TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 W189 2183230-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs7
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
IntG §9
NAG §81 Abs36
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch


W189 1311450-3/16E
W189 2183230-1/16E
W189 2183226-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zlen. 1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX :

A)

Das Verfahren wird gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG wegen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zlen. 1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, und gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 81 Abs. 36 NAG wird XXXX , XXXX und XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren

1. Der Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers gemäß § 5 AsylG aufgrund einer Zuständigkeit Tschechiens gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin-II-VO als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), der Erstbeschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Tschechien zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

3. Aufgrund einer dagegen gerichteten Berufung des Erstbeschwerdeführers wurde dieser Bescheid mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom XXXX , Zl. XXXX , ersatzlos behoben.

4. Nach Durchführung eines inhaltlichen Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , Zl. XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG dem Erstbeschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG der Erstbeschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

5. Die dagegen gerichtete Berufung des Erstbeschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX , Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen.

6. Nachdem der Erstbeschwerdeführer zu einem unbestimmten Zeitpunkt das Bundesgebiet verlassen hatte, wurde er am XXXX gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-II-VO von Frankreich rückübernommen.

7. Am XXXX reiste der Erstbeschwerdeführer freiwillig aus Österreich aus.

2. Gegenständliches Verfahren

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, ebenfalls eine Staatsangehörige der Ukraine, stellten nach (neuerlicher) illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am XXXX die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz und wurden am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

2. Am XXXX stellte die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin für die am XXXX in XXXX geborene Drittbeschwerdeführerin unter Vorlage der Geburtsurkunde einen schriftlichen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Am XXXX wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen (AS 59 ff des Erstbeschwerdeführers; AS 97 ff der Zweitbeschwerdeführerin). In Bezug auf ihre Identität legte der Erstbeschwerdeführer seinen am XXXX ausgestellten österreichischen Führerschein (AS 69 f des Erstbeschwerdeführers) und die Zweitbeschwerdeführerin die Kopie ihres ukrainischen Inlandspasses (AS 107 der Zweitbeschwerdeführerin) vor.

4. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom XXXX wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Ukraine (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde ihnen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt IV.) und die Zulässigkeit der Abschiebung in die Ukraine festgestellt (Spruchpunkt V.), sowie eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).

7. Am XXXX erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher unter anderem moniert wurde, dass die belangte Behörde die Integrationsunterlagen der Beschwerdeführer nicht entgegengenommen habe, da kein Bedarf bestünde. Tatsächlich seien die Beschwerdeführer aber bereits überdurchschnittlich gut integriert (AS 283 ff des Erstbeschwerdeführers; AS 265 ff der Zweitbeschwerdeführerin).

In Bezug auf den Erstbeschwerdeführer wurde in der Beschwerde vorgelegt: Eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs auf dem Niveau A2.1 vom XXXX , ein Zeugnis über eine bestandene Deutschprüfung des ÖIF auf dem Niveau A1 vom XXXX und auf dem Niveau A2 vom XXXX , eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs am XXXX und eine Bescheinigung der Marktgemeinde XXXX über gemeinnützige Tätigkeiten seit XXXX vom XXXX .

In Bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin wurde vorgelegt: Eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs auf dem Niveau A1.2 vom XXXX , auf dem Niveau A2.1 vom XXXX , auf dem Niveau B2.1 vom XXXX und auf dem Niveau B2.2 vom XXXX , ein Zeugnis über eine bestandene Deutschprüfung des ÖIF auf dem Niveau A1 vom XXXX und auf dem Niveau A2 vom XXXX , ein Zertifikat über eine bestandene Deutschprüfung des ÖSD auf dem Niveau B1 vom XXXX und auf dem Niveau B2 vom XXXX , eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs am XXXX , eine Bescheinigung des Roten Kreuzes über die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Grundkurs vom XXXX , eine Bestätigung der Volkshochschule XXXX über die Teilnahme am Lehrgang „Plus.Mehrsprachigkeit“ vom XXXX , zwei Bestätigungen über die Teilnahme an zwei Kursen zum Block 1 und Block 2 der „Kinderbetreuung im Rahmen des Dienstleistungsschecks“ im XXXX , eine Bestätigung über die Teilnahme an zwei Nähkursen vom XXXX und eine Bestätigung vom XXXX über die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Seniorenwohnhaus seit XXXX .

