TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/26 G313 2237735-7

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Veröffentlicht am 26.05.2021
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Entscheidungsdatum

26.05.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs6

Spruch


G313 2237735-7/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Algerien, IFA-Zahl: XXXX zu Recht erkannt:

A)       Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Forstsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

XXXX (im Folgenden: IB) reiste am 20.09.2018 unter Umgehung der Grenzkontrolle von Frankreich nach Italien und wurde anschließend aus dem italienischen Staatsgebiet ausgewiesen. Am selben Tag wurde gegen ihn von der italienischen Fremdenbehörde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet erlassen Am 19.11.2019 wurde er wegen Suchtmittelbesitzes in Italien festgenommen und am 17.07.2020 neuerlich aus dem italienischen Staatsgebiet ausgewiesen.

Am 25.08.2020 wurde der BF aufgrund einer Einreiseverweigerung der deutschen Bundespolizei von einer Streife der Polizeiinspektion Fremdenpolizei XXXX rückübernommen.

Er verfügt über keine Angehörigen in Österreich. Er hat im Bundesgebiet auch sonst keine engen sozialen Bindungen, kann auf keine private Unterkunft zurückgreifen und hat auch keinerlei Barmittel.

Am 26.08.2020 wurde über IB die Schubhaft verhängt.

Am 28.08.2020 wurde ein HRZ-Verfahren mit Algerien eingeleitet, welches schließlich am 08.01.2021 zu einer mündlichen Zusage eines Heimreisezertifikats (HRZ) führte. Wegen einer dreiwöchigen Vorlaufzeit war die schriftliche Ausstellung noch ausständig. Eine Abschiebung des BF nach Algerien war für den 03.03.2021 geplant. Allerdings wurden im März alle Flüge nach Algerien stornierte.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 8.3.2021 wurde entschieden, dass trotz der Überschreitung der in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich angeordneten Dauer von sechs Monaten die Voraussetzungen für die Fortsetzungen der Schubhaft vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist, zumal bereits eine mündliche Zusage von Seiten der algerischen Vertretungsbehörden erteilt wurde und daher von einer tatsächlichen Ausstellung des HRZ für den BF ausgegangen werden kann.

Der BF stellte am 13.3.2021, sohin nach der vierten amtswegigen Überprüfung zur andauernden Schubhaft, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 1.4.2021 wurde zuletzt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzungen der Schubhaft vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann eine Schubhaft aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.3.2021 wurde der Antrag des BF abgewiesen, es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und es wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt.

Dagegen wurde eine Beschwerde eingebracht. Mit Erkenntnis des BVwG vom 7.4.2021 wies das BVwG seine Beschwerde im Asylverfahren als unbegründet ab, welches am 8.4.2021 in Rechtskraft erwuchs.

Die in § 76 Abs. 6 FPG enthaltenen Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor. Der IB hielt sich jahrelang in Italien auf und hat dort seinen eigenen Angaben zufolge auch gearbeitet. Selbst in Österreich stellte IB vor oder nach der Festnahme durch die Polizei und anschließender Verhängung der Schubhaft keinen Asylantrag, sondern erst etwa eine Woche nach der vierten Anhörung durch das Bundesverwaltungsgericht zur Fortsetzung der Anhaltung. In der fünften Gerichtsverhandlung hatte er auf die Frage der Richterin, ob er rückkehrwillig sei, auch lediglich angegeben, dass er schon vier Jahre lang in Europa sei und in Algerien nichts mehr zu suchen habe. Er antwortete auch auf die Frage ob er weiterhin nicht rückkehrwillig sei mit ja.

Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 6 FPG sind erfüllt, weil aus den o.a. Gründen IB den Antrag auf internationalen Schutz nur zu dem Zweck gestellt hat, die Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verzögern oder zu vereiteln.

Die in § 80 Abs. 4 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von achtzehn Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt nicht überschritten und ist ein rechtskräftiger Abschluss des Asylverfahrens samt dem Verfahren der Außerlandesbringung, innerhalb dieser Zeit möglich und auch sehr wahrscheinlich.

Das BFA geht derzeit davon aus, dass voraussichtlich ab Anfang Mai wieder Abschiebungen nach Algerien möglich sind und die Rückführung innerhalb der höchst zulässigen Anhaltedauer effektuiert werden kann, wie in der Stellungnahme des BFA vom 20.4.2021 dargestellt wurde.

Aufgrund der glaubhaften Darlegungen in der mündlichen Verhandlung und der Stellungnahme des BFA vom 18.5.2021 ist weiterhin davon auszugehen, dass ein HRZ auch tatsächlich ausgestellt wird.

IB ist hochmobil, reiste anfangs nach Frankreich und war dann mehrere Jahre in Italien, wo er seinen eigenen Angaben auch gearbeitet und Verstöße gegen das dortige Suchmittelgesetz begangen hat. Im August 2020 wollte er sich nach Deutschland begeben. Er ist nicht rückkehrwillig, was er in jeder Verhandlung neuerlich bekräftigte. Er verfügt im Bundesgebiet über keine soziale Verankerung und kann auf keine Barmittel zurückgreifen..

