TE OGH 2021/9/16 6Rs48/21g

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Veröffentlicht am 16.09.2021
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Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten Dr.Bott (Vorsitz) sowie die Richterinnen Dr.Kraschowetz-Kandolf und Mag.Fabsits als weitere Senatsmitglieder in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *****, nunmehr vertreten durch die ***** Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch ihren Angestellten *****, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten (hier: Kostenseparation [Rekursinteresse EUR 1.476,00]), über den Rekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung (Punkt 4.) im Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 8.Juli 2021, 23 Cgs 89/20f-16, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Kostenentscheidung wird abgeändert; sie lautet:

„Der Antrag der beklagten Partei auf Kostenseparation wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 252,31 (darin EUR 42,05 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Ein Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

begründung:

Der Kläger begehrt mit seiner Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 19.Februar 2020 die Feststellung, dass es sich bei den Monaten der Pflichtversicherung in der Zeit von 1.Juli 2002 bis 30.September 2019 um Schwerarbeit im Sinne des § 1 Abs 1 Z 4 der Schwerarbeitsverordnung handle.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, die genannten Zeiten seien nicht als Schwerarbeitszeit zu werten.

Nach Durchführung der Tagsatzung vom 2.Juli 2020, an welcher unter anderem der bestellte berufskundliche Sachverständige Wolfgang Glaser teilnahm, erstattete dieser in der Folge das schriftliche Gutachten vom 6.September 2020 (ON 5), welches mehrfach mündlich erörtert und schriftlich ergänzt wurde.

Mit ihrem beim Erstgericht am 21.Jänner 2021 eingebrachten Schriftsatz (ON 8c) führte die Beklagte wörtlich Folgendes aus:

„Im Hinblick auf den gestellten Antrag der klagenden Partei spricht sich die beklagte Partei ausdrücklich gegen die Einholung eines Ergänzungsgutachten aus. Der klagenden Partei obliegt der Beweis für die im Zeitraum von 2002 bis 2012 liegenden Arbeitszeiten. In den Jahren ab 2013 kann bereits aufgrund der Fahr- und Winterdiensttätigkeit an zumindest acht Arbeitstagen im Monat und den nicht regelmäßig erbrachten Überstunden nicht von der Verrichtung von Schwerarbeit an zumindest 15 Arbeitstagen im Monat ausgegangen werden.

Die Ausführungen der klagenden Partei sind widersprüchlich und unschlüssig. Der Einholung eines weiteren Gutachtens fehlt es bei objektiver Betrachtungsweise und der mangelnden Erfolgsaussicht an einer Grundlage. Wenn die klagende Partei an der Einholung dieses Gutachtens dennoch festhält, stellt die beklagte Partei den

A n t r a g

         auf Separation der für dieses Gutachten anfallenden Kosten.“

         Der Kläger hielt in der Folge (ON 8d) an seinem Antrag, der berufskundliche Sachverständige möge die mit Schriftsatz des Klägers vom 7.Jänner 2021 (gemeint: ON 8a) aufgeworfenen Fragen beantworten, fest.

         Mit dem beim Erstgericht am 5.März 2021 (ON 9) eingelangten Schriftsatz führt die Beklagte, gestützt auf die bisherigen widersprüchlichen Angaben des Klägers insbesonders zu den von ihm verrichteten Arbeitszeiten, Folgendes wörtlich aus:

         „In rechtlicher Hinsicht ist zu den divergierenden Angaben auszuführen, dass die Bestimmungen der §§ 48 und 142 ZPO über die Kostenseparation sowie des § 44 ZPO über die Kostenentscheidung bei Verzögerung des Rechtsstreits durch eine Partei unter Bezugnahme auf § 77 Abs. 3 ASGG anzuwenden sind. Demnach sind die Verfahrenskosten nach Billigkeit vom Versicherten zu ersetzen, wenn sie durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung verursacht wurden.