Zudem legten die Beschwerdeführer gesamt zehn Empfehlungsschreiben vor.

8. Am XXXX wurde ein weiteres Empfehlungsschreiben übermittelt (OZ 7).

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die Beschwerdeführer, ihre Rechtsvertretung, sowie eine Zeugin zur Integration der Beschwerdeführer teilnahmen. Das BFA ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin wurden ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihnen Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen, sich zu ihren Rückkehrbefürchtungen und der Integration im Bundesgebiet zu äußern.

Die Beschwerdeführer zogen im Rahmen der Verhandlung die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide ausdrücklich zurück.

Die Beschwerdeführer legten im Zuge der Verhandlung (neu) eine Arbeitszusage für den Erstbeschwerdeführer als Bauhilfsarbeiter bei der Firma „ XXXX “ vom XXXX , eine Bescheinigung über die gemeinnützige Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers für die Marktgemeinde XXXX seit XXXX vom XXXX (Beilage ./1), ein Zertifikat des BFI über die erfolgreiche Absolvierung des kombinierten Ausbildungslehrganges zur „fachlich qualifizierten Tagesmutter“ und „fachlich qualifizierten Helferin in einer XXXX Kinderbetreuungseinrichtung“ durch die Zweitbeschwerdeführerin vom XXXX , eine Einstellungszusage für die Zweitbeschwerdeführerin als Regalbetreuerin im XXXX vom XXXX , ein Empfehlungsschreiben (Beilage ./2), eine Mietvereinbarung vom XXXX , acht weitere Empfehlungsschreiben, eine Bescheinigung des Roten Kreuzes über die Teilnahme der Zweitbeschwerdeführerin an einem Erste-Hilfe-Kindernotfallkurs vom XXXX , eine Bescheidung des Roten Kreuzes über die (erneute) Teilnahme der Zweitbeschwerdeführerin an einem Erste-Hilfe-Grundkurs vom XXXX , eine Bescheinigung der Marktgemeinde XXXX über eine Teilnahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin bei einer Flurreinigungsaktion vom XXXX , eine Bestätigung über die freiwillige Mitarbeit der Zweitbeschwerdeführerin in einem Seniorenwohnhaus seit XXXX vom XXXX (Beilage ./3), eine Bestätigung über den Besuch der Landesmusikschule XXXX durch die Drittbeschwerdeführerin seit dem Schuljahr XXXX vom XXXX , sowie eine Bestätigung über den Besuch des XXXX -Kindergartens in XXXX durch die Drittbeschwerdeführerin seit XXXX vom XXXX (Beilage ./4) vor.

10. Am XXXX legte die Zweitbeschwerdeführerin eine Erklärung über eine Einstellungsabsicht als Stützhelferin im XXXX in XXXX vom XXXX vor (OZ 10 der Zweitbeschwerdeführerin).

11. Am XXXX wurde ein weiteres Empfehlungsschreiben in Vorlage gebracht (OZ 15).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer

1.1.1. Die Identität des Erstbeschwerdeführers steht fest. Er ist ukrainischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Ukrainer an. Er ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Er spricht Russisch und Ukrainisch. Er hat XXXX Jahre die Grundschule und XXXX Jahre eine Berufsschule für Elektriker besucht. Er hat in der Ukraine als Bauhilfsarbeiter und Fliesenleger gearbeitet.

Der Erstbeschwerdeführer ist in XXXX , Oblast Poltava, geboren und hat nach der Scheidung seiner Eltern ab seinem 15. Lebensjahr in XXXX , Oblast Zaporizhia, gelebt. Seine Großmutter mütterlicherseits wohnt in einem eigenen Haus in XXXX und bezieht eine Pension. Er hat regelmäßig Kontakt mit ihr. Der Erstbeschwerdeführer hat einen leiblichen Vater und weitere Verwandtschaft im Herkunftsstaat, mit denen er keinen Kontakt pflegt. Seine Mutter lebt in Österreich und ist nach dem NAG aufenthaltsberechtigt. Sein Bruder ist in Österreich verstorben.

