TE Vfgh Erkenntnis 2021/9/27 G334/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2021
beobachten
merken

Index

32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
StGG Art2
GrEStG 1987 §4 Abs2, §6
ABGB §184, §364c
GerichtsgebührenG (GGG 1984) §26a
BewG 1955 §52
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Heranziehung des Einheitswerts als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der beim Erwerb von land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken von Todes wegen; Sachlichkeit der Begünstigung der Übertragung land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke durch Erbanfall an nahe Angehörige zum Zweck der Fortführung der Bewirtschaftung und der Erhaltung agrarischer Strukturen

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesfinanzgericht, §4 Abs2 Grunderwerbsteuergesetz 1987 idF BGBl I 163/2015, in eventu das Wort "Erbanfall" in §4 Abs2 Z2 Grunderwerbsteuergesetz 1987 idF BGBl I 163/2015 als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1. §4 Bundesgesetz vom 2. Juli 1987 betreffend die Erhebung einer Grunderwerbsteuer (Grunderwerbsteuergesetz 1987 – GrEStG 1987), BGBl 309/1987, idF BGBl I 163/2015 lautet:

"Art der Berechnung

§4. (1) Die Steuer ist zu berechnen vom Wert der Gegenleistung (§5), mindestens vom Grundstückswert. Bei Vorgängen gemäß §1 Abs2a und 3, bei Vorgängen nach dem Umgründungssteuergesetz sowie bei Erwerben gemäß §7 Abs1 Z1 litb und c ist die Steuer immer vom Grundstückswert zu berechnen. Der Grundstückswert ist entweder

– als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes gemäß §53 Abs2 des Bewertungsgesetzes 1955 – BewG. 1955, BGBl Nr 148/1955 in der jeweils geltenden Fassung, und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes oder

– in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes

zu berechnen.

Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler unter Berücksichtigung der Grundsätze einer einfachen und sparsamen Verwaltung durch Verordnung sowohl die näheren Umstände und Modalitäten für die Hochrechnung des Bodenwertes und die Ermittlung des Gebäudewertes als auch den anzuwendenden Immobilienpreisspiegel samt Höhe eines Abschlages festzulegen.

Weist ein Steuerschuldner nach, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als der nach der Verordnung ermittelte Grundstückswert, gilt der geringere gemeine Wert als Grundstückswert. Erfolgt dieser Nachweis durch Vorlage eines Schätzungsgutachtens, das von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Immobiliensachverständigen erstellt wurde, hat der von diesem festgestellte Wert die Vermutung der Richtigkeit für sich.

(2) Abweichend von Abs1 ist bei den nachstehend angeführten Erwerbsvorgängen betreffend land- und forstwirtschaftliche Grundstücke die Steuer vom Einheitswert (§6) zu berechnen:

1. bei Übertragung eines Grundstückes an den in §26a Abs1 Z1 des Gerichtsgebührengesetzes, BGBl Nr 501/1984 in der geltenden Fassung, angeführten Personenkreis;

2. bei Erwerb eines Grundstückes durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder in Erfüllung eines Pflichtteilsanspruches, wenn die Leistung an Erfüllungs Statt vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens vereinbart wird, durch den in §26a Abs1 Z1 des Gerichtsgebührengesetzes, BGBl Nr 501/1984 in der geltenden Fassung, angeführten Personenkreis;

3. bei Vorgängen gemäß §1 Abs2a und 3;

4. bei Erwerb eines Grundstückes auf Grund einer Umgründung im Sinne des Umgründungssteuergesetzes.

(3) Bei einem Tauschvertrag, der für jeden Vertragsteil den Anspruch auf Übereignung eines Grundstückes begründet, ist die Steuer sowohl vom Wert der Leistung des einen als auch vom Wert der Leistung des anderen Vertragsteils zu berechnen."

2. §6 GrEStG 1987 idF BGBl I 36/2014 lautet:

"Einheitswert

§6. (1) Maßgebend ist der Einheitswert, der auf den dem Erwerbsvorgang unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt festgestellt ist.

(2) Bildet das Grundstück, das Gegenstand des Erwerbsvorganges ist, einen Teil einer wirtschaftlichen Einheit (Untereinheit), für die ein Einheitswert festgestellt ist, so ist als Wert der entsprechende Teilbetrag des Einheitswertes anzusetzen. Der Teilbetrag ist unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze, die für die Zerlegung der Einheitswerte gelten, zu ermitteln.

(3) Haben sich die Verhältnisse zwischen dem unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt und dem Zeitpunkt des Erwerbsvorganges (Stichtag) dergestalt geändert, dass nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung oder eine Artfortschreibung oder spätestens durch den Erwerbsvorgang die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung gegeben sind, so ist auf den Zeitpunkt des Erwerbsvorganges (Stichtag) ein besonderer Einheitswert unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze für Fortschreibungen oder Nachfeststellungen zu ermitteln; in den Fällen des Abs2 aber nur dann, wenn sich die Wertabweichung auch auf den Teil der wirtschaftlichen Einheit erstreckt."