         Hiebei ist Billigkeit nach § 77 Abs. 1 Z 2 lit b ASGG zu beurteilen. Eine tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit des Verfahrens liegt nicht vor, zumal es in zahlreichen beim dortigen Gericht anhängigen Verfahren zur Feststellung von Zeiten der Schwerarbeit zur Berechnung der Schwerarbeit aufgrund einer retrospektiven Betrachtung der Tätigkeit kommt. Der berufskundliche Sachverständige erstellt diese Berechnung nach arbeitswissenschaftlichen Grundsätzen aufgrund der Angaben des Klägers und der Eindrücke beim Ortsaugenschein.

         Zum Verursachen von Verfahrenskosten durch Mutwillen und Verschleppung des Verfahrens:

         Wie bereits ausgeführt, wurde aufgrund der Angaben des Klägers beim Ortsaugenschein ein umfangreiches Gutachten auf der Basis eines 8,5 Stunden Arbeitstages in den Sommermonaten (von April bis Oktober) erstellt, welches zu dem Ergebnis kam, dass unter den genannten Parametern Schwerarbeit in den Sommermonaten vorliegt.

         Hiefür sind EUR 1.225,00 an Kosten für den Sachverständigen angefallen. Für die Erörterung sind weitere EUR 60,00 und für die berufskundliche Stellungnahme hinsichtlich des Schriftsatzes vom 07.01.2021 weitere EUR 258,00 entstanden. Zu erwarten ist, dass eine weitere berufskundliche Berechnung aufgrund der tatsächlich vorliegenden Nettoarbeitszeit und der tatsächlichen Dauer des Sommerdienstes nötig sein wird. Dazu beantragt die klagende Partei die weitere Berechnung des Kalorienverbrauches für bestimmte Zeiträume.

         Hätte die klagende Partei bereits beim Ortsaugenschein entsprechende Unterlagen vorgelegt und die tatsächlichen Arbeitsbedingungen dargelegt, wäre eine Berechnung unter Berücksichtigung sämtlicher Parameter bereits im ersten Sachverständigengutachten möglich gewesen. Die seit der Gutachtenserörterung entstandenen und künftig noch entstehenden Kosten sind daher der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht weiter dienlich und sind diese mutwillig verursachten Mehrkosten zu separieren.

         Die beklagte Partei stellt daher unter Berufung auf § 77 Abs. 2 ASGG den Antrag auf

K o s t e n s e p a r a t i o n.“

In der (letzten) Tagsatzung vom 10.Juni 2021 wurde von Seiten der Klagsvertreterin „vorsorglich“ der Inhalt des seitens der Beklagten gestellten Kostenseparationsantrags bestritten und um Übersendung desselben ersucht, welche das Erstgericht ankündigte und den Auftrag zur Abgabe einer Stellungnahme erteilte. In dieser Stellungnahme (ON 15) führte der Kläger aus, die Beweisanträge seien zur Rechtsverfolgung notwendig gewesen und keinesfalls mutwillig, irreführend oder in Verschleppungsabsicht erfolgt. Der Verweis auf § 77 Abs 2 ASGG gehe ins Leere; der Kostenseparationsantrag sei als unbegründet abzuweisen.

Mit dem hinsichtlich der genannten Kostenentscheidung angefochtenen Urteil stellt das Erstgericht – insofern unbekämpft – die in der Zeit von Oktober 2002 bis April 2019 konkret genannten Monate mit bestimmten Ausnahmen (insgesamt 93 Monate) als Schwerarbeitszeiten fest, weist ein Mehrbegehren ab und verpflichtet in der Kostenentscheidung den Kläger, der beklagten Partei, die mit EUR 1.476,00 bestimmten anteiligen Prozesskosten (Sachverständigengebühren) zu ersetzen.