Der Erstbeschwerdeführer ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.1.2. Die Identität der Zweitbeschwerdeführerin steht nicht fest. Sie ist ukrainische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Ukrainer an. Sie ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Sie spricht Russisch, Ukrainisch und Englisch. Sie hat XXXX Jahre die Grundschule und XXXX Jahre die Universität besucht. Sie hat in der Ukraine als Englischlehrerin gearbeitet.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist in XXXX , Oblast Zaporizhia, geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern leben in XXXX . Ihre Mutter ist Sekretärin, ihr Vater Schweißer. Weiters lebt eine Großmutter im Herkunftsstaat, die Pension bezieht. Ihre Eltern und ihre Großmutter besitzen jeweils ein eigenes Haus. Die Zweitbeschwerdeführerin hat zu ihren Angehörigen Kontakt.

Der Zweitbeschwerdeführerin ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.1.3. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind seit XXXX standesamtlich miteinander verheiratet.

1.1.4. Die Drittbeschwerdeführerin ist die in Österreich geborene Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Ihre Identität steht fest. Sie besucht seit XXXX den Kindergarten. Sie spricht Russisch und Deutsch. Sie ist gesund.

1.2. Zur Situation der Beschwerdeführer in Österreich

Der Erstbeschwerdeführer war erstmals vom XXXX bis XXXX als Asylwerber in Österreich aufhältig. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin halten sich nun seit ihrer Einreise im XXXX , die Drittbeschwerdeführerin seit ihrer Geburt im XXXX als Asylwerber im Bundesgebiet auf.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben am XXXX eine Deutschprüfung des ÖIF auf dem Niveau A1 und am XXXX eine derartige Prüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Die Zweitbeschwerdeführerin hat darüber hinaus am XXXX eine Deutschprüfung des ÖSD auf dem Niveau B1 und XXXX eine derartige Prüfung auf dem Niveau B2 erfolgreich absolviert. Der Erstbeschwerdeführer versteht an ihn auf Deutsch gerichtete Fragen prompt und kann in einem bereits sehr ansprechenden, guten Deutsch umgehend antworten. Die Zweitbeschwerdeführerin versteht an sie auf Deutsch gerichtete Fragen ebenso umgehend und kann in einem ausgesprochen guten Deutsch antworten.

Die Beschwerdeführer beziehen Leistungen aus der Grundversorgung. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind auf Basis von Dienstleistungsschecks tätig. Die Zweitbeschwerdeführerin arbeitet jedenfalls seit XXXX auf dieser Grundlage mehrmals pro Monat als Haushaltshilfe in einem Privathaushalt.

Der Erstbeschwerdeführer legte eine Einstellungszusage als Bauhilfsarbeiter der Firma „ XXXX “ ab XXXX vom XXXX vor. Der Erstbeschwerdeführer würde dort Vollzeit arbeiten und einen Bruttomonatslohn von EUR 2.218,76 – das ergibt einen Jahresnettolohn von EUR 23.010,92 – verdienen. Die Zweitbeschwerdeführerin legte eine Einstellungszusage als geringfügig beschäftigte Regalbetreuerin im XXXX vom XXXX sowie eine Einstellungszusage als Stützhelferin im XXXX in XXXX ab XXXX vor. Die Zweitbeschwerdeführerin würde – bei einem Vollzeitkollektivvertragslohn von EUR 1.686,- brutto bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden – als Regalbetreuerin 18 Stunden pro Woche, somit zu einem Bruttomonatslohn von EUR 775,- arbeiten. Das ergibt einen Jahresnettolohn von EUR 9.224,98.

Die Beschwerdeführer wohnen seit XXXX privat in einer etwa 50m² großen Mietwohnung zu einem Mietzins von EUR 400,-.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben am XXXX einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF besucht. Die Zweitbeschwerdeführerin hat am XXXX und am XXXX an einem Erste-Hilfe-Grundkurs sowie am XXXX an einem Erste-Hilfe-Kindernotfallkurs des Roten Kreuzes teilgenommen. Sie hat in den Jahren XXXX zwei Nähkurse der „ XXXX “ besucht. Sie hat im XXXX an zwei Kursen zum Thema „Kinderbetreuung im Rahmen des Dienstleistungsschecks“ des Pfarrcaritas-Kindergartens und des Kindergartens XXXX teilgenommen. Sie hat vom XXXX bis XXXX den Lehrgang „Plus.Mehrsprachigkeit“ an der Volkshochschule XXXX besucht. Sie hat von XXXX bis XXXX den kombinierten Ausbildungslehrgang zur „fachlich qualifizierten Tagesmutter“ und „fachlich qualifizierten Helferin in einer XXXX Kinderbetreuungseinrichtung“ am BFI XXXX erfolgreich absolviert.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben am XXXX an einer Flurreinigungsaktion der Marktgemeinde XXXX teilgenommen. Der Erstbeschwerdeführer hat XXXX gemeinnützige Tätigkeiten für die Marktgemeinde XXXX verrichtet. Die Zweitbeschwerdeführerin hat ab XXXX für einen unbestimmten Zeitraum bis zumindest XXXX und ab XXXX für einen unbestimmten Zeitraum bis zumindest XXXX in einem Seniorenwohnhaus der Caritas ehrenamtlich mitgearbeitet.

Die Drittbeschwerdeführerin besucht seit XXXX den Kindergarten. In den Schuljahren XXXX und XXXX besuchte sie in der Landesmusikschule XXXX das Fach „Musikgarten“ und seit dem Schuljahr XXXX das Fach „Musikalische Früherziehung“.

Die Beschwerdeführer haben im Bundesgebiet Freunde und Bekannte gefunden und sind stark in das gesellschaftliche Leben ihrer Heimatgemeinde integriert. Desweiteren lebt die Mutter des Erstbeschwerdeführers auf Grundlage eines Aufenthaltstitels nach dem NAG in XXXX und besucht mehrmals pro Monat die Beschwerdeführer. Darüber hinaus bestehen keine weiteren, familiären oder sonstig verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen im Bundesgebiet.

Es bestehen auch keine weiteren, substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens in Österreich.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer

Die Identität des Erstbeschwerdeführers steht aufgrund des bereits im ersten Asylverfahren vorgelegten ukrainischen Reisepasses, der gemäß Abruf des Zentralen Fremdenregisters als authentisch klassifiziert wurde, fest. Die Identität der Zweitbeschwerdeführerin steht mangels Vorlage von ukrainischen Originaldokumenten nicht fest. Die Identität der Drittbeschwerdeführerin steht aufgrund der vorgelegten österreichischen Geburtsurkunde fest.

Die übrigen Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer – zur Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, zu den Sprachkenntnissen, zur Bildung und Arbeitserfahrung, zu den Geburts- und Aufenthaltsorten, zu den Angehörigen und der Verwandtschaft sowie ihren Lebensverhältnissen, zum (nicht) bestehenden Kontakt zu dieser, zum Familienstand, zum Gesundheitszustand und zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit – ergeben sich aus ihren unstrittigen und glaubhaften Angaben im Zuge der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX , der Einvernahme durch das BFA am XXXX und der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX unter Einbeziehung des Voraktes des Erstbeschwerdeführers über sein erstes Asylverfahren sowie einer Abfrage des Zentralen Fremdenregisters und des österreichischen Strafregisters. In Betrachtung aller Aktenteile hat sich kein Grund ergeben, an den festgestellten Ausführungen der Beschwerdeführer zu zweifeln.

2.2. Zur Situation der Beschwerdeführer in Österreich

Die Feststellung über die Einreise und den Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ergibt sich aus dem unstrittigen Inhalt der gegenständlichen Verwaltungs- und Gerichtsakten bzw. hinsichtlich des Voraufenthaltes des Erstbeschwerdeführers aus dem Inhalt des dem Gericht vorliegenden Voraktes.

Die Feststellungen über die absolvierten Deutschprüfungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin folgen aus den in der Beschwerde vorgelegten Zertifikaten und Zeugnissen des ÖIF und des ÖSD (AS 289, 295, 347, 351, 356 und 359 im Akt des Erstbeschwerdeführers). Im Übrigen konnte sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst von ihrem festgestellten, praktischen Sprachniveau überzeugen, zumal sie in der Lage waren, den Gutteil der Verhandlung ohne die Dolmetscherin auf Deutsch durchzuführen (Verhandlungsprotokoll S. 9 ff).