3. §26a

Bundesgesetz vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz – GGG), BGBl 501/1984, idF BGBl I 19/2015 lautet:

"Begünstigte Erwerbsvorgänge

§26a. (1) Abweichend von §26 ist für die Bemessung der Eintragungsgebühr bei den nachstehend angeführten begünstigten Erwerbsvorgängen der dreifache Einheitswert, maximal jedoch 30% des Werts des einzutragenden Rechts (§26 Abs1), heranzuziehen:

1. bei Übertragung einer Liegenschaft an den Ehegatten oder eingetragenen Partner während aufrechter Ehe (Partnerschaft) oder im Zusammenhang mit der Auflösung der Ehe (Partnerschaft), an den Lebensgefährten, sofern die Lebensgefährten einen gemeinsamen Hauptwohnsitz haben oder hatten, an einen Verwandten oder Verschwägerten in gerader Linie, an ein Stief-, Wahl- oder Pflegekind oder deren Kinder, Ehegatten oder eingetragenen Partner, oder an Geschwister, Nichten oder Neffen des Überträgers;

2. bei Übertragung einer Liegenschaft aufgrund einer Verschmelzung, Umwandlung, Einbringung, Realteilung, Spaltung oder eines Zusammenschlusses von Gesellschaften, aufgrund eines Erwerbsvorgangs zwischen einer Gesellschaft und ihrem Gesellschafter oder aufgrund der Vereinigung aller Anteile einer Personengesellschaft;

dies gilt jeweils auch für die Übertragung ideeller Anteile an diesen Grundstücken beziehungsweise Liegenschaften. Für die Frage, ob eine begünstigte Übertragung vorliegt, ist auf das Verhältnis zwischen dem eingetragenen Vorberechtigten und jener Person abzustellen, zu deren Gunsten das Recht eingetragen werden soll. Eine begünstigte Übertragung liegt auch dann vor, wenn jeder Erwerb in der Erwerbskette, die zur Eintragung in das Grundbuch führt, zwischen Personen stattfindet, bei denen die Voraussetzungen für eine begünstigte Übertragung vorlägen.

(2) Eine Ermäßigung der Bemessungsgrundlage tritt nur ein, wenn sie eingangs der Eingabe unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage in Anspruch genommen wird. Die Voraussetzungen für die Ermäßigung der Bemessungsgrundlage sind durch Vorlage geeigneter Urkunden, bei Lebensgefährten insbesondere durch Bestätigungen über den Hauptwohnsitz zu bescheinigen.

(3) Die Bundesministerin für Justiz hat unter Berücksichtigung der Grundsätze einer einfachen und sparsamen Verwaltung durch Verordnung die näheren Umstände und Modalitäten für die zur Ermittlung des Werts erforderlichen Angaben nach §26 Abs2, für die Inanspruchnahme der Begünstigungen nach §26a Abs1 sowie für die Bescheinigungen nach §26a Abs2 nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zu bestimmen."

4. §52 Bundesgesetz vom 13. Juli 1955 über die Bewertung von Vermögenschaften (Bewertungsgesetz 1955 – BewG 1955), BGBl 148/1955, lautet:

"§52. Abgrenzung des Grundvermögens von anderen Vermögensarten.

(1) Zum Grundvermögen gehört nicht Grundbesitz, der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört.

(2) Land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen sind dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, z. B., wenn sie hienach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen sind.

(3) Zum Grundvermögen gehören nicht die Betriebsgrundstücke (§60) und die Gewerbeberechtigungen (§61)."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer vor dem Bundesfinanzgericht hat mit Einantwortungsbeschluss vom 21. März 2019 land- und forstwirtschaftliche Grundstücke einschließlich eines landwirtschaftlichen Wohngebäudes geerbt. Er ist der Sohn der vom Erblasser im Zeitpunkt seines Ablebens geschiedenen Ehegattin, jedoch nicht der leibliche Sohn des Erblassers.

Für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen wurde zum 1. Jänner 2014 ein Einheitswert von € 9.500,– festgestellt. Für das landwirtschaftliche Wohngebäude wurde ein Wohnungswert (sonstig bebautes Grundstück) von € 125.057,19 festgestellt.

Da das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel davon ausging, dass das Stiefkindverhältnis im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld nicht mehr aufrecht gewesen sei und der Erbe nicht zum begünstigten Personenkreis gemäß §26a Abs1 Z1 GGG gehöre, wurde der Grundstückswert anhand einer bankinternen Liegenschaftsbewertung und einer Grundstückswertberechnung bewertet.

Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 28. August 2019 wurde die Grunderwerbsteuer mit € 14.580,21 festgesetzt, wobei der Grundstückswert der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke und des landwirtschaftlichen Wohngebäudes (Wohnungswert) zugrunde gelegt wurde und die Berechnung nach §7 Abs1 Z2 lita GrEStG 1987 (Stufentarif) erfolgte.

