TE OGH 2021/8/6 6Ob109/21d

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Veröffentlicht am 06.08.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Außerstreit- bzw Pflegschaftssache der Antragsteller Nicole B***** 2002, mj Lukas B***** 2004, und mj Lena B***** 2006, die beiden letzteren vertreten durch die Mutter P*****, alle vertreten durch Mag. Günther Kieberger, Rechtsanwalt in Neulengbach, als Verfahrenshelfer, über den Revisionsrekurs des Vaters und Antragsgegners B*****, vertreten durch Mag. Dr. Daniel H. A. Rose, Rechtsanwalt in Neulengbach, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 3. März 2021, GZ 23 R 14/21p-167, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 1. Dezember 2020, GZ 1 PU 44/14k-156, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin Nicole B***** hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]       Die Minderjährigen Lukas und Lena sowie die im Lauf des Verfahrens volljährig gewordene Nicole sind die ehelich geborenen Kinder von P***** und B***** und leben im Haushalt ihrer Mutter. Der Vater ist zu Geldunterhaltsleistungen verpflichtet, die zuletzt in einer Höhe von monatlich 580 EUR (Nicole), 560 EUR (Lukas) und 555 EUR (Lena), jeweils abzüglich eines monatlichen Naturalunterhalts von 150 EUR festgesetzt waren.

[2]       Die Kinder beantragten eine Erhöhung des Geldunterhalts jeweils ab 1. 1. 2017 und begründeten dies mit altersbedingt gestiegenen Bedürfnissen und einem gestiegenen und nunmehr zugrunde zu legenden Einkommen des Vaters von 6.579,39 EUR (2017), 6.402,07 EUR (2018) und 8.426,68 EUR (2019). Die Mutter sei als weitere Sorgepflicht aufgrund ihres eigenen Unterhaltsanspruchs mit einem 3%igen Abzug zu berücksichtigen.

[3]       Der Vater sprach sich gegen die beantragte Erhöhung aus und brachte zusammengefasst vor, es seien bei der Neufestsetzung krankheitsbedingte Aufwendungen in Höhe von monatlich ca 600 EUR sowie die auf ihn lautende und zugunsten der Hypothekargläubiger vinkulierte Haushalts- und Feuerversicherung mit einer Monatsprämie von 113,99 EUR zu berücksichtigen. Die Einbeziehung des Sachbezugs PKW in die Bemessungsgrundlage sei rechtswidrig. Schließlich sei ein fiktiver Mietwert der von ihm zur Hälfte zur Verfügung gestellten Wohnmöglichkeit der Kinder in Höhe von 5.000 EUR auf die einzelnen Unterhaltsberechtigten mit einem anzurechnenden Naturalunterhalt von monatlich 500 EUR ebenso zu berücksichtigen wie allfällige Eigeneinkommen der Kinder.

[4]       Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtungen teilweise für alle drei Kinder und wies die darüber hinausgehenden Mehrbegehren ab. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass hinsichtlich einzelner in der Entscheidung im Detail ersichtlicher Unterhaltsperioden eine wesentliche Änderung der Verhältnisse und damit die Voraussetzungen für eine Unterhaltserhöhung als gegeben angenommen würden. Krankheitsbedingter Mehraufwand wurde nur in einem Umfang von 15 EUR berücksichtigt. Kosten für Haushalts- und Feuerversicherung wurden nicht von der Bemessungsgrundlage in Abzug gebracht, weil auch die Mutter eine solche Versicherung abgeschlossen habe. Der fiktive Mietwert in Höhe von 1.900 EUR wurde aliquot als Naturalunterhalt angerechnet.

[5]       Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge; berechtigt sei nämlich die Kritik des Vaters daran, dass die weitere Sorgepflicht für die Mutter der Unterhaltsberechtigten im Zeitraum November 2018 bis einschließlich Juli 2019 vom Erstgericht nicht berücksichtigt worden sei. Im Übrigen hielt es aber einen Abzug der Haushalts- und Feuerversicherung für nicht sachgerecht und sah auch keine Veranlassung, den bereits vom Erstgericht aus dem Titel eines krankheitsbedingten Mehraufwands anerkannten Abzug eines Betrags von monatlich 15 EUR zu erhöhen. Ein Abzug der Kosten für den regelmäßigen Besuch eines Fitnessstudios komme nicht in Betracht, weil Kosten der Freizeitgestaltung als Ausgaben des täglichen Lebens keine Abzugspost bilden würden. Wohnraumbeschaffungskosten seien an sich nicht abzugsfähig, sondern nur allfällige Zusatzaufwendungen, die aufgrund der besonderen Situation bei der Wohnraumbeschaffung unter Zeitdruck entstanden seien; ein entsprechendes Vorbringen sei vom Vater aber nicht erstattet worden. Hinsichtlich des Sachbezugs PKW sah das Rekursgericht keine Veranlassung, von der im Einklang mit der bisher einheitlichen Judikatur stehenden Rechtsansicht des Erstgerichts abzugehen, weil eine steuerliche Begünstigung von Elektroautos zwar durchaus begrüßenswert sei, jedoch im Bereich des Kindesunterhaltsrechts nicht zu Lasten der Unterhaltsberechtigten gehen könne.