Dass die Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung beziehen, stützt sich auf einen Auszug aus dem Grundversorgungssystem sowie auf ihre Aussage in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll S. 10 und 11). Dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin auf Basis von Dienstleistungsschecks tätig sind, ergibt sich zum einen aus der Aussage der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll S. 11), zum anderen aus vorgelegten Empfehlungsschreiben sowohl aus dem Jahr XXXX als auch aus dem Jahr XXXX , in denen darauf Bezug genommen wird (AS 321, 337 im Akt des Erstbeschwerdeführers; Beilage ./3). Die Feststellung der diesbezüglichen Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin als Haushaltshilfe beruht ebenso auf einem vorgelegten Empfehlungsschreiben der sie beschäftigenden Familie (Beilage ./3). Im Übrigen waren aber genauere Feststellungen über den Tätigkeitszeitraum und den erworbenen Lohn mangels Vorlage von Nachweisen der BVAEB nicht möglich.

Die Feststellungen über die Einstellungszusagen folgen den vorgelegten Unterlagen der Beschwerdeführer (Beilage ./1; OZ 10 der Zweitbeschwerdeführerin). Dass der Erstbeschwerdeführer als Bauhilfsarbeiter Vollzeit arbeiten würde, hat er in der mündlichen Verhandlung angegeben (Verhandlungsprotokoll S. 10). Der dafür gebührende Lohn folgt aus der Lohnordnung des Baugewerbes und der Bauindustrie ab Mai 2021, abrufbar auf der Webseite der WKO. Zwar vermeinte der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, dass er lediglich EUR 1.600,- brutto verdienen würde, jedoch dürfte dies auf eine Verwechslung des Brutto- und des Nettolohns zurückzuführen sein, da der festgestellte Bruttolohn einem Nettolohn von rund EUR 1.600,- entspricht und eine unterkollektivvertragliche Bezahlung unzulässig wäre. Dass die Zweitbeschwerdeführerin als Regalbetreuerin 18 Stunden pro Woche arbeiten würde, hat sie in der Verhandlung angegeben (Verhandlungsprotokoll S. 12). Der sich daraus ergebende Lohn ergibt sich aus dem Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben für 2021 (Kollektivvertragliche Normalarbeitszeit, S. 11; Beschäftigungsgruppe B, S. 24; Gehaltstabelle, S. 30 – abrufbar auf der Webseite der WKO).

Die Feststellungen über die Wohnverhältnisse der Beschwerdeführer beruhen wiederum auf der Aussage des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin (Verhandlungsprotokoll S. 13) in Verbindung mit der vorgelegten Mietvereinbarung (Beilage ./3) und einem Abgleich mit dem eingeholten Auszug aus dem Grundversorgungssystem.

Die Feststellungen über die vom Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin besuchten Kurse und Ausbildungen stützen sich auf die vorgelegten Bestätigungen (AS 301, 307, 331, 333, 339, 341, 345 im Akt des Erstbeschwerdeführers; Beilagen ./2 und ./3).

Die festgestellten ehrenamtlichen Tätigkeiten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin ergeben sich wiederum aus den darauf bezogenen, ins Verfahren eingebrachten Bestätigungen (AS 303 und 305 im Akt des Erstbeschwerdeführers; Beilagen ./1 und ./3).

Dass die Drittbeschwerdeführerin den Kindergarten und eine Musikschule besucht, wurde ebenso durch die vorgelegten Unterlagen bescheinigt (Beilage ./4).

Dass die Beschwerdeführer in Österreich Freunde und Bekannte gefunden haben und stark ins gesellschaftliche Leben ihrer Heimatgemeinde integriert sind, wird anhand der zahlreich vorgelegten Empfehlungsschreiben (AS 317, 319, 321, 323, 325, 327, 329, 335, 337 und 365 f im Akt des Erstbeschwerdeführers; OZ 7 und 15; Beilagen ./2 und ./3) und der Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll S. 14 f) völlig offensichtlich. Aus den Empfehlungsschreiben geht insbesondere hervor, dass die Beschwerdeführer nicht nur gut sozial vernetzt sind, sondern auch tatkräftig am örtlichen Gesellschaftsleben teilnehmen und dieses durch Freiwilligenarbeit unterstützen. Die Feststellungen zum Aufenthalt der Mutter des Erstbeschwerdeführers und zum persönlichen Kontakt folgen aus den Ausführungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin (Verhandlungsprotokoll S. 9 und 16 f) und einem im Akt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister (AS 83 f im Akt des Erstbeschwerdeführers).