In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer vor dem Bundesfinanzgericht aus, dass richtigerweise bei den land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und dem landwirtschaftlich genutzten Gebäude als Bemessungsgrundlage für die Steuer der einfache Einheitswert heranzuziehen sei und der anzuwendende Steuersatz richtigerweise 2% dieser Bemessungsgrundlage betrage (§4 Abs2 Z1 iVm §7 Abs1 Z2 litd GrEStG 1987), da der Beschwerdeführer vor dem Bundesfinanzgericht zum begünstigten Personenkreis des §26a Abs1 Z1 GGG gehöre. Nach der Definition im Duden sei es für den Begriff des Stiefkindes unerheblich, ob die Ehe geschieden worden sei, außerdem seien sich Stiefvater und Stiefsohn sehr nahe gestanden, hätten bis zuletzt an derselben Adresse gelebt und gemeinsam den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet; der Beschwerdeführer vor dem Bundesfinanzgericht lebe bereits seit seinem vierten Lebensjahr am Hof seines Stiefvaters und trage weiterhin dessen Nachnamen. Eine andere Auslegung verstoße gegen den Gleichheitssatz.

2. Das Bundesfinanzgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"IV. Präjudizialität der zu prüfenden Norm

Bei der Anwendung des §4 Abs2 GrEStG 1987 handelt es sich um eine Begünstigungsbestimmung für die Übertragung bzw Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Vermögen innerhalb eines bestimmten Personenkreises bzw für bestimmte Erwerbsarten. Für die Zuerkennung einer abgabenrechtlichen Begünstigung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld maßgeblich (vgl zB VwGH 8.7.2004, 2001/07/0110). Der begünstigte Personenkreis des §4 Abs2 Z2 GrEStG 1987 ist in §26a Abs1 Z1 des Gerichtsgebührengesetzes idF. BGBl I Nr 19/2015 umschrieben. Dabei werden ausdrücklich 'Stief-, Wahl- oder Pflegekind' angeführt.

Zum Schwägerschaftsverhältnis – das ist nach §40 ABGB eine Verbindung zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten, daher auch zu dessen leiblichem Kind – stehen die (jüngere) Lehre (Koziol-Welser/Klete?ka[,] Bürgerliches Recht I14 Rz 1410; Egger in Schwimann, ABGB TaKom3 §40 Rz 2; aber auch schon Stabentheiner in Rummel3, §§40 - 42 Rz 3) als auch die Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0116994; 5 Ob 519/79) auf dem Standpunkt, dass dieses mit der Auflösung der sie begründenden Ehe erlischt, sofern das Gesetz nichts anderes anordnet.

Die Ausnahme des §364c ABGB von der prinzipiellen Verfügungsfreiheit des Liegenschaftseigentümers dient dazu, die Erhaltung des Familienbesitzes zu ermöglichen. Das Verbot kann grundsätzlich nur zwischen den in §364c ABGB genannten Familienangehörigen begründet werden (2 Ob 384/50 SZ23/201; RIS-Justiz RS0010723). Ähnlich wie §364c ABGB dient §4 Abs2 Z2 GrEStG 1987 der Begünstigung der Erhaltung des Familienbesitzes, damit sind analoge Auslegungskriterien durchaus sachgerecht.

Zu §364c letzter Satz ABGB gelangte der Oberste Gerichtshof zur Ansicht, dass Stiefkinder, soferne sie nicht unter den Pflegekindbegriff fallen, mit Beendigung der die Schwägerschaft vermittelnden Ehe nicht in den Kreis der in [§364c letzter Satz ABGB] genannten Personen fallen (vgl OGH 16.12.2015, 2Ob34/15m).

Ähnlich ist auch der Begriff 'Stiefkind' iSd […] §26a Abs1 Z1 GGG auszulegen, was die belangte Behörde zur Verneinung der Anwendbarkeit de[s] §4 Abs2 GrEStG 1987 bewogen hat.

Dabei wurde von der belangten Behörde jedoch übersehen, dass nach §184 ABGB idF BGBl I 2013/15 (entspricht §186 ABGB idF BGBl I 2000/135) Pflegeeltern Personen sind, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine nach dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Nach einhelliger Ansicht knüpft der Begriff der Pflegeeltern somit an zwei Merkmale an: Die tatsächliche – ganze oder teilweise – Besorgung der Pflege und Erziehung sowie das Bestehen einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommenden persönlichen Beziehung oder die Absicht, eine solche herzustellen. Beide Begriffselemente setzen eine weitgehende Eingliederung des Kindes in den Haushalt und Lebensablauf der Pflegeeltern sowie zumindest die Absicht voraus, eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern vergleichbare emotionale Bindung aufzubauen. Auf welcher Rechtsgrundlage das Pflegeverhältnis beruht, ist unmaßgeblich. Die Pflegeelternschaft nach §186 ABGB (nunmehr §184 ABGB) ist kraft Gesetzes gegeben, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale gegeben sind (RIS-Justiz RS0127991; Hopf in KBB4, §184 ABGB Rz 1; Deixler-Hübner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON 1.02 §184 Rz 5; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 §186 Rz 3 ua).

