TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/17 LVwG-AV-270/001-2021

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Veröffentlicht am 17.06.2021
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Entscheidungsdatum

17.06.2021

Norm

KFG 1967 §57a Abs2
KFG 1967 §57a Abs2a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H., vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 14. Jänner 2021, Zl. ***, betreffend Widerruf der Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), in der Begutachtungsstelle in ***, ***, zu Recht:

1.   Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Gemäß § 57a Abs. 2a KFG 1967 wird folgende Anordnung erteilt:
„Sie haben bei der wiederkehrenden Begutachtung und der Ausstellung von Prüfgutachten mehr Sorgfalt aufzuwenden, im besonderen den Genehmigungsumfang und die Vorgaben des Mängelkataloges in der jeweils geltenden Fassung einzuhalten. Insbesondere haben Sie darauf zu achten, dass die Emissionen von Dieselmotoren gemäß den Vorgaben des vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigten Mängelkataloges idF 2019, insbesondere Punkt 8.2.2 Emissionen von Dieselmotoren, samt Ergänzungen entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik geprüft werden. Um dies zu gewährleisten, ist ein geeignetes, nachvollziehbares Qualitätssicherungssystem dauerhaft einzurichten.“

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 14. Jänner 2021, Zl. ***, wurde die erteilte Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung der A Gesellschaft m.b.H. für näher bestimmte Fahrzeugklassen wie folgt widerrufen:

„Die Ihnen mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. August 1990, ***, erteilte, mit Bescheid vom 22. April 2005, ***, erweiterte, mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 24. Oktober 2018, ***, teilweise widerrufene und mit Bescheid vom 25. Oktober 2018, ***, erweiterte

Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen

in der Begutachtungsstelle in ***, ***,

wird widerrufen.

Die vorhandenen Begutachtungsplaketten sind unverzüglich nach Rechtskraft dieses Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs zurückzustellen. Ebenso unverzüglich ist die auf die Begutachtungsstelle verweisende Prüfstellentafel zu entfernen.

Die der Begutachtungsstelle zugewiesene Begutachtungsstellennummer *** wird ab Rechtskraft dieses Bescheides gegenstandslos.“

In ihrer Begründung nahm die belangte Behörde den Spruch des Widerrufsbescheides vom 24. Oktober 2018, Zl. ***, auf. Weiters wurde das Prüfergebnis betreffend die in der Prüfstelle in ***, ***, durchgeführte Revision am 29. Dezember 2020 vollinhaltlich wiedergegeben, sowie die Stellungnahme der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 11. Jänner 2021. Unter Hinweis auf die relevanten Bestimmungen des § 57 KFG 1967 ging die belangte Behörde davon aus, dass angesichts der Ausstellung von 6 Gutachten gemäß § 57 Abs. 4 KFG, obwohl die Rechtsmittelwerberin insofern über keine Ermächtigung gemäß § 57 Abs. 2 leg. cit. verfügte, und der nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Abgasmessung bei Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (Diesel) derzeit nicht davon auszugehen sei, dass die Ermächtigte die ihr anvertraute hoheitliche Aufgabe entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes ausüben werde. Erschwerend komme hinzu, dass die Gutachten EBV *** und *** idente Bremswerte der Betriebsbremsanlage aufweisen würden. Die von der Einschreiterin im Anschluss an die Revision ergriffenen Maßnahmen mögen an der vorstehenden Einschätzung nichts zu ändern.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Die vom Widerruf der Ermächtigung Betroffene erhob gegen diese behördliche Entscheidung durch ihre rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde und beantragte die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Nach Darstellung des Verfahrensganges wurde der Antrag wie folgt begründet:

Zwecks Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Behörde wäre die Anberaumung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung eines Amtssachverständigen sowie eines KFZ-technischen Sachverständigen notwendig gewesen und wäre auch die Geschäftsführung einzuvernehmen gewesen. Es gilt die Manuduktionspflicht.

Es werden hinkünftig die Qualitätssicherungsmaßnahmen und die Betreuung durch die C OG sichergestellt und gewährleistet, dass die Begutachtungen in Entsprechung der gesetzlichen Bestimmungen ordnungsgemäß vorgenommen werden.

Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid sind unbegründet und in der vorliegenden Form nicht nachvollziehbar.

Bei einer Entscheidung hinsichtlich der Erteilung einer Ermächtigung nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 handelt es sich um das Ergebnis einer Beurteilung des Gesamtverhaltens des Betroffenen, nämlich den Rückschluss auf das zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegende Persönlichkeitsbild des Antragstellers.

