TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/1 I422 2241773-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2021
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Entscheidungsdatum

01.07.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §107 Abs1
StGB §107 Abs2
StGB §287
StGB §83 Abs1
StGB §84
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I422 2241773-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Großbritannien und Nordirland, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.06.2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als das Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Verfahrensgegenstand ist die fristgerecht erhobene Beschwerde eines britischen Staatsangehörigen (in Folge: Beschwerdeführer) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) vom 16.03.2021, Zl. XXXX . In ihrer verfahrensgegenständlichen Entscheidung erließ die belangte Behörde in Folge zweier strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers über den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot in der Dauer von acht Jahren (Spruchpunkt I.), erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer weist keine physischen Erkrankungen auf. Er leidet jedoch an psychischen Beeinträchtigungen in Form einer Mehrfachabhängigkeit (Polytoxikomanie – ICD 10, F19) sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (dissozial, emotional instabil, narzisstisch ICD 10, F61). Hinsichtlich seines festgestellten Abhängigkeitssyndroms zeigt sich der Beschwerdeführer gegenwärtig abstinent und resultiert dies aus der ihn beschützenden Umgebung. Im Verbund mit Alkohol- und Drogenkonsum ist der Beschwerdeführer aufgrund seiner gestörten Persönlichkeitsstruktur mit Neigung zur emotionalen Instabilität aus medizinischer Perspektive in seiner Steuerungsfähigkeit herabgesetzt. Ungeachtet seiner psychischen Leiden ist der Beschwerdeführer prozessfähig.

Der Beschwerdeführer wurde in Kabul, Afghanistan geboren, wuchs dort mit sieben Geschwistern auf. In Afghanistan besuchte er sechs Jahre lang die Schule. Er wanderte nach Großbritannien aus. Dort arbeitete er in London von 2000 bis 2002 er als Pizza-Zusteller und anschließend von 2002 bis 2007 als Taxifahrer. Später arbeitete er ab 2007 bis 2012 als selbstständiger Unternehmer in der Textilbranche in Afghanistan.

In Afghanistan hat der Beschwerdeführer nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Mutter, dreier Brüdern und zweier Schwestern. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben.

Der Beschwerdeführer reiste 2012 in das Bundesgebiet ein. Er wurde am 17.01.2012 erstmalig melderechtlich erfasst und weist mit Ausnahme der Zeiträume 24.04.2012 bis 31.05.2012, 05.05.2015 bis 02.06.2016 sowie 07.11.2016 bis 02.08.2017 im Bundesgebiet eine durchgehende meldebehördliche Erfassung auf. Dabei umfassen die Zeiträume 23.07.2013 bis 11.11.2014 sowie 02.08.2017 bis 19.07.2019 eine Obdachlosenmeldung des Beschwerdeführers.

Die Magistratsabteilung 35 stellte dem Beschwerdeführer am 13.09.2012 unter er GZ: XXXX eine unbefristete Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG aus. Ein Aufenthaltstitel „Artikel 50 EUV“ wurde bislang nicht beantragt. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet befand sich der Beschwerdeführer in folgenden Beschäftigungsverhältnissen: vom 06.06.2012 bis 20.11.2012 bei der T[...] Restaurant Betriebs- und ProjektsgesmbH; in den Zeiträumen vom 02.02.2013 bis 03.02.2013 und 20.02.2013 bis 17.06.2013 bei der M [...] P[...] Ges.m.b.H.; vom 08.12.2017 bis 20.05.2018 und vom 19.06.2018 bis 22.07.2018 bei der T[...] Kleinstransporte KG; vom 18.05.2018 bis 06.06.2018 bei der L[...] Mietwagen GmbH; und in den Zeiträumen vom 09.08.2018 bis 28.02.2019 und 01.03.2019 bis 01.06.2019 bei der I[...] S[...] GmbH. Zwischenzeitig bezog der Beschwerdeführer beginnend ab dem 28.06.2013 bis zum 21.08.2019 immer wieder Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe.