Sonstige familiäre oder private Anknüpfungspunkte haben die Beschwerdeführer nicht dargetan.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. A)

3.1. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide

§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320 uvm. zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

Eine solche Erklärung lag im gegenständlichen Fall zweifelsfrei vor; die Beschwerdeführer haben die Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom XXXX eindeutig zum Ausdruck gebracht („[Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin]: Wir möchten gleich jetzt unsere Beschwerden betreffend Spruchpunkt I und Spruchpunkt II zurückziehen, weil ich denke es wurde genug gesagt. Die Situation hat sich auch in der Ukraine geändert. Die Zurückziehung gilt natürlich auch für [die Drittbeschwerdeführerin]“, Verhandlungsprotokoll S. 17). Auf Nachfrage der erkennenden Richterin bestätigten die Beschwerdeführer diese Absicht und gab auch die Rechtsvertretung bekannt, dies bereits mit ihnen besprochen zu haben.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Da die Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. zurückgezogen haben, war das Beschwerdeverfahren insoweit gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss einzustellen.

Zu Spruchpunkt II. A)

3.2. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide

3.2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet bzw. zur Gewährleistung einer Strafverfolgung erforderlich. Sie sind nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor und wurden weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet.

3.2.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführer sind als Staatsangehörige der Ukraine keine begünstigten Drittstaatsangehörige und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da durch die Einstellung des Verfahrens über die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet. Gegenteiliges wurde von den Beschwerdeführern auch nicht vorgebracht.

3.2.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliegt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Durch die gemeinsame Ausweisung bzw. Rückkehrentscheidung betreffend eine Familie wird nicht in das Familienleben der Fremden eingegriffen (VwGH 18.03.2010, 2010/22/0013; 19.09.2012, 2012/220143; 19.12.2012, 2012/22/0221; vgl. EGMR 09.10.2003, Fall Slivenko, NL 2003, 263).

Ein schützenswertes Familienleben der Beschwerdeführer untereinander liegt aufgrund der gegenüber allen erlassenen Rückkehrentscheidungen nicht vor. Im Übrigen lebt die Mutter des Erstbeschwerdeführers im Bundesgebiet und es besteht regelmäßiger persönlicher Kontakt, jedoch kein gemeinsamer Haushalt oder ein sonstiges intensives Abhängigkeitsverhältnis zu den Beschwerdeführern, sodass dieses Verhältnis nicht unter das Familienleben, sondern unter das Privatleben der Beschwerdeführer zu subsumieren ist. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Schutz des Familienlebens.

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügen, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Hervorgehoben wird hierbei, dass im Falle eines bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert wurde. Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378). Im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, argumentierte er, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [..] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). In solchen Fällen einer relativ kurzen, d.h. weniger als fünf Jahre betragenden, Aufenthaltsdauer muss die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich sein, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig zu erklären (etwa VwGH 15.04.2020, Ra 2019/14/0420; 24.01.2019, Ra 2018/21/0191).

Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt etwa im Erkenntnis vom 17.11.2020, Ra 2020/10/0139-6, aussprach, entspricht es seiner ständigen Rechtsprechung, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Allerdings entspricht es umgekehrt ebenso der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG nicht in unverhältnismäßiger Weise in den Vordergrund gestellt werden darf. Dieser Aspekt hat schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung führen kann (zuletzt etwa VwGH 05.08.2020, Ra 2020/14/0199; 06.04.2020, Ra 2020/20/0055; 23.01.2020, Ra 2019/21/0378; 30.04.2019, Ra 2018/14/0375; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003).

Die persönlichen Interessen nehmen zwar mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu, die bloße Aufenthaltsdauer allein ist jedoch nicht maßgeblich, sondern ist vor allem anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (VwGH 28.09.2020, Ra 2020/20/0348).