Bei richtiger Beurteilung der Rechtssache wäre Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin anzunehmen. Hätte die belangte Behörde diesbezüglich ein Ermittlungsverfahren geführt, einen Lokalaugenschein vorgenommen und einen Amtssachverständigen aus dem Fach KFZ-Technik/ Überprüfung von wiederkehrenden Begutachtungen beigezogen, wäre die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass von den Voraussetzungen für die wiederkehrende Begutachtung gemäß § 57a KFG für den Standort ***, ***, auszugehen ist. Dem aufgezeigten Verfahrensfehler kommt daher Ergebnisrelevanz zu.

Ausdrücklich wird Bezug genommen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, GZ 83/11/0167, vom 19.09.1984. Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, dass die Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides zu beurteilen ist.

Beweis: wie bisher

Zeuge D, p.A. der Beschwerdeführerin

Sachverständigengutachten

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.09.1984, GZ

83/11/0162

Die angefochtene Entscheidung widerspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und stellt die Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers „Willkür“ dar.

b) inhaltliche Rechtswidrigkeit

Die Beschwerdeführerin erlaubt sich der Einfachheit halber auf die Ausführungen zu a) zu verweisen und werden diese Ausführungen zu Rüge der inhaltlichen Rechtswidrigkeit erhoben.

Durch die getroffenen Maßnahmen, welche bis dato von der belangten Behörde nicht überprüft wurden, ist sichergestellt, dass sämtliche Anforderungen erfüllt sind und korrekte Begutachtungen nach § 57a Abs. 2 KFG sichergestellt sind. Die Beschwerdeführerin wird auch unterstützt/betreut und geprüft von einer fachkundigen Unternehmensberatung. All diese Maßnahmen sind bei der Beurteilung der aktuellen Vertrauenswürdigkeit im Hinblick auf die zu treffende Prognoseentscheidung zu berücksichtigen und geben Grund zur Annahme, dass die Beschwerdeführerin die Aufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetztes, nämlich der Gewährleistung, dass nur betriebstauglich und verkehrssichere sowie nicht übermäßige Schadstoffemissionen-verursachende Fahrzeuge am Verkehr teilnehmen, erfüllt. Es kann nicht von einer Vertrauensunwürdigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen werden (VwGH 27.3.2008, 2005/11/0193).

Aufgrund der getroffenen Qualitätssicherung zur Maßnahme und ständig laufenden Überprüfung/ Kontrollen kann von einer Vertrauensunwürdigkeit der Beschwerdeführerin nicht ausgegangen werden.

Es wurden im Übrigen zahlreiche Unstrukturierungsmaßnahmen getroffen, damit die Qualitätssicherung und die korrekte Begutachtung nach § 57a Abs. 2 KFG sichergestellt ist.

Es ist zu einem Eigentumswechsel gekommen und wurde E als handelsrechtlicher Geschäftsführer gelöscht. Mit Wirkung vom 17.06.2020 wurde F zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt. Herr G ist für die Serviceleitung *** beauftragt. Als Standortleiter ist D seit 01.06.2020 verantwortlich.

Beweis: Zeuge F, p.A. der Beschwerdeführerin

Zeuge D, p.A. der Beschwerdeführerin

Auszug aus Notariatsakt vom 27.06.2019

Mitteilungen der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 08.06.2020

Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 18.06.2020

Gewerberegisterauszug

Strafregisterbescheinigung

Arbeitsvertrag

Lebenslauf des Herrn G

Meisterprüfungszeugnis des Herrn G

Bildungspass gemäß g 57a KFG des Herrn G

Dienstzeugnis des Herrn G

Unternehmerprüfungszeugnis des Herrn G

Die Beschwerdeführerin verfügt über alle wiederkehrenden, für die Begutachtung erforderlichen, Einrichtungen und sorgt aufgrund der fachspezifischen Begleitung/Überprüfung dafür, dass sämtliche faktischen und gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Hinzu kommt, dass auch im Hinblick auf die vorzunehmende Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks geboten ist.

Im Hinblick auf die genannte Judikatur ist der angefochtene Bescheid auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.“

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit einem undatierten Schreiben zur Zl. *** wurde von der belangten Behörde die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. gegen den angefochtenen Bescheid dem Verwaltungsgericht mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt. Es wurde mitgeteilt, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung kein Gebrauch gemacht werde. Vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wurde Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, insbesondere in das Gutachten zur Revision vom 29. Dezember 2020.

