TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/23 W285 2188294-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2021
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Entscheidungsdatum

23.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55

Spruch


W285 2188292-1/32E

W285 2188294-1/32E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) der XXXX , geboren am XXXX , und 2.) des XXXX , geboren am XXXX , beide Staatsangehörigkeit: Kosovo und vertreten durch Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2018, Zahlen: 1.) 92119501-171328150 und 2.) 92119403-171328460, betreffend die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.10.2020, zu Recht:

A) Den Beschwerden wird insoweit stattgegeben, als jeweils Spruchpunkt VII. (Einreiseverbot) aufgehoben wird und gemäß § 55 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt wird. Im Übrigen werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer reisten illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 27.11.2017 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005. Am 28.11.2017 wurden die Beschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Am 11.12.2017 wurden die Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich , niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, jeweils vom 14.01.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 27.11.2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (jeweils Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (jeweils Spruchpunkt II.) abgewiesen, den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Kosovo gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), es wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und festgestellt, dass den Beschwerdeführern gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 angeordnet worden sei, ab 06.12.2017 in einer näher bezeichneten Grundversorgungseinrichtung Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII).

Mit jeweils am 21.02.2018 beim Bundesamt einlangenden Schriftsätzen der damals bevollmächtigten Rechtsvertretung der Beschwerdeführer vom 01.02.2018 erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die sie betreffenden Bescheide des Bundesamtes. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge die angefochtenen Bescheide zur Gänze beheben und den Beschwerdeführern gemäß § 3 AsylG 2005 Asyl gewähren, in eventu diesen gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu feststellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 vorliegen würden, in eventu die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen, jedenfalls eine mündliche Verhandlung anberaumen, das auf die Dauer von fünf Jahren befristete Einreiseverbot beheben sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkennen.

Zugleich wurde ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen betreffend den Zweitbeschwerdeführer übermittelt, welchen sich entnehmen lässt, dass bei diesem aufgrund der Diagnose eines Kolonkarzinoms eine Behandlung eingeleitet worden sei.

Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt, sind am 07.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt und wurden zunächst der Gerichtsabteilung G307 zugewiesen. Infolge einer Unzuständigkeitsanzeige des Leiters der Gerichtsabteilung G303 aufgrund eines von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachten Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung gemäß § 20 AsylG 2005 erfolgte mit 16.03.2018 die Zuweisung an die Leiterin der Gerichtsabteilung G301 (nunmehr W285).

Mit Eingabe vom 15.03.2018 gab der nunmehr bevollmächtigte Rechtsvertreter seine Vollmacht bekannt und übermittelte zugleich ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen betreffend den Zweitbeschwerdeführer.

Mit Beschlüssen vom 20.03.2018 hat das Bundesverwaltungsgericht den gegenständlichen Beschwerden gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Eingaben vom 11.04.2019, vom 27.01.2020 sowie vom 16.10.2020 wurden durch den bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführer weitere ärztliche Unterlagen betreffend die Beschwerdeführer übermittelt

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.10.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführer, ihre gemeinsame Rechtsvertretung sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Albanisch teilnahmen. Der in Österreich lebende Sohn der Beschwerdeführer wurde als Zeuge vernommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte bereits im Vorfeld mit Schreiben vom 24.09.2020 mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung zu verzichten, jedoch ungeachtet dessen die Abweisung der Beschwerde zu beantragen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurden die Beschwerdeverfahren der Beschwerdeführer zur gemeinsamen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG verbunden.

Vom erkennenden Gericht wurden aktuelle Länderberichte zur Lage im Kosovo, insbesondere zu Behandlungsmöglichkeiten der bei den Beschwerdeführern vorliegenden Krankheiten, in das Verfahren eingebracht und den Parteien weiters die Möglichkeit eingeräumt, zu den nunmehr eingebrachten Unterlagen binnen drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Die mündliche Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.

Mit Eingabe vom 19.11.2020 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführer einen aktuellen Ambulanzbericht betreffend den Erstbeschwerdeführer und führte aus, den Inhalt der anlässlich der Beschwerdeverhandlung ins Verfahren eingeführten Länderberichte zur Kenntnis zu nehmen. Der Erstbeschwerdeführer benötige aufgrund seiner Krebserkrankung eine Fortführung der strukturierten Nachsorge, welche er im Kosovo aus derzeitiger Sicht nicht erhalten würde. Zudem bestehe ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich.

Mit Eingabe vom 04.12.2020 wurde durch den bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführer bekannt gegeben, dass der Sohn der Beschwerdeführer am 01.11.2020 über einen Messenger-Dienst eine gefährliche Drohung von einer ihm unbekannten Person erhalten hätte, welche seiner Einschätzung nach mit dem von den Beschwerdeführern als fluchtauslösend beschriebenen Vorfall im Jahr 2017 in Zusammenhang stehen könnte, und er diesbezüglich am 02.12.2020 eine Anzeige bei der Landespolizeidirektion XXXX erstattet hätte. Zugleich wurde eine Kopie der Niederschrift der polizeilichen Einvernahme des Sohnes an jenem Datum übermittelt.

Mit Parteiengehör vom 30.04.2021 wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit geboten, binnen zwei ab Zustellung des Schreibens eine ergänzende Stellungnahme zu den aktuellen persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer abzugeben.

Diesbezüglich teilte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführer mit schriftlicher Eingabe vom 18.05.2021 mit, dass die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer unverändert seien. Die Erstbeschwerdeführerin leide unter einer vergrößerten Schilddrüse, bezüglich derer am 19.05.2021 eine Operation stattfinden werde. Der Zweitbeschwerdeführer befinde sich nach wie vor in der fünfjährigen Nachsorge seiner Krebserkrankung in einem Landesklinikum.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch jeweils angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), sind Staatsangehörige des Kosovo, Angehörige der Volksgruppe der Roma und bekennen sich zum moslemischen Glauben. Ihre Muttersprache ist Albanisch. Laut eigenen Angaben sind die Beschwerdeführer seit rund 45 Jahren miteinander verheiratet (vgl. Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin vom 28.11.2017, AS 1 ff; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführer 28.11.2017, AS 1 ff; Einvernahme Erstbeschwerdeführerin BFA 11.12.2017, AS 133 f; Einvernahme Zweitbeschwerdeführer BFA 11.12.2017, AS 89 ff; Kopie kosovarischer Personalausweis Erstbeschwerdeführerin, AS 147; Kopie kosovarischer Personalausweis Zweitbeschwerdeführer, AS 221 ff; Niederschrift Beschwerdeverhandlung 29.10.2020, S. 3, 9).

Die Erstbeschwerdeführerin ist in XXXX (Gemeinde XXXX ) auf dem Gebiet des heutigen Kosovo geboren und dort aufgewachsen. Sie besuchte zwei Jahre eine Grundschule, hat in der Folge keine weitere Ausbildung absolviert und nie einen Beruf ausgeübt. Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin sind bereits verstorben. Vier ihrer Brüder leben mit ihren Familien im Herkunftsort der Erstbeschwerdeführerin im Kosovo, ein weiterer Bruder lebt in Frankreich, eine Schwester lebt mit ihrer Familie in der Schweiz sowie zwei weitere Schwestern in Deutschland.