[6]       Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der vom Vater relevierten Frage der Einbeziehung des Sachbezugs für einen Firmenwagen in die Bemessungsgrundlage über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme und es im Steuerrecht, auf das bisher zurückgegriffen worden sei, zur Ermittlung der Sachbezugswerte zu einer Änderung gekommen sei.

Rechtliche Beurteilung

[7]       Der Revisionsrekurs des Vaters ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts – nicht zulässig.

[8]       1.1. Nach Auffassung des Vaters ist die Rechtsansicht des Rekursgerichts zur Berücksichtigung des Sachbezugs PKW überholt und führe im vorliegenden Fall zu einem unbilligen Ergebnis. Der auf dem Gehaltszettel angeführte Sachbezug für den Firmen-PKW sage nichts über den tatsächlichen Nutzungsvorteil aus. Der Vater habe keine Einflussmöglichkeit, ob bzw welches Fahrzeug ihm als Firmenwagen zur Verfügung gestellt werde und bezahle monatliche Kosten für einen Firmenwagen, den er nicht wünsche und auch zu Privatzwecken wenig nutze. Er werde zu einer erhöhten Unterhaltszahlung in Folge des Sachbezugs verpflichtet, obwohl er über kein entsprechendes Einkommen verfüge und auch anderwärtig keinen adäquaten Nutzen aus dem Sachbezug ziehen könne. Außerdem werde dadurch eine Ungleichgewichtung geschaffen, weil es eine Sachbezugsbefreiung bei Elektroautos gebe. Bei einem Elektroauto werde kein Sachbezug mehr berücksichtigt, obwohl dieses erheblich teurer sei als sein dieselbetriebenes Fahrzeug. Trotz eines wesentlich höheren Kaufpreises des Elektrofahrzeugs führe dies also zu keiner Erhöhung des Einkommens und damit der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Der Vater werde durch eine nicht in seiner Macht stehende Auswahl seines Firmenfahrzeugs gegenüber jenen unterhaltsverpflichteten Personen benachteiligt, die ein Elektrofahrzeug als Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt bekommen. Dem kann nicht gefolgt werden:

[9]       1.2. Zum Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn zählen auch Naturalbezüge mit Einkommensersatzfunktion, wie etwa die Nutzung des Firmenwagens für Privatzwecke (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 16 mwN; Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 192, 193 mwN; RS0109238). Dabei sind nicht in jedem einzelnen Fall weitwendige Ermittlungen anzustellen, um den Umfang der tatsächlichen privaten Nutzung eines solchen PKWs abzuklären; vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der vom Dienstgeber bisher unbeanstandet verrechnete Wert des Sachbezugs den Gegebenheiten entspricht und einen reellen Einkommensbestandteil bildet (1 Ob 143/02i; 7 Ob 179/11s). Es kann solange von der lohnsteuerrechtlichen Bewertung ausgegangen werden, als es keine Hinweise gibt, dass diese nicht den realen Gegebenheiten entsprechen (1 Ob 56/08d hinsichtlich Firmenfahrzeug; 10 ObS 429/02i – Anrechnung von verschiedenen Ausgedingsleistungen, darunter eine Wohnung). Im vorliegenden Fall liegen keine Hinweise darauf vor, dass die von den Vorinstanzen angenommenen Werte nicht richtig sein sollten. Eine gewisse private Nutzung des Firmenfahrzeugs wird vom Vater im Übrigen auch nicht in Abrede gestellt.

[10]     1.3. Die steuerrechtliche Begünstigung von Elektroautos vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, weil der Vater kein Elektroauto fährt. Die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Frage nach der unterhaltsrechtlichen Behandlung von Elektro-Firmenfahrzeugen stellt sich im vorliegenden Fall daher nicht.

[11]     1.4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals – dies im Zusammenhang mit dem Unterhaltspflichtigen vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Dienstwohnungen – berücksichtigt, dass der Unterhaltspflichtige unter Umständen keinen Einfluss darauf hat, welche Dienstwohnung ihm sein Dienstgeber zur Verfügung stellt. Er hat dabei in der Entscheidung 10 Ob 4/07x die Auffassung vertreten, dass in einem solchen Fall als Wert der verbilligten Wohnmöglichkeit (des Sachbezugs) die Differenz zwischen dem Mietzins, den der Unterhaltspflichtige auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine seinem Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste, und dem für die Dienstwohnung zu zahlenden Entgelt heranzuziehen sei. In der erst jüngst ergangenen Entscheidung 3 Ob 109/20f wurde (lediglich) auf den fiktiven Mietzins abgestellt, den der Unterhaltspflichtige auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine seinem Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste.

