TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/21 G311 2223860-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2021
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Entscheidungsdatum

21.01.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs3

Spruch


G311 2223860-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Bundesrepublik Deutschland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2019, Zl. XXXX , betreffend Aufenthaltsverbot und Durchsetzungsaufschub zu Recht:

A)       

Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 6 (sechs) Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe, dass sich das Aufenthaltsverbot auf § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG stützt, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs. 2 vierter Fall StGB, den Verbrechen der versuchten Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt gemäß §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB mit noch nicht rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX als Geschworenengericht vom XXXX .2019 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt worden sei. Weiters sei er während der diesbezüglichen Untersuchungshaft neuerlich mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019 rechtskräftig wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Auch wenn der Beschwerdeführer insbesondere wegen staatsfeindlicher Verbindung noch nicht rechtkräftig verurteilt worden sei, so stelle er durch sein, auch während des Verfahrens vor dem Bundesamt schriftlich zur Schau gestellten, Verhalten eine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar, sodass ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß
§ 67 Abs. 3 Z 3 FPG zu erlassen gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe zudem seine Mitwirkungspflichten im Verfahren trotz entsprechender Aufforderung verletzt und keinerlei Angaben zu allfälligen privaten- und familiären Bindungen oder sonstigen berücksichtigungswürdigen Umständen gemacht. Darüber hinaus weise der Beschwerdeführer eine hohe Zahl rechtkräftiger Verwaltungsstraferkenntnisse auf.

Mit dem als „Widerspruch“ bezeichneten Schreiben des Beschwerdeführers vom 12.09.2019 erhob dieser gegen den gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes erkennbar das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht insoweit, als er im Wesentlichen angab, der angefochtene Bescheid habe für ihn keine Rechtsgültigkeit und darüber hinaus die Republik Österreich als „zionistische, faschistische, jesuitische, terroristische Vereinigung“ und „Freimaurergesellschaft“ bezeichnete und er zusammengefasst eine Entscheidung der Republik Österreich bzw. deren Organe und Organwalter nicht anerkenne.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, wo diese am 01.10.2019 einlangten.

Im Zuge der mit 25.09.2019 datierten Beschwerdevorlage führte das Bundesamt aus, dass seitens des Bundesamtes angemerkt werde, dass der Beschwerdeführer durch seine Beschwerde erneut unter Beweis stelle, dass von einer positiven Zukunftsprognose nicht ausgegangen werden könne. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass das Bundesamt ob der beleidigenden Schreibweise in der Beschwerde nicht mehr für die Verhängung einer weiteren Ordnungsstrafe zuständig sei. Inhaltlich werde auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.10.2019, G311 2223860-1/4Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019 (rechtskräftig am XXXX .2019) wurde der Beschwerdeführer im Stande der Untersuchungshaft wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB neuerlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2020 (rechtskräftig am XXXX .2020) wurde der Beschwerdeführer im Stande der Untersuchungshaft wegen versuchter Nötigung nach § 15, § 105 Abs. 1 StGB sowie der versuchten Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt gemäß §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Unter Anrechnung diverser Vorhaft-Zeiten in Untersuchungshaft wurde der Beschwerdeführer am 22.12.2020 aus der Haft entlassen und am selben Tag auf dem Landweg nach Deutschland abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Fremdenregisterauszug vom 30.12.2020; Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 12.01.2021).

Der Beschwerdeführer zog im Jahr 2007 nach Österreich. Es liegen im Zentralen Melderegister nachfolgende Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet vor (vgl. Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 13.01.2021):

-        21.06.2007-20.01.2012  Nebenwohnsitz

-        20.01.2012-14.03.2014  Hauptwohnsitz

-        14.03.2014-01.07.2016  Hauptwohnsitz

-        24.07.2014-25.07.2014  Nebenwohnsitz Polizeianhaltezentrum

-        01.07.2016-09.05.2017  Hauptwohnsitz

-        29.05.2018-22.12.2020  Hauptwohnsitz Justizanstalt

Hinsichtlich des Beschwerdeführers liegen nachfolgende Sozialversicherungsdaten vor (vgl. Sozialversicherungsdatenauszug vom 12.01.2021):

-        01.01.2011-31.12.2011  Pflichtversicherung § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG

-        14.05.2012-31.12.2017  gewerblich selbstständig Erwerbstätiger bzw. Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG

Für den Zeitraum 01.08.2017 bis 31.12.2017 bezahlte der Beschwerdeführer offensichtlich keine Sozialversicherungsbeiträge (vgl. aktenkundiger Sozialversicherungsdatenauszug vom 05.09.2019, AS 691). Er verfügte bisher auch über keine Anmeldebescheinigung (vgl. Fremdenregisterauszug vom 12.01.2021).