Der Zweitbeschwerdeführer wurde in XXXX (Gemeinde XXXX ) auf dem Gebiet des heutigen Kosovo geboren. Er hat nie eine Schule besucht und ist Analphabet. Er war tageweise als Gelegenheitsarbeiter beschäftigt. Zuletzt bezog er eine Pension in Höhe von EUR 75,- im Monat. Die Eltern des Zweitbeschwerdeführers sind bereits verstorben. Dieser hat einen Bruder und eine Schwester, welche mit ihren Familien im Kosovo (Gemeinde XXXX ) leben. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben zwei volljährige Söhne und zwei volljährige Töchter, die mit ihren Familien in Deutschland leben sowie einen volljährigen Sohn, der mit seiner Familie in Österreich lebt.

Zuletzt lebten die Beschwerdeführer in einem Eigentumshaus im Dorf XXXX in der Gemeinde XXXX , auf einem vom Zweitbeschwerdeführer geerbten Grundstück. Das Haus steht laut Angaben der Beschwerdeführer nunmehr leer. Die Beschwerdeführer haben Kontakt zu ihren im Kosovo lebenden Verwandten, welche ihren Lebensunterhalt durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder Bezug einer Pension bestreiten.

(vgl. Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin 28.11.2017, AS 3 f; Einvernahme Erstbeschwerdeführerin BFA 11.12.2017, AS 135 f; Niederschrift Beschwerdeverhandlung 29.10.2020, S 9; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführer 28.11.2017, AS 3; Einvernahme Zweitbeschwerdeführer BFA 11.12.2017, AS 89; Niederschrift Beschwerdeverhandlung S 3).

Die Beschwerdeführer reisten zu einem nicht konkret feststellbaren Zeitpunkt etwa Mitte November 2017 vom Kosovo mit dem Bus nach Belgrad und von dort illegal per Auto-Stopp nach Österreich und stellten am 27.11.2017 Anträge auf internationalen Schutz. Seither halten sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf. Sie sind strafgerichtlich unbescholten (vgl. Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin 28.11.2017, AS 9; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführer 28.11.2017, AS 7; Einvernahme Zweitbeschwerdeführer BFA 11.12.2017, AS 89, Niederschrift Beschwerdeverhandlung 29.10.2020, S 5, 10; Auszüge aus dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister vom 29.10.2020).

Die Erstbeschwerdeführerin leidet an arterieller Hypertonie sowie an einer knotigen Vergrößerung der Schilddrüse (struma nodosa), sie wurde diesbezüglich am 19.05.2021 operiert. Zudem wurden bei dieser im Jahr 2019 eine mittelgradige depressive Episode mit Tendenz zur Somatisierung sowie Spannungskopfschmerzen diagnostiziert und sie befand sich von Mai 2019 bis Oktober 2019 in psychotherapeutischer Behandlung. Überdies wurde ein Impingementsyndrom links (Anm.: schmerzhafte Einklemmung von Sehnen oder Muskeln innerhalb eines Gelenks) diagnostiziert und diesbezüglich insbesondere eine physikalische Therapie empfohlen.

Sie nahm zuletzt eine Medikation mit Pramulex 15 mg (Anm.: Wirkstoff Escitalopram; Behandlung von Depressionen), Psychopax TR (bei Panik, innerer Anspannung), Esomeprazol stada 40 mg (Anm.: Wirkstoff aus der Gruppe der so genannten Protonenpumpenhemmer, diese bewirken, dass sich die von Ihrem Magen produzierte Säuremenge verringert), Candesarcomp 16mg (Anm.: Arzneimittel zur Behandlung von Bluthochdruck), Concor 5mg (Anm: Wirkstoff zur Senkung des Blutdrucks) sowie Thrombo ASS 100 mg (Anm.: Wirkstoff Acetylsalicylsäure) ein (vgl. insb. Entlassungsbrief vom 13.11.2019, Arztbrief vom 23.07.2019; Bestätigung einer Psychotherapeutin vom 30.10.2020, orthopädischer Befund vom 12.10.2020; Befunde eines Allgemeinmediziners vom 01.10.2020 und vom 07.12.2020).

Beim Zweitbeschwerdeführer wurde infolge seiner Einreise in das Bundesgebiet im Dezember 2017 ein Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs) diagnostiziert und er wurde diesbezüglich im Jänner 2018 operativ behandelt. In der Folge unterzog er sich rund drei Monate einer adjuvanten Chemotherapie. Nach durchgeführter Chemotherapie bestand weiterhin ein Rezidivrisiko von etwa 30% bis 40% bei initialem Tumorstadium 3. Der Zweitbeschwerdeführer nimmt viermal jährlich Kontrolltermine wahr. Die Fortführung der strukturierten Nachsorge ist über insgesamt fünf Jahre geplant, in der Folge werden regelmäßige Koloskopien erforderlich sein. In den bisher durchgeführten Nachsorgeuntersuchungen war der Zweitbeschwerdeführer tumorfrei und er befand sich zum Zeitpunkt der letzten Nachsorgeuntersuchungen jeweils im guten Allgemeinzustand. Zudem leidet der Zweitbeschwerdeführer an Koronarer Herzkrankheit und Hypertonie. Im Kosovo wurden ihm im Jahr 2013 zwei Stents eingesetzt, in Österreich nimmt er regelmäßig Kontrolltermine wahr. Der Zweitbeschwerdeführer litt zudem an Nierensteinen und wurde diesbezüglich im Dezember 2019 in Österreich operiert. Er nahm zuletzt eine Medikation mit Esomeprazol 40 mg, Metropocol Gen Tbl 50mg (Anm.: Betablocker), Rytmonorma Ftbl 150mg, Thrombo ASS Ftbl 100mg, Vastarel Ftbl 35mg sowie Zanipril Ftbl 20/10 mg ein (vgl. insbesondere Ambulanzbericht 05.11.2020; Stellungnahme zum Krankheitsverlauf 06.05.2021; Arztbriefe 14.11.2019 und 21.12.2019; Befund eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.07.2019; Niederschrift Beschwerdeverhandlung 29.10.2020, S 3 f).

Die Beschwerdeführer leiden jeweils an keiner schwerwiegenden Erkrankung im Endstadium, die im Kosovo keiner Behandlung zugänglich wäre. Diese haben nicht vorgebracht, dass ihnen eine notwendige Behandlung im Kosovo in der Vergangenheit verweigert oder (finanziell) nicht zugänglich gewesen wäre. Die Beschwerdeführer befanden sich zuletzt jeweils nicht in längerfristiger stationärer Behandlung, sie sind nicht pflegebedürftig und haben nicht konkret vorgebracht, dass sie aktuell eine Behandlung benötigen würden, welche ihnen im Fall einer Rückkehr in den Kosovo nicht zugänglich sein würde. Sie haben jeweils nicht begründet dargelegt, dass eine Rückkehr in den Heimatstaat für sie mit einer signifikant verkürzten Lebenserwartung oder intensivem Leiden einhergehen würde.

Die Beschwerdeführer hätten alternativ zu einer Rückkehr in ihren Heimatort die Möglichkeit, sich in einem städtischen Ballungsraum im Kosovo niederzulassen.

In Österreich leben der erwähnte volljährige Sohn der Beschwerdeführer, dessen Ehefrau und die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder. Zu diesen Verwandten besteht seitens der Beschwerdeführer weder ein spezielles Nahe- noch ein Abhängigkeitsverhältnis (vgl. etwa Niederschrift Beschwerdeverhandlung 29.10.2020, S. 8, 13 f).

Die Beschwerdeführer übten im Bundesgebiet keine sozialversicherte Erwerbstätigkeit aus und lebten während ihres gesamten Aufenthaltes von der Grundversorgung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer über maßgebliche Deutschkenntnisse verfügen oder einen Deutschkurs besucht bzw. erfolgreich abgeschlossen haben. Auch sonst konnten keine Anhaltspunkte für die Annahme einer tiefgreifenden Integration der Beschwerdeführer in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden (vgl. etwa GVS-Auszüge vom 29.06.2020).

Weder die Erstbeschwerdeführerin noch der Zweitbeschwerdeführer haben im Kosovo Probleme mit staatlichen Behörden, noch waren sie politisch aktiv. Sie wurden bisher nicht inhaftiert und hatten bisher auch weder aufgrund ihrer Volksgruppe oder Religionszugehörigkeit noch sonstige Probleme (vgl. etwa Einvernahme Erstbeschwerdeführerin BFA 11.12.2017, AS 137 ff; Einvernahme Zweitbeschwerdeführer BFA 11.12.2017, AS 90).

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Vorfeld der Ausreise aus dem Kosovo im Herbst 2017 Opfer eines Einbruchs in ihr Wohnhaus sowie körperlichen Übergriffen durch unbekannte Täter geworden sind. Die Beschwerdeführer unterliegen im Fall ihrer Rückkehr in den Kosovo keiner persönlichen Verfolgung oder sonstigen Bedrohung durch die erwähnten Täter.

Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer generellen Verfolgungsgefahr oder Bedrohung von staatlicher Seite ausgesetzt sind.

Die Beschwerdeführer haben den Herkunftsstaat aufgrund der beim Zweitbeschwerdeführer im Jahr 2017 diagnostizierten Krebserkrankung und dem Wunsch nach einer qualitativ hochwertigen kostenfreien medizinischen Behandlung verlassen.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Kosovo:

Es wird festgestellt, dass der Kosovo seit 15.12.2010 aufgrund der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 als sicherer Herkunftsstaat gilt.

Zur allgemeinen Lage im Kosovo werden die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Kosovo vom 16.06.2020, das Faktenblatt Kosovo – Behandlungsmöglichkeiten von Krebs; Staatssekretariat für Migration, Schweizerische Eidgenossenschaft vom 17.07.2015, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 19.12.2019 zur Behandelbarkeit von Arterieller Verschlusskrankheit; Lungenarterienembolie; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.10.2019 zur Behandelbarkeit von Bluthochdruck, Nierenschwächen und Medikamenten sowie das Informationsblatt für Rückkehrer von IOM (2019) als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

Daraus ergibt sich:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Lage im Kosovo vom 16.06.2020 ergibt sich:

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 16.06.2020

Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenen Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).

Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020).

Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).

In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).

Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die gesetzgebende Gewalt wird vom kosovarischen Parlament ausgeübt, die exekutive Gewalt von der Regierung (Premierminister, Minister) und die richterliche Gewalt von den Gerichten, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, der höchsten richterlichen Behörde, und des Verfassungsgerichts. Die Exekutive hat sich jedoch wiederholt (informell) in die Arbeit von Legislative und Judikative eingemischt und das Parlament wurde immer wieder dafür kritisiert, dass es sein verfassungsmäßiges Mandat zur Kontrolle der Regierung nicht ausübt. Die parlamentarischen Ausschüsse in der Versammlung wurden von der Exekutive ignoriert, wodurch ihre parlamentarische Kontrollfunktion wesentlich geschmälert wurde. Die Kontrolle und Ausgewogenheit der demokratisch gewählten Institutionen ist zwar formell festgelegt, in der Realität jedoch schwach und ineffizient (BS 2020).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber diese Unabhängigkeit wird nach wie vor durch politische Autoritäten und ein hohes Maß an Korruption beeinträchtigt. EULEX und seine kosovarischen Pendants haben einige Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeit, Rechenschaftspflicht, Freiheit von politischer Einmischung und Multiethnizität, einschließlich der Einhaltung europäischer Best Practices und internationaler Standards, erzielt. Dennoch hat eine 2016 durchgeführte Umfrage über die Wahrnehmung des Justizsystems durch die Bürger ergeben, dass nur 12,3% die Gerichte für unabhängig hielten, während 61,2% der Ansicht waren, dass Personen mit politischen Verbindungen weniger wahrscheinlich bestraft würden. 50,5% meinten, dass Justizbeamte Bestechungsgelder erhielten oder verlangten und nur 36% konnten jüngste Verbesserungen im Justizsystem feststellen, während 24,4% davon überzeugt waren, dass keine Verbesserungen erzielt wurden (BS 2020).

Die Effizienz bei der Fallbearbeitung hat sich verbessert, aber es gibt immer noch einen beachtlichen Rückstau an offenen Fällen. Ein Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte ist zwar vorhanden, aber ineffizient. Eine unabhängige staatliche Rechtshilfekommission stellt kostenlose Rechtshilfe für Personen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung; diese ist jedoch nicht adäquat finanziert und funktioniert nicht wie vorgesehen. Bei Verletzung der Prozessrechte können sich Geschädigte an den Verfassungsgerichtshof wenden (USDOS 11.3.2020).

Die Verfahren werden nicht immer ordnungsgemäß abgewickelt. Nach Angaben der Europäischen Kommission, der NGOs und der Institution der Ombudsperson ist die Justizverwaltung langsam und es fehlen die Mittel, um die Rechenschaftspflicht der Justizbeamten zu gewährleisten. Die Justizstrukturen sind politischer Einflussnahme ausgesetzt, mit umstrittenen Ernennungen und unklaren Mandaten (USDOS 11.3.2020). Die lokale Rechtsprechung sieht sich Einflüssen von außen, v.a. seitens der Exekutive, ausgesetzt und sorgt nicht immer für faire Prozesse (FH 4.2.2019).

Im Laufe des Jahres 2019 förderte das Justizministerium Änderungen eines Gesetzes von 2010 über die disziplinarische Verantwortung von Richtern und Staatsanwälten, mit denen die Unparteilichkeit des kosovarischen Justizwesens erreicht werden sollte (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus wurden Register zur Erfassung von Beschwerden gegen Richter auf Ebene der Gerichte und des KJC, des „kosovarischen Justizrates“, fertiggestellt und allen Gerichten zur Überprüfung übergeben. Im Einklang mit der Disziplinarordnung wählte die KJC 70 von den Gerichtspräsidenten empfohlene Richter für die Mitgliedschaft in Gremien aus, die für die Untersuchung von Disziplinarbeschwerden zuständig sind. Ihr Mandat ist gestaffelt, um Kontinuität zu gewährleisten: 25 Richter wurden nach dem Zufallsprinzip für eine Amtszeit von einem Jahr, 23 für eine zweijährige und 22 für eine dreijährige Amtszeit ausgewählt. Jährlich sollen neue Mitglieder ausgewählt werden, um eine volle Besetzung von 70 zu gewährleisten. Seit Inkrafttreten des neuen Disziplinarverfahrens sind bei den Gerichtspräsidenten als den zuständigen Behörden 75 Beschwerden gegen Richter eingegangen; der kosovarische Justizrat setzte ein entsprechendes Untersuchungsgremium ein (USDOS 11.3.2020).