Mit Schriftsatz vom 19. März 2021 wurde dem Verwaltungsgericht seitens des Beschwerdeführervertreters das Gutachten der C, H, vom 01. März 2021 zur RCNr. ***, übermittelt. Dieses Schriftstück wurde der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs zur Verfügung gestellt und langte hierzu keine Stellungnahme der Kraftfahrbehörde ein.

4.   Feststellungen:

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. August 1990, ***, wurde der A Gesellschaft m.b.H. die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen in der Prüfstelle ***, ***, für näher bezeichnete Fahrzeugkategorien erteilt. Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 25. Oktober 2018, Zl. ***, wurde diese Ermächtigung für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb erweitert.

Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 24. Oktober 2018, Zl. ***, wurde die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung für folgende Fahrzeugklassen mit sofortiger Wirkung widerrufen:

„1.      Kraftrad

1.1      einspurig          Motorrad          L3, L4           FZ

Motorrad          L3, L4           SZ

1.2      mehrspurig          Motorfahrrad          L2                FZ

Motorfahrrad          L2                SZ

Motordreirad          L5                FZ

Motordreirad          L5                SZ

3.   Anhänger                            bis 750 kg          01 gebremst

> 750 bis 3500 kg 02“

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Begründet wurde diese behördliche Entscheidung damit, dass der am 15. Oktober 2018 in der Begutachtungsstelle durchgeführte Ortsaugenschein ergeben habe, dass die Ermächtigte nur die Fahrzeugklasse L1e begutachten möchte und die technischen Voraussetzungen für die Begutachtung von gebremsten Anhänger nicht vorhanden waren.

Bei der von der belangten Behörde beauftragten Überprüfung am 29. Dezember 2020 betreffend den Zeitraum 01. Jänner 2019 bis 29. Dezember 2020 wurden folgende schwere Mängel bei Überprüfung gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 im Betrieb der Beschwerdeführerin festgestellt:

Im Überprüfungszeitraum wurden zwei Anhänger der Fahrzeugklasse O2 (EBV-Nr. *** und ***), zwei Fahrzeuge der Fahrzeugklasse L6e (EBV-Nr. *** und ***), sowie zwei Fahrzeuge der Fahrzeugklasse L7e (EBV-Nr. *** und ***) wiederkehrend positiv beurteilt, obwohl die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung für Fahrzeuge dieser Fahrzeugklassen mit dem festgestellten Bescheid bereits widerrufen wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Ermächtigungsumfang wissentlich überschritten wurde.

Darüber hinaus wurden im Gutachten mit der EBV-Nr. *** im Jahr 2020 die exakt identen Bremswerte angegeben, welche bereits im Jahr 2019 im Gutachten mit der EBV-Nr. *** vermerkt waren, obwohl aus kraftfahrtechnischer Sicht es unmöglich ist, dass ein Fahrzeug im Jahr 2019 und 2020 exakt die gleichen Bremswerte erreicht, da die Bremswerte auch von umwelttechnischen Einflüssen (wie Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Reibwert der Rollen vom Bremsenprüfstand udgl.) abhängig sind.

Die Abgasmessungen bei Fahrzeugen mit Dieselmotoren wurde bei zehn Begutachtungen insofern nicht ordnungsgemäß durchgeführt, als die erforderliche Prüfdrehzahl – zum Teil nur geringfügig – nicht erreicht wurde. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Grenzwert des Absorptionskoeffizienten des Herstellers nicht überschritten wurde.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass durch die aufgezeigten Mängel zu Unrecht ein positives Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 erstattet wurde.

Seit der Revision im Dezember 2020 zeigte sich die neue Geschäftsleitung bzw. Betriebsleistung der Beschwerdeführerin sehr bemüht, die festgestellten Überprüfungsmängel in Zukunft hintanzuhalten. Insbesondere wurde zur Hintanhaltung von Begutachtungsfehlern ein externes und internes Qualitätssicherheitssystem installiert, die involvierten Prüfer mit den aufgezeigten Mängeln nachweislich konfrontiert und wurden Arbeitsanweisungen erteilt, die stichprobenartig und regelmäßig vom Betriebsleiter überprüft werden. Zudem hat es personelle Veränderungen gegeben.

5.   Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Ermächtigungsumfang und zum Ergebnis der Revision vom 29. Dezember 2020 beruhen auf der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und waren zudem unstrittig.

