TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/31 W198 2241629-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.08.2021

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W198 2241629-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Wien, vom 25.08.2020,
GZ: XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 25.02.2021, GZ: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 17.04.2020 teilte die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Wien, (im Folgenden: ÖGK) XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX GmbH (im Folgenden: Beitragsschuldnerin) ein Rückstand aus den Beiträgen samt Nebengebühren in der Höhe von € 1.610,17 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen bestehen würde. Der Beschwerdeführer sei als Geschäftsführer Vertreter der Beitragsschuldnerin gewesen und hafte der Beschwerdeführer infolge schuldhafter Verletzung der ihm als Vertreter auferlegten Pflichten für diesen Rückstand. Da die Beiträge trotz Fälligkeit bisher nicht bezahlt worden seien, werde der Beschwerdeführer ersucht, den erwähnten Rückstand bis spätestens 30.05.2020 zu begleichen bzw. innerhalb dieser Frist alle Tatsachen vorzubringen, die seiner Ansicht nach gegen seine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sprechen würden.

2. In einem Schreiben des Beschwerdeführers an die belangte Behörde vom 27.04.2020 wurde ausgeführt, dass die Lohnverrechnung der Beitragsschuldnerin von einer zugelassenen Steuerberatungskanzlei aufbereitet und die Vorschreibung in weiterer Folge an die Beitragsschuldnerin übermittelt und sodann durch die Beitragsschuldnerin an die jeweilige Beitragsstelle beglichen worden sei. Die GPLA-Prüfung habe am 08.07.2019 beim Masseverwalter an dessen Kanzleistandort stattgefunden; das heißt es sei nach Konkurseröffnung eine nachträgliche Prüfung der Lohn-/Sozialabgaben durchgeführt worden. In weiterer Folge wurde auf eine Entscheidung des unabhängigen Finanzsenats verwiesen und wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit Konkurseröffnung auf keine Geldmittel zugreifen und/oder darüber verfügen könne/dürfe. Daher habe er keinesfalls die ihm nach § 67 Abs. 10 ASVG angelastete Straftat ausüben können. Er ersuche daher, ihn aus der Haftung zu entlassen, da keine schuldhafte Verletzung seiner ihm auferlegten Pflichten erfolgt sei.

3. Die ÖGK hat mit Bescheid vom 25.08.2020, GZ: XXXX , festgestellt, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin verpflichtet sei, der ÖGK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge s.Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Dezember 2014, Dezember 2015, April 2016, August 2016, September 2016, November 2016, Dezember 2016, Jänner 2017, April 2017 und Juli 2017 in der Höhe von € 1.219,34 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach
§ 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab 25.08.2020 3,38% p.a. aus € 1.163,70 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Begründend führte die ÖGK aus, dass die Beitragsschuldnerin aus den Beiträgen Dezember 2014, Dezember 2015, April 2016, August 2016, September 2016, November 2016, Dezember 2016, Jänner 2017, April 2017 und Juli 2017 € 1.219,34 und weitere Verzugszinsen schulde. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Über das Vermögen der Beitragsschuldnerin sei am 19.04.2018 die Insolvenz eröffnet worden, welche nach Verteilung an die Massegläubiger am 03.08.2020 aufgehoben worden sei. Die Uneinbringlichkeit der offenen Beiträge stehe somit fest. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen haften die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht hereingebracht werden können. Die Nachverrechnung sei aufgrund von Meldeverstößen erfolgt, welche als Pflichtverletzungen im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG zu werten seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter des Dienstgebers darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Behörde eine schuldhafte Verletzung anzunehmen hat.

4. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schreiben vom 23.09.2020 Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die GPLA-Prüfung am 08.07.2019 beim Masseverwalter stattgefunden habe. Dies bedeute, dass nach Konkurseröffnung eine nachträgliche Prüfung der Lohn-/Sozialabgaben durchgeführt worden sei. Sohin sei der Masseverwalter in diesem Zeitraum für die insolvente Beitragsschuldnerin allein zeichnungsberechtigt gewesen und habe dieser auch allein über das Vermögen der insolventen Beitragsschuldnerin verfügt. Aus diesem Grund könne der Beschwerdeführer nicht eine schuldhafte Zahlungsverletzung begangen haben, da diese Schuld erst festgestellt und gefordert wurde, als er nicht mehr der Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin gewesen sei.