Manchmal versäumen es die Behörden, gerichtlichen Anordnungen u.a. auch des Verfassungsgerichts nachzukommen, insbesondere wenn die Urteile Minderheiten begünstigen, wie in zahlreichen Fällen der Rückgabe von Eigentum an Kosovo-Serben. Keiner der Beamten, die 2019 an der Nichtumsetzung von Gerichtsbeschlüssen beteiligt waren, wurde sanktioniert (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz sieht faire und unparteiische Verfahren vor und trotz gravierender Mängel im Justizsystem wie etwa politischer Einmischung, wird das Recht im Allgemeinen umgesetzt. Die Prozesse sind öffentlich, die Angeklagten haben ein Recht auf die Unschuldsvermutung, auf unverzügliche Information über die gegen sie erhobenen Anklagen und auf ein faires, öffentliches Verfahren, bei dem sie sich in ihrer Muttersprache an das Gericht wenden können. Sie haben das Recht, zu schweigen oder sich der Aussage zu entschlagen, Beweise einzusehen, einen eigenen Rechtsbeistand zu haben und gegen Urteile zu berufen. Das Kosovo wendet keine Geschworenenprozesse an (USDOS 11.3.2020).

Die 'Free Legal Aid Agency' (FLAA) ist von der Regierung beauftragt, Personen mit niedrigem Einkommen kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren und führt entsprechende Kampagnen durch, die sich an benachteiligte und marginalisierte Gemeinschaften richteten. Im Mai 2019 finanzierten die Vereinten Nationen das Zentrum für Rechtshilfe, welches über NGOs Frauen kostenlosen Rechtsbeistand in Fällen wie der Überprüfung von Eigentumsrechten, Klagen wegen sexueller Gewalt und Rentenansprüchen aus Serbien garantiert (USDOS 11.3.2020).

Kosovo befindet sich in einem Frühstadium in Bezug auf die Anwendung des aquis communautaire und europäischer Standards im Justizbereich. Ein gewisses Ausmaß an Fortschritt wurde erreicht, unter anderem bei der Untersuchung hochrangiger Korruptionsfälle. Korruption ist dennoch weit verbreitet und bleibt ein problematischer Themenbereich. Die Verabschiedung verschiedener Rechtsdokumente im Bereich Korruptionsbekämpfung stellt einen wichtigen Schritt dar, wesentlich ist nun die konsequente Umsetzung (EC 29.5.2019).

Am 8.6.2018 hat der Rat beschlossen, das Mandat der Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, EULEX Kosovo, neu auszurichten. Die Mission hatte seit ihrer Einrichtung vor 10 Jahren zwei operative Ziele: das Ziel der Beobachtung, Anleitung und Beratung durch Unterstützung der Rechtsstaatlichkeitsinstitutionen des Kosovo und des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina und zweitens ein exekutives Ziel, nämlich die Unterstützung verfassungs- und zivilrechtlicher gerichtlicher Entscheidungen sowie strafrechtlicher Ermittlungen und gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Strafsachen. Mit dem Beschluss wird der justizielle exekutive Teil des Mandats der Mission beendet und das Kosovo nimmt nun die Verantwortung für alle übertragenen Ermittlungen, Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren wahr. Seit dem 14.6.2018 konzentrierte sich EULEX darauf, ausgewählte Fälle und Gerichtsverfahren in den Straf- und Zivilrechtsinstitutionen des Kosovos zu beobachten, den Justizvollzugsdienst des Kosovos zu beobachten, anzuleiten und zu beraten und die operative Unterstützung für die Umsetzung der von der EU geförderten Dialogvereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo fortzusetzen. Der Ratsbeschluss sieht vor, dass das überarbeitete Mandat bis zum 14.6.2020 gilt (REU 8.6.2018).

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Polizei (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften (EU-Rechtstaatlichkeitsmission, Anm.) und den KFOR-Truppen (mit 3.500 Soldaten) (AA 21.3.2019).

Als eine ihrer Operationslinien unterstützt die KFOR Aufbau und Training der multiethnischen und zivil kontrollierten, leicht bewaffneten Sicherheitskräfte „Kosovo Security Force“ (KSF), die nach dem bisherigen Gesetzesrahmen nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten hatten. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Das am 14.12.2018 mit überwältigender parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Gesetzespaket zur Transition in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte unterwirft die KSF einem 10-jährigen Übergangsprozess, an dessen Ende ca. 5.000 leicht bewaffnete Defensivkräfte stehen sollen. Die kosovarische Regierung hat der NATO gegenüber schriftlich die volle Transparenz des Prozesses, die Bewahrung des multiethnischen Charakters der KSF sowie das Festhalten an den Bedingungen von UNSCR 1244 und dem KFOR-Mandat bekundet (AA 21.3.2019).

Die Polizei (Kosovo Police, KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen. Der Frauenanteil in der KP beträgt 14%; der Anteil der Angehörigen von Minderheiten liegt bei 16%. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig (AA 21.3.2019). Weiterhin sollen die Polizeistrukturen im Kosovo vereinheitlicht und Mitglieder serbischer Sicherheitskräfte in die kosovarische Polizei integriert werden. Die Polizeikräfte im serbischen Norden sollen die Bevölkerungsverhältnisse widerspiegeln und unter Führung eines kosovo-serbischen Regionalkommandanten stehen (GIZ 3.2020a). Es gibt 436 Polizeibeamte (Angehörige der KP) pro 100.000 Einwohner. Dies übertrifft den EU-Durchschnitt, der sich im Jahr 2016 gemäß Eurostat auf 318 Beamte belief. Die Polizei ist relativ gut ausgebildet und ausgerüstet. Sie verfügt über moderne IT-Infrastruktur. Die „Kosovo Academy for Public Safety“ gewährleistet eine gute Ausbildung für Polizeibeamte und andere Angehörige des Sicherheitsapparats (Zollbeamte, Beamte des Strafvollzugs) sowohl im Bereich der Grundausbildung als auch im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung. Die Kapazität der Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist gut, jedoch unterliegt die Polizei immer noch Korruption und politischem Druck (EC 29.5.2019).

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 16.06.2020

Das Verbot der Folter sowie der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe wird im Artikel 27 der kosovarischen Verfassung verankert. Artikel 199 des Strafgesetzbuches kriminalisiert Folter in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen (AA 21.3.2019). Die Gesetze werden aber uneinheitlich umgesetzt und es gab anhaltende Vorwürfe, dass Gefangene von der Polizei und in geringerem Maße auch vom Personal des Strafvollzugsdienstes gefoltert und misshandelt wurden (UDOS 11.3.2020). Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nahm in seinem letzten Bericht über den Besuch in Serbien und Kosovo mit großer Besorgnis zahlreiche Anschuldigungen wegen Folter und Misshandlungen durch die Polizei zur Kenntnis (AA 21.3.2019; vgl. UN 25.1.2019). In erwähntem Papier wird über Misshandlungen von Gefangenen sowie verbale und psychologische Drohungen berichtet. Auch besteht ein Mangel an Aufsicht in der Untersuchungs- und Verhörphase der Inhaftierung, was angeblich zu erzwungenen Geständnissen führt (USDOS 11.3.2020).

Die Ombudsperson des Kosovo (KOI) verfügt in ihrer Eigenschaft als Nationaler Präventionsmechanismus gegen Folter (National Preventive Mechanism against Torture – NPMT) über sieben Mitarbeiter. Darunter sind ein Arzt, ein Psychiater, ein Sozialarbeiter und zwei Anwälte, die sich hauptberuflich mit der Verhütung von Folter befassen. Im Jahr 2018 unterzog sich der NPMT einem intensiven vom Europarat finanzierten Schulungsprogramm, um seine Kapazitäten zu verbessern. Auch führte er in Gefängnissen, Haftanstalten, psychiatrischen Einrichtungen und Polizeistationen Inspektionen durch. Gefangene und Inhaftierte können den NPMT über Rechtsanwälte, Familienangehörige, internationale Organisationen, direkte Telefonanrufe oder über Briefkästen in Haftanstalten, die nur für Mitarbeiter der KOI zugänglich sind, kontaktieren. Die KOI berichtete zwar über Beschwerden gegen die Polizei und den Strafvollzugsdienst; darunter Vorwürfe der körperlichen Misshandlung von Gefangenen, aber keine Folterhandlungen (USDOS 11.3.2020).

