TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/18 95/20/0596

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Veröffentlicht am 18.12.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1995, Zl. 4.327.948/13-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am 5. Oktober 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 8. Oktober 1991 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 26. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, er sei seit drei Jahren Mitglied der Pakistan Peoples Party (PPP). Er habe aktiv bei Versammlungen, Demonstrationen und Kundgebungen mitgearbeitet und Personen für die PPP geworben. Nach dem Wahlsieg der Muslim Liga seien Mitglieder der PPP verfolgt, belästigt und auch verhaftet worden. Tötungen habe es auch gegeben. Die Polizei helfe dabei nicht. Am 7. August 1991 sei er in Sialkot wegen der Teilnahme an einer Demonstration verhaftet worden. Nach einem Monat sei er entlassen worden. Während der Haft sei er geschlagen worden, habe aber keine sichtbaren Verletzungen davongetragen. Er sei auch bedroht, geschlagen und fälschlich angezeigt worden. Um den falschen Anzeigen zu entkommen, sei er aus seiner Heimat geflüchtet.

Er habe schon seit zwei Jahren einen Reisepaß. Die Partei habe seine Flucht finanziert, weil er in Pakistan sonst getötet worden wäre.

Mit Formularbescheid vom 28. November 1991 der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer zunächst Begründungsmängel des erstinstanzlichen Bescheides geltend, vertrat die Ansicht, auch auf Grund seiner in erster Instanz gemachten Angaben komme ihm Flüchtlingseigenschaft zu und führte ergänzend aus, er habe sich der PPP als Basisarbeiter wegen ihrer demokratischen Zielsetzung angeschlossen. 1977 hätten die Streitkräfte die Regierung gestürzt und das Kriegsrecht verhängt, Parteivorsitzender Z.A. Bhutto sei in der Folge "gehenkt" worden. Dies seien "unheilvolle Zeiten für die Demokraten Pakistans" gewesen. Er sei "oft verhaftet und gefoltert" worden. Nach dem Tod des Diktators bei einem Flugzeugabsturz am 17. August 1988 sei Pakistan das 1. Mal seit 11 Jahren wieder vor demokratischen Neuwahlen gestanden, die im November des Jahres abgehalten worden seien und in denen die PPP die Stimmenmehrheit gewonnen habe. Nach nur 20 Monaten - am 6. August 1990 - hätten jedoch die Streitkräfte erneut die Macht übernommen und Neuwahlen anberaumt, die am 24. und 27. Oktober 1990 stattgefunden hätten. Er habe Tag und Nacht auf diese Wahlen hin gearbeitet und auch Kundgebungen und Werbekampagnen abgehalten und getan, was er für eine Restauration der Demokratie in Pakistan hätte tun können. Durch Wahlbetrug habe die PPP verloren, die politischen Gegner hätten ihn fälschlich beschuldigt und eines Verbrechens angeklagt. Die Polizei habe oft versucht, ihn zu verhaften, doch habe er untertauchen können. In der Folge sei es seiner Familie gelungen, ihn nach Österreich ins politische Asyl zu schicken. Er sei ein gesetzestreuer Bürger, der lediglich aus politischen Gründen in einen "Kriminalfall verwickelt" worden sei. Des weiteren legte der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren Kopien von Urkunden vor, angeblich des Vorsitzenden der PPP im Distrikt Sialkot, des Vorsitzenden der PPP auf Bezirksebene sowie des Vorsitzenden der PPP im Distrikt Gujranwala sowie die Kopie eines Zeitungsartikels im Standard vom 9. Juni 1992 (sämtliche in englischer Sprache gehaltenen, zum Teil undatierten Urkunden betreffen allerdings einen I). Mit einer weiteren Eingabe vom 10. September 1992 wurden vom Beschwerdeführer weitere, zum Teil unübersetzt gebliebene Urkunden vorgelegt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Aufgrund der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0319, den bekämpften Bescheid infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (wegen Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) auf, sodaß das Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig wurde.

Im fortgesetzten Berufungsverfahren hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Manuduktionsschreiben vom 5. Dezember 1994 unter gleichzeitiger Aufforderung zur Geltendmachung allfälliger einfacher Verfahrensverletzungen und daraus allenfalls resultierender Sachverhaltsergänzungen im Sinne des aufhebenden Erkenntnisse vor, die Berufungsbehörde sehe es als notorisch an, daß unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten im Heimatland des Beschwerdeführers eine Verfolgung von Mitgliedern der PPP aus Gründen des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht glaubhaft sei. Die PPP sei bei den Parlamentswahlen am 6. Oktober 1993 als stärkste Partei hervorgegangen und stelle mit Benazir Bhutto auch die Premierministerin Pakistans. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer als Mitglied der PPP im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit keinen politisch motivierten Verfolgungen zu rechnen habe bzw. daß ihm staatlicher Schutz gegen Übergriffe Privater nicht in diskriminierender Weise versagt werden würde.

Dabei räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Äußerungsfrist von zwei Wochen ein. Das Manuduktionsschreiben der belangten Behörde wurde dem auch im Verwaltungsverfahren vertretenden Beschwerdevertreter am 7. Dezember 1994 zugestellt. Mit Eingabe vom 2. Jänner 1995 (sohin bereits nach Ablauf der von der belangten Behörde gesetzten Äußerungsfrist) ersuchte der Beschwerdeführer wegen "notwendiger aufwendiger Recherchen" um Erstreckung der Frist (um weitere drei Wochen).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. Jänner 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre ihm kein Asyl.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die bloße Anhaltung und Festnahme von Demonstrationsteilnehmern sei nicht als Indiz für eine drohende Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 anzusehen. Besondere Umstände, die aus objektiver Sicht eine künftige Verfolgung wegen der Teilnahme an einer Demonstration als hinreichend wahrscheinlich erscheinen ließen, lägen nicht vor, insbesondere sei nicht einzusehen, warum eine einmalige Demonstrationsteilnahme aus dem Jahr 1991 weitere Verfolgung hätte nach sich ziehen sollen. Im übrigen hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer - gleichlautend mit ihrem Manuduktionsschreiben vom 5. Dezember 1994 - entgegen, daß insbesondere unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten in Pakistan nicht glaubhaft scheine, daß wegen behaupteter Demonstrationsteilnahme oder allein auf Grund seiner Mitgliedschaft bei der PPP mit Verfolgung zu rechnen sei, sei doch die PPP bei den Parlamentswahlen am 6. Oktober 1993 als stärkste Partei hervorgegangen und stelle die Premierministerin Pakistans.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Auch in der Beschwerde bleibt der Beschwerdeführer die Antwort auf die ihm bereits mit Manuduktionsschreiben der belangten Behörde vom 5. Dezember 1994 gestellte Frage schuldig, aus welchen ihn spezifisch betreffenden konkreten Umständen die Annahme gerechtfertigt sei, daß er als Mitglied der die Regierung stellenden, bei den Wahlen obsiegenden Partei nach wie vor Verfolgung zu befürchten hätte. Der Hinweis auf die anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme gemachten Angaben vermag keine entsprechende Antwort auf diesen Vorhalt zu geben, weil er den von der belangten Behörde angenommenen seither eingetretenen Änderungen der Sachlage nicht Rechnung trägt. Im übrigen ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß es keineswegs einer Umkehr der Beweislast gleichkommt, wenn ihm notorische Tatsachen - und der Ausgang der Wahl bzw. die Person des derzeitigen Regierungschefs eines Landes gilt wohl als solche - vorgehalten, vom Asylwerber jedoch unbeantwortet gelassen werden. Eines Ermittlungsverfahrens über notorische Tatsachen bedarf es nicht (§ 45 Abs. 1 AVG).

Insofern der Beschwerdeführer rügt, ihm sei - insbesondere auch im Hinblick auf seinen Fristerstreckungsantrag - keine angemessene Frist zur Äußerung gewährt worden, ist ihm zu entgegnen, daß die Erlassung des angefochtenen Bescheides tatsächlich rund 7 Wochen später erfolgte, sodaß dem Beschwerdeführer de facto ausreichend Zeit zur Stellungnahme gegeben gewesen wäre. Im übrigen aber sagt der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht, was er im Falle der Einräumung der gewünschten Fristverlängerung tatsächlich vorgebracht hätte. Damit tut er auch die Wesentlichkeit des von ihm aufgezeigten bzw. gerügten Verfahrensmangels nicht dar (vgl. dazu Hauer-Leukauf, 5. Auflage, Entscheidungen 66-68 zu § 37 AVG sowie die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 610, wiedergegebene Rechtsprechung).

Die Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteiengehör offenkundige notorische Tatsachen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200596.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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