5. Die ÖGK hat mit Schreiben vom 28.12.2020 den Beschwerdeführer aufgefordert, Nachweise zu erbringen, dass ihn kein Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen Meldung der nachverrechneten Beiträge treffe und diese auch bei ordnungsgemäßer Meldung nicht einbringlich gewesen wären.

Der Beschwerdeführer hat sich zu diesem Schreiben der ÖGK vom 28.12.2020 verschwiegen.

6. Im Verfahren über die Beschwerde erließ die ÖGK als belangte Behörde gemäß § 14 VwGVG eine mit 25.02.2021 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit welcher die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Nachverrechnung aufgrund von Meldeverstößen erfolgt sei und somit eine Haftung des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die offenen Beiträge bestehe.

7. Mit Schreiben vom 16.03.2021 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Vorlage, in welchem er ausführte, dass er während der im Bescheid genannten Abrechnungszeit eine steuerliche Vertretung (Steuerberaterin) gehabt habe und er selbst keine Kenntnis über die Meldeverstöße gehabt habe. Er sehe sohin kein Verschulden seiner Person, sondern ein Verschulden der Steuerberaterin.

8. Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 20.04.2021 vorgelegt.

9. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 21.05.2021 bei der ÖGK angefragt, ob der Beschwerdeführer für den maßgeblichen Zeitraum den in § 35 Abs. 3 ASVG vorgezeichneten Weg der Übertragung der Meldepflichten auf seine Steuerberaterin beschritten habe.

10. Am 28.05.2021 langte eine Stellungnahme der ÖGK beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher ausgeführt wurde, dass eine Vollmacht im Sinne des § 35 Abs. 3 ASVG bei der ÖGK nicht hinterlegt sei. Es habe im maßgeblichen Zeitraum nur eine Zustellvollmacht gemäß
§ 9 Abs. 1 ZustellG gegeben.

11. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 31.05.2021 dem Beschwerdeführer die gerichtliche Anfrage an die ÖGK vom 21.05.2021 sowie die Beantwortung der ÖGK vom 28.05.2021 zur Kenntnis gebracht.

Der Beschwerdeführer hat keine Stellungnahme dazu abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war seit 21.12.2012 selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin.

Über das Vermögen der Beitragsschuldnerin ist mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 19.04.2018 der Konkurs eröffnet worden. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 14.07.2020 ist der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben worden. Die Firma ist gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden.

Im Rahmen einer GPLA wurden in den Abrechnungszeiträumen Dezember 2014, Dezember 2015, April 2016, August 2016, September 2016, November 2016, Dezember 2016, Jänner 2017, April 2017 und Juli 2017 Meldeverstöße betreffend neun Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen der Beitragsschuldnerin festgestellt.

Seitens der Beitragsschuldnerin wurden die nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Dezember 2014, Dezember 2015, April 2016, August 2016, September 2016, November 2016, Dezember 2016, Jänner 2017, April 2017 und Juli 2017 nicht entrichtet.

Die rückständigen Beiträge sind bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlich.

Sämtliche Beitragsrückstände sind in dem Zeitraum entstanden, in dem der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin war. Im Zeitpunkt des Entstehens der Rückstände war sohin der Beschwerdeführer für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Entrichtung der Beiträge verantwortlich.

Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren keinerlei Beweise dahingehend vorgelegt, dass ihn keine schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter auferlegten Pflichten trifft.

2. Beweiswürdigung:

Der Beginn der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin ergibt sich aus dem Firmenbuch und ist unstrittig.

Die Höhe der aushaftenden Beiträge und Verzugszinsen ergibt sich aus dem dem Bescheid vom 25.08.2020 angefügten Rückstandsausweis vom 25.08.2020 und blieben diese Haftungsbeträge der Höhe nach unbestritten. Ebenso ergibt sich der Zeitpunkt der Entstehung der aushaftenden Beiträge aus dem Rückstandsausweis.

Dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin gegeben ist, ergibt sich daraus, dass über das Vermögen der Beitragsschuldnerin am 19.04.2018 der Konkurs eröffnet wurde und der Konkurs mit Beschluss vom 14.07.2020 nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben und die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

Die Feststellungen zu den Meldeverstößen ergeben sich aus dem dem Akt einliegenden Prüfbericht zur GPLA und wurden nicht substanziiert bestritten.

Zu der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren keinerlei Beweise dahingehend vorgelegt hat, dass ihn keine schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter auferlegten Pflichten trifft, ist auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zu verweisen.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages, der gegenständlich nicht vorliegt, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.

Für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist also Voraussetzung, dass die rückständigen Beiträge beim Dienstgeber uneinbringlich und der Höhe nach bestimmt sind.

Verfahrensgegenständlich kann die Beitragseinbringung als uneinbringlich qualifiziert werden, weil über das Vermögen der Beitragsschuldnerin am 19.04.2018 der Konkurs eröffnet wurde und der Konkurs mit Beschluss vom 14.07.2020 nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben und die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 12.01.2016, Zl. Ra 2014/08/0028, zur ziffernmäßigen Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrags wie folgt aus: "... so legte die Revisionswerberin ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 2. Oktober 2012 zugrunde; in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde schränkte sie nach teilweiser Zahlung durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds den Haftungsbetrag ein und legte einen modifizierten Rückstandsausweis vom 6. Juni 2013 vor. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert; die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des
§ 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstands samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld (vgl. OGH RIS-Justiz RS0040429 mwN). Indem die Revisionswerberin ihrem Bescheid den Rückstandsausweis zugrunde legte, brachte sie damit zum Ausdruck, auf welchen Sachverhalt sich die Vorschreibung gründet, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt. Auf Grund der Heranziehung des Rückstandsausweises, einer öffentlichen Urkunde mit erhöhtem Beweiswert, sind freilich keine (krassen bzw. besonders gravierenden) Ermittlungslücken im Sinn der oben aufgezeigten Rechtsprechung (Punkt 5.) zu erkennen. ..." Und weiters: "... Was die Frage nach dem Vorliegen einer kausalen schuldhaften Pflichtverletzung betrifft, so ist eine solche schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs: vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das VwGH, Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva.). ..."

Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrages anbelangt, so legte die ÖGK ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 25.08.2020 zugrunde. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert. Die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld. Aufgrund des Vorliegens des Rückstandsausweises ist sohin hinreichend bestimmt, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.

Der Beschwerdeführer war des Weiteren unstrittig ab 21.12.2012 Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin und kann somit grundsätzlich zu einer Haftung herangezogen werden. Dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach die GPLA nach Konkurseröffnung stattgefunden habe und damit der Masseverwalter allein über das Vermögen verfügt habe und dafür verantwortlich gewesen sei, ist entgegenzuhalten, dass sämtliche Beitragsrückstände in dem Zeitraum entstanden sind, in dem der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin war. Die offenen Beiträge sind aufgrund einer Nachverrechnung im Zuge einer Beitragsprüfung entstanden. Bei ordnungsgemäßer Meldung wären sie vor Konkurseröffnung verrechnet worden. In dem nachverrechneten Zeitraum 12/2014 bis 7/2017 war der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin und damit für die ordnungsgemäße Meldung und Bezahlung der Beiträge verantwortlich.

Es ist somit zu untersuchen, ob der Beschwerdeführerin infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der ÖGK haftet.

Zu den den Geschäftsführern auferlegten Pflichten zählen die Melde- und Auskunftspflichten und die Verpflichtung zur Abfuhr von einbehaltenen Dienstnehmerbeiträgen (VwGH 12.12.2000, 98/08/0101).

Im gegenständlichen Fall wurde im Rahmen einer GPLA-Prüfung festgestellt, dass die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten verletzt wurden, weil Meldeverstöße begangen wurden. Die Höhe der Nachverrechnung wurde nicht in Frage gestellt.

Die im gegenständlichen Fall vorliegenden Meldepflichtverletzungen sind kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge, da sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergaben, dass bereits eine Uneinbringlichkeit zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge gegeben war. Die Konkurseröffnung erfolgte vielmehr erst nach der bereits eingetretenen Fälligkeit der Beiträge.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob die Nichtmeldung der Sozialversicherungsbeiträge rechtswidrig war bzw. ob der Beschwerdeführer als Vertreter seiner gesetzlichen Verpflichtung, nämlich für die rechtzeitige Meldung zu sorgen, rechtswidrig nicht nachgekommen ist.

Der Beschwerdeführer war als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin zur Meldung an die belangte Behörde verpflichtet (§ 58 Abs. 5 ASVG), kam aber seiner Verpflichtung nicht nach. Die Pflicht, die gebührenden Entgelte festzustellen und an die belangte Behörde zu melden, liegt im Grundwissen eines vertretungsbefugten Geschäftsführers einer GmbH. Es liegt daher ein Meldeverstoß vor.

Ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft den Beschwerdeführer, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt hat, - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist.