Das Kosovo-Rehabilitationszentrum für Folteropfer (KRCT), die führende NGO des Landes in Fragen der Folter, gab ebenfalls an, im Laufe des Jahres keine glaubwürdigen Berichte über Folterungen erhalten zu haben, obwohl die Misshandlung von Gefangenen nach wie vor ein Problem darstellt (USDOS 11.3.2020).

Korruption

Letzte Änderung: 16.06.2020

Laut Gesetz steht Korruption von Beamten unter Strafe, aber die Regierung setzt diese Vorgaben nicht effektiv um. Korruption bei Beamten bleibt gelegentlich ungesühnt. Das Fehlen einer wirksamen Justizaufsicht und eine allgemeine Schwäche der Rechtsstaatlichkeit tragen zu diesem Problem bei. Gegen Korruptionsfälle wird routinemäßig wiederholt Berufung eingelegt, und das Justizsystem lässt oft Verjährungsfristen auslaufen, ohne die Fälle vor Gericht zu bringen. Die Antikorruptionsbehörde (ACA) und das Nationale Rechnungsprüfungsamt tragen gemeinsam die Verantwortung für die Bekämpfung staatlicher Korruption. Verurteilungen wegen Korruptionsvorwürfen machen weiterhin nur einen geringen Teil der untersuchten und angeklagten Fälle aus. NGOs berichten, dass Anklageerhebungen oft fehlschlagen, weil Staatsanwälte falsche Anklagen erheben oder Verfahrensfehler machen (USDOS 11.3.2020).

Die institutionellen Rahmenbedingungen zur Korruptionsbekämpfung sind schwach. Die Zuständigkeitsbereiche der vier primären Korruptionsbekämpfungsbehörden überlappen sich, was eine effiziente Koordinierung der Bemühungen erschwert. Die Behörden zeigen nur wenig Anstrengung, hochrangige Korruptionsfälle zu untersuchen, und wenn hochrangige Beamte doch verfolgt werden, so kommt es selten zu Verurteilungen. Ende 2018 waren vier Minister, denen Korruption bzw. Interessenskonflikte vorgeworfen wurden, trotz entsprechender Anklagen weiterhin im Amt. Staatsanwälte und Gerichte sind nach wie vor anfällig für politische Einmischung und Korruption durch mächtige politische und geschäftliche Eliten, wodurch ordnungsgemäße Verfahren untergraben werden (FH 4.2.2019). Auch die Ergebnisse der EULEX-Anti-Korruptionsbemühungen waren minimal. Besonders hochrangige Korruptionsfälle wurden nicht einmal untersucht, was einen weit verbreiteten Eindruck der Straflosigkeit hervorrief. Es schien, als sollte wichtigen Persönlichkeiten der politischen Elite des Kosovo eine Untersuchung oder gar ein Gerichtsverfahren erspart bleiben, im höheren Interesse der Aufrechterhaltung des kosovarischen Staatsbildungsprojekts (BS 2020).

Zentrale Bereiche der Korruption sind neben dem Gesundheits- und Bildungswesen die Justiz, in der es regelmäßig zu politischer Einflussnahme kommt, außerdem die öffentliche Verwaltung, in der Nepotismus, Beschäftigung nach Parteibuch wie die Manipulation öffentlicher Ausschreibungsverfahren weit verbreitet sind. Politische Korruption, etwa bei der Besetzung von Aufsichtsräten herrscht auch bei öffentlichen Unternehmen vor. Die kosovarische Presse berichtet regelmäßig von Korruptionsskandalen, in die hochkarätige Partei- oder Regierungsvertreter verwickelt sein sollen. Zur Anklage kommt bisher jedoch nur ein kleiner Teil davon und zu Verurteilungen kommt es ganz selten. So wurde der frühere Minister Fatmir Limaj diverse Male, unter anderem von EULEX-Richtern, wegen Korruption angeklagt, zu einer Verurteilung kam es nie. Auch sein Bruder, Florim Limaj, der im Innenministerium mit der Bekämpfung von Korruption betraut war, wurde wegen Korruption angeklagt. Ähnlich gelagert war der Fall des Staatsanwalts Nazim Mustafi. Der mit der Bekämpfung von Korruption beauftragte Staatsanwalt wurde 2013 von einem EULEX-Gericht selbst zu fünf Jahren Haft verurteilt - wegen Bestechlichkeit. Nicht nur lokalen Richtern, Staatsanwälten und Polizei fehlt die politische Unabhängigkeit zur Verfolgung politisch sensibler Korruptionsfälle – selbst die EU-Rechtsstaatsmission EULEX erwies sich als außerordentlich ineffizient, hochkarätige Fälle politischer Korruption abzuurteilen. 2017 wurden laut offiziellen Statistiken von den Staatsanwaltschaften im Kosovo knapp 1.800 Personen wegen Korruption angeklagt, 90% davon waren Behördenvertreter. 2015 wurde eine behördenübergreifende Task Force gegen politisch sensible Korruption und organisierte Kriminalität geschaffen. Bis einschließlich 2018 kamen allerdings lediglich 27 Fälle zur Anklage, ganze 9 Personen wurden verurteilt. Nicht zuletzt wegen der ineffizienten Korruptionsbekämpfung haben zwei Drittel der Bevölkerung im Kosovo kein Vertrauen in die Justiz bzw. den Rechtsstaat (GIZ 3.2020a).

Diese Auffassung vertritt auch der Direktor der albanischen Antikorruptionsbehörde, Shaip Havolli und rief die Justizbehörden auf, keine Angst zu haben, auch hochrangige Personen wegen Korruption anzuklagen. Er betonte, dass niedrige Strafen und Freilassungen ein negatives Signal für die Entwicklung des Kosovo und seine Integration in die internationalen Strukturen seien (CoE o.D.a; vgl. Telegrafi 25.5.2019). Das Kosovo Law Institute beklagte 2019, dass das Ausmaß der Nichtbestrafung von Korruption als besorgniserregend. Die Korruption auf hoher Ebene bleibe ein ernstes Problem. Der britische Botschafter im Kosovo zeigte sich beunruhigt, dass trotz aller Investitionen der internationalen Gemeinschaft ein hoher Prozentsatz von in Korruption verwickelten hohen Beamten nicht bestraft wird (CoE o.D.b).

Transparency International listet den Kosovo in seinem „Corruption Perceptions Index“ 2019 auf Platz 101 von insgesamt 180 bewerteten Staaten. Dies entspricht einer Verschlechterung um acht Plätze gegenüber 2018 (TI 1.2020; vgl. TI 30.1.2019). Im regionalen Vergleich zu seinen Nachbarländern liegt das Kosovo hinsichtlich des Ausmaßes an Korruption im Mittelfeld GIZ 3.2020a).