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin leben seit XXXX , somit seit rund XXXX Jahren in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer war zwar auch zwischen XXXX und XXXX in Österreich, jedoch besteht insoweit durch die langjährige Aufenthaltsunterbrechung keine Kontinuität des Aufenthalts, weshalb dieser Zeitraum nicht miteinzubeziehen war. Die Drittbeschwerdeführerin lebt seit ihrer Geburt vor XXXX Jahren in Österreich. Die Beschwerdeführer haben in dieser Zeit erfolgreiche und nachhaltige Bemühungen unternommen, sich sozial und sprachlich zu integrieren und ein solides Fundament für eine berufliche Integration zu legen. Der Erstbeschwerdeführer und vor allen Dingen die Zweitbeschwerdeführerin haben bereits im Administrativverfahren rasch damit begonnen, die deutsche Sprache zu erlernen, sodass sie bereits vor der Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz durch die belangte Behörde Deutschzertifikate auf dem Niveau A2 im Falle des Erstbeschwerdeführers bzw. sogar auf dem Niveau B2 im Falle der Zweitbeschwerdeführerin vorweisen konnten. Entsprechend konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin der deutschen Sprache auf ausgesprochen gutem Niveau mächtig sind und eine Unterhaltung mühelos möglich ist. Deutlich erkennbar war, dass sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin ein höheres als das bereits durch die vorgelegten Zertifikate nachgewiesenes Sprachniveau beherrschen, was einerseits angesichts der des seither verstrichenen Zeitraums und der sozialen und gesellschaftlichen Integration nachvollziehbar ist, andererseits wiederum den kontinuierlich gestiegenen Grad dieser Integration praktisch vor Augen führt. Gerade die Zweitbeschwerdeführerin ist sprachlich bereits nahezu perfekt integriert. Durch diese Sprachkenntnisse war es dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin möglich, sich einerseits einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufzubauen, andererseits ehrenamtliche oder sonstige freiwillige Tätigkeiten zu übernehmen und sich ganz generell in das Gesellschaftsleben ihres Wohnortes einzubringen und einzugliedern. Darüber hinaus besteht eine enge Beziehung zur in Österreich wohnhaften Mutter des Erstbeschwerdeführers, die sich durch regelmäßige Besuche ausdrückt. Die Beschwerdeführer sind zudem bereits früh in ihrem Verfahren in eine private Wohnung gezogen. Die Drittbeschwerdeführerin ist im Übrigen – jeweils gemessen an ihrem Alter – durch den Besuch des Kindergartens sowie einer Musikschule integriert, spricht ebenso bereits Deutsch und es kann unterstellt werden, dass sie Freunde gefunden hat. Die Beschwerdeführer sind dadurch sprachlich und sozial bereits bestens integriert. Zwar lebten die Beschwerdeführer bislang von Leistungen aus der Grundversorgung, sodass sie noch nicht nachhaltig beruflich integriert sind. Allerdings wird dies zum einen dadurch relativiert, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin bereits (lange) auf Basis von Dienstleistungsschecks einen Zuverdienst im Rahmen der Grundversorgung lukrieren, andererseits beide Einstellungszusagen vorgelegt haben. Die Zweitbeschwerdeführerin hat sich zudem während ihres Aufenthaltes in Österreich durch die Absolvierung eines Ausbildungslehrgangs im Bereich der Kinderbetreuung beruflich relevant fortgebildet. Es ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es den Beschwerdeführern möglich sein wird, binnen kurzer Zeit durch eigene Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, zumal sie aufgrund der Einstellungszusagen als Bauhilfsarbeiter und Regelbetreuerin zusammengerechnet rund EUR 32.000,- netto pro Jahr verdienen würden. Darüber hinaus verfügen die Beschwerdeführer über ein soziales Netz, das ihnen auch auf dem österreichischen Arbeitsmarkt von Nutzen sein kann. Insgesamt haben die Beschwerdeführer ihren Aufenthalt in Österreich erfolgreich genutzt, um sich sprachlich, sozial und auch hinreichend beruflich zu integrieren und besteht nicht zuletzt die realistische Erwartung, dass sie binnen Kurzem selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können werden. Dies, zumal auch die erschwerten Umstände der aktuellen COVID-19-Pandemie mit den dadurch bedingten Beschränkungen und Einschränkungen den Integrationsbemühungen der Beschwerdeführer keinen Abbruch getan haben.