Auch Stiefelternteile, also mit einem leiblichen Elternteil (verheiratet oder nicht) in Lebensgemeinschaft lebende Personen fallen – im Gegensatz zum bisherigen Recht – bei Erfüllung der Voraussetzungen unter den Begriff Pflegeeltern. Bei Übernahme von Betreuungsleistungen und bei Vorliegen einer §184 ABGB entsprechenden emotionalen Bindung können sie als Pflegeeltern gelten. Damit ist die Grundlage einer gewissen rechtlichen Anerkennung der so genannten 'Patchworkfamilien' gelegt (ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 69 f; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 §186 Rz 15 mwN). Wie der Oberste Gerichtshof zu 8 Ob 62/12v ausgesprochen hat, kann auch der Lebensgefährtin der leiblichen Mutter bei Erfüllung der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen iSd §184 ABGB (materiell-rechtlich) die Stellung als Pflegeelternteil zukommen.

Der Beschwerdeführer [lebte] seit dem Jahr 1991, also seit seinem vierten Lebensjahr[,] auf dem Hof […] und [war] in den Haushalt und Lebensablauf des damaligen Stiefvaters weitgehend eingegliedert. Der Umstand, dass es 2011 zur Scheidung der Ehe […] kam, änderte an diesem Vater-Sohn[-]Verhältnis [des Erblassers und des Erben], die trotz Scheidung der Eltern bis zuletzt den gleichen Nachnamen führten, nichts. Der Beschwerdeführer ist somit unzweifelhaft Pflegekind des Erblassers und gehört damit zum gemäß §26a Abs1 Z1 GGG idF. BGBl I Nr 19/2015 begünstigten Personenkreis.

Somit ist die Begünstigungsbestimmung des §4 Abs2 GrEStG 1987 für den Erwerb von Todeswegen der zum landwirtschaftlichen Betrieb des Erblassers gehörenden […] Liegenschaften […] anwendbar.

V. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die anzuwendende Norm

Zum Vermögen des Erblassers gehörten die Liegenschaften […]. Dabei handelt es sich um zwei wirtschaftliche Einheiten. Für den landwirtschaftlichen Betrieb wurde zum 01.01.2014 ein Einheitswert von € 9.500,- festgestellt. Die belangte Behörde hat den Grundstückswert der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke mit 570.091,75 Euro ermittelt.

Der Erwerb eines inländischen Grundstückes durch Erbanfall unterliegt als Erwerbsvorgang iSd §1 Abs1 GrEStG [1987] der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist nach §4 Abs1 GrEStG [1987] allgemein der Wert der Gegenleistung (§5 GrEStG [1987]), mindestens jedoch der Grundstückswert.

Nur bei Erwerben von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken bildet der Einheitswert unter den in §4 Abs2 GrEStG 1987 genannten Voraussetzungen die Bemessungsgrundlage. Der Verfassungsgerichtshof ging vor dem Hintergrund seiner Rechtsprechung (vgl VfSlg 19.701/2012) davon aus, dass der Gesetzgeber nicht gehindert ist, im Grunderwerbsteuerrecht differenzierende Regelungen zu treffen, die der Eigenart verschiedener Erwerbsvorgänge Rechnung tragen. Im Zuge der zum 1. Jänner 2014 erfolgten Hauptfeststellung für die im Anlassfall vorliegenden wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens hat eine Anpassung der Einheitswerte stattgefunden. Gegen eine Heranziehung des Einheitswertes als Bemessungsgrundlage bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, solange der Einheitswert (sei es auch nach pauschaler Aufwertung oder Vervielfachung) annähernd dem Verkehrswert der Liegenschaft, wie er normalerweise in der Gegenleistung zum Ausdruck kommt, entspricht (VfGH 27.11.2012, G77/12).

Im gegenständlichen Fall entspricht der land- und [forstwirtschaftliche] Einheitswert (€ 9.500) nicht einmal annähernd dem Grundstückswert der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke samt der bekanntgegebenen Gebäudewerte für die landwirtschaftlich genutzten Gebäudeteile von insgesamt € 570.091,75.

Ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis von 0,035 Euro, welcher bei Heranziehung des Einheitswertes unterstellt wird, ist in Österreich unabhängig von der Lage und Beschaffenheit des Grundstückes gänzlich unrealistisch, zumal keine ungewöhnlichen Beeinträchtigungen der erworbenen Grundstücke bekannt sind. Der von der belangten Behörde ermittelte Grundstückswert von 570.091,75 Euro, der einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 2,09 Euro entspricht, kommt hier den realistischen Grundstückpreisen für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke schon näher, wie sich aus einfachen Internetrecherchen etwa unter https://www.bodenpreise.at/ ergibt:

[…]

Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 19487/2011, 18093/2007 festgestellt, dass der (land-und forstwirtschaftliche) Einheitswert in keinem auch nur einigermaßen vorhersehbaren Verhältnis zum Verkehrswert steht. Daran hat sich durch [die] Hauptfeststellung zum 1.1.2014 offenbar nichts geändert, wie das Auseinanderklaffen der für die Bemessung der Grunderwerbsteuer nach §4 Abs1 GrEStG 1987 und §4 Abs2 GrEStG 1987 heranzuziehenden Bemessungsgrundlagen zeigt, sodass die im gegenständlichen Fall anzuwendende Norm des §4 Abs2 GrEStG 1987 dem Sachlichkeitsgebot widerspricht und somit verfassungsrechtlich bedenklich ist. Auch erscheint die 'Vermischung' der Bemessungsgrundlagen (Einheitswert für land- und forstwirtschaftliches Vermögen einerseits und Grundstückswert für Grundvermögen andererseits) bei gleichzeitigem Erwerb von Grundvermögen und land- und forstwirtschaftlichen Vermögen bedenklich. Die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer unter Heranziehung des land- und forstwirtschaftlichen Einheitswertes (hier: 9.500 Euro) für 14,2250 ha landwirtschaftliches und 13,0744 ha forstwirtschaftliches Vermögen gemeinsam mit dem Grundstückswert eines sanierungsbedürftigen Gebäudes (hier Baujahr 1976 mit 125.057,19 Euro) ist als Ersatzbemessungsgrundlage anstelle der nicht vorhandenen Gegenleistung (§5 GrEStG 1987) äußerst realitätsfern und daher in Hinblick auf Art7 B-VG bedenklich. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 18.093/2007 (S 315) zwar festgehalten, dass keine prinzipiellen Bedenken dagegen bestehen, die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben nach dem Ertragswert vorzusehen, wenn das Verfahren zu seiner Ermittlung sachgerecht ist und es sich in der Tat um die Übertragung bzw den Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben handelt. Seitens des Bundesfinanzgerichtes bestehen angesichts des eklatanten Auseinanderklaffens der für die Bemessung der Grunderwerbsteuer nach §4 Abs1 GrEStG 1987 und §4 Abs2 GrEStG 1987 heranzuziehenden Bemessungsgrundlagen bei Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Vermögen dennoch Bedenken, ob das in der Hauptfeststellung zum 1.1.2014 angewendete 'Ertragswertverfahren' zur Feststellung der Einheitswerte zu Zwecken der Grunderwerbsteuerbemessung iSd. zitierten VfGH-Judikatur sachgerecht ist.

Das Bundesfinanzgericht beantragt die Aufhebung des §4 Abs2 GrEStG 1987, da so die bedenkliche unsachliche Diskrepanz bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bei bestimmten Übertragungen von land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und Grundvermögen beseitigt werden kann. Gleichzeitig wird dadurch die erhebliche Diskrepanz bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für Erwerbe innerhalb und außerhalb des im §26a Abs1 Z1 GGG genannten Personenkreises beseitigt.

Sollte dem Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des §4 Abs2 GrEStG 1987 zu weitgehend erscheinen, wird die Aufhebung des Wortes 'Erbanfall' im §4 Abs2 Z2 GrEStG 1987 beantragt, um die dem Sachlichkeitsgebot [widersprechende] Rechtsfolge für den gegenständlichen Fall zu beseitigen. In diesem Fall wäre dann der Grundstückswert nach §4 Abs1 GrEStG 1987 der Grunderwerbsteuerbemessung zu Grunde zu legen."

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die (zumindest teilweise) Zurückweisung, in eventu Abweisung des Antrages beantragt und den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"II. Zur Zulässigkeit:

Die Bundesregierung verweist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl zB VfSlg 19.824/2013 und 19.833/2013). Dies ist hier der Fall, da weder die Z1 noch die Z3 oder 4 des §4 Abs2 GrEStG 1987 für den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Fall, worin es um die Berechnung der Grunderwerbsteuer in Folge einer Erbschaft geht, einschlägig ist. Im Anlassfall ist ein Erbanfall zu beurteilen, weshalb nur insoweit Präjudizialität vorliegt. Aus diesem Grund ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag hinsichtlich §4 Abs2 Z1, 3 und 4 GrEStG 1987 unzulässig ist.

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag dennoch als zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung:

III. In der Sache:

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

Das Bundesfinanzgericht hegt im Wesentlichen die Bedenken, dass durch das Abstellen auf den Einheitswert bei bestimmten Erwerbsvorgängen von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken es zu einem Auseinanderklaffen der (Grunderwerb-)Steuerbelastungen zwischen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und sonstigen Grundstücken – für die der Verkehrswert relevant ist ? komme, was dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG) widerspreche: Dies gelte umso mehr, als normalerweise der Einheitswert einer Liegenschaft nicht annähernd dem Verkehrswert derselben entspräche.

