TE OGH 2009/4/16 6Ob57/09i

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Veröffentlicht am 16.04.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Florian H*****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land Niederösterreich, Bezirkshauptmannschaft S*****, über den Revisionsrekurs des Kindesvaters Wolfgang H*****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssozietät in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 7. Jänner 2009, GZ 23 R 339/08p-U37, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Scheibbs vom 3. November 2008, GZ 4 P 23/06s-U32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Minderjährige befindet sich in der Obsorge der Kindesmutter. Zuletzt wurde der Unterhalt mit Vergleich vor der Bezirkshauptmannschaft S***** vom 20. 4. 2004 beginnend mit 1. 4. 2004 mit monatlich 400 EUR festgesetzt.

Mit Antrag vom 21. 2. 2008 begehrte der Minderjährige die Erhöhung auf monatlich 720 EUR. Der Antragsgegner erziele ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen in Höhe von 4.238 EUR und sei weiters für den mj Markus H*****, geboren am 19. November 1988 sorgepflichtig. Die Bedürfnisse des Minderjährigen hätten sich wesentlich erhöht; auch das Einkommen des Vaters sei gestiegen. Der mj Florian habe am 8. 3. 2008 das 15. Lebensjahr vollendet und somit Anspruch auf 20 % des väterlichen Einkommens. Er besuche seit September 2007 die Handelsakademie in Y*****, wodurch ein erhöhter Aufwand entstehe. Der Kindesvater wollte lediglich einer Erhöhung um 11,11 % zustimmen. Es bestehe kein Grund, von den dem seinerzeitigen Vergleich zugrundeliegenden Vergleichsrelationen abzugehen.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und erhöhte den Unterhalt beginnend mit 1. 3. 2008 auf 720 EUR monatlich. Nach den Feststellungen des Erstgerichts verdient der Kindesvater monatlich

4.238 EUR netto. Der Minderjährige besucht seit September 2007 die Handelsakademie in Y*****.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass der Minderjährige Anspruch auf 20 % des Einkommens des Vaters habe. Dem seinerzeitigen Vergleich sei ein Monatseinkommen von 3.890 EUR zugrunde gelegen. Zwischenzeitig hätten sich sowohl die Einkommensverhältnisse des Vaters als auch die Bedürfnisse des Kindes geändert. Ein Wechsel der Altersgruppe, wobei die letzte Unterhaltsfestsetzung rund vier Jahre zurückliege, stelle in Verbindung mit einem Schulwechsel und der Einkommenssteigerung des Vaters in Höhe von 6,3 % insgesamt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Wenngleich ein Alterssprung vorhersehbar sei, treffe dies auf einen Schulwechsel und den daraus gegebenenfalls resultierenden unterschiedlichen Bedarf nicht zu. Die Entscheidung 6 Ob 57/03f habe einen Fall betroffen, in dem sich der Vater zu einem jeweils 3 % über dem jeweiligen Anspruch der Kinder liegenden Unterhalt verpflichtet habe. Damit ergebe sich die Relation aus einer ausdrücklichen Festlegung im Vergleich. Außerdem habe dieser Vergleich den Minderjährigen begünstigt. Im vorliegenden Fall würde sich bei Festhalten der seinerzeitigen Vergleichsrelationen jedoch eine Benachteiligung des Minderjährigen ergeben. Insoweit sei aber die Dispositionsfreiheit eingeschränkt. Auch die Entscheidung 3 Ob 115/00h könne nicht herangezogen werden, weil diese Ehegattenunterhalt betroffen habe. Bei einer Vereinbarung hinsichtlich des Ehegattenunterhalts stünden einander zwei eigen- und grundsätzlich gleichberechtigte Partner gegenüber. Die Ausführungen des Rekurswerbers zur Berücksichtigung zur steuerlichen Entlastung träfen nicht zu.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Rekurswerber eine Begründung der Rechtsprechung dafür vermisse, warum keine Bindung an die Vergleichsrelationen mehr bestehen solle, wenn sich andere Umstände als die Bemessungsgrundlage ändern. Dazu gebe es tatsächlich keine ausdrücklichen Aussagen des Höchstgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig:

1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an den diesbezüglichen Ausspruch des Rekursgerichts nicht gebunden (RIS-Justiz RS0107859).

2.1. Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung. Demnach unterliegt jeder Unterhaltstitel der Umstandsklausel; eine Änderung der Verhältnisse zieht eine Neufestsetzung des Unterhaltsanspruchs nach sich (RIS-Justiz RS0018984; Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 410). Ebenso entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die im Vergleich seinerzeit vereinbarte Relation zwischen Unterhaltsleistung und Einkommen des Unterhaltspflichtigen für die Neubemessung dann keine Rolle spielt, wenn die Änderung der Verhältnisse nicht oder nicht nur in einer Änderung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen besteht (RIS-Justiz RS0047471; RS0019018; RS0105944; RS0053297; Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 417).

2.2. Die vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführte Dispositionsfreiheit der Parteien ändert nichts daran, dass auch Unterhaltsvergleiche der Umstandsklausel unterliegen und die Neubemessung in den angeführten Fällen unabhängig von einer bestehenden Vergleichsrelation vorzunehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0047529). Soweit der Revisionsrekurswerber auf die übliche Praxis verweist, die Fälligkeit des Unterhalts in Vergleichen abweichend vom Gesetz mit dem 5. des jeweiligen Monats festzulegen, kann eine Verschiebung der Fälligkeit von wenigen Tagen nicht einer deutlichen Unterschreitung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gleichgehalten werden.

2.3. Die vom Revisionsrekurswerber und vom Rekursgericht vermisste Begründung dafür, warum die Vergleichsrelation bei Änderung mehrerer Faktoren unbeachtlich ist, liegt in der Umstandsklausel bzw dem Wesen der Sachverhaltsänderung, kann doch dann das Ausmaß der erforderlichen Unterhaltsanpassung nicht ohne weiters dem Vergleich selbst entnommen werden, weil hiezu mehrere Faktoren herangezogen und gewichtet werden müssen. Ein eindeutiger Wille, den Unterhalt auf Dauer deutlich unter dem gesetzlichen Unterhalt festzulegen, ist dem Vergleich nicht zu entnehmen; eine derartige Vereinbarung wäre auch nicht genehmigungsfähig gewesen.

3.1. Eine allgemein gültige Regel, ab wann von einer solchen Änderung der Verhältnisse auszugehen ist oder nicht, lässt sich nicht aufstellen (RIS-Justiz RS0047332), weil hier die Umstände des Einzelfalls von wesentlicher Bedeutung sind (Neuhauser in Schwimann, ABGB3 § 140 Rz 81; 7 Ob 247/05g).

3.2. Dass der Schuleintritt und Schulwechsel wegen der damit verbundenen Bedarfssteigerung eine wesentliche Änderung bilden kann, entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0047306). Zum Übertritt in eine Handelsakademie hat der Oberste Gerichtshof dies bereits ausdrücklich ausgesprochen (4 Ob 129/02b). Demgegenüber bildet der Wechsel der Altersgruppe für sich allein noch keine wesentliche Änderung der Verhältnisse (RIS-Justiz RS0106742).

4. Damit hängt die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von einer Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung ab, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Anmerkung

E906736Ob57.09i

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00057.09I.0416.000

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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