Der Beschwerdeführer ist von Beruf Tätowierer und übte zuletzt seinen Beruf in einem Tattoo-Studio in XXXX aus. Er ist geschieden (vgl. ua. Anklageschrift Staatsanwaltschaft XXXX zur Zahl XXXX , AS 615 und AS 624 f; Feststellungen im angefochtenen Bescheid, AS 782 ff; darüber hinaus vom Beschwerdeführer nicht bestritten).

Am 25.05.2018 wurde durch die Staatsanwaltschaft XXXX , Zahl XXXX , die Festnahme des Beschwerdeführers wegen des Verdachts des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung gemäß § 246 Abs. 2 vierter Fall StGB, des Verdachts des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt gemäß §§ 15, 12 zweiter Fall und 302 Abs. 1 StGB sowie des Verdachts des Vergehens der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB angeordnet (vgl. Anordnung der Festnahme vom 25.05.2018, AS 365 ff).

Der Beschwerdeführer wurde sodann am 29.05.2018 festgenommen und in die Justizanstalt XXXX eingeliefert. In der Folge wurde über ihn mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX zur Zahl XXXX am 30.05.2018 die Untersuchungshaft verhängt (vgl. Haftmeldezettel vom 01.06.2018, AS 321; Vollzugsinformation vom 01.06.2018, AS 325; Verständigung der Behörde von der Verhängung der Untersuchungshaft vom 30.05.2018, AS 355 f).

Mit erstinstanzlichem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX als Geschworenengericht vom XXXX .2019 zur Zahl XXXX wurden der Beschwerdeführer und dreizehn Mitangeklagte nicht rechtskräftig wegen diverser Delikte, darunter insbesondere wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung gemäß § 246 StGB, verurteilt. Dem Beschwerdeführer wurde konkret vorgeworfen, dass er mit mehreren Mitangeklagten gemeinsam die staatsfeindliche Verbindung „Staatenbund Österreich“, sohin eine Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern, in erheblicher Weise unterstützt zu haben, indem er seit XXXX .2017 bis zu seiner Festnahme am XXXX .2018 an einer Vielzahl von Rekrutierungsveranstaltungen des „Staatenbundes Österreich“ teilgenommen habe, als dessen „Gerichtsdiener“ Anordnungen, „Haftbefehle“ und „Ladungen“ betreffend eine am XXXX .2017 geplante Verhandlung des „Staatlichen Völkerrecht-Gerichtes der allgemein gültigen Rechtsprechung für die Völkerrechtssubjekte Staat Steiermark und Staat Kärnten“ an näher genannte Persönlichkeiten als Opfer, insbesondere des österreichischen Bundesheeres, Bürgermeister und Gerichtsvollzieher zugestellt zu haben und auf Rekrutierungsveranstaltungen am XXXX .2017 durch Bericht über seine diesbezüglichen Erlebnisse den „Staatenbund Österreich“ gegenüber den Zuhörern beworben zu haben. Weiters wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs. 1 StGB sowie der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB verurteilt, weil er am XXXX .2018 und am XXXX .2018 näher genannte Personen, darunter insbesondere die Vorsteherin des näher genannten Bezirksgerichtes sowie den Präsidenten und Vizepräsidenten des zuständigen Oberlandesgerichtes und einen Amtsdirektor des Bezirksgericht bezüglich mehrerer gegen ihn in Vollziehung befindlicher Exekutionsverfahren zur Unterlassung weiterer Verfahrensschritte gegen ihn zu veranlassen versuchte, indem er ihnen in jeweiligen Schreiben mit der Geltendmachung und Klagsführung über unberechtigte Schadenersatzforderungen zwischen EUR 25.000,00 und EUR 25.000.000,0 und damit einhergehend mit drohenden Gerichts-/Anwaltskosten zur Abwendung dieser Forderungen drohte.

Der Beschwerdeführer wurde daher nicht rechtkräftig wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs. 2 vierter Fall StGB, der Verbrechen der versuchten Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt (vgl. aktenkundiges erstinstanzliches Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019, AS 381 ff).