[12]     Daraus ist im vorliegenden Fall aber für den Vater nichts gewonnen, weil er keine Ausführungen dazu tätigt, welcher kleinere Wagen seinem Lebensstandard entsprechen würde und mit welchem Sachbezugswert dieser dann zu berücksichtigen wäre. Er verweist zwar auf ein weiteres vorhandenes Fahrzeug in seiner (nunmehrigen) Familie, gesteht aber durchaus zu, auch das Firmenfahrzeug privat zu nutzen, sodass gerade nicht davon ausgegangen werden kann, der Vater würde das ihm vom Dienstgeber tatsächlich zur Verfügung gestellte Fahrzeug überhaupt nicht benötigen (wobei sich im Übrigen die Frage stellt, warum der Vater nicht gegenüber seinem Dienstgeber auf die Privatnutzung verzichtet, wenn ihn der verrechnete Sachbezugswert derart belastet, wie er dies im außerordentlichen Revisionsrekurs darzustellen versucht).

[13]     2. Dem Vater ist einzuräumen, dass der Wechsel der Altersgruppe des unterhaltsberechtigten Kindes für die Regelbedarfssätze (1 Ob 2360/96g) bzw nach der Prozentwertmethode (6 Ob 57/09i; insoweit krit Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 927/4) für sich allein keine wesentliche Änderung der Verhältnisse bilden soll. Auch eine allgemein gültige Regel, ab wann von einer Änderung der Verhältnisse auszugehen ist oder nicht, lässt sich nicht aufstellen, weil hier die Umstände des Einzelfalls von wesentlicher Bedeutung sind (RS0047332 [T2]). Hier ergibt sich jedoch aus der Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses, dass eine Neubemessung des Unterhalts nicht nur auf Grund des Alterssprungs der Kinder vorgenommen wurde, sondern dafür auch andere Gründe maßgeblich waren (Einkommenserhöhung, Bedürfnissteigerung, Zeitablauf). In Gesamtbetrachtung dieser Umstände erweist sich die Neufestsetzung des Unterhalts daher als nicht korrekturbedürftig.

[14]     3. Nicht zu beanstanden ist, dass ein Abzug der Kosten für Haushalts- und Feuerversicherung, die vom Vater für das von den Kindern und deren Mutter bewohnte und im Hälfteeigentum der Eltern stehende Haus bezahlt werden, nicht vorgenommen wurde. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist diese Versicherung für den „Hauskredit“ vinkuliert und dient damit letztlich der Wohnversorgung der Kinder. Dass (auch) der Vater für diese Versorgung aufkommt, ist aber ohnehin berücksichtigt, haben die Vorinstanzen doch die Geldunterhaltsverpflichtung aus diesem Grund reduziert.

[15]     4. Die Auffassung der Vorinstanzen, hinsichtlich der vom Vater geltend gemachten Ausgaben aufgrund seiner Erkrankung sei der Nachweis deren Notwendigkeit nicht erbracht worden (ausgenommen die Rezeptgebühr sowie Fahrt- und Parkkosten in Höhe von insgesamt 15 EUR monatlich), steht im Einklang mit der Rechtsprechung (RS0104244), wonach an den Nachweis der Notwendigkeit zusätzlicher, vom Sozialversicherungsträger nicht gedeckter Behandlungsmaßnahmen, um ihre Kosten als existentiellen Aufwand zur Lebensführung des Unterhaltsschuldners anerkennen zu können, ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist. Dies trifft auch auf die hier geltend gemachten Kosten eines Fitnessstudios zu (vgl 5 Ob 2233/96k).

[16]     5. Scheidungsbedingte Wohnungsbeschaffungskosten können zwar grundsätzlich eine Abzugspost bei Ausmittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen (RS0047502). Darauf hat sich der Vater jedoch in erster Instanz nicht substanziiert berufen.

[17]     6. Zusammenfassend vermag der Revisionsrekurswerber daher keine Rechtsfrage der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufzuzeigen.

[18]     7. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet hinsichtlich der Antragstellerin Nicole B***** auf § 78 AußStrG (§ 101 Abs 2 AußStrG), die auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses des Vaters nicht hingewiesen hat.

Textnummer

E132740

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00109.21D.0806.000

Im RIS seit

30.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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