TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/15 I405 1438941-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56 Abs1
AsylG 2005 §56 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
AsylG-DV 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §55 Abs1a
FPG §60 Abs2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I405 1438941-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch RAe Dr. Vera WELD, Weihburggasse 4/40, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2021, Zl. 831399508-200197362, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text




Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 29.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Zuvor hatte er in Griechenland (am 04.04.2008), in der Schweiz (am 29.12.2008) sowie in Ungarn (am 18.09.2013) Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Aus diesem Grunde wurden Konsultationen nach der Dublin II-VO mit der Schweiz und mit Ungarn geführt. Mit Schreiben vom 08.10.2013 stimmte Ungarn dem Wiederaufnahmeersuchen ausdrücklich zu.

3.       Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.11.2013, Zl. 13 13.995 wurde der in Österreich gestellte Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde der BF aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und eine Zuständigkeit Ungarns für den Asylantrag des BF festgestellt.

4.       Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.12.2013, Zl. S2 438.941-1/2013/3E, als unbegründet abgewiesen.

5.       Am 13.05.2015 stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Nach Zulassung seines Verfahrens wurde mit Bescheid vom 25.06.2018, Zl. 831399508/150498974, der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) und wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

6.       Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2019, Zl. I415 1438941-2/14E, als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft.

7.       Mit Formularvordruck „Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ vom 20.20.2020 beantragte der BF die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

8.       Mit Verbesserungsauftrag vom selben Tag wurde der BF aufgefordert, seinen Antrag ausführlich schriftlich zu begründen sowie ein gültiges Reisedokument bzw. eine Geburtsurkunde vorzulegen. Der BF wurde zudem im Falle der Nichtvorlage eines solchen Dokuments auf die mögliche Stellung eines Antrags gem. § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV hingewiesen und im Sinne des § 58 Abs. 11 Z. 2 AsylG belehrt.

9.       Am 09.03.2020 langte über die rechtsfreundliche Vertretung des BF die entsprechende Antragsbegründung und ein Antrag gem. § 4 Abs. 1 Z 3 Asyl-DV auf Heilung der Nichtvorlage eines Reisepasses sowie diverse Beweismittel in Kopie bei der belangten Behörde ein.

10.      Mit angefochtenem Bescheid vom 29.04.2021 wies das BFA den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde gemäß 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Und schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Ziffer 6 und 8 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

11.      Mit Schriftsatz vom 28.05.2021 erhob die rechtsfreundliche Vertreterin des BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, worin Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung moniert wurden.

12.      Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2021 die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Nigeria, bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der Volksgruppe der Edo an. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.05.2015 einen (den ersten inhaltlichen) Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2019 rechtskräftig negativ abgewiesen wurde. Am 20.02.2020 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 AsylG.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA in Zusammenschau mit den bereits rechtskräftigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF in seinem Asylverfahren und im gegenständlichen Verfahren.

Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich lassen sich dem vorliegenden Verwaltungsakt, den bereits ergangenen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG:

3.1.    Rechtslage

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (siehe § 28 Abs. 4 VwGVG).

Gemäß § 56 Abs. 1 AsylG kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls 1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist, 2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und 3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vorliegen.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

Hinsichtlich der allgemeine Erteilungsvoraussetzungen normiert § 60. Abs. 2 AsylG Folgendes:

„(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1.- der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2.- der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3.- der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4.- durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.“

Gemäß § 8 Abs. 1 der AsylG-DV sind folgende Urkunden und Nachweise - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 leg. cit. - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen: 1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; 3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5; 4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde."

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls, 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder 3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war. Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber gemäß Abs. 2 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

3.2.    Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Der Beschwerde ist zunächst beizupflichten, dass nicht erkannt werden kann, wie die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass der BF die Erteilungsvoraussetzungen gem. § 56 Abs. 1 AsylG nicht erfülle bzw. er zwar die Voraussetzung der fünfjährigen Aufenthaltsdauer, jedoch nicht jene des dreijährigen rechtmäßigen Aufenthaltes erfülle. Entgegen dieser Ansicht erfüllt der BF auch die Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Aufenthaltes. So stellte er am 13.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.07.2019 rechtskräftig abgesprochen wurde. Damit weist der BF einen mehr als vierjährigen rechtmäßigen Aufenthalt gem. § 13 Abs. 1 AsylG im Bundesgebiet auf.

In Verkennung dieser Tatsache unterließ es die belangte Behörde in weiterer Folge sich mit den allgemeinen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 AsylG näher auseinanderzusetzen, was jedoch fallgegenständlich vorzunehmen gewesen wäre.

Des Weiteren unterlies es die belangte Behörde über den am 09.03.2020 gestellten Antrag des BF gem. § 4 Abs. 1 Z 3 Asyl-DV auf Heilung der Nichtvorlage eines Reisepasses abzusprechen, obwohl sie den BF mit Verbesserungsauftrag vom 20.02.2020 über die mögliche Stellung eines solchen Antrages und im Sinne des § 58 Abs. 11 Z. 2 AsylG belehrte.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich daher die belangte Behörde eingehend mit den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 AsylG auseinanderzusetzen haben und über den Antrag des BF gem. § 4 Abs. 1 Z 3 Asyl-DV abzusprechen haben.

Im vorliegenden Fall spiegelt der Akteninhalt für den erkennenden Richter sehr klar die Intention der belangten Behörde wieder, welche augenscheinlich mit gegenständlichem Bescheid in nicht zulässiger Weise die notwendige Ermittlungstätigkeit auf das erkennende Gericht zu überwälzen versucht.

Durch das mangelhaft geführte Ermittlungsverfahren hat die belangte Behörde die Vornahme weiterer Ermittlungen bzw. überhaupt die Durchführung des fremdenrechtlichen Verfahrens auf das Bundesverwaltungsgericht verlagert, weshalb im Einklang mit dem Erkenntnisses des VwGH zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, Zlen. Ro 2014/03/0063 und Ra 2014/08/0005, der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - nicht im Sinne des Gesetzes liegen, weshalb eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die belangte Behörde wird daher die notwendigen Ermittlungen vornehmen müssen und einen neuen Bescheid zu erlassen haben, in dessen Begründung sie darlegt, auf Grund welchen Sachverhalts sie zu der den Spruch tragenden rechtlichen Beurteilung gekommen ist. Nur auf diese Weise wird die im Beschwerdefall folgende verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Bescheids möglich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG ist (nur) bei Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, weshalb die darauf aufbauenden Absprüche nach § 52 Abs. 9 FPG, § 53 FPG, § 55 FPG sowie § 18 Abs. 2 BFA-VG infolge der Aufhebung des Spruchpunktes betreffend die Antragsabweisung ebenfalls keinen Bestand haben konnten.


4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 zweiter Teil VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Ermittlungspflicht Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren Mängelheilung mangelnde Sachverhaltsfeststellung Mittellosigkeit Reisedokument Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung behoben Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I405.1438941.3.00

Im RIS seit

21.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten