreichen Ärzten mittlerweile bestätigten, unstrittig bestehenden kombinierten Persönlichkeitsstörung komme dieser mit Stresssituationen nicht zurecht. Deren Begleiterscheinung sei ein Zuschwellen sowie Tränenentzündung der Augen, sodass er nichts mehr sehen könne. Der Beschwerdeführer hätte dann auch starke Schmerzen im Bereich der Augenlider. Der Beschwerdeführer hätte durch die gezielten und regelmäßigen Schläge der Erzieher des Kinderheimes auf den Kopf und ins Gesicht auch eine Makulaschädigung am linken Auge erlitten. Auch die Zahnschäden seien auf die zahlreichen erlittenen Verletzungen (insbesondere ein Kieferbruch) zurückzuführen.

Ein Mangel sei im Verfahren, dass die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers im klinisch-psychologischen Kurzbericht vom 01.09.2012 ohne hinreichende Begründung keinen Glauben geschenkt hätte mit den Ausführungen im Bescheid, dass dazu keine Feststellungen getroffen werden könnten, da nur seine Angaben vorlägen und er sich an den Namen des missbrauchenden Priesters nicht mehr erinnere und ein Zeuge bereits verstorben sei. Die Ablehnung jeglicher Feststellungen zu den am Beschwerdeführer begangenen Verbrechen in der Pfarrkirche XXXX , der Hauptschule und der sozialpädagogischen WG mit der Begründung, dass nur seine Angaben vorlägen, sei ein massiver Verfahrens- und Begründungsmangel. Hätte die Behörde dies anders festgestellt, so hätte sie darauf aufbauend die beantragten Leistungen zusprechen müssen.

Auch würden die Feststellungen zu den erlittenen Geschehnissen in Schloss Leonstein nur einen geringen Bruchteil dessen wiedergeben, was der Beschwerdeführer tatsächlich erlitten hätte.

Folgende Ersatzfeststellungen wurden begehrt:

„Der Beschwerdeführer wurde im Juli 1979 im Kinderheim Schloss Leonstein untergebracht. Dem Beschwerdeführer, einem damals elfjährigen Jungen wurde in diesem Kinderheim vom ersten Moment an eine sehr negative Stimmung entgegengebracht. Der Beschwerdeführer wurde gemobbt und aufgrund seines Bettnässens und des Angebotes der Mutter, die Wäsche zu waschen so behandelt, als ob er sich als etwas Besseres fühlen würde, was ihm im Ergebnis zum Nachteil gereichte. Aufgrund des Bettnässens wurde der Beschwerdeführer regelmäßig bestraft. So musste der Beschwerdeführer sich mit seinem nassen Pyjama im Wohnraum des Heims vor den anderen Kindern zur Schau stellen, durfte erst als Letzter duschen und bekam oft kein Frühstück mehr. Der Beschwerdeführer war jahrelang unterernährt und untergewichtig. Der Beschwerdeführer wurde vom Heimleiter schwer misshandelt. So wurde der Beschwerdeführer einmal vom Heimleiter in der Früh aus dem Bett geholt und in sein Büro gebracht, wo er den Beschwerdeführer verprügelte, bis das Blut spritzte. Der Beschwerdeführer hat von diesem Vorfall eine so schwere Verletzung auf seinem Kopf davongetragen, dass er bis heute eine 2x2 cm große Narbe auf dem Hinterkopf hat. Der Beschwerdeführer wurde mehrfach in die Unterleibsgegend getreten und musste deshalb eine Varikozelenoperation im Krankenhaus XXXX durchgeführt werden. Der Beschwerdeführer leidet seither an Unfruchtbarkeit. Diese und andere ähnliche Vorfälle wurden von der Heimleitung vertuscht, so wurde die Geschichte dem Krankenhaus XXXX der Gestalt erzählt, dass der Beschwerdeführer von einem Fußball in der Unterleibsgegend getroffen wurde. Während seines Heimaufenthaltes wurde der Beschwerdeführer häufig eingesperrt, mehrmals sogar über ein ganzes Wochenende. Der Beschwerdeführer leidet aus diesem Grund heute an einer sehr starken Klaustrophobie. Der Beschwerdeführer wurde sowohl liegend, als auch stehend in einem Kasten oder einer Kiste weggesperrt. So wurde der Beschwerdeführer beispielsweise einmal von einer Erzieherin in einen Schrank gesperrt, bis der Beschwerdeführer in Panik geriet, weil er Angst hatte, zu ersticken. Der Beschwerdeführer durfte den Schrank dann nur zum Toilettengang verlassen. Zu Essen bekam der Beschwerdeführer oft tagelang gar nichts, wenn er eingesperrt war. Nach Ausscheiden des Heimleiters übernahm eine Frau die Leitung des Kinderheims. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten kam es in den Jahren 1982 und 1983 immer wieder zum sexuellen Missbrauch durch diese neue Heimleiterin. So lockte die Heimleiterin den ahnungslosen Beschwerdeführer, dem sie sagte, dass sein vom Bettnässen feuchtes Bettzeug trocknen müsse, in ihr Zimmer, wo sie ihn mehrfach bis zum Samenerguss sexuell befriedigte. Der Beschwerdeführer, der zum damaligen Zeitpunkt noch keine sexuellen Erfahrungen gesammelt hatte, wusste nicht, wie ihm geschieht. Anschließend hat sich die Heimleiterin selbst befriedigt, wobei der Beschwerdeführer Zusehen musste. Einmal war auch noch eine andere Erzieherin anwesend. Sie befahl dem Beschwerdeführer, sich selbst zu befriedigen, wodurch sich der Beschwerdeführer gedemütigt und erniedrigt fühlte. Sexuelle Übergriffe durch diese zweite Erzieherin fanden dreimal statt, während die sexuellen Übergriffe durch die Heimleiterin über mehrere Monate hinweg regelmäßig stattfanden. Für den Fall der Weigerung wurde dem Beschwerdeführer mit der Überstellung in die sogenannten „Korrektions-Baracken“ in XXXX oder Kleink XXXX gedroht. Dem Beschwerdeführer war bereits zum damaligen Zeitpunkt bekannt, dass die Behandlung in den genannten Einrichtungen noch schlimmer war, als im Erziehungsheim Schloss Leonstein. Während der gesamten Dauer des Heimaufenthaltes musste der Beschwerdeführer unsagbare Qualen erleiden und wurde systematisch gequält und erniedrigt. Der Beschwerdeführer ist aufgrund der ihm zugefügten Qualen sehr schwer traumatisiert. Er leidet - in psychischer Hinsicht - an Depressionen, Panikattacken sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, sowie - in physischer Hinsicht - an einer schweren Augenkrankheit, hat Probleme mit den Zähnen, gilt zu 50% als behindert und ist unfruchtbar. Infolge seiner traumatischen Kindheit und Jugend, insbesondere aufgrund seines Aufenthaltes im Kinderheim Schloss Leonstein ist der Beschwerdeführer nicht in der Lage, zwischenmenschliche Beziehungen zu führen. Eine eigene Familie konnte der Kläger aus diesem Grund niemals gründen. Darüber hinaus ist sein Trauma derart belastend und ausgeprägt, dass der Beschwerdeführer nicht fähig war, einen Beruf zu erlernen, geschweige denn auszuüben. Schließlich wurde er im Jahr 2001 als invalide anerkannt und erhält der Beschwerdeführer seither eine geringe Invaliditätspension der PVA. Ohne die Erlebnisse im Kinderheim Leonstein wäre das Leben des Beschwerdeführers anders verlaufen. Der Beschwerdeführer ist hochgradig intelligent und wäre problemlos in der Lage gewesen, einen profitablen Beruf zu erlernen.“

Unter Zugrundelegung dieser Feststellung hätte die belangte Behörde die Kausalität der Gesundheitsschädigungen feststellen müssen.

Weiters läge folgender Begründungsmangel vor:

Laut Beweiswürdigung der belangten Behörde „ist davon auszugehen, dass die festgestellte Gesundheitsstörung auch ohne die angeschuldigten Ereignisse entstanden wäre“ (angefochtener Bescheid, Seite 12, erster Absatz). Die belangte Behörde schließe dies daraus, dass die Heimaufnahme im Alter von 12 Jahren erfolgt und die Gründe für die Aufnahme „bereits bestehende Verhaltensauffälligkeiten wie etwa kleinere Diebstähle, schulische Schwierigkeiten sowie erhebliche Erziehungsschwierigkeiten“ seien (angefochtener Bescheid, Seite 11 f). Die Begründung der belangten Behörde stütze sich damit lediglich auf eine Aussage im eingeholten Sachverständigengutachten, und setze sich nicht mit den anderen vorliegenden Beweisergebnissen wie der Aussage des Beschwerdeführers und den weiteren vorgelegten ärztlichen Gutachten, auseinander. Der klinisch-psychologische Bericht des PhDr. Dr. XXXX , kommt nämlich zu einem anderen Ergebnis als der Sachverständige Dr. XXXX :

Laut Ausführungen von PhDr. XXXX zu Folge „kann [nämlich] ein kausaler Zusammenhang zwischen den Ereignissen und den beschriebenen Folgen hergestellt werden“. Damit bejaht PhDr. Dr. XXXX genau jene Kausalität, die von Dr. XXXX verneint wird und die letztendlich dafür ausschlaggebend ist, ob der Beschwerdeführer die von ihm beantragten (und ihm auch zustehenden) Leistungen aufgrund des Verbrechensopfergesetzes zugesprochen bekommt, oder nicht. Der angefochtene Bescheid ist daher insofern von einem Begründungsmangel behaftet, als die belangte Behörde das Gutachten des PhDr. Dr. XXXX nicht einmal erwähnt, sondern sich einzig und allein auf die Aussage des bestellten Sachverständigen verlässt.

Diese Begründung laufe de facto auf eine völlige Exkulpierung des Landeskinderheimes Schloss Leonstein hinaus, denn die belangte Behörde sage mit dieser Begründung tatsächlich nichts anderes, als dass die Persönlichkeitsentwicklung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Landeskinderheim bereits abgeschlossen war und daher sämtliche Vorkommnisse im Landeskinderheim völlig irrelevant gewesen seien und somit keinen Einfluss auf die Psyche des Beschwerdeführers hätten.

Ohne nähere Begründung einfach anzunehmen, dass die Persönlichkeitsentwicklung bei einem Jungen im Alter von 12 (!) Jahren - und damit vor der Pubertät - bereits abgeschlossen sei und daher für die Entwicklung der Persönlichkeit eines Jugendlichen sämtliche Vorkommnisse im Alter zwischen 12 Jahren und der Volljährigkeit unerheblich seien, sei gelinde gesagt äußerst gewagt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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