Gegen dieses erstinstanzliche Urteil wurden zahlreiche Rechtsmittel, darunter Nichtigkeitsbeschwerden an den Obersten Gerichtshof erhoben.

Während aufrechter Untersuchungshaft zum damals noch anhängigen Strafverfahren zur Zahl XXXX wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019, Zahl XXXX , rechtskräftig am XXXX .2019, wegen des Vergehens der versuchten Nötigung als Bestimmungstäter gemäß §§ 15, 12 zweiter Fall, 105 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer während aufrechter Untersuchungshaft zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen XXXX .2019 und XXXX .2019 in der Justizanstalt einen Mithäftling dazu bestimmte, ein Drohschreiben an einen Richter des Bezirksgerichtes G. zu verschicken, in welchem dieser durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, nämlich durch die Androhung einer unberechtigten Klagsführung in Höhe von EUR 2.000.000,00, wodurch der Richter infolge entstehender Anwalts- und Gerichtskosten am Vermögen geschädigt würde, zur Leistung einer Unterschrift mit vollem Vornamen, Nachnamen, zugehöriger Personalausweis- und Dienstnummer genötigt werden sollte, wobei es infolge der Weigerung und Anzeigenerstattung durch den Richter beim Versuch blieb. Bei der Strafbemessung wurde als mildernd die Unbescholtenheit in Verbindung mit dem „quasi noch anzunehmenden ordentlichen Lebenswandel“, als erschwerend die Tatbegehung innerhalb eines Gefängnisaufenthaltes während eines anhängigen Strafverfahrens berücksichtigt. Unter Bedachtnahme auf die Strafzumessungsgründe, die Täterpersönlichkeit und die Gesamtumstände erachtete das Landesgericht für Strafsachen ausschließlich eine unbedingte Freiheitsstrafe als ausreichend. Eine bedingte Strafnachsicht scheitere neben generalpräventiven Überlegungen insbesondere an der Spezialprävention, da der Beschwerdeführer weder schuldeinsichtig sei, noch die Verantwortung übernehme. Vielmehr müsse befürchtet werden, dass der Beschwerdeführer neuerliche diesbezügliche Aktionen setzen werde. Die Strafe verbüßte der Beschwerdeführer in der Justizanstalt XXXX von 12.06.2019 bis 12.09.2019. Im Anschluss daran wurde seine Untersuchungshaft fortgesetzt (vgl. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom XXXX .2019, AS 719 ff; Strafregisterauszug vom 12.01.2021; Verständigung vom Strafantritt eines Fremden vom 18.06.209, AS 695; Vollzugsinformation vom 05.08.2019, AS 711 ff).

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019, Zahl XXXX , rechtskräftig am XXXX .2019, wurde der Beschwerdeführer neuerlich während aufrechter Untersuchungshaft zum damals noch anhängigen Strafverfahren zur Zahl XXXX wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer zwischen XXXX .2019 und XXXX .2019 fünf Personen, und zwar einen Richter des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX , einen Präsidenten eines Oberlandesgerichtes, einen leitenden Staatsanwalt, einen Amtsdirektor eines Bezirksgerichtes und die Vorsteherin desselben Bezirksgerichtes jeweils mit Schreiben, in welchen er jeweils mit einer unberechtigten Klagsführung über Beträge zwischen EUR 2.500.000,00 und EUR 25.000.000,00 bzw. USD 25.000.000,00 drohte, wodurch sie jeweils infolge entstehender Anwalts- und Gerichtskosten am Vermögen geschädigt würden, mit einer Verletzung am Vermögen bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. Bei der Strafbemessung wurde als mildernd das Geständnis, als erschwerend eine einschlägige Vorverurteilung und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet (vgl. eingeholtes Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019; Strafregisterauszug vom 12.01.2021).

Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom XXXX .2020, XXXX , wurde das erstinstanzliche Geschworenenurteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019 zur Zahl XXXX in erheblichen Punkten, insbesondere in sämtlichen Strafaussprüchen in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen XXXX verwiesen (vgl. aktenkundiges Urteil des Obersten Gerichtshofes). Das Verfahren wird nunmehr zur Zahl XXXX vor dem Landesgericht für Strafsachen XXXX geführt und ist zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes noch nicht abgeschlossen (vgl. Aktenvermerk vom 02.12.2020 über die entsprechende Rückfrage bei der Staatsanwaltschaft XXXX ).

