Entscheidungsdatum
05.08.2021Norm
BFA-VG §18 Abs5Spruch
L516 2208551-2/6Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Türkei, vertreten BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 174855408/181134379:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erließ gegen den Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom 02.06.2021 (I.) eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 5 FPG iVm § 9 BFA-VG, stellte (II.) fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei, erließ (III.) gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z „0“ FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot, und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde.
Mit Spruchpunkt V jenes Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerde langte zusammen mit den Verwaltungsakten des BFA vervollständigt am 30.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und kam im Alter von sieben Jahren nach Österreich. Er ist seit August 1999 durchgehend in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er wurde ab dann in Österreich sozialisiert, hat die Volksschule, Hauptschule und das Polytechnikum abgeschlossen und danach zwei Jahre einen Lehrberuf erlernt aber die Lehre nicht abgeschossen. Er ist aktuell nicht erwerbstätig, ist jedoch arbeitssuchend und beim AMS gemeldet. Er wird von einem Bruder finanziell unterstützt. (NS EV 06.05.2021)
Er verfügt über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“, gültig bis 07.05.2024.
Der Beschwerdeführer spricht Deutsch und Türkisch und war zuletzt ungefähr vor sieben Jahren in der Türkei auf Urlaub.
Er wohnt aktuell allein. Seine Eltern, fünf Geschwister, ein Onkel sowie zwei Tanten leben in Österreich. Zu diesen hat er eine enge Bindung und er trifft diese häufig. Er hat weitere Verwandte in Frankreich und Deutschland, die er alle drei bis vier Jahre trifft. Er verfügt in Österreich auch über einen Freundeskreis.
Der Beschwerdeführer ist Vaters seines im Juni 2020 geborenen Kindes, zu dem er keinen Kontakt und für welches er bis dato keinen Unterhalt zahlt, ein Antrag auf Unterhaltszahlung wurde jedoch gestellt. Aktuell besteht für den Beschwerdeführer ein Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz der ehemaligen Lebensgefährtin und Mutter des gemeinsamen Kindes und zum Schutz des Kindes; die Kinder- und Jugendhilfe hat jedoch inzwischen dem Beschwerdeführer in Aussicht gestellt, einen Besuchskontakt mit der Tochter zu befürworten, wenn er dieses beim Pflegschaftsgericht beantragt, sofern er sich an alle Auflagen hält. (AS 91, 249)
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach rechtskräftig strafrechtlich verurteilt:
1.) vom XXXX wegen § 28a (1) 5. 6. Fall SMG, § 27 (2) Z 1 5. 6 Fall SMG, § 27 (1) Z 1 1. 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt, bei einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe (Datum der (letzten) Tat: 15.12.2017);
2.) vom XXXX wegen § 50 (1) Z 2 WaffG; keine Zusatzstrafe (Datum der (letzten) Tat: 24.07.2017);
3.) vom XXXX wegen § 83 (2) StGB, § 81 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tags zu je 4,00 EUR, im Nichteinbringungsfall 120 Tage Ersatzfreiheitstrafe (Datum der (letzten) Tat: 26.07.2018);
4.) vom XXXX wegen § 83 (1) StGB, §§ 107 (1), 107 (2) StGB, § 15 StGB § 105 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt, bei einer Probezeit von 3 Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe (Datum der (letzten) Tat: 04.11.2020);
Der Beschwerdeführer wurde zudem seit 17.01.2017 insgesamt mindestens 22 Mal verwaltungsrechtlich bestraft.
Der Beschwerdeführer wurde zuletzt am XXXX aus der Strafhaft bedingt bei einer Probezeit von 3 Jahren und unter Anordnung der Bewährungshilfe entlassen und unterzieht sich aktuell einer Sucht- und Psychotherapie. Die ihm auferlegten Termine bei der Bewährungshilfe nimmt er wahr.
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakt zum gegenständlich bekämpften Bescheid, aus den Feststellungen des BFA im angefochtenen Bescheid und aus der Beschwerde, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die Beweisquellen angeführt sind.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (§ 18 Abs 5 FPG)
3.1 Mit dem angefochtenen Bescheid erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und ein befristetes Einreiseverbot. Der Verwaltungsgerichtshof betont dazu in seiner Rechtsprechung, dass es grundsätzlich immer Aufgabe des Verwaltungsgerichtes ist, sich vor Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung selbst einen persönlichen Eindruck vom Fremden zu verschaffen, sofern nicht ausnahmsweise ein eindeutiger Fall gegeben ist (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0007 mwN). Bei der Verhängung eines Einreiseverbotes, das fallbezogen befristet ausgesprochen wurde, kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der zur Prüfung eines Einreiseverbotes anzustellende Gefährdungsprognose besondere Bedeutung zu (VwGH 25.06.2019, Ra 2019/19/0130).
Aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer in Österreich ab seinem siebenten Lebensjahr aufgewachsen, in Österreich sozialisiert und hier drei Viertel seines bisherigen Lebens von 29 Jahren verbracht hat, er somit in Österreich verwurzelt ist, hier seinen Lebensmittelpunkt, seine Familie und seinen Freundeskreis hat, kann trotz der vorliegenden Verurteilungen unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK bedeuten würde.
3.2 Es wird daher gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
4. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen.
Zu B)
Revision
5. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.
6. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung EMRK reale GefahrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L516.2208551.2.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021