Diese Kostenentscheidung begründet es damit, dass sich das Kostenersatzbegehren (der Kostenseparationsantrag) gemäß § 77 Abs 3 ASGG als berechtigt erweise. Von einem Versicherten könne verlangt werden, ein Verfahren so zu führen, dass unnötige Kosten vermieden würden. Vom Kläger sei im konkreten Fall zu erwarten gewesen, dass er bereits im Vorfeld der Klagseinbringung seine Vertretung von allen Umständen umfassend in Kenntnis setze, jedenfalls aber im Zuge seiner Einvernahme und spätestens beim Ortsaugenschein alle klagsrelevanten Angaben tätige bzw entsprechende Urkunden vorlege und als qualifiziert Vertretener (rechtzeitig) ein entsprechendes Vorbringen erstatte. Dies habe der Kläger unterlassen bzw seine Aussagen nach Vorliegen des Erstgutachtens in seinem Sinne adaptiert, wodurch Mehrkosten für die schriftlichen Ergänzungen vom 21.Jänner 2021 (ON 8b) in Höhe von EUR 258,00, vom 24.März 2021 (ON 10) in Höhe von EUR 629,00 und vom 26.Mai 2021 (ON 12) in Höhe von EUR 392,00, sowie die Gutachtenserörterung mit dem Sachverständigen vom 10.Juni 2021 (Anmerkung Rekursgericht: EUR 197,00), entstanden seien, die er der Beklagten zu ersetzen habe. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger nach wie vor berufstätig sei, entspreche auch die Höhe der Ersatzpflicht der Billigkeit.

Nur gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss zur Gänze aufzuheben und dem Kostenseparationsantrag der Beklagten keine Folge zu geben; in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte, die keine Rekursbeantwortung erstattet, beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht zusammengefasst geltend, seine geänderten Darstellungen über die Arbeitszeiten beruhte auf der fehlenden Existenz von Arbeitszeitaufzeichnungen für die letzten fünf Jahre und die unterschiedlichen Arbeitszeiten in den letzten 20 Jahren, was jedoch nicht ihm anzulasten sei. Weder Mutwillen noch Verschleppung noch Irreführung würde vorliegen. Das Klagebegehren sei letztlich auch erfolgreich gewesen. Eine Verschleppungsabsicht wäre keinesfalls im Interesse des Klägers gelegen, jedoch hätten sich im Laufe des Verfahrens neue Ansätze ergeben, die zu Ergänzungen des berufskundlichen Gutachtens geführt hätten. Wenn sich erst im Laufe des Verfahrens die tatsächliche Nettoarbeitszeit herausstelle und das Ausmaß der Mittagspause relativiert werde, könne dies keinesfalls als bewusst wahrheitswidriges Vorbringen gewertet werden.

Die Auferlegung der Kostenersatzpflicht würde ausschließlich auf Billigkeitsgründen beruhen. Das Erstgericht habe hiefür lediglich die aufrechte Berufstätigkeit des Klägers herangezogen, jedoch nicht seine tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse überprüft, in welchem Falle es von der Auferlegung der Kosten Abstand genommen hätte.

Diesen Argumenten ist letztlich zu folgen.

§ 77 ASGG enthält für Sozialrechtssachen zwischen Versicherten und Versicherungsträgern zugunsten der Versicherten von den vom Erfolgsprinzip geprägten Normen der §§ 41ff ZPO weitreichende Abweichungen, die auch Spezialnormen der ZPO verdrängen. Eine Reihe von allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO bleibt aber ungeachtet dessen anwendbar (vgl die Aufzählung von Neumayr in Neumayr/Reissner ZellKomm3 § 77 ASGG Rz 1f). Es kann nach Auffassung des Rekursgerichts dahinstehen, ob auch die Bestimmungen der ZPO über die Kostenseparation (etwa § 48) anwendbar sind, zumal auch dies nur unter Bedachtnahme auf § 77 Abs 3 ASGG in Betracht käme, wonach eine Kostenersatzverpflichtung des Versicherten nur unter strengen Voraussetzungen vorgesehen ist (vgl Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 440).

Richtig ist, dass die Bestimmung des § 77 Abs 3 ASGG eine Regelung enthält, wonach der Versicherte dem Versicherungsträger durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung verursachte Verfahrenskosten nach Billigkeit zu ersetzen hat. Grundsätzlich trifft nach § 77 Abs 1 Z 1 ASGG den Versicherungsträger die Kostentragungspflicht unter anderem für die Gebühren sämtlicher Sachverständiger. Damit dem Versicherten ausnahmsweise nach der genannten Bestimmung ein gänzlicher oder teilweiser Ersatz von Kosten des Versicherungsträgers auferlegt werden kann, muss er diese durch die genannten Umstände verursacht haben. Alle diese Fälle erfordern ein dem Versicherten zuzurechnendes schuldhaftes Verhalten, das in einem kausalen Zusammenhang mit den erwachsenen Verfahrenskosten stehen muss (SVSlg 55.089; Kuderna, ASGG2, 502; Neumayr aaO Rz 5 zu § 77 ASGG mwN aus der Rechtsprechung). Auch das Rekursgericht hat bereits ausgesprochen, dass auf Ignoranz und Interesselosigkeit beruhende Verhaltensweisen von Versicherten, die eine massive Verletzung von Mitwirkungspflichten darstellen und völlig unnötige Verfahrenskosten verursachen, nicht sanktionslos bleiben können, was auch zweifellos dem Zweck der genannten Kostenersatzregelung entspricht (hg 6 Rs 59/19x). Demgemäß begegnet es keinen Bedenken, Versicherten bei Zutreffen der in der genannten Gesetzesbestimmung enthaltenen Voraussetzungen (Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung) Verfahrenskosten ganz oder teilweise zum Ersatz aufzuerlegen.

Der Kostenseparationsantrag der Beklagten scheitert jedoch schon an den formalen Voraussetzungen.

Selbst ausgehend von der Anwendbarkeit der einschlägigen Normen über die Kostenseparation in der ZPO, beschränkt auf die Fälle des Abs 3 des § 77 ASGG (zustimmend Köck/Sonntag, ASGG, Rz 4 zu § 77), bedarf es keiner Erörterung, dass ein solcher Antrag auf Kostenseparation nur bei Erfüllung der formalen Voraussetzungen von Erfolg begleitet sein kann. Dazu gehört naturgemäß auch die Kostenverzeichnung.

Gemäß § 54 Abs 1 ZPO hat die Partei, welche Kostenersatz anspricht, bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruchs das Verzeichnis der Kosten samt den zur Bescheinigung der Ansätze und Angaben dieses Verzeichnisses etwa erforderlichen Belegen vor Schluss derer Entscheidung über den Kostenersatzanspruch unmittelbar vorangehenden Verhandlung dem Gericht zu übergeben. Mit dieser Bestimmung hat die ZPO das System der allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 (AGO) übernommen. In allen Verfahren mit (möglichem) Kostenersatz, gilt daher, dass die Partei rechtzeitig und vollständig jene Kosten zu verzeichnen hat, deren Ersatz sie beansprucht. Die Verzeichnung stellt demnach eine unabdingbare Voraussetzung dafür dar, dass ein Kostenzuspruch an die anspruchsberechtigte Partei überhaupt ergehen kann. Im Normalfall der schriftlichen Geltendmachung hat das Kostenverzeichnis (Kostennote) eine genaue ziffernmäßige Aufstellung aller von der Partei beanspruchten Kostenbeträge zu enthalten. Die bloße Nennung einer kostenverursachenden Tatsache reicht für einen Kostenzuspruch nicht aus. Fehler bei der Verzeichnung von Kosten führen – abgesehen von Rechenfehlern – zum Verlust des Kostenersatzanspruchs, sind also nicht verbesserbar. Ebenso wenig sind Kosten zuzusprechen, wenn sie nicht (vollständig) oder nicht rechtzeitig verzeichnet werden (vgl hg 6 Ra 80/20m mit zahllosen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Auch das Oberlandesgericht Wien hat zu 8 Rs 67/20m (RIS-Justiz RW00000984) ausgesprochen, dass jede Kostenentscheidung, die zu einem Zuspruch führt, eine Verzeichnung der Kosten durch die Partei, die Kosten begehrt, voraussetzt, und dass dieser tragende Grundsatz auch für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit nach § 77 Abs 3 ASGG gilt. Des weiteren vertrat es die Auffassung, dass im sozialgerichtlichen Verfahren wegen der spezielleren Norm des § 77 ASGG eine Kostenseparation zu Lasten des Versicherten gemäß § 48 ZPO nicht zulässig ist, da selbst bei Verschulden des Versicherten im Sinne dieser Bestimmung durch § 77 Abs 3 ASGG ein Kostenersatz auf krasse Fälle nach Billigkeit reduziert wird.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig davon auszugehen, dass die Beklagte keine Kostennote im genannten Sinn gelegt hat und auch sonst keine den Formalerfordernissen der ZPO entsprechende Kostenverzeichnung erfolgt ist, was der Kostenentscheidung die Grundlage entzieht.

Abgesehen davon erweisen sich auch die gestellten Kostenseparationsanträge als untauglich. Vom Antrag ON 8c sind schon dem Wortlaut nach nur die künftig anfallenden Kosten für das nächste eingeholte Gutachten umfasst, vom Antrag ON 9 „die seit der Gutachtenserörterung entstandenen und künftig noch entstehenden Kosten“, welche seitens der Beklagten in der Folge jedoch zu keinem Zeitpunkt beziffert wurden, die Beklagte jedoch als mutwillig verursacht ansieht. Schon daraus wird deutlich, dass überhaupt nicht klar ist, welchen Ersatzbetrag die Beklagte konkret anspricht.

„Mutwillen“ in diesem Zusammenhang setzt voraus, dass der Versicherte erkennbar schlechtgläubig in dem Sinn ist, dass er die Unzulässigkeit oder den völligen Mangel jeder ernst zu nehmenden Begründung erkannt und trotzdem die Klage eingebracht und das Verfahren ungeachtet einer ihm erteilten richterlichen Belehrung fortgesetzt oder das Rechtsmittel erhoben hat. Selbst eine unzulässige oder offenbar unbegründete Klage wäre nicht per se mutwillig (RIS-Justiz RS0085590; 10 ObS 183/95, 10 ObS 333/90; Neumayr aaO Rz 6 zu § 77 ASGG uva). Von Mutwilligkeit ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.

Insoweit im Rechtsmittel eine „Verschleppung“ angedeutet wird, wäre auch diese nur dann anzunehmen, wenn die Absicht des Versicherten ganz offenbar darauf gerichtet ist, das Verfahren ohne sachliche Rechtfertigung in die Länge zu ziehen und einen den Verfahrensergebnissen entsprechenden früheren Verfahrensabschluss zu verhindern (Neumayr aaO). Diesbezüglich ist dem Rekurswerber zuzustimmen, dass der vorliegende Sachverhalt auch hiefür keine taugliche Grundlage bildet. Abgesehen davon, dass die Erreichung eines für die Prozesspartei günstigen Verfahrensausgangs – auf eine Irreführung hat sich die Beklagte nie berufen – zweifellos ein legitimes Prozessziel darstellt, wäre – wie bereits dargelegt – ein Ersatzanspruch nach § 77 Abs 3 ASGG nur innerhalb enger Grenzen möglich und auf krasse Fälle reduziert, wovon im Fall des Klägers jedoch keinesfalls auszugehen wäre. Insoweit dem Kläger vom Erstgericht Fehler in der Prozessvorbereitung vorgeworfen werden, ist ein derartiger Verstoß von der genannten Bestimmung nicht umfasst.

Es ist daher dem Rekurs Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 6

Textnummer

EG00197

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2021:0060RS00048.21G.0916.000

Im RIS seit

27.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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