Die Negativfeststellung, wonach durch die aufgezeigten Mängel zu Unrecht kein positives Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 erstellt wurde, ergibt sich aus dem kraftfahrtechnischen Gutachten und finden sich demwidersprechende Hinweise nicht im Behördenakt. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Umstände bekannt geworden, die eine gegenteilige Feststellung unter Beweis stellen könnten.

Die zwischenzeitlich von der Rechtsmittelwerberin gesetzten Maßnahmen konnten aufgrund der von der Einschreiterin übermittelten Unterlagen, insbesondere dem Gutachten der C, H, vom 01. März 2021 zur RCNr. ***, sowie der Angaben in der Beschwerdeschrift getroffen werden, an dessen Richtigkeit das erkennende Gericht zu zweifeln keine Veranlassung hat. Insbesondere wurde beim externen Revision-Check eine Verbesserung des unternehmensinternen Qualitätssicherheitssystems seit der im Auftrag der belangten Behörde durchgeführten Revision attestiert. Im Übrigen folgt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den glaubhaften Angaben des gewerberechtlichen Geschäftsführers der Rechtsmittelwerberin hinsichtlich der Bemühungen durch interne und externe Kontrollen die ordnungsgemäße Erstellung von Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 sicherzustellen.

Letztlich ist die Rechtsfrage strittig, ob aus den festgestellten Mängeln eine Vertrauensunwürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 abgeleitet werden kann.

6.   Rechtslage:

§ 28 VwGVG regelt Folgendes:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 17 VwGVG sieht vor:

Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die relevante Bestimmung des § 57a Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) lautet auszugsweise wie folgt:

(2) Der Landeshauptmann hat für seinen örtlichen Wirkungsbereich auf Antrag Ziviltechniker oder technische Büros-Ingenieurbüros (§ 134 GewO) des einschlägigen Fachgebietes, Vereine oder zur Reparatur von Kraftfahrzeugen oder Anhängern berechtigte Gewerbetreibende, die hinreichend über hiezu geeignetes Personal und die erforderlichen Einrichtungen verfügen, zur wiederkehrenden Begutachtung aller oder einzelner Arten von Fahrzeugen gemäß Abs. 1 zu ermächtigen. Die Ermächtigung darf nur vertrauenswürdigen Personen verliehen werden. Bei der Ermächtigung ist auch auszusprechen, in welcher Weise die Prüfstellen erkennbar gemacht sein müssen. Der Ermächtigte hat Veränderungen hinsichtlich seines Personals und seiner Einrichtungen, soweit diese Voraussetzung für die Erteilung der Ermächtigung waren, unverzüglich dem Landeshauptmann anzuzeigen. Die Ermächtigung ist ganz oder nur hinsichtlich einzelner Arten von Fahrzeugen zu widerrufen, wenn der Ermächtigte nicht mehr vertrauenswürdig ist, nicht mehr über geeignetes Personal verfügt, seine Einrichtungen nicht den durch Verordnung festgesetzten Anforderungen entsprechen oder wenn eine der für die Erteilung der Ermächtigung erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist. Erforderlichenfalls kann der Ausschluss bestimmter geeigneter Personen von dieser Tätigkeit angeordnet werden. Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie ist festzusetzen, unter welchen Voraussetzungen eine Person als zur Durchführung der wiederkehrenden Begutachtung unter Berücksichtigung der Fahrzeugarten geeignet zu gelten hat und welche Einrichtungen nach dem jeweiligen Stand der Technik zur wiederkehrenden Begutachtung unter Berücksichtigung der Fahrzeugarten erforderlich sind.

(2a) Der Landeshauptmann hat regelmäßig zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Ermächtigung noch gegeben sind und ob die Begutachtungen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Insbesondere bei zur Reparatur von Fahrzeugen berechtigten Gewerbetreibenden hat er auf die Objektivität der Begutachtung zu achten. Er kann Anordnungen zur Behebung von Mängeln treffen. Den Anordnungen des Landeshauptmannes ist unverzüglich zu entsprechen.

[…]

Nach dieser gesetzlichen Bestimmung hat der Landeshauptmann die Ermächtigung zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen unter anderem dann zu widerrufen, wenn der ermächtigte Gewerbetreibende nicht mehr vertrauenswürdig ist.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Gewerbetreibender dann als vertrauenswürdig im Sinne des § 57a Abs. 2 KFG 1967 anzusehen, wenn ausreichend Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Kraftfahrbehörde könne sich darauf verlassen, dass er die ihm übertragene Verwaltungsaufgabe entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – der Gewährleistung, dass nur verkehrs- und betriebssichere sowie nicht übermäßig Emissionen verursachende Fahrzeuge am öffentlichen Verkehr teilnehmen – ausüben werde (vgl. VwGH 22.11.1994, 94/11/0221).