Es obliegt dem Meldepflichtigen im Zuge der Gewährung des Parteiengehörs darzutun, dass er entweder die Verpflichtung zur Meldung im Sinn des § 35 Abs. 3 ASVG an Dritte übertragen hat oder aus welchen sonstigen Gründen ihn kein Verschulden an der Unterlassung der Meldung trifft (vgl. VwGH 14.9.2005, 2004/08/0104; 27.11.2014, 2012/08/0216 Ra 2017/08/0012, VwGH vom 20.06.2018, GZ Ra 2017/08/0012).

Eine kausale schuldhafte Pflichtverletzung ist schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs: vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva) (VwGH vom 12.01.2016, GZ Ra 2014/08/0028)

Entscheidungswesentlich ist fallgegenständlich, dass der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Aufforderung keinerlei Beweismittel in Vorlage brachte, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen. So forderte die ÖGK den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28.12.2020 auf, Nachweise zu erbringen, dass ihn kein Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen Meldung der nachverrechneten Beiträge trifft. Der Beschwerdeführer ließ dieses Schreiben der ÖGK unbeantwortet.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorlageantrag, wonach er während der im Bescheid genannten Abrechnungszeit eine steuerliche Vertretung (Steuerberaterin) gehabt habe, er selbst daher keine Kenntnis über die Meldeverstöße gehabt habe und er sohin kein Verschulden seiner Person, sondern ein Verschulden der Steuerberaterin sehe, ist wie folgt entgegenzuhalten:

Die dem Dienstgeber obliegenden Meldepflichten sind nur unter den engen Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 ASVG auf Dritte übertragbar. Hat der Dienstgeber den in
§ 35 Abs. 3 ASVG vorgezeichneten Weg der Übertragung der Meldepflichten auf Bevollmächtigte nicht beschritten, bleibt er selbst – ungeachtet der Bevollmächtigung Dritter mit der Führung der Lohnverrechnung – der ÖGK gegenüber verantwortlich und zur Erstattung der erforderlichen Meldungen persönlich verpflichtet. (vgl. Sonntag, ASVG-Kommentar zu § 67 Abs. 10, RZ 95). Der Geschäftsführer ist, auch wenn er sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen einer Steuerberatungskanzlei bedient, dazu verpflichtet, für die ordnungsgemäße Erstattung der Meldungen Sorge zu tragen und sich gegebenenfalls von der ordnungsgemäßen Durchführung der gebotenen Meldungen zu überzeugen (vgl. VwGH 2003/08/0053).

Laut Stellungnahme der ÖGK vom 28.06.2021, welche in Beantwortung einer Anfrage durch das Bundesverwaltungsgericht vom 21.05.2021 ergangen ist, war im gegenständlichen Fall eine Vollmacht im Sinne des § 35 Abs. 3 ASVG bei der ÖGK nicht hinterlegt, sondern hat es im maßgeblichen Zeitraum lediglich eine Zustellvollmacht gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG gegeben. Eine Übertragung der Meldepflichten lag sohin nicht vor.

Festzuhalten ist, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 31.05.2021 dem Beschwerdeführer die gerichtliche Anfrage an die ÖGK vom 21.05.2021 sowie die Beantwortung der ÖGK vom 28.05.2021 zur Kenntnis gebracht hat. Der Beschwerdeführer hat sich dazu jedoch verschwiegen.

Da dem Beschwerdeführer die Unterlassung einer gesetzlichen Meldeverpflichtung vorgeworfen wird, wäre es an ihm gelegen gewesen, Behauptungen über Tatsachen aufzustellen, aus denen er ohne sein Verschulden an der Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtungen gehindert gewesen sei (vgl. VwGH vom 27.11.2014, GZ 2012/08/0216). Da der Beschwerdeführer – wie bereits ausgeführt - keinerlei solche Beweismittel in Vorlage brachte, haftet er, wie im bekämpften Bescheid zutreffend ausgesprochen wurde, für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze.

Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Haftung auch für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze. Weil die Pflichtverletzung des Vertreters dafür ursächlich ist, dass der Sozialversicherungsträger die Beitragszahlungen nicht ordnungsgemäß erhalten hat, hat dieser Vertreter auch die (anteiligen) Verzugszinsen als wirtschaftliches Äquivalent für die verspätete Zahlung - wie im vorliegenden Fall - zu tragen (vgl. Derntl a.a.O., § 67 Rz 104a).

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragsschuld Geschäftsführer GPLA Haftung Kausalität Meldeverstoß Nachweismangel Pflichtverletzung Uneinbringlichkeit Verzugszinsen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W198.2241629.1.00

Im RIS seit

07.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten