TE OGH 2021/8/6 6Ob45/21t

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Veröffentlicht am 06.08.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. M***** P*****, vertreten durch Univ.-Prof. MMMag. DDDr. Dieter Kindel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2021, GZ 40 R 181/20v-64, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

[1]            Den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet der – von den Vorinstanzen bejahte – Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG. Die Beklagte zeigt in ihrer außerordentlichen Revision jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[2]            1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

[3]            2. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG nicht durchgesetzt werden, wenn der Vermieter entweder auf die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes überhaupt verzichtet oder der Untervermietung bedingungslos zugestimmt hat. Ist die Zustimmung auf eine konkrete Untervermietung eingeschränkt, kommt es darauf an, wie weit die Erlaubnis reicht. Diese Frage ist durch Auslegung der Zustimmungserklärung des Vermieters zu lösen, die sich jeweils am konkreten Einzelfall orientiert (1 Ob 27/15z; RS0070635 [T1, T2]). Sie wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (1 Ob 27/15z; 2 Ob 106/06m).

[4]            Nach den – teilweise disloziert im Zuge der Beweiswürdigung getroffenen – Feststellungen war der Beklagten bewusst, dass ihr vereinbarungsgemäß ohne Genehmigung der Vermieterseite nur die vorübergehende Aufnahme von Gästen in der vermieteten Wohnung gestattet war, nicht jedoch generell die Untervermietung. Da sie bezweifelte, dass ihr die Untervermietung an mehrere Personen (gleichzeitig) gestattet würde, fragte sie „vorsichtshalber“ gar nicht um Erlaubnis.

[5]            3.1 Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags nur vor, wenn feststeht, dass der Mieter die Wohnung mit Sicherheit in naher Zukunft wieder benötigen wird (RS0079210 [T16]). Auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten ist nicht Bedacht zu nehmen (RS0079210&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=&VonDatum=&BisDatum=07.04.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=4575bdde-8167-4d93-be5f-f11db751b3b7&Dokumentnummer=JJR_19890524_OGH0002_0030OB00507_8900000_001">). Der Mieter muss konkrete Behauptungen aufstellen, aus welchen Gründen sein schutzwürdiges Interesse besteht. Die Gründe für eine beabsichtigte Wiederkehr und der Zeitplan für deren Umsetzung müssen zwar nicht in allen Einzelheiten darlegt werden. Um die Voraussetzungen für das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses auch nur annähernd prüfen zu können, ist jedoch in der Regel die Angabe eines Zeitrahmens zu fordern, innerhalb dessen der Mieter in das aufgekündigte Objekt zurückkehren kann und will. Die Verwendung allgemeiner Floskeln wie „in absehbarer Zeit“ reicht dafür nicht aus. Sie ermöglicht keinerlei Einschätzung, ob die Rückkehr nur eine völlig ungewisse Möglichkeit darstellt (5 Ob 77/15g).

[6]            3.2 Nach den Feststellungen wohnt die Beklagte alleine in ihrer Eigentumswohnung, die die gleiche Größe wie die gekündigte Wohnung hat. Sie und ihr 2012 aus dieser Eigentumswohnung ausgezogener Ehemann wollen sich scheiden lassen, können sich aber nicht einigen, weil der Ehemann die von ihm finanzierte Eigentumswohnung haben möchte. Es gibt deswegen noch kein gerichtliches Verfahren.

[7]            Die Auffassung des Berufungsgerichts, angesichts dieser Umstände habe die Beklagte mit der bloßen Behauptung, dass sie aufgrund eines Zerwürfnisses mit ihrem Ehemann von dieser Eigentumswohnung in die aufgekündigte Wohnung zurückziehen werde müssen, nicht ausreichend dargelegt, dass sie die gekündigte Wohnung in naher Zukunft dringend benötige, zumal ein Scheidungsverfahren nach acht Jahren ehelichen Zerwürfnisses noch nicht einmal anhängig sei, findet Deckung in der erörterten Rechtsprechung.

[8]          4. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Textnummer

E132673

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00045.21T.0806.000

Im RIS seit

23.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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