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 16.06.2020

Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Nach Art. 22 der Verfassung gelten viele internationale Menschenrechtsabkommen unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden im Kosovo zuständig ist, Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nachgeht und in einem Jahresbericht an das Parlament Empfehlungen für deren Behebung gibt. Im Juli 2015 hat das Parlament ein neues Gesetz zur Ombudsperson verabschiedet, das die Ombudsperson zum nationalen Präventionsmechanismus (NPM) ernannt und die Unabhängigkeit dieser Institution und ihre Rolle als unabhängiger Beobachter und Hüter der Grundrechte und Grundfreiheiten im Kosovo gestärkt hat (AA 21.3.2019).

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen garantieren den Schutz der Menschenrechte sowie der fundamentalen Rechte gemäß europäischen Standards. Es sind jedoch weitere Anstrengungen zur Durchsetzung nötig. Die Anwendung der menschenrechtlichen Gesetzgebung und Strategien wird oft durch unzureichende finanzielle Mittel oder Mangel an anderen Ressourcen, durch fehlende politische Priorisierung und schlechte Koordination unterminiert. Die existierenden Mechanismen zur Koordination und Implementierung von Menschenrechten sind ineffizient. Es besteht eine starke Abhängigkeit von ausländischen Gebern (EC 25.2.2019).

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die Republik Kosovo ist gemäß Verfassung ein säkularer Staat (AA 21.3.2019; vgl. GIZ 3.2020b) und verhält sich in religiösen Angelegenheiten neutral. Religionsfreiheit wird nach Art. 38 der Verfassung garantiert. Einschränkungen der Religionsfreiheit sind nicht bekannt. Weder Apostasie oder Konversion noch Mission stehen unter Strafe (AA 21.3.2019). Weiters verbietet die Verfassung jegliche Diskriminierung aufgrund der Religion (USDOS 21.6.2019).

Das Gesetz erlaubt es religiösen Gruppen nicht, sich als juristische Personen registrieren zu lassen, was ihnen bei der Führung ihrer Geschäfte Steine in den Weg legt. Während religiöse Gruppen angeben, dass sie im Allgemeinen kooperative Beziehungen zu den Kommunalverwaltungen unterhalten, erklären einige Gruppen, dass die Kommunalverwaltungen religiöse Organisationen in Eigentumsfragen, einschließlich Baugenehmigungen, nicht gleich behandeln. Vertreter der Serbisch-Orthodoxen Kirche (SOC) sagten, die Regierung habe deren Eigentumsrechte verletzt, unter anderem durch die Weigerung, Gerichtsentscheidungen zugunsten der SOC umzusetzen oder Bautätigkeiten in besonderen Schutzzonen auszusetzen (USDOS 21.6.2019).

Religiöse Gruppen

Letzte Änderung: 16.06.2020

Über 95% der kosovarischen Bevölkerung (Albaner, Gorani, Türken, Bosniaken sowie ein Teil der Roma, Ägypter und Ashkali) bekennen sich zum islamischen Glauben (GIZ 3.2020b), wobei die Mehrheit der Muslime der hanafi-sunnitischen Schule angehört. Auch Derwisch-Orden wie eine Sufi-Tarikat- und eine Sufi-Bektashi-Gemeinschaft bestehen, jeweils mit einer geringen Zahl an Anhängern (USDOS 21.6.2019). Schätzungsweise etwa 2% der albanischen Kosovaren bekennen sich zum römisch-katholischen Glauben. Die katholische Gemeinde erfährt in jüngster Zeit zunehmende Popularität und konzentriert sich auf die größeren Städte Djakova, Peja und Prizren, laut USDOS auch auf Janjevo, Klina und Pristina. Die serbische Bevölkerung gehört in der überwiegenden Mehrzahl der Serbisch-Orthodoxen Kirche an (ca. 100.000 Mitglieder). Es gibt kleine jüdische Gemeinden in Prizren und Pristina. Die Anzahl von Personen jüdischen Glaubens beläuft sich auf weniger als 100 Personen (GIZ 3.2020b; AA 21.3.2019; vgl. USDOS 21.6.2019). Die evangelisch-protestantische Bevölkerung ist über das ganze Land verteilt und konzentriert sich in Pristina und Gjakove/Djakovica (USDOS 21.6.2019).

Allenthalben kam es in den vergangenen Jahren zu religiös motivierten Konflikten. Polizeiberichten zufolge griffen Demonstranten serbisch-orthodoxe Pilger an und verhinderten die Abhaltung von Gottesdiensten in Gjakove/Djakovica und Istog/Istok. Auch protestierten ethnische Albaner vor der örtlichen serbisch-orthodoxen Kirche in Gjakove/Djakovica gegen geplante Pilgerfahrten (USDOS 21.6.2019).

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die Bevölkerung Kosovos setzt sich wie folgt zusammen: Albaner (92.9%), Bosniaken (1.6%), Serben (1.5%), Türken (1.1%), Ashkali (0.9%), Ägypter (0.7%), Gorani (0.6%), Roma (0.5%) und andere (0.2%). Diese Schätzungen beruhen auf dem Zensus von 2011, der den stark von Serben bewohnten nördlichen Kosovo nicht mit einschloss und überdies teilweise in den von Serben und Roma bewohnten Gemeinden im Süden boykottiert wurde (CIA 7.4.2020).

Offiziell als Minderheiten anerkannt sind die Roma/Ashkali/Ägypter (RAE), Serben, Bosniaken, Türken und Gorani (AA 21.3.2019; vgl. GIZ 3.2020b). Offizielle Sprachen sind Albanisch und Serbisch, auf kommunaler Ebene auch Türkisch, Bosnisch und Romanes. Diese Minderheiten genießen laut Verfassung weitreichende Rechte. 20 der 120 Parlamentssitze sind für die nicht-albanischen Minderheiten (Serben 10, Türken 2, Bosniaken 3, Gorani 1 und RAE 4) garantiert. Es bedarf bei der Verabschiedung wichtiger Gesetze nicht nur der Mehrheit aller Abgeordneten, sondern getrennt davon auch der Mehrheit der Abgeordneten, die Minderheiten vertreten. Die Bestimmungen des Ahtisaari-Pakets (seit September 2012 Bestandteil der Verfassung) erlauben weitgehende Autonomie auf Kommunalebene, wovon vor allem die Serben und Türken mit „eigenen“ Gemeinden profitieren, in denen sie die Mehrheit stellen (AA 21.3.2019). Die Vertretung der ethnischen Minderheiten im Parlament ist im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung überproportional ausgeprägt; gleichzeitig kritisieren die politischen Vertreter der ethnischen Minderheiten, dass sie in wichtigen Fragen nicht konsultiert werden. Seit November 2018, als das Land Zölle auf Produkte aus Serbien und Bosnien und Herzegowina erhob, boykottieren die Parlamentarier der Srpska-Liste im Wesentlichen die Teilnahme an den Verfahren der Versammlung (USDOS 11.3.2020).

Die Verfassung des Kosovo beinhaltet ein vollständiges Kapitel, das den Rechten der Gemeinschaften und ihrer Mitglieder gewidmet ist Die Verfassung schützt und fördert die Rechte und Interessen der im Kosovo lebenden Gemeinschaften und ihrer Mitglieder. Sie stellt fest, dass das Kosovo eine multiethnische Gesellschaft ist, die aus albanischen und anderen Gemeinschaften besteht, die durch ihre legislativen, exekutiven und gerichtlichen Institutionen demokratisch und unter voller Achtung der Rechtsstaatlichkeit regiert wird, und garantiert allen ihren Bürgern volle und effektive Gleichheit. Die Verfassung definiert, dass die offiziellen Sprachen im Kosovo Albanisch und Serbisch sind. Türkisch, Bosnisch und die Sprachen der Roma können auf kommunaler Ebene den Status von Amtssprachen haben oder werden, wie gesetzlich vorgesehen, auf allen Ebenen offiziell verwendet (ECMIK o.D.a).