Zuletzt wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2020, Zahl XXXX , rechtskräftig am XXXX .2020, im Stande der Untersuchungshaft zum Verfahren XXXX wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Gegen den Beschwerdeführer (K.J.F.) erging nachfolgender Schuldspruch:

„K.J.F. ist schuldig, er hat am XXXX .2019 in G.

I.) mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, Strafreferentin D.Z. der Sicherheits- und Verwaltungspolizeilichen Abteilung (SVA) der Landespolizeidirektion XXXX als für das gegen L.C.F. geführte Verwaltungsstrafverfahren […] der Sicherheits- und Verwaltungspolizeilichen Abteilung (SVA) der Landespolizeidirektion XXXX zuständige Beamtin wissentlich zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, durch die grundlose, gegen die anwendbaren Rechtsvorschriften verstoßende Belastung der Weiterführung zu missbrauchen, indem er den vorsatzlos handelnden L.C.F. dazu veranlasste, das von K.J.F. verfasste und adressierte Schreiben AS 2 bis 5 ON 2 an die Sicherheits- und Verwaltungspolizeilichen Abteilung (SVA) der Landespolizeidirektion Steiermark abzuschicken, indem er D.Z. unter Stellung einer unberechtigten Schadenersatzforderung in Höhe von EUR 45.000,00 und anschließender gerichtlicher Geltendmachung, wodurch D.Z. infolge entstehender Anwalts- und Gerichtskosten am Vermögen geschädigt würde, sinngemäß aufforderte, grundlos und gegen die anwendbaren Rechtsvorschriften das genannte Verwaltungsstrafverfahren umgehend einzustellen bzw. nicht mehr weiter zu verfolgen, wobei es infolge der Weigerung und Anzeigenerstattung durch D.Z. lediglich beim Versuch blieb;

II.) durch die zu Punkt I.) näher beschriebene Tat D.Z. durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zu einer Handlung zu nötigen versucht, indem er das in Punkt I.) genannte Schreiben verfasste und durch den vorsatzlos handelnden L.C.F. übermittelte, dessen Bedeutungsinhalt in der ernst gemeinten Ankündigung bestand, die behauptete unberechtigte Schadenersatzforderung gerichtlich geltend zu machen und damit bei D.Z. den Eindruck erweckte, Anwalts- und Gerichtskosten für derart unberechtigte Ansprüche aufbringen zu müssen, wobei es infolge der Weigerung und Anzeigenerstattung durch D.Z. lediglich beim Versuch blieb.“

Dem Beschwerdeführer wurden auf die zweijährige Freiheitsstrafe nachfolgende Vorhaftzeiten angerechnet:

-        26.05.2018 bis 12.06.2019

-        12.09.2019 bis 06.11.2019

-        23.12.2019 bis 09.07.2020

Bei der Strafbemessung wertete das Landesgericht für Strafsachen als mildernd, dass es beim Versuch geblieben war sowie die Tatsachengeständigkeit, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen eines Verbrechens und eines Vergehens, das zweifach einschlägig belastete Vorleben, die zweimalige Tatbegehung im raschen Rückfall, die Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens sowie die Tatbegehung während aufrechter Untersuchungshaft (vgl. eingeholtes Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2020).

Aufgrund der vorliegenden rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteile wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die den zitierten strafgerichtlichen zugrundliegenden Straftaten begangen und das je umschriebene Verhalten gesetzt hat.

Zum Zeitpunkt 09.08.2019 wies der Beschwerdeführer in Österreich nachfolgende Verwaltungs-Vorstrafen auf (vgl. Vorstrafenausdruck vom 09.08.2019, AS 743 ff):

Bescheid-datum

Geschäftszahl

Art

Rechtsvorschrift

Geldstrafe

Ersatzfreiheits-strafe

19.05.2015

XXXX

Strafver-fügung

§ 23 Abs. 1 StVO (Behinderung anderer beim Parken)

EUR 40,00

18 Stunden

30.07.2015

XXXX

Strafver-fügung

§ 4 Abs. 2 Kurzparkzonen-Überwachungs-VO (Uhrzeit auf der Parkscheibe)

EUR 40,00

18 Stunden

27.06.2016

XXXX

Strafver-fügung

§ 2 Abs. 1 Z 1 Kurzparkzonen-Überwachungs-VO (kein Kurzparknachweis)