Insbesondere die unrichtige Ausstellung positiver Gutachten beeinträchtigt die Vertrauenswürdigkeit in hohem Maß (vgl. VwGH 18.12.1985, 85/11/0077). Unter besonderen Umständen kann bereits die Erstellung eines unrichtigen Gutachtens die Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Gewerbebetreibenden erschüttern (vgl. VwGH 02.07.1991, 91/11/0026 mwN). Davon ist die Erstellung mangelhafter Gutachten, insbesondere solcher, welche aus mangelnder Sorgfalt unrichtige Daten enthalten oder unvollständig erstellt wurden, zu unterscheiden, wie wohl auch eine nicht ausreichende Gewissenhaftigkeit im Rahmen der Ausübung der übertragenen Aufgaben die Vertrauenswürdigkeit des Ermächtigten erschüttern kann.

Werden innerhalb relativ kurzer Zeit nicht bloß ein einziges, sondern eine ganze Reihe unrichtiger Gutachten durch einen zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen ermächtigten Gewerbetreibenden erstellt, kann von einem „einmaligen“ Fehlverhalten nicht die Rede sein (LVwG NÖ 29.11.2016, LVwG-AV-808/001-2016).

Auf Grund der festgestellten Mängel (Überschreitung des Ermächtigungsumfanges in sechs Fällen trotz Widerrufes mit Bescheid vom 24. Oktober 2018, Zl. ***, nicht ordnungsgemäß durchgeführte Abgasmessungen bei zehn Begutachtungen, auffällige Bremswerte bei der Überprüfung einer Betriebsbremsanlage) gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Ansicht, dass die Beschwerdeführerin bei der Ausübung der Ermächtigung nach § 57a KFG 1967 eine gewisse Sorglosigkeit an Tag gelegt hat.

Der Widerruf einer nach § 57a Abs. 2 leg. cit. erteilten Ermächtigung stellt keine Strafe, sondern – entsprechend dem dargestellten Verwaltungszweck – eine Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Verkehrssicherheit dar. Trotz einer nachträglichen eingetretenen Vertrauensunwürdigkeit eines nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 Ermächtigten darf ein Widerruf nur ausgesprochen (bestätigt) werden, wenn – entsprechend den Grundsätzen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.11.1983, 82/11/0270 – die Vertrauensunwürdigkeit noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gegeben ist (vgl. VwGH 19.09.1984, 83/11/0167).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch betont, dass bei der Beurteilung der Ermächtigungsvoraussetzungen, insbesondere bei der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit des Betriebsinhabers, jedenfalls ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. VwGH 18.12.1985, 85/11/0077).

Bei einer Entscheidung hinsichtlich der Erteilung einer Ermächtigung nach § 57a Abs. 2 KFG 1967 handelt es sich um das Ergebnis einer Beurteilung des Gesamtverhaltens des Betroffenen, nämlich den Rückschluss auf das Vorliegen eines mit den seitens der Behörde und seitens des Ermächtigten als beliehenem Unternehmen selbst zu wahrenden Interessen im Einklang stehenden Persönlichkeitsbildes (vgl. VwGH 08.09.2016, Ro 2015/11/0016).

Wesentlich für die Beurteilung des Vorliegens der notwendigen Vertrauenswürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich somit die Wertung der Tatsache, welche die belangte Behörde ihrer (Widerrufs-)Entscheidung zugrunde gelegt hat, die seither verstrichene Zeit sowie das Verhalten während dieser Zeit.

Faktum ist, dass im Überprüfungszeitraum zehn Abgasmessungen entgegen den Vorgaben des Punktes 8.2.2.2 des Mängelkataloges idF 2019, Vereinfachte Prüfanweisung für Dieselkraftfahrzeuge bis 3.500 kg hzGG (Erlass GZ BMVIT-185.506/0002-IV/ST5/2017), Seite 8/23 des Mängelkataloges 2019, insofern nicht den Vorgaben des Mängelkataloges entsprechend durchgeführt wurden, als die Prüfdrehzahl (zum Teil geringfügig) nicht erreicht wurde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass nicht festgestellt werden kann, dass durch diese fehlerhafte Begutachtung zu Unrecht positive Gutachten ausgestellt wurden. Auch hat in die Entscheidung einzufließen, dass seitens der Rechtsmittelwerberin offensichtlich versucht wurde, bei den von dieser Fehlerquelle betroffenen Fahrzeugen nachträglich eine ordnungsgemäße Abgasmessung durchzuführen, welche letztlich keine Auffälligkeiten zeigten. Ein grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Fehlverhalten der involvierten Prüfer ist dabei in keinster Weise erweislich.