Zudem erreicht die rund XXXX Aufenthaltsdauer bereits jenen Zeitraum, dem Maßgeblichkeit bei der Interessenabwägung beizumessen ist. Folglich tritt in den Hintergrund, dass sich der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet bisher nur auf einen Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat, der Aufenthaltsstatus also insoweit unsicher war. Aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist zu folgern, dass dieser unsichere Aufenthalt zwar die Integrationsbemühungen relativiert, dem jedoch nicht maßgebliche Bedeutung in dem Sinn zugemessen werden könnte, dass damit jegliche Integration zu verneinen wäre, zumal die Beschwerdeführer einen erheblichen Teil ihrer Bemühungen bereits vor Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz durch die belangte Behörde verwirklichen konnten. Auch beruhten ihre Integrationsbemühungen auf einem einzigen Verfahren und waren somit weder Folge eines nur durch Folgeanträge begründeten Aufenthaltsstatus (vgl. dazu etwa VfGH 18.06.2012, U713/11) noch eines überhaupt illegalen Aufenthalts, sodass der Aufenthaltsstatus der Beschwerdeführer nie völlig prekär war. Das Bewusstsein des unsicheren Aufenthalts konnte daher in der notwendigen Gesamtbetrachtung nicht maßgeblich zulasten der Beschwerdeführer gewertet werden.

In Bezug auf die Drittbeschwerdeführerin tritt noch hinzu, dass sie sich zwar einerseits im anpassungsfähigen Alter befindet, andererseits aber in Österreich geboren wurde und folglich nur ein Leben in Österreich und die hiesigen Verhältnisse kennt, somit ausschließlich in Österreich sozialisiert wurde. Auch besteht eine offenkundig durchaus enge Beziehung zu ihrer hier wohnhaften Großmutter väterlicherseits. Dies spricht zwar aufgrund der Anpassungsfähigkeit nicht bereits für sich genommen gegen eine Rückkehrentscheidung, ist aber im Rahmen der Prüfung des Kindeswohles, welches gegenständlich durch einen Verbleib in Österreich höchstmöglich gewahrt wird, doch in die Abwägungen miteinzubeziehen.

Festzuhalten ist zudem, dass die Verfahrensdauer den Beschwerdeführern nicht angelastet werden kann, zumal sie keine verfahrensverzögernden Handlungen setzten, sondern stets am Verfahren mitwirkten (vgl. VfGH 03.10.2013, U 477/2013; VfGH vom 21.02.2014, U 2552/2013; VfGH 06.06.2014, U 145/2014).

Schließlich ist auszuführen, dass die Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten sind und sich keiner „groben“ Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften schuldig gemacht haben.

Der Erstbeschwerdeführer verfügt, abgesehen von seiner Großmutter mütterlicherseits, über keine sozialen Bindungen mehr zu seinem Heimatland, zumal er schon seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem leiblichen Vater pflegt. Die Zweitbeschwerdeführerin hat noch ihre Eltern, mit denen sie aber seit XXXX nicht mehr im gemeinsamen Haushalt wohnt, und ihre Großmutter dort. Im Vergleich zur bereits ausführlich dargelegten, starken Beziehung der Beschwerdeführer zum Bundesgebiet treten diese eher geringen Bindungen zum Heimatland aber letztlich in den Hintergrund.

Gesamt betrachtet überwiegt somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführer im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen, weshalb in Erledigung der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären war.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in diesem vorliegenden Fall die familiären und privaten Interessen der Beschwerdeführer angesichts der erwähnten Umstände in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Gemäß § 14a Abs. 4 Z 2 NAG in der Fassung vom BGBl. I Nr. 38/2011, gültig bis 30.9.2017, ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt. Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.

Gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG in jener Fassung dient das Modul 1 dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung. Gemäß Z 2 leg. cit. dient das Modul 2 dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG im Fall der Beschwerdeführer in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer sie betreffenden Rückkehrentscheidung gegeben sind, war ihnen eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG sind aufgrund der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG gegeben, da der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils ein Zeugnis über die erfolgreiche Absolvierung einer Deutschprüfung auf dem Niveau A2 vom XXXX vorlegten und somit beide zum maßgeblichen Zeitpunkt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt haben bzw. erfüllen. Der unmündigen Drittbeschwerdeführerin ist ebenso eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, da sie nach der Bestimmung des § 9 Abs. 5 Z 1 IntG von der Erfüllungspflicht des Modul 1 der Integrationsvereinbarung ausgenommen ist.

Das BFA hat den Beschwerdeführern die Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG auszufolgen, die Beschwerdeführer haben hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG mitzuwirken. Die Aufenthaltstitel gelten gemäß § 54 Abs. 2 AsylG zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Zu Spruchpunkt I. und II. B) wegen Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK befristete Aufenthaltsberechtigung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung mündliche Verhandlung mündliche Verkündung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig schriftliche Ausfertigung subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W189.2183230.1.00

Im RIS seit

13.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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