EUR 40,00

18 Stunden

27.06.2016

XXXX

Strafver-fügung

§ 52 lit. a Z 10a StVO (Geschwindigkeitsüberschreitung 30 km/h)

EUR 60,00

1 Tag

3 Stunden

25.08.2016

XXXX

Strafver-fügung

§ 12 Abs. 5 Stmk. Parkgebührengesetz (keine Auskunfterteilung über Person die zur Park-Gebührenentrichtung des auf sie zugelassenen Fahrzeugs verpflichtet ist)

EUR 80,00

36 Stunden

08.09.2016

XXXX

Strafver-fügung

§ 9 Abs. 7 StVO (Nichtbeachtung Bodenmarkierung beim Parken)

EUR 50,00

23 Stunden

11.10.2016

XXXX

Strafver-fügung

§ 103 Abs. 2 KFG (Verweigerung Lenkerauskunft)

EUR 80,00

36 Stunden

11.10.2016

XXXX

Strafver-fügung

§ 103 Abs. 2 KFG (Verweigerung Lenkerauskunft)

EUR 80,00

36 Stunden

11.10.2016

XXXX

Strafver-fügung

§ 103 Abs. 2 KFG (Verweigerung Lenkerauskunft)

EUR 80,00

36 Stunden

22.08.2017

XXXX

Strafver-fügung

§ 2 Abs. 1 Z 1 Kurzparkzonen-Überwachungs-VO (kein Kurzparknachweis)

EUR 40,00

18 Stunden

19.07.2018

XXXX

Strafver-fügung

§ 2 Abs. 1 Z 1 Kurzparkzonen-Überwachungs-VO (kein Kurzparknachweis)

EUR 40,00

18 Stunden

19.07.2018

XXXX

Strafver-fügung

§ 2 Abs. 1 Z 1 Kurzparkzonen-Überwachungs-VO (kein Kurzparknachweis)

EUR 40,00

18 Stunden

22.06.2018

XXXX

Strafver-fügung

§ 367 Z 16 iVm § 46 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 (Gewerbeausübung in weiterer Betriebsstätte ohne Anzeige des Standortes)

EUR 110,00

1 Tag

 

 

 

§ 54b VStG

EUR 5,00

 

03.08.2018

XXXX

Strafver-fügung

§ 367 Z 16 iVm § 46 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 (Gewerbeausübung in weiterer Betriebsstätte ohne Anzeige des Standortes)

EUR 250,00

2 Tage

6 Stunden

 

 

 

§ 54b VStG

EUR 5,00

 

02.10.2018

XXXX

Strafer-kenntnis

§ 103 Abs. 2 KFG (Verweigerung Lenkerauskunft)

EUR 250,00

2 Tage

18 Stunden

02.10.2018

XXXX

Strafer-kenntnis

§ 103 Abs. 2 KFG (Verweigerung Lenkerauskunft)

EUR 250,00

2 Tage

18 Stunden

02.10.2018

XXXX

Strafer-kenntnis

§ 103 Abs. 2 KFG (Verweigerung Lenkerauskunft)

EUR 250,00

2 Tage

18 Stunden

29.11.2018

XXXX

Strafer-kenntnis

§ 103 Abs. 2 KFG (Verweigerung Lenkerauskunft)

EUR 250,00

2 Tage

18 Stunden

08.10.2018

XXXX

Strafer-kenntnis

§ 12 Abs. 5 Stmk. Parkgebührengesetz (keine Auskunfterteilung über Person die zur Park-Gebührenentrichtung des auf sie zugelassenen Fahrzeugs verpflichtet ist)

EUR 250,00

2 Tage

18 Stunden

22.08.2018

XXXX

Strafver-fügung

§ 103 Abs. 2 KFG (Verweigerung Lenkerauskunft)

EUR 150,00

70 Stunden

29.11.2018

XXXX

Strafer-kenntnis

§ 12 Abs. 5 Stmk. Parkgebührengesetz (keine Auskunfterteilung über Person die zur Park-Gebührenentrichtung des auf sie zugelassenen Fahrzeugs verpflichtet ist)

EUR 200,00

4 Tage

Auch in Deutschland wurde der Beschwerdeführer zwischen 1989 und 2008 sieben Mal strafgerichtlich verurteilt, darunter wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis oder Haftpflichtversicherung, wegen Betruges, Unterschlagung sowie vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung (vgl. Anklageschrift Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX .2018, AS 624 f).