Hinweise auf intendierte staatliche Repressionen oder Menschenrechtsverletzungen aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit gibt es nicht. Die Einhaltung der im Anti-Diskriminierungsgesetz enthaltenen Diskriminierungsverbote wird durch das Büro des Menschenrechtskoordinators (Office of Good Governance) kontrolliert (AA 21.3.2019).

Die Teilhabe ethnischer Minderheiten an der Gesellschaft ist trotz grundrechtlicher Fundierung nur unzureichend gesichert und wird nicht ausreichend gefördert. Insbesondere die sogenannten RAE-Minderheiten (Roma, Ashkali, Egyptians) sind sozial stark marginalisiert. Die Exklusion auf den Arbeitsmärkten ist evident. RAE-Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen. Auch die Inanspruchnahme von Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen durch Minderheiten ist, mit der Ausnahme der serbischen Minderheit, unterdurchschnittlich (GIZ 3.2020b).

In Orten mit einem hohen Minderheitenanteil werden auch die entsprechenden Minderheitensprachen in den Grundschulen unterrichtet (Serbisch, Türkisch, vereinzelt Romani) (AA 30.4.2019).

Ein wichtiger Akteur zum Thema Minderheiten ist die NGO „European Center for Minority Issues Kosovo“ (ECMIK), die umfassende Informationen zur aktuellen Situation der verschiedenen Minderheiten im Kosovo inklusive Populationsgrößen, Altersstruktur, Kultur, Religion, Ausbildung, Sprache, politischer Vertretung etc. zur Verfügung stellt (ECMIK o.D.b).

Roma, Ashkali und Ägypter (RAE)

Letzte Änderung: 16.06.2020

Trotz gewisser Verbesserungen haben Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter weiterhin Schwierigkeiten, an persönliche Dokumente zu gelangen, was ihre Möglichkeiten des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen und Bildung beeinträchtigt. Es wurden keine konkreten Fortschritte bei der Integration der Gemeinschaften der Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter gemeldet (HRW 14.1.2020; vgl GIZ 9.2018a). Ein mangelhafter Zugang zu grundlegender Hygiene, medizinischer Versorgung und Bildung macht diese Minderheiten stark von humanitärer Hilfe abhängig.

Obwohl das Gesetz vorschreibt, dass 10% der Beschäftigten auf der nationalen Regierungsebene ethnischen Minderheiten angehören müssen, blieb insbesondere die Vertretung kleinerer Gemeinschaften wie der Gorani, Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter begrenzt und im Allgemeinen auf Positionen der unteren Ebenen beschränkt (USDOS 11.3.2020).

Die Teilhabe ethnischer Minderheiten an der Gesellschaft ist trotz grundrechtlicher Fundierung nur unzureichend gesichert und wird nicht ausreichend gefördert. Insbesondere die RAE-Minderheiten sind sozial stark marginalisiert. Die Exklusion auf den Arbeitsmärkten ist evident. RAE-Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen. Auch die Inanspruchnahme von Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen durch Minderheiten ist unterdurchschnittlich. Die skizzierten Probleme werden dadurch verschärft, dass tausende in Westeuropa asylsuchende Angehörige kosovarischer Minderheiten in den letzten Jahren in den Kosovo abgeschoben wurden (GIZ 9.2018b).

Berichte über gezielte staatliche Diskriminierungen von ethnischen Roma, Ashkali und Ägyptern liegen nicht vor. Die Regierung des Kosovo tritt für Toleranz und Respekt gegenüber den RAE ein. Sie hat mit der "Strategy for the Integration of Roma, Ashkali and Egyptian Communities in the Republic of Kosovo 2009-2015" Nachteile für Angehörige der RAE-Gemeinschaften u.a. beim Zugang zu Personenstandsdokumenten, Wohnraum, Arbeit, staatlichen Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung und Bildung identifiziert, aber die Maßnahmen im Aktionsplan nur zum Teil umgesetzt. Auf dieser Grundlage wurde im Dezember 2015 die Konzeption des „neuen“ Strategie- und Aktionsplanes für den Zeitraum von 2016-2020 entwickelt. Hierbei wirkten Vertreter der Roma, Ashkali und Ägypter, der Nichtregierungsorganisationen, Parlamentsabgeordnete und Vertreter aller kosovarischen Kommunen mit. Die vier Schwerpunkte sind Bildung, Arbeit und soziale Wohlfahrt, Gesundheitsversorgung und Unterbringung. Unmittelbar vor der Annahme dieses Strategie- und Aktionsplans durch die Regierung wurde die Minderheit der Ägypter – dem Vernehmen nach auf deren Wunsch - aus der Maßnahme herausgelöst; Vertreter der Ägypter führen seit geraumer Zeit an, ihre Gemeinschaft habe keine Integrationsprobleme wie Angehörige der Roma oder Ashkali, konsequenterweise wollten die Ägypter nicht in RAE-Fördermaßnahmen eingebunden werden (AA 21.3.2019).

Die Lebensbedingungen der RAE-Angehörigen in ihren Wohngebieten am Rand der Städte sind oftmals von großer wirtschaftlicher Not geprägt. Viele Familien können ihren Lebensunterhalt nicht allein bestreiten. Meist helfen im Ausland lebende Verwandte mit Geldüberweisungen. Die Lebensbedingungen der RAE in den ländlichen Gebieten sind oftmals vergleichbar mit denen der albanischen Bevölkerung. Zumindest in einigen Landesteilen berichten Familien kaum über schwerwiegende soziale oder wirtschaftliche Probleme oder Nachteile. Wegen der strengen Anspruchsvoraussetzungen scheitert die Gewährung staatlicher Leistungen in Form von Sozialhilfe oder Renten zumeist daran, dass formelle Erfordernisse nicht erfüllt werden. Von 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen, die im Jahr 2017 Sozialhilfe erhielten, sind 2.591 Familien bzw. 12.236 Personen Angehörige der RAE-Gemeinschaften. Diese Sozialhilfeleistung kann eine Person nur am Ort ihres gewöhnlichen Wohnsitzes beantragen und erhalten (AA 21.3.2019).

RAE haben wie jeder in Kosovo die Pflicht, sich in ihrer Herkunftsgemeinde registrieren zu lassen. Das „Civil Rights Program Kosovo“ (CRP/K), eine Nichtregierungsorganisation als ausführender Partner des UNHCR, bietet kostenlose Rechtsberatung und Unterstützung u.a. bei der Registrierung für Flüchtlinge und Angehörige von Minderheiten ohne Dokumente an. Auch weitere in Kosovo tätige Organisationen bemühen sich darum, insbesondere RAE-Angehörigen bei der Registrierung und der Dokumentenbeschaffung zu helfen. UNHCR gibt die Anzahl der RAE, die durch diese Organisation bei der Nachregistrierung unterstützt wurden, für 2018 mit etwas über 400 an (AA 21.3.2019).