Die Annahme, wonach es weiterhin sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen IB durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des IB und seiner absoluten Unwilligkeit seit 2017 nach Algerien zurückzukehren nach wie vor als begründet.

Vor allem die Umgehung von Grenzkontrollen, die Verschleierung der wahren Identität, der Aufenthalt und die Reisen innerhalb Europas trotz eines aufrechten Einreise- und Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet sowie auch der Besitz von Suchtmitteln lassen den IB nicht als vertrauenswürdige, gesetzestreue Person erscheinen. Auch durch die fehlende Kooperationsbereitschaft bei der Feststellung der Identität, das Bestehens eines Aufenthalts- und Einreiseverbot für den Schengenraum sowie einer mangelnden sozialen Verankerung in Österreich ist im vorliegenden Fall weiterhin von Fluchtgefahr auszugehen.

Auch wenn IB angab, er werde sich der Behörde zur Verfügung stellen und zugleich deren Auflagen einhalten, ist dies angesichts seines Vorverhaltens, des zeitnahen Abschiebetermins und dem Vorbringen, nicht freiwillig nach Algerien zurückkehren zu wollen, nicht glaubwürdig und beseitigt die Fluchtgefahr nicht. Im Gegenteil hat er zur weiteren Verfahrensverzögerung im Stande der Schubhaft einen Asylantrag gestellt, der jedoch nunmehr rechtskräftig negativ entschieden wurde.

In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium – im vorliegenden Fall ist ein Verfahren zur Klärung möglicher Fälschung im Laufen – reichen weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier in typisierender Betrachtungsweise die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (vgl. VwGH 20.02.2014, Zl. 2013/21/0178; 19.03.2014, Zl. 2013/21/0138).

Ein Sicherungsbedarf zur Durchführung einer Rückführung in den Herkunftsstaat ist somit weiterhin gegeben.

Ein gelinderes Mittel gemäß § 77 FPG (periodische Meldeverpflichtung bei der Polizei, angeordnete Unterkunftnahme, Hinterlegung einer finanziellen Sicherung), ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.

Die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr erweist sich vor dem dargelegten Hintergrund zur Erreichung des Sicherungszwecks als verhältnismäßig.

Die Fortsetzung der Schubhaft ist somit auch unter Berücksichtigung der in § 80 FPG vorgesehenen Regelungen über die Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft zulässig.

Aufgrund der aktuellen Information des BFA vom 18.5.2021 steht fest, dass mit einer Abschiebung des IB innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer zu rechnen ist.

Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der gegenständlichen Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung nach wie vor eine durchsetzbare, rechtliche Grundlage für die Abschiebung des IB vorliegt. Mit rechtskräftig, negativen Asylbescheid wie oa angeführt wurde der Asylantrag des IB in allen Spruchpunkten rechtskräftig abgewiesen ..

Im Verfahren sind keine Anhaltspunkte, auch keine gesundheitlichen entgegenstehenden , dafür hervorgekommen, dass bei Ausstellung eines HRZ eine geplante Außerlandesbringung des IB nicht möglich wäre.

Die Feststellung hinsichtlich jeglichen Fehlens von relevanten, sozialen Kontakten ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF in dem im Akt befindlichen Einvernahmeprotokollen und den Erkenntnissen sowie aus den Niederschriften in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG.

Basierend auf der oberwähnten Verhalten des IB ist von erhöhter Fluchtgefahr durch Untertauchen auszugehen.

Dem IB wurde die Stellungnahme des BFA zum Parteiengehör am 19.5.2021 übermittelt.Es langte keine Stellungnahme ein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A.:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß
§§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und
§ 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit der Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, vorzulegen.

Es besteht nun die Verpflichtung, gegenständlich durch die Aktenvorlage die Voraussetzungen für die Fortführung der Schubhaft zu prüfen. Dabei hat die Behörde darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft weiter notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des BVwG, hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich in deren Rahmen auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiterhin als verhältnismäßig angesehen werden kann. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse, so zeigt sich, dass dieser im Inland keinerlei integrative Bezugspunkte vorweisen konnte und keinerlei sozialen Kontakte zu berücksichtigen sind.

Im Zuge der Zustimmung der algerischen Botschaft und daher zu erwartenden Ausstellung eines HRZ für die Abschiebung und wird das Verfahren durch die Behörde zügig betrieben, und die Zustimmung bereits erteilt wurde, geht das Gericht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand auch in der Covid-Krise durchaus möglich und realistisch ist.Zwar gab es für den bereits gebuchten Flug vom 3.3.2021 zwar eine Stornierung, laut Mitteilung des BFA wurden die Flüge noch mit Mai 2021 noch nicht wieder aufgenommen, jedoch ist davon auszugehen dass bei Aufnahme des Flugbetriebes eine Abschiebung jedenfalls erfolgen wird,

Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass eine weitere Fortsetzung der Schubhaft weiterhin verhältnismäßig und notwendig ist.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen.

Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014,
Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) hinsichtlich Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (VfGH 14.03.2012, VfSlg. 19.632/2012) festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Auf das Parteiengehör das ihm am 19.05.2021 zugestellt wurde, hat er keine Stellungnahme eingebracht.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G313.2237735.7.00

Im RIS seit

05.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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