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2019, Zahl: XXXX , wurde über den Beschwerdeführer wegen seiner schriftlichen Eingabe vom 15.07.2019 und der dort angeführten beleidigenden Schreibweise eine Ordnungsstrafe in Höhe von EUR 726,00 verhängt (vgl. aktenkundiger Bescheid, AS 805 ff).

Unter Anrechnung diverser Vorhaft-Zeiten in Untersuchungshaft wurde der Beschwerdeführer am 22.12.2020 aus der Strafhaft entlassen und am selben Tag auf dem Landweg nach Deutschland abgeschoben (vgl. Auszug aus dem Fremdenregister vom 30.12.2020 und dem Zentralen Melderegister vom 12.01.2021).

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort), Staatsangehörigkeit und Familienstand des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm weiters Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister, das Zentrale Melderegister und die Sozialversicherungsdaten. Diesbezüglich wurden jeweils Auszüge am 30.12.2020 bzw. am 12.01.2021 eingeholt.

Die rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteile des Beschwerdeführers sowie das erstinstanzliche, inzwischen in wesentlichen Teilen behobene Strafurteil vom XXXX .2019, sind aktenkundig.

Bereits im ursprünglichen Strafantrag wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bisher jegliche Auskünfte zu seinen persönlichen Verhältnissen verweigerte. Auch auf das eingeräumte Parteiengehör reagierte der Beschwerdeführer mit einem die belangte Behörde beleidigenden Schreiben (was in weiterer Folge zur Verhängung der festgestellten Ordnungsstrafe führte), beantwortete aber keine einzige der an ihn gerichteten Fragen zu seinem Aufenthalt, seinen persönlichen und finanziellen Verhältnissen oder sonstigen berücksichtigungswürdigen Umständen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1.         in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2.         für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3.         als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1.         wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2.         sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3.         sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4.         eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

Der mit „Allgemeine Regel für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen“ betitelte Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 („Freizügigkeitsrichtlinie“ oder „Unionsbürgerrichtlinie“) lautet:

„(1) Jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, hat das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Dieses Recht ist nicht an die Voraussetzungen des Kapitels III geknüpft.

(2) Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen mit dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben.

(3) Die Kontinuität des Aufenthalts wird weder durch vorübergehende Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr, noch durch längere Abwesenheiten wegen der Erfüllung militärischer Pflichten, noch durch eine einzige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Niederkunft, schwere Krankheit, Studium oder Berufsausbildung oder berufliche Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat oder einen Drittstaat berührt.

(4) Wenn das Recht auf Daueraufenthalt erworben wurde, führt nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinander folgende Jahre überschreitet, zu seinem Verlust.“

Artikel 27 („Allgemeine Grundsätze“) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 („Freizügigkeitsrichtlinie“ oder „Unionsbürgerrichtlinie“) lautet:

„(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

(3) Um festzustellen, ob der Betroffene eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, kann der Aufnahmemitgliedstaat bei der Ausstellung der Anmeldebescheinigung oder - wenn es kein Anmeldesystem gibt - spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt der Einreise des Betroffenen in das Hoheitsgebiet oder nach dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet gemäß Artikel 5 Absatz 5 gemeldet hat, oder bei Ausstellung der Aufenthaltskarte den Herkunftsmitgliedstaat und erforderlichenfalls andere Mitgliedstaaten um Auskünfte über das Vorleben des Betroffenen in strafrechtlicher Hinsicht ersuchen, wenn er dies für unerlässlich hält. Diese Anfragen dürfen nicht systematisch erfolgen. Der ersuchte Mitgliedstaat muss seine Antwort binnen zwei Monaten erteilen.

(4) Der Mitgliedstaat, der den Reisepass oder Personalausweis ausgestellt hat, lässt den Inhaber des Dokuments, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit aus einem anderen Mitgliedstaat ausgewiesen wurde, ohne jegliche Formalitäten wieder einreisen, selbst wenn der Personalausweis oder Reisepass ungültig geworden ist oder die Staatsangehörigkeit des Inhabers bestritten wird.“

Artikel 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG („Freizügigkeitsrichtlinie“ oder „Unionsbürgerrichtlinie“) lautet:

„(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.“

§ 66 Abs. 1 FPG lautet:

"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt."

§ 67 Abs. 1 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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