Das von 2017 bis Ende 2020 laufende Programm „Romacted“ wird gemeinsam von EU und Europarat umgesetzt und soll u.a. die Beteiligung von Roma an lokalen Projekten und bei der Ausübung ihrer Grundrechte, bei der Erweiterung ihrer Fähigkeiten und bei der Vertretung ihrer Interessen auf Gemeindeebene unterstützen (CoE 01.2020).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts sind in Art. 22 und 24 der kosovarischen Verfassung verankert. Die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) ist unmittelbar anwendbar. Die Agentur für Gleichberechtigung im Büro des Ministerpräsidenten soll die Umsetzung der Gleichstellungsmaßnahmen steuern und überwachen. Im Familienrecht ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau durch das Gesetz für Gleichberechtigung der Geschlechter am 7.6.2004 in Kraft gesetzt worden. Nach Art. 6 dieses Gesetzes ist die Ombudsperson zuständig für Beschwerden mit Bezug auf geschlechtsspezifische Diskriminierungen. Beamte des Büros für die Einhaltung des Diskriminierungsverbots werden in jedem Ministerium und in jeder Kommunalverwaltung eingesetzt (AA 21.3.2019). Das gesetzliche Regelwerk bezüglich der Gleichstellung von Mann und Frau ist weitgehend im Einklang mit europäischen Standards (EC 29.5.2019).

Gleichwohl ist die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht durchgehend verwirklicht (AA 21.3.2019), auch wenn sich die gesellschaftliche, ökonomische und politische Position der Frauen langsam, aber stetig verbessert. Einen besonderen Schub bekam die Gleichberechtigung in der Politik mit der neuen Regierung im Februar 2020: erstmals waren 5 der insgesamt 15 Minister/innen Frauen, während Vjosa Osmani von der LDK als erste Frau zur Parlamentspräsidentin gewählt wurde (GIZ 3.2020b).

Frauen sind häufig geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierungen ausgesetzt (EC 29.5.2019). Häusliche Gewalt und sexuelle Belästigungen stellen ein verbreitetes Phänomen dar (GIZ 3.2020b). (Häusliche) Misshandlungen und sexuelle Gewalt sind verbreitet, werden aber gesellschaftlich tabuisiert und von den Betroffenen aus Angst vor Repressalien und fehlender sozialer Unterstützung durch Familie und Gesellschaft nur selten zur Anzeige gebracht. Soweit Fälle von Gewalt gegen Frauen überhaupt vor die kosovarischen Gerichte gelangen, dauern die Verfahren oft sehr lange. Die rechtliche Stellung betroffener Frauen wurde z.B. durch das Gesetz Law No.03/L –182 „On Protection against Domestic Violence“ sowie durch das Strafgesetzbuch verbessert. Daneben wurden Spezialeinheiten gegen Missbrauch und Misshandlungen in jeder größeren Polizeiwache sowie Anlaufstellen bei Gericht und bei Nichtregierungsorganisationen eingerichtet (AA 21.3.2019).

Trotzdem ist häusliche Gewalt im Kosovo nach wie vor ein Problem, da die Polizei nur unzureichend reagiert, es kaum zu strafrechtlicher Verfolgung kommt und die Richter weiterhin keine einstweiligen Verfügungen gegen missbrauchende Partner erlassen haben. Im April 2019 richteten die Behörden eine landesweit einheitliche Datenbank ein, die es ermöglicht, Fälle häuslicher Gewalt zu überwachen und strafrechtlich zu verfolgen. Das Verfassungsgericht entschied im Februar 2019, dass die Kosovo-Versammlung die Verfassung dahingehend ändern könne, dass sie die Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt und häuslicher Gewalt (auch als Istanbuler Konvention bekannt) anerkennt (HRW 14.1.2020).

Verteilt auf die kosovarischen Regionen bestehen derzeit in Pec/Peja, Gjakova/Djakovica, Prizren, Gjilan/Gnjilane, (Süd-)Mitrovica und Nord-Mitrovica sechs Frauenhäuser, die als "sichere Häuser" bezeichnet werden. Das Frauenhaus in Pristina musste im Sommer 2017 mangels einer ausreichenden Finanzierung schließen. Im April 2017 wurde eine Nationale Strategie zum Schutz vor häuslicher Gewalt vorgestellt. Im Mai 2017 wurde das Gesetz über die Entschädigung von Opfern von Straftaten dahingehend erweitert, dass auch Opfer von häuslicher Gewalt, Menschenhandel, Vergewaltigung und sexuellem Kindesmissbrauch erfasst werden. Allerdings gewähren die Behörden nur wenigen betroffenen Personen angemessenen Schutz. Frauen können in den Frauenhäusern bis zu einer Dauer von 6 Monaten untergebracht werden. In Ausnahmefällen ist eine Unterbringung auch länger möglich. Viele Frauen gehen aus Mangel an (wirtschaftlichen) Alternativen oft nach nur kurzer Aufenthaltsdauer zurück zu ihrem Ehepartner (AA 21.3.2019).

Sowohl in der Regierung als auch in den Gemeinden sind Frauen unterrepräsentiert. Die effektive Umsetzung des Gesetzes zur Geschlechtergleichstellung ist mangelhaft (EC 29.5.2019). Auch aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit innerhalb von Ehe und Familie sind Frauen gesellschaftlich schlechter gestellt als Männer. So sind z.B. nur bei 15% des Grundeigentums in Kosovo Frauen als Eigentümerinnen registriert. Die Partizipation von Frauen im Arbeitsmarkt liegt bei 35%, weniger als 10% der registrierten Unternehmen werden von Frauen geführt (AA 21.3.2019).

Kosovos patriarchalisch geprägte Gesellschaft ist gekennzeichnet von mannigfaltigen geschlechtsspezifischen Diskriminierungen, von denen der Zugang zu Beschäftigung und Bildung am augenscheinlichsten sind. Während die Beschäftigungsquote von Frauen deutlich niedriger ist als die der Männer, ist die Arbeitslosenrate unter Frauen deutlich höher. Aber auch soziale Gewohnheiten und Einstellungen hinsichtlich der Teilhabe am politischen Leben, Eigentum und/oder häusliche Gewalt sind als problematisch zu identifizieren. Frauen sind bei der Entscheidungsfindung in allen Bereichen und auf allen Ebenen in Parlamenten auf zentralstaatlicher wie kommunaler Ebene und in Ministerien deutlich unterrepräsentiert. In der Geschichte Kosovos war überhaupt erst eine Frau Bürgermeisterin. Ungefähr 80% der Personen, die Geldüberweisungen in den Kosovo tätigen, sind männlich und 90% der Personen, die diese Geldtransfers im Kosovo empfangen und verwalten, sind ebenfalls männlich (GIZ 3.2020b).

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 16.06.2020

Gesetzlich ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes vorgesehen, ebenso wie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung und die Regierung respektiert diese Rechte üblicherweise (USDOS 11.3.2020).

Alle Ethnien können sich im Kosovo grundsätzlich frei bewegen. Die Sicherheitskräfte bemühen sich um einen verstärkten Schutz für Minderheitengebiete und Enklaven. Angehörige von Minderheiten verlassen diese Gebiete – oftmals aufgrund eines subjektiv empfundenen Unsicherheitsgefühls und auch sprachlicher Barrieren – nur selten. Von der Freizügigkeit wird von Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern in jenen Gegenden, wo sich diese Gruppen in der Minderheit befinden, zum Teil kein Gebrauch gemacht. Ziele der Binnenmigration für Kosovo-Serben sind in der Regel mehrheitlich serbisch bewohnte Ortschaften (AA 9.12.2015).

Die Regierung betrachtet serbisch ausgestellte Personaldokume

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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