Zu berücksichtigen ist weiters, dass der Widerruf für bestimmte Fahrzeugklassen mit Bescheid der Landeshauptfrau von NÖ vom 24. Oktober 2018, Zl. ***, vordergründig deshalb erfolgte, als die Ermächtigte gegenüber Behördenorganen am 15. Oktober 2018 mitgeteilt hat, dass sie nur (mehr) die Fahrzeugklasse L1e begutachten möchte. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Rechtsmittelwerberin zuvor über einen Zeitraum von fast 30 Jahre die entsprechende Ermächtigung besaß und der Widerruf letztlich auf Wunsch der Beschwerdeführerin erfolgte.

Beachtet werden muss, dass die involvierten Prüfer der Ermächtigten zwischenzeitlich nachweislich mit den festgestellten Mängeln konfrontiert wurden, und ein umfassendes externes und internes Qualitätssicherheitssystem installiert wurde. Ebenso ist wesentlich, dass erst im 2. Halbjahr des Jahres 2020 umfangreiche personelle Veränderungen im Betrieb der Beschwerdeführerin vorgenommen wurden und die im behördlichen Akt inneliegenden Unterlagen, insbesondere jene des mit 01. Dezember 2020 neu angestellten Serviceleiters der Beschwerdeführerin, in dessen Tätigkeitsbereich (auch) die wiederkehrenden Begutachtungen gemäß § 57a KFG 1967 fallen, auf eine umfangreiche fachliche Qualifikation schließen lassen.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid insbesondere auf die Annahme gestützt, dass „angesichts der Ausstellung von sechs Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG, obwohl Sie insofern über keine Ermächtigung gemäß § 57a Abs. 2 leg.cit. verfügten, und der nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Abgasmessung bei Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor (Diesel) derzeit nicht davon ausgehen, dass Sie die Ihnen anvertraute hoheitliche Aufgabe entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes ausüben werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gutachten EBV *** und *** idente Bremswerte der Betriebsbremsanlage aufweisen. Die von Ihnen im Anschluss an die Revision ergriffenen Maßnahmen mögen an der vorstehenden Einschätzung nichts zu ändern.

Diesbezüglich ist einerseits festzuhalten, dass dem Revisionsbericht zu entnehmen ist, dass kein einziges Gutachten zu Unrecht positiv ausgestellt wurde. Auch hat in die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin durch das Verwaltungsgericht einzufließen, dass aufgrund der Äußerung der Rechtsmittelwerberin in der Stellungnahme vom 11. Jänner 2021 und in der Beschwerdeschrift, die auf eine eingehende Befassung mit der Problematik schließen lassen, angenommen werden kann, dass die festgestellten Mängel durch eine Sensibilisierung der befassten Prüfer zukünftig hintangehalten werden.

Zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Abgasmessung ist im Hinblick auf den im Verwaltungsrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die spruchgemäße Anordnung zur Vermeidung der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bestehenden Mängeln notwendig. Da jedoch nicht von einer weiterhin vorliegenden Vertrauensunwürdigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen ist, (vgl. VwGH 27.03.2008, 2005/11/0193), kann mit der Erteilung des Maßnahmenauftrages im Rahmen der vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu treffenden Prognoseentscheidung bei der Beurteilung der aktuellen Vertrauenswürdigkeit der Rechtsmittelwerberin das Auslangen gefunden werden.

Das verwaltungsgerichtliche Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass Grund zur Annahme besteht, dass die Beschwerdeführerin die ihr übertragenen Aufgaben entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes – nämlich der Gewährleistung, dass nur betriebstaugliche und verkehrssichere sowie nicht übermäßig Schadstoffemissionen verursachende Fahrzeuge am Verkehr teilnehmen – derzeit ausübt. Es kann sohin nicht von einer akutell vorliegenden Vertrauensunwürdigkeit der Rechtsmittelwerberin ausgegangen werden, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte entfallen, weil gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035). Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit iSd § 57a Abs. 2 KFG 1967 handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, die im Allgemeinen – wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde – nicht revisibel ist (vgl. VwGH 08.09.2016, Ro 2015/11/0016).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrzeug-Überprüfung; wiederkehrende Begutachtung; Ermächtigung; Widerruf; Vertrauenswürdigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.270.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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