TE Bvwg Beschluss 2021/8/10 L516 2245006-1

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Veröffentlicht am 10.08.2021
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Entscheidungsdatum

10.08.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch


L516 2245006-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 245160505/200042296:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.


Text


Begründung:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erließ gegen den Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom 30.06.2021 (I.) eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 5 FPG iVm § 9 BFA-VG, stellte (II.) fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei, erließ (III.) gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot, und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde.

Mit Spruchpunkt V jenes Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerde langte zusammen mit den Verwaltungsakten des BFA am 05.08.2021 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und kam 1987 oder 1988 im Alter von sechs oder sieben Jahren nach Österreich. Er wurde ab dann in Österreich sozialisiert, hat die Volksschule und Hauptschule absolviert und war danach immer wieder erwerbstätig. Aktuell befindet er sich in einer Justizanstalt. (NS EV 22.06.2021 AS 164/165)

Er verfügt über einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“. (IZR)

Der Beschwerdeführer spricht Deutsch und Türkisch. In der Türkei befinden sich zwei Geschwister des Beschwerdeführers, die dort mit ihren Familien leben. Der Beschwerdeführer verbrachte in der Türkei Urlaube. (NS EV 22.06.2021 AS 164, 165)

Seine Eltern und zwei Brüder leben in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt, wobei er aktuell in Haft ist. Die beiden Brüder leben mit ihren eigenen Familien zusammen. Er verfügt in Österreich auch über einen Freundeskreis. (NS EV 22.06.2021 AS 165,-167)

Der Beschwerdeführer ist ledig, lebt aktuell in keiner Beziehung und ist Vaters eines 2015 geborenen Kindes. Das Kind lebt bei Pflegeeltern, bei denen es sich um Verwandte der Kindesmutter handelt, welche die Obsorge verloren hat. Der Beschwerdeführer hat sein Kind zuletzt vor ungefähr zwei Jahren gesehen. Mit der Kindesmutter besteht seit ungefähr vier Jahren keine Beziehung mehr. (NS EV 22.06.2021 AS 165)

Das Strafregister der Republik Österreich weist für den Beschwerdeführer folgende rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen aus (SA):

01) Bezirksgericht (BG) vom 18.03.1999 wegen § 83/1 91/2 StGB, Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe, Probezeit 2 Jahre, Jugendstraftat

02) BG vom 27.01.2000 wegen § 83/1 StGB, Geldstrafe von 60 Tags zu je 200,00 ATS (12.000,00 ATS) im NEF 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Straffestsetzung unter gleichzeitiger Einbeziehung des Schuldspruches von BG vom 18.03.1999, Jugendstraftat

03) BG vom 13.07.2000 wegen § 88/1 U 4 StGB, Geldstrafe von 60 Tags zu je 200,00 ATS (12.000,00 ATS) im NEF 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Jugendstraftat

04) BG vom 23.11.2000 wegen § 83/1 StGB, Geldstrafe von 30 Tags zu je 200,00 ATS (6.000,00 ATS) im NEF 15 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf BG vom 13.07.2000, Jugendstraftat

05) BG vom 20.03.2003 wegen § 83/1 StGB, Geldstrafe von 150 Tags zu je 15,00 EUR (2.250,00 EUR) im NEF 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

06) Landesgericht (LG) vom 11.09.2006 wegen § 83/1 105/1 15 StGB, Geldstrafe von 300 Tags zu je 10,00 EUR (3.000,00 EUR) im NEF 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

07) LG vom 08.08.2011 wegen § 83/1 StGB, Datum der (letzten) Tat 28.04.2011

Geldstrafe von 300 Tags zu je 4,00 EUR (1.200,00 EUR) im NEF 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

08) BG vom 26.04.2017 wegen § 198 (1) StGB, Datum der (letzten) Tat 25.04.2017, Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

BG 009 U 2/2018i vom 22.02.2018

09) BG vom 22.02.2018 wegen § 198 (1) StGB, Datum der (letzten) Tat 31.01.2018,

Freiheitsstrafe 2 Wochen

10) LG vom 19.11.2020 wegen §§ 105 (1), 106 (1) Z 1 StGB, § 83 (1) StGB, Datum der (letzten) Tat 08.10.2020, Freiheitsstrafe 18 Monate

11) LG vom 24.03.2021 wegen § 28a (1) 5. Fall SMG, Datum der (letzten) Tat 30.09.2020

Freiheitsstrafe 1 Jahr, Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG vom 19.11.2020

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakt zum gegenständlich bekämpften Bescheid, aus den Feststellungen des BFA im angefochtenen Bescheid und aus der Beschwerde, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die Beweisquellen angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (§ 18 Abs 5 FPG)

3.1 Mit dem angefochtenen Bescheid erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und ein befristetes Einreiseverbot. Der Verwaltungsgerichtshof betont dazu in seiner Rechtsprechung, dass es grundsätzlich immer Aufgabe des Verwaltungsgerichtes ist, sich vor Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung selbst einen persönlichen Eindruck vom Fremden zu verschaffen, sofern nicht ausnahmsweise ein eindeutiger Fall gegeben ist (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0007 mwN). Bei der Verhängung eines Einreiseverbotes, das fallbezogen befristet ausgesprochen wurde, kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der zur Prüfung eines Einreiseverbotes anzustellende Gefährdungsprognose besondere Bedeutung zu (VwGH 25.06.2019, Ra 2019/19/0130).

Aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer in Österreich ab seinem siebenten Lebensjahr aufgewachsen, in Österreich sozialisiert und hier über drei Viertel seines bisherigen Lebens von 39 Jahren verbracht hat, er somit in Österreich verwurzelt ist, hier seinen Lebensmittelpunkt, seine Familie und seinen Freundeskreis hat, kann trotz der vorliegenden Verurteilungen unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK bedeuten würde.

3.2 Es wird daher gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

4. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen.

Zu B)

Revision

5. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

6. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung EMRK reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L516.2245006.1.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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