Die Bundesregierung teilt diese Bedenken aus folgenden Gründen nicht:

Nach Ansicht der Bundesregierung ist der Gesetzgeber nicht gehindert, grunderwerbsteuerlich aus sachlichen Gründen zwischen verschiedenen Vermögensarten und Erwerbsvorgängen zu differenzieren und insbesondere Übergänge von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken (im Familienverband) anders zu behandeln als etwa Kaufverträge über sonstige Grundstücke (vgl hierzu VfSlg 19.701/2012). So hat auch der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die Besonderheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens festgehalten, 'dass keine prinzipiellen Bedenken dagegen bestehen, die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben [auf Grundlage von Einheitswerten, die die durchschnittlichen Ertragsmöglichkeiten der Betriebe erfassen] vorzusehen, wenn das Verfahren zu seiner Ermittlung sachgerecht ist und es sich in der Tat um die Übertragung bzw den Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben handelt.' (VfSlg 19.701/2012; vgl in diesem Sinne auch VfSlg 18.093/2007). Das wesentliche Ziel der durch §4 Abs2 GrEStG 1987 bewirkten grunderwerbsteuerlichen Begünstigung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken besteht darin 'agrarische Strukturen' zu erhalten (vgl in diesem Sinne auch VfSlg 20.032/2015, zum Anerebenrecht): Indem bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen die Berechnung der Grunderwerbsteuer unter Heranziehung des Einheitswertes erfolgt, soll die Fortführung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe gefördert werden. Da der Verkehrswert von Grundstücken sich ständig beispielsweise aufgrund von hohem Siedlungsdruck, alternativen Vermögensveranlagungen und ähnlichen Umständen erhöht, führt dies vielfach zu Kaufpreisen, die betriebswirtschaftlich nicht begründbar sind und eine Weiterbewirtschaftung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe verunmöglichen. Dem wirkt das Abstellen auf Einheitswerte bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben entgegen, da sich die Erträge aus der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion nicht im selben Ausmaß verändern.

Gerade im Hinblick auf unentgeltliche Übertragungen im begünstigten Personenkreis gemäß §26a Abs1 Z1 Gerichtsgebührengesetz – so wie sie dem Ausgangsverfahren vorm Bundesfinanzgericht zugrunde liegen – erweist sich das Abstellen auf Einheitswerte als bedeutend: In derartigen Konstellationen ist nämlich eine Weiterführung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes am Wahrscheinlichsten. Es ist grundsätzlich zulässig, unentgeltliche Grundstückserwerbe (einschließlich land- und forstwirtschaftlicher Betriebe) im Familienverband anders und günstiger zu behandeln als entgeltliche Erwerbe zwischen Fremden (vgl etwa VfSlg 19.701/2012). Zwischen einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Erwerb besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied, der es als geboten erscheinen lässt, zumindest innerhalb eines Familienkreises eine derart abweichende Besteuerung vorzunehmen. Während bei einem entgeltlichen Erwerb der Erwerber einen bestimmten Betrag bereithält, mit dem er nicht nur den eigentlichen Kaufpreis, sondern auch seine Anschaffungsnebenkosten – wie etwa die Grunderwerbsteuer – deckt, bzw der Veräußerer üblicherweise einen Betrag erhält, aus dem er seine Nebenkosten decken kann, ist dies bei einem unentgeltlichen Erwerb, insbesondere, wenn es sich um einen Erwerb von Todes wegen handelt, nicht immer der Fall. Speziell bei Grund und Boden kann dies dazu führen, dass das erworbene Gut nicht gehalten werden kann, sondern veräußert werden muss, womit der Erwerb im Ergebnis indirekt vereitelt wird. Diese Differenzierung auch auf der Ebene der Bemessungsgrundlage hat der Verfassungsgerichtshof – wie einleitend bereits festgehalten – in der Vergangenheit insbesondere in Hinblick auf land- und [forstwirtschaftliche] Betriebe bzw Liegenschaften bestätigt (vgl VfSlg 18.093/2007, S 316; 19.487/2011, S 171).

Die Einheitswerte werden gemäß §20 Abs1 des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG 1955) in Abständen von je neun Jahren neu festgesetzt. Damit wird allfälligen Sachlichkeitsbedenken im Hinblick auf nicht aktualisierte Einheitswerte (vgl VfSlg 19.701/2012 und VfSlg 18.093/2007) Rechnung getragen. Mit der Hauptfeststellung zum 1. Jänner 2014 wurden die Einheitswerte für wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens zuletzt an die aktuellen (Ertrags)Verhältnisse angepasst. Die problematischen Verzerrungen zwischen den Liegenschaftsbesitzern konnten auf diese Weise behoben werden, da die regional oder individuell unterschiedliche Ertragsentwicklung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in der Bemessungsgrundlage nun auch abgebildet und auch bisher nicht berücksichtigte einkommensbildende Faktoren neu bzw in geänderter Form aufgenommen wurden (vgl hierzu VfGH 26.11.2018, E479/2017). Insofern erscheint das System der Einheitsbewertung sachgerecht ausgestaltet.

Der Gesetzgeber wollte sohin mit dem System der land- und forstwirtschaftlichen Einheitswerte keine dem Verkehrswert entsprechende Bemessungsgrundlage schaffen. Die Einheitswerte stellen somit eine sachgerechte Bemessungsgrundlage dar, dienen einer Verwaltungsvereinfachung und stellen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke sicher.

Abschließend wird der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass das der Grunderwerbsteuer zugrundeliegende Bewertungssystem flexibel ist und in bestimmten Fällen trotz land- und forstwirtschaftlicher Nutzung eine Bewertung nach den Prinzipien des Grundvermögens ermöglicht. So bestimmt §52 Abs2 BewG 1955, dass land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen dann dem Grundvermögen zuzurechnen sind, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, zB wenn sie hienach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen sind. In diesen Fällen liegen keine land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke im Sinne des §4 Abs2 GrEStG 1987 vor, woraus sich eine Anwendbarkeit des Grundstückswertes gem. §4 Abs1 GrEStG 1987 als Bemessungsgrundlage ableitet.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Die Bundesregierung zieht in ihrer Äußerung die Präjudizialität des §4 Abs2 Z1, 3 und 4 GrEStG 1987 in Zweifel.

1.3. Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden:

§4 Abs2 GrEStG 1987 sieht für die in Z1 bis 4 leg cit geregelten Erwerbsvorgänge betreffend land- und forstwirtschaftliche Grundstücke die Berechnung der Steuer vom Einheitswert vor. Im vorliegenden dem Gerichtsantrag zugrunde liegenden Anlassfall wurde dem Beschwerdeführer ein Nachlass eingeantwortet, zu dem land- und forstwirtschaftliche Grundstücke rechnen. Das antragstellende Gericht hat über die Grunderwerbsteuerpflicht im Erbweg übertragener land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke zu entscheiden. §4 Abs2 Z2 GrEStG 1987 ist daher präjudiziell. §4 Abs2 GrEStG 1987 steht in seiner Gesamtheit mit Z2 leg cit in einem Regelungszusammenhang und ist von dieser nicht offenkundig trennbar.

Der Antrag ist somit zur Gänze zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Das antragstellende Gericht hegt verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des §4 Abs2 GrEStG 1987, wonach für Erwerbsvorgänge land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke in den Fällen der Z1 bis 4 leg cit die Steuer vom Einheitswert zu berechnen ist. Gemäß §4 Abs1 GrEStG 1987 sei allgemein mindestens der Grundstückswert als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer heranzuziehen. Gegen den Einheitswert bestünden keine Bedenken, solange dieser annähernd dem Verkehrswert der Liegenschaft entspreche. Der Einheitswert land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke entspreche jedoch nicht einmal annähernd dem Grundstückswert der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke. Daran habe sich durch die Hauptfeststellung zum 1. Jänner 2014 offenbar nichts geändert. Der Einheitswert sei als Ersatzbemessungsgrundlage äußerst realitätsfern und daher im Hinblick auf Art7 B-VG bedenklich. Mit der Aufhebung würde ferner auch die erhebliche Diskrepanz für Erwerbe innerhalb und außerhalb des in §26a Abs1 Z1 GGG genannten Personenkreises beseitigt.

2.3. Dem hält die Bundesregierung entgegen, dass der Gesetzgeber nicht gehindert sei, aus sachlichen Gründen zwischen verschiedenen Vermögensarten und Erwerbsvorgängen zu differenzieren. Auch würden nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes keine Bedenken dagegen bestehen, die Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe auf Grundlage von Einheitswerten vorzunehmen. Das wesentliche Ziel der durch §4 Abs2 GrEStG 1987 bewirkten Begünstigung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken bestehe darin, unentgeltliche Übertragungen im Familienverband anders und günstiger zu behandeln als entgeltliche Erwerbe zwischen Fremden, um damit agrarische Strukturen zu erhalten und die Fortführung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zu fördern.

2.4. Die Bedenken des antragstellenden Gerichtes treffen nicht zu:

2.4.1. Mit Erkenntnis VfSlg 19.701/2012 hat der Verfassungsgerichtshof §6 GrEStG 1987 idF BGBl I 142/2000, der als Wert des Grundstücks für unentgeltliche Erwerbe generell den Einheitswert vorsah, wegen mangelnder Aktualisierung der Einheitswerte als verfassungswidrig aufgehoben, da nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers bemessungsrechtlich kein grundsätzlicher Unterschied zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Erwerbsvorgängen bestehen sollte. Zugleich hat der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis festgehalten, dass der Gesetzgeber nicht gehindert ist, sachlich zwischen verschiedenen Erwerbsvorgängen zu differenzieren und insbesondere unentgeltliche Übergänge von Grundstücken (einschließlich land- und forstwirtschaftlicher Betriebe) im Familienverband anders zu behandeln als Kaufverträge über Grundstücke.

2.4.2. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber in §4 Abs2 Z2 GrEStG 1987, auf den sich die Bedenken des antragstellenden Gerichtes beschränken, für Erwerbe von zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zählenden Grundstücken als Bemessungsgrundlage den Einheitswert vorsieht, wenn der Erwerb durch einen Erben erfolgt, der dem in §26a Abs1 Z1 GGG angeführten Personenkreis zuzurechnen ist.

2.4.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 19.701/2012 die Anknüpfung an – von den Verkehrswerten erheblich abweichende – Einheitswerte deshalb als verfassungswidrig erkannt, weil das Gesetz in seiner Konzeption den Einheitswert als generelle Ersatzbemessungsgrundlage für unentgeltliche Erwerbe vorsah und diese Einheitswerte in unsachlicher Weise von den Verkehrswerten erheblich abwichen (vgl 2.4.1.). Demgegenüber erfolgt die Anknüpfung an den Einheitswert in §4 Abs2 GrEStG 1987 idF BGBl I 163/2015 nicht mit dem Ziel, eine generelle Ersatzbemessungsgrundlage für unentgeltliche Erwerbe vorzusehen. §4 Abs2 GrEStG 1987 regelt vielmehr den Sonderfall der Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke, indem die Regelung für die in dieser Bestimmung in Z1 bis 4 leg cit angeführten Fälle anstelle der in §4 Abs1 GrEStG 1987 vorgesehenen Anwendung des Grundstückswertes die Anwendung des Einheitswertes anordnet.

2.4.2.2. Entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichtes kann nicht aus der – mit einer Bewertung zum Einheitswert gegenüber einer Bewertung mit dem Grundstückswert einhergehenden – Entlastung der Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke durch Erbanfall an nahe Angehörige gefolgert werden, dass die Anknüpfung an die Einheitswerte unsachlich wäre. Entscheidend ist, ob für eine solche Differenzierung sachliche Gründe bestehen (VfSlg 19.701/2012).

2.4.2.3. Solche sachlichen Gründe liegen vor: Die Regelung erfasst die Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke zum Zweck der Fortführung der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung und dient damit der Erhaltung agrarischer Strukturen (vgl insoweit auch VfSlg 20.032/2015). Sollte dagegen nach seiner Lage und den sonstigen Verhältnissen anzunehmen sein, dass das Grundstück anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird, rechnet das Grundstück nach §52 Abs2 BewG 1955 nicht weiter zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, sondern zum Grundvermögen und es kommt somit nicht der Einheitswert für land- und forstwirtschaftliches Vermögen, sondern der Grundstückswert iSd Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Festlegung der Ermittlung des Grundstückswertes (Grundstückswertverordnung), BGBl II 442/2015, zum Tragen.

2.4.2.4. In VfSlg 19.701/2012 hat der Verfassungsgerichtshof ferner festgehalten, dass Differenzierungen im gegebenen Zusammenhang zulässig sind, wenn sie auf Basis verfassungsrechtlich unbedenklicher Bemessungsgrundlagen erfolgen, und dass keine Bedenken bestehen, die Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nach dem Ertragswert vorzusehen, wenn das Verfahren zu seiner Ermittlung sachgerecht ist (so bereits VfSlg 18.093/2007).

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass mit 1. Jänner 2014 eine Hauptfeststellung der Einheitswerte für land- und forstwirtschaftliches Vermögen erfolgte, womit die Bewertung auf aktualisierten Ertragswerten beruht. Diese zielt darauf ab, regional oder individuell unterschiedliche Wertentwicklungen zu berücksichtigen und Verzerrungen, die sich auf Grund veralteter Bemessungsgrundlagen ergaben, im Rahmen eines aktualisierten Ertragswertverfahrens zu beseitigen. Bedenken hinsichtlich des Verfahrens zur Ermittlung – sieht man von den im gegebenen Zusammenhang verfassungsrechtlich unbedenklichen Abweichungen von den Verkehrswerten ab – hat das antragstellende Gericht mit Hinweis auf VfSlg 18.093/2007 (S 315) auch nicht vorgebracht.

2.4.2.5. Dem Gesetzgeber kann schließlich auch nicht entgegengetreten werden, wenn er die Anwendung des Einheitswertes im Fall unentgeltlicher Erwerbe von Todes wegen an die Voraussetzung knüpft, dass die Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken an einen Empfänger erfolgt, der dem in §26a Abs1 Z1 GGG angeführten Personenkreis angehört. Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber die von Todes wegen erfolgende Übertragung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen im Familienverband begünstigt (VfSlg 19.701/2012).

2.4.3. Es begegnet somit keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber für den in §4 Abs2 Z2 GrEStG 1987 geregelten Fall einer Übertragung land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke durch Erbanfall vorsieht, dass die Grunderwerbsteuer nicht vom Grundstückswert, sondern vom Einheitswert zu bemessen ist, wenn die Übertragung an Angehörige iSd §26a Abs1 Z1 GGG erfolgt.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des §4 Abs2 Grunderwerbsteuergesetz 1987 idF BGBl I 163/2015 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Grunderwerbsteuer, Grundvermögen, Einheitsbewertung, Gebühr, VfGH / Gerichtsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:G334.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten