TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 W170 2241799-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §9
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §114 Abs1
FPG §114 Abs3
FPG §114 Abs4 Fall1
FPG §52
FPG §53
FPG §55
StGB §83 Abs1
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W170 2241799-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 12.03.2021, Zl. 1096806909/190894046, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 2 VwGVG, 7, 8, 9, 10, 57 AsylG 2005, 9 BFA-VG, 52, 53 und 55 FPG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

XXXX ist ein am XXXX geborener, also volljähriger syrischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht.

XXXX wurde, nachdem dieser am 29.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 07.12.2016, Zl. 1096806909/151869814, der Status des Asylberechtigten im Wesentlichen deshalb zuerkannt, weil diesem in Syrien die Einberufung zur syrischen Armee gedroht habe, zuerkannt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.12.2019, 92 Hv 24/2019g, wurde XXXX wegen des Verbrechens der Schlepperei gemäß § 114 Abs. 1 und 3, Z 1 und 2, Abs. 4 erster Fall FPG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, weil dieser im Zeitraum von 2016 bis Mitte August 2017 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit XXXX sowie weiteren, teils unbekannten Mittätern und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die als ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen darauf angelegt war, dass von ihren Mitgliedern fortlaufend Schleppereihandlungen ausgeführt werden, die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert hat, sich oder einem Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei der die Taten ab der dritten Tat gewerbsmäßig und teilweise in Bezug auf mindestens drei Fremde beging, indem er an der Durchführung von zumindest fünf Schleppungen von Österreich nach Deutschland betreffend zumindest 22 Fremde arbeitsteilig entweder als Fahrer, Begleitfahrer oder als Koordinator, welcher weitere Fahrer anwarb, mitwirkte, wofür er von XXXX insgesamt € 6.100 an eigentlichem Schlepperlohn sowie € 3.200 an finanziellen Mitteln für Sachaufwand und Bezahlung der Fahrer ausbezahlt erhielt. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von Verbrechen, die doppelte Deliktsqualifikation des § 114 Abs. 3 FPG, Tatwiederholung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit, mildernd der bisher unbescholtene Lebenswandel gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16.06.2020, 071 Hv 41/20y, wurde XXXX wegen des Vergehens des Schwangerschaftsabbruchs ohne Einwilligung der Schwangeren gemäß §§ 15, 98 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei 10 Monate dieser Strafe bedingt nachgesehen wurden, weil er in Wien am 20.01.2020 XXXX ohne Einwilligung der Schwangeren, deren Schwangerschaft abzubrechen versucht hat, indem er der schwangeren XXXX mehrere Ohrfeigen versetzte und ihr anschließend mit dem Fuß gegen den Bauch trat und mit seinen Fäusten darauf einschlug während er rief, dass er das Kind nicht wolle und XXXX durch diese Tathandlungen vorsätzlich am Körper verletzte, wodurch diese Blutungen im Gesicht und Vaginalbereich und anhaltende Schmerzen im Bauchbereich erlitt. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von zwei Vergehen, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel und dass es hinsichtlich des Schwangerschaftsabbruches beim Versuch geblieben ist, gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10.12.2020, 041 Hv 49/20d, wurde XXXX wegen des Verbrechens der Schlepperei gemäß §§ 114 Abs. 1 und 3 Z 1 und 2 FPG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, weil er in Wien und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern gewerbsmäßig in zumindest fünf Angriffen die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von mindestens drei Fremden, in oder durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, nämlich die Einreise über Serbien und Ungarn nach Österreich, mit dem Vorsatz gefördert hat, sich oder einem Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er für ein Entgelt in der Höhe von € 100 pro Person insgesamt 23 Personen von der österreichisch-ungarischen Grenze mit seinem PKW Audi A4 ins Landesinnere weiter transportierte und zwar am 10.11.2020 fünf Personen, indem er sie von der ungarischen Grenze nach Rabnitz führte und im Zeitraum Ende August/Anfang September 2020 bis November 2020 in vier Angriffen insgesamt 18 Personen, indem er sie von der ungarischen Grenze nach Wien führte. Mildernd wurde das reumütige und umfassende Geständnis, erschwerend die einschlägige Vorstrafe gewertet.

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend, XXXX wurde zwar zum Wehrdienst einberufen, hat diesen aber nicht abgeleistet. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Nach dem Ausbruch des Konfliktes stellte die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten, welche den verpflichtenden Wehrdienst geleistet hatten, ein. 2018 wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch auch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab. Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen. Unter anderem besteht aufgrund der Kämpfe in Idlib ein hoher Bedarf an Rekruten und Reservisten. Nach Gebietsgewinnen im Sommer 2018 rekrutieren die syrischen Streitkräfte nun vermehrt in diesen Gebieten. Während ein Abkommen zwischen den überwiegend kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung vom November 2019 die Stationierung von Truppen der syrischen Streitkräfte in vormals kurdisch kontrollierten Gebieten vorsieht, hat die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesen Gebieten wiedereingeführt. Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet. Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt. Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. So errichtet die Militärpolizei beispielsweise in Homs stichprobenartig und nicht vorhersehbar Straßenkontrollen. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden. Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden. Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara’a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden, berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Weiters rekrutieren die syrischen Streitkräfte in Lagern für Binnenvertriebene. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht. Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln. Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Im Falle der Rückkehr nach Syrien droht XXXX weiterhin zum Militärdienst zwangsweise einberufen zu werden; die Ableistung des Militärdienstes ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Zwang zur Mitwirkung am Menschenrechtsverletzungen verbunden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage, hinsichtlich der Situation bzw. allgemeinen Lage in Syrien aus dem den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 12.03.2021, Zl. 1096806909/190894046, zu Grunde liegenden Länderinformationsblatt der Staatendokumentation

Der festgestellte Sachverhalt wird dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 12.03.2021, Zl. 1096806909/190894046, zu Grunde gelegt und wird diesem in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten und zur Feststellung, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt, Spruchpunkt I. des Bescheides:

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer in Syrien immer noch asylrelevante Verfolgung wegen seiner Wehrdienstverweigerung bzw. als zwangsweise Wehrdienstleistender, dem der Zwang zur Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen droht, droht. Daher hat sich die Situation auf Grund der Verfolgungsgefahr in Syrien nicht verändert. Es kommt also nur eine Aberkennung nach § 7 AsylG 2005 in Betracht.

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (1.) ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt, (2.) einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder (3.) der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

3.2. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, entspricht.

Gemäß § 73 StGB stehen, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, ausländische Verurteilungen inländischen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. 6 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen sind. Das bedeutet aber im Größenschluss auch, dass die Beurteilung, ob ein Verhalten ein Verbrechen darstellt, nach österreichischem Recht und nicht nach dem Recht des Staates, in dem die Verurteilung erfolgte, zu erfolgen hat.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16.06.2020, 071 Hv 41/20y, wegen des Vergehens des Schwangerschaftsabbruchs ohne Einwilligung der Schwangeren gemäß §§ 15, 98 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Mangels des Vorliegens eines Verbrechens kann diese Verurteilung keine solche eines besonders schweren Verbrechens darstellen.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.12.2019, 92 Hv 24/2019g, wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe und mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10.12.2020, 041 Hv 49/20d, wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Schlepperei zu einer teilbedingten Haftstrafe verurteilt. Nach den Erläuterungen zur Stammfassung des AsylG 2005 (952 der Beilagen, XXII. GP) wäre hinsichtlich des Begriffs des besonders schweren Verbrechens neben Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub aber auch an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt zu denken. Dies war aber bei beiden Delikten laut den Urteilen in keiner Weise der Fall, für sich sind beide Verurteilungen jedenfalls keine wegen eines besonders schweren Verbrechens.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass es sich bei der Aufzählung der besonders schweren Verbrechen um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK handelt (zuletzt VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Insofern ist etwa das Delikt des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls (§ 130 dritter und vierter Fall StGB) nicht grundsätzlich vom Begriff des "besonders schweren Verbrechens" ausgeschlossen. Aber ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof schon zum Ausdruck gebracht, dass auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegend unbedingter Freiheitsstrafen, verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als "besonders schweres Verbrechen" qualifiziert werden können (VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; VwGh 18.10.2018, Ra 2017/19/0109). In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird allerdings auch betont, dass es auf die Strafdrohung allein bei der Beurteilung, ob ein "besonderes schweres Verbrechen" vorliegt, nicht ankommt (VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). So genügt es demnach nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626). Da es aber bei beiden Verurteilungen hinsichtlich Verbrechen eben gerade nicht einmal im Ansatz zu den vom Gesetzgeber in den Materialen geforderten besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten gekommen ist, handelt, liegt auch in einer Gesamtbetrachtung der Taten des Beschwerdeführers kein besonders schweres Verbrechen vor. Auch liegen derzeit „nur“ zwei Verurteilungen wegen Verbrechen vor, sodass weder (siehe die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes oben) von einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und (siehe die diesbezüglichen Feststellungen) auch (noch) nicht von beträchtlichen und überwiegend unbedingten Freiheitsstrafen auszugehen ist.

Daher liegt auch in einer Zusammenschau aller Verurteilungen ein besonders schweres Verbrechen nicht vor.

3.3. Die Sache des Beschwerdeverfahrens ist aber nur der Inhalt des Spruches, nicht der Grund, warum es zum Inhalt des Spruches gekommen ist; das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht alle Gründe, die zum von der Behörde ausgesprochenen Ergebnis führen könnten, zu prüfen hat (VwGH 21.01.2016, Ra 2015/12/0027). Hier bedeutet das, dass das Bundesverwaltungsgericht, wenn der vom Bundesamt herangezogene Aberkennungstatbestand nicht zum von der Behörde ausgesprochenen Ergebnis führt, alle anderen Gründe, die zu diesem Ergebnis führen könnten, zu prüfen hat.

Siehe zu einer allfälligen Änderung der Lage in Syrien die entsprechenden Ausführungen unter 3.1., diese liegen nicht vor.

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG ist in Fremder neben dem schon geprüften Aberkennungsgrund der Z 4 von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn (1.) und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt, (2.) einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt oder (3.) aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt.

Gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention findet diese auf Personen keine Anwendung, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten; dies sind derzeit nur unter dem Schutz von UNRWA stehende Personen; der Beschwerdeführer gehört nicht zu dieser Personengruppe.

Gemäß Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention sind die Bestimmungen auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, dass sie (a) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, und zwar im Sinne jener internationalen Einrichtungen, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen gegen solche Verbrechen zu schaffen, (b) bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben, (c) sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten. Hierfür gibt es im Akt keine Hinweise.

Auch bestehen keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt; insbesondere kann die nicht gegen die Integrität des Staates Österreich gerichtete strafbare Handlung eine solche Gefahr nicht begründen.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG ist der Status des Asylberechtigten auch abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene (1.) sich freiwillig wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt hat, (2.) die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat, (3.) eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz seines neuen Heimatlandes genießt, (4.) sich freiwillig in dem Staat, den er aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat, (5.) wenn die Umstände, auf Grund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und er es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen, wobei die Bestimmungen der Ziffer 5 nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden sind, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen und (6.) staatenlos ist und die Umstände, auf Grund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, er daher in der Lage ist, in sein früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.

Dem Beschwerdeführer droht in Syrien weiterhin Verfolgung, daher kann er die Inanspruchnahme des Schutzes durch Syrien aus triftigen Gründen ablehnen. Für das Vorliegen der anderen Asylendigungsgründe finden sich keine Indizien.

Schließlich hat der Beschwerdeführer den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen auch nicht in einem anderen Staat verlegt, er (und viele seiner Familienangehörigen) leben in Österreich.

Es liegt daher auch kein vom Bundesamt nicht herangezogener Asylausschluss- oder
-endigungsgrund vor.

Daher ist der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. stattzugeben; da somit die Voraussetzungen für die weiteren Absprachen wegfallen, ist dieser als auch die weiteren Spruchpunkte ersatzlos zu beheben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat unter A) die relevante Rechtsprechung dar- und diese der Entscheidung zugrunde gelegt. Es liegt daher keine offene Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Aberkennungstatbestand Aberkennungsverfahren Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe besonders schweres Verbrechen Entziehungsbescheid ersatzlose Behebung Gewalttätigkeit Kassation Körperverletzung Rückkehrentscheidung Schlepperei Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Verbrechen Vergehen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W170.2241799.1.00

Im RIS seit

17.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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