Der Beschwerdeführer ist seit rund 16 Jahren mit der afghanischen Staatsangehörigen Laila A[...] nach islamischen Ritus verheiratet. Seine Ehegattin hat insgesamt fünf minderjährige Kinder namens Saha A[...], Mahsa A[...], Asra A[...], Benjamin A[...] und Asenat A[...]. Von diesen fünf Kindern entstammen zwei Kinder aus der Beziehung mit dem Beschwerdeführer und ist der Beschwerdeführer als leiblicher Vater in deren Geburtsurkunden eingetragen. Bezüglich der weiteren drei Kinder kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer der leibliche Vater der Kinder ist. Der Beschwerdeführer ist für seine Kinder sorgepflichtig. Aufgrund von schon seit Jahren bestehender Beziehungsprobleme lebte der Beschwerdeführer nicht dauerhaft in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin und den Kindern. Er unterhielt nur sporadischen Kontakt zu seiner Familie und nächtigte gelegentlich in der gemeinsamen Wohnung. Seit seiner Inhaftierung steht der Beschwerdeführer in regelmäßigem telefonischen Kontakt zu seinen Kindern. Ein physischer Kontakt zu seiner Ehegattin besteht seit seiner Inhaftierung im Juli 2019 nicht mehr und liegt auch zu seinen Kindern seit rund einem Jahr kein physischer Kontakt mehr vor.

Abgesehen von seiner Ehefrau und deren fünf Kindern leben noch zwei Brüder des Beschwerdeführers in Österreich. Ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen im Bundesgebiet lebenden Brüdern liegt nicht vor.

Der Beschwerdeführer begann im Bundesgebiet zwei Deutschkurse, die er jedoch nicht beendete. Ein Sprachprüfung legte der Beschwerdeführer bislang nicht ab. Er spricht in äußerst einfachem und rudimentärem Niveau Deutsch. Er verfügt über keine nennenswerten privaten oder sozialen Anknüpfungspunkte an Österreich.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet zwei rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen im Bundesgebiet auf:

Er wurde mit Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.11.2016, zu XXXX rechtskräftig wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB; der Vergehen der schweren Körperverletzung §§15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB und der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Zugleich wurde im Strafurteil die Unterbringung des Beschwerdeführers in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausgesprochen, von dieser jedoch unter Setzung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehen.

Seiner Verurteilung ging nachstehender Sachverhalt voraus:

Der Beschwerdeführer hat in Wien,

1.       am 12.04.2016

a.       Beamte der Landespolizeidirektion Wien SPK Ottakring nämlich Insp. Georg Z[…], Insp. Christopher O[…] und Insp. Stefan D[…] an einer Amtshandlung, nämlich seiner Anhaltung nach dem Unterbringungsgesetz zu hindern versucht, indem er Insp. Georg Z[…] mit geballter Faust ins Gesicht schlagen trachtete und er in der Folge, während er durch einen Armstreckhebel zu Boden gebracht worden war, mit seinem Körper gegen Insp. Christopfer O[…] stieß, wodurch dieser zu Sturz kam;

b.       durch die unter Punkt 1.a. geschilderte strafbare Handlung Beamte während und wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten am Körper zu verletzen versucht, und zwar Insp. Christopher O[…] und Insp. Georg Z[…], wobei die Taten beim Versuch blieben, weil Insp. Georg Z[…] die Faustschläge rechtzeitig abwehren könnte, indem er den Beschwerdeführer am Handgelenk ergriff, und Insp. Christopher O[…] im Zweifel nicht verletzt wurde;

2.       am 23.04.2016 und 24.04.2016 Maik H[…] mehrmals gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihm in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er zumindest jeweils einmal an diesen Tagen durch Gesten ihm gegenüber das Durchschneiden der Kehle andeutete und ihn dabei mit bösem Blick fixierte, sowie indem er sich Maik H[…] mehrmals mit unter seinen verschränkten Armen versteckten Messer und Gabel näherte, welche er anschließend im Vorbeigehen an Maik H[…] hervorholte, wobei er Stichbewegungen gegen Maik H[…] andeutete und ihm gleichzeitig durch Vorhalten eines Fingers vor seinen Mund und den Worten „small“ bedeutete, er solle sich ruhig verhalten.

Als erschwerend wertete das Gericht das Zusammentreffen dreier Vergehen. Als mildernd wertete das Strafgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb und die Begehung unter Einfluss eines abnormen Geisteszustandes.

Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer mit Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.12.2019, zu XXXX rechtskräftig wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung § 287 StGB (nämlich des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt 269 Abs. 1 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB), sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107b Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde er in Folge seiner Verurteilung gemäß § 21 Abs. 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Dem ging nachstehender Sachverhalt voraus:

Der Beschwerdeführer hat in Wien

1.       am 27.04.2019, sich wenn auch nur fahrlässig durch den Genuss von Alkohol und Cannabis in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch dadurch, dass er

a.       die Exekutivbeamten Insp. Markus F[…], Insp. Oliver M[…], Insp. Wolfang P[…] und Christopher O[…] mit Gewalt an einer Amtshandlung nämlich der Beendigung eines gefährlichen Angriffs gemäß § 33 SPG und der Vollziehung seiner Festnahme zu hindern versuchte, indem er Schläge und Fußtritte in Richtung Ober- und Unterkörper der Beamten setzte, und

b.       durch die in Punkt 1.a. geschilderte Tathandlung einen Beamten, und zwar Rev. Insp. Christopher O[…]während der Vollziehung seiner Aufgaben und Erfüllung seiner Pflichten, und zwar der Ausübung der Sicherheitspolizei nach dem SPG zu verletzen versuchte,

Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zugerechnet würden.

2.       gegen seine Lebensgefährtin Laila A[…]

a.       zumindest seit Mitte Mai 2019 bis 18.07.2019 in mehreren wöchentlichen Angriffen, sohin längere Zeit hindurch, fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er die Genannte, am Körper misshandelte, gefährliche bedrohte, und zu nötigen versuchte, indem er beispielsweise

b.       Laila A[…] auf den Oberarm schlug, sie würgte und ihr für mehrere Sekunden einen Polster auf das Gesicht drückte;

c.       sie zwei- bis dreimal wöchentliche gefährlich bedrohte, indem er ihr teilweise im Zusammenhang mit den unter Punkt i. geschilderten Angriffen und zu nicht mehr näher feststellbarem Zeitpunkten, ankündigte er werde sie umbringen;

d.       am 18.07.2019 versuchte Leila A[…] durch gefährliche Drohung, zur Herausgabe der gemeinsamen Kinder sowie von Bargeld zu nötigen, indem er ihr androhte, sie andernfalls zu töten.

Als erschwerend wertete das Gericht die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen und von zwei Vergehen und die Begehung zweier idealkonkurrierender „verdeckter“ Delikte. Als mildernd wertete das Strafgericht die geminderte Dispositionsfähigkeit zu Faktum 2. In Folge seiner weiteren Verurteilung wurde die Probezeit auf fünf Jahre und die Probezeit der Anstaltsunterbringung auf insgesamt zehn Jahre verlängert.

In Folge seiner Straftaten war der Beschwerdeführer erstmalig vom 02.06.2016 bis zum 07.11.2016 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt untergebracht. Seit 19.07.2019 befindet sich der Beschwerdeführer durchgehend in einer Justizanstalt, zunächst vom 19.07.2019 bis zum 14.05.2020 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt und seit 14.05.2020 in der Justizanstalt Graz-Karlau bzw. erfolgte zur Durchführung der mündlichen Verhandlung einer Überstellung in die JA Mittersteig-Floridsdorf.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides, seiner Angaben im Beschwerdeschriftsatz und der Ausführungen des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Stellungnahme vom 25.01.2021 und sowie den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2021 und die vorab der mündlichen Verhandlung seitens seiner Ehegattin und der Rechtvertretung übermittelten Unterlagen. Berücksichtigt wurde auch das vom Landesgericht für Strafsachen Wien angeforderte Sachverständigengutachten des Univ. Doz. Dr. Peter H[...], eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 10.09.2019. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger (AJ-Web) und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Identität ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Durch eine dort einliegende Kopie seines britischen Reisepasses ist die Identität des Beschwerdeführers belegt.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand ergibt sich einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er gesund sei. Dies deckt sich mit dem von der Justizanstalt eingeholten Krankenakte. Aus einer sich in der Krankenakte einliegenden Risikodokumentation ergeben sich keinerlei Hinweise auf das Vorliegen physischer Erkrankungen, sondern wird darin lediglich das Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung bejaht. Dies deckt sich auch mit den durch die Krankenabteilungen der Justizanstalten beim Beschwerdeführer diagnostizierten Erkrankungen und Beeinträchtigungen. Demzufolge wurden beim Beschwerdeführer am 18.06.2016 eine akute Belastungsreaktion, am 20.06.2016 der Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung und am 31.10.2016 jeweils zwei Verbrennungen und zuletzt am 18.09.2019 eine psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol mit Abhängigkeitssyndrom (gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung) und am 25.09.2019 eine rezidivierende depressive Störung, (gegenwärtig leichte Episode) festgestellt. Ebenso leitet sich aus der vorliegenden Krankenakte ab, dass der Beschwerdeführer zur Behandlung seiner psychischen Leiden gegenwärtig medikamentös mit Dominal Forte, Mirtazapin sowie Pantoprazol behandelt wird. Die Angaben aus der Krankenakte stimmen mit den Ausführungen des vom Strafgericht eingeholten Sachverständigengutachten von Univ. Doz. Dr. Peter H[...] eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 10.09.2019 überein. Demzufolge leidet der Beschwerdeführer an einer psychischen Beeinträchtigung in Form einer schwerwiegenden vor allem auch anteilig antisozialen Persönlichkeitsstörung. Im Verbund mit Alkohol- und Drogenkonsum ist der Beschwerdeführer aufgrund seiner gestörten Persönlichkeitsstruktur mit Neigung zur emotionalen Instabilität aus medizinischer Perspektive in seiner Steuerungsfähigkeit herabgesetzt. Dass der Beschwerdeführer trotz seiner Leiden prozessfähig ist, basiert ebenfalls auf den Ausführungen des Sachverständigengutachtens. Demzufolge liegt beim Beschwerdeführer keine generelle Diskretions- und Dispositionsunfähigkeit vor. Lediglich in Verbund mit Alkohol- und Drogenkonsum führt die gestörte Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers mit Neigung zur emotionalen Instabilität zu einer Herabsetzung seiner Steuerungsfähigkeit.

Die Feststellungen, dass er in Afghanistan geboren wurde und dort aufwuchs, ergeben sich ebenso wie seine in Afghanistan erworbene Schulbildung und aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 25.01.2021 zur Benachrichtigung von dem bisherigen Ergebnis des Beweisverfahrens. Aus dieser Stellungnahme resultieren auch die Feststellung zu seiner Auswanderung nach Großbritannien und seinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten in Großbritannien und in Afghanistan.

Die Feststellung zum Bestehen von Verwandtschaft in Afghanistan, fußt ebenfalls auf seinen Angaben in einer Stellungnahme vom 25.01.2021 und in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2021.

Die Feststellungen zu seiner Einreise, dem Aufenthalt und der melderechtlichen Erfassungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich aus der Einsichtnahme in das ZMR.

Die Feststellung zu der unbefristet erteilten Anmeldebescheinigung gründet auf der vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vorgelegten Kopie der Anmeldebescheinigung sowie der Einsichtnahme in das IZR, aus dem sich die Erteilung der Anmeldebescheinigung ebenfalls entnehmen lässt. Dass der Beschwerdeführer bislang keinen Aufenthaltstitel „Artikel 50 EUV“ beantragt hat, fußt auf der Einsichtnahme in das IZR. Die festgestellten Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich aus einer Einsichtnahme in einen Auszug des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger. Aus diesem leiten sich die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse und die Zeiten seiner Beschäftigungen im Bundesgebiet ab. Seine in der Stellungnahme vom 25.01.2021 bzw. in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2021 erwähnte Erwerbstätigkeiten auf Baustellen (im Zeitraum 2014-2015) sowie als Obst- und Gemüseverkäufer (im Zeitraum 2015-2017) konnte mangels Nachweise und mangels Erfassung durch den Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht verifiziert und somit auch nicht festgestellt werden. Der zwischenzeitige Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Überbrückungshilfe lässt sich ebenfalls dem Auszug des Sozialversicherungsträgers entnehmen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nach islamischen Ritus mit einer afghanischen Staatsangehörigen verheiratet ist, ergeben sich aus den glaubhaften Angaben in der Stellungnahme vom 25.01.2021 und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2021. Im Beschwerdeschriftsatz bzw. in seiner Stellungnahme vom 25.01.2021 verweist der Beschwerdeführer, dass er mit seiner Ehegattin fünf minderjährige Kinder hat. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er der Vater aller fünf Kinder seiner Ehegattin ist, kann jedoch nicht beigetreten werden. Vorab der mündlichen Verhandlung wurden seitens der Ehegattin des Beschwerdeführers und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers die Geburtsurkunden der Kinder vorgelegt. In lediglich zwei der fünf Geburtsurkunden scheint der Beschwerdeführer als Vater der Kinder auf. In zwei der vorgelegten Geburtsurkunden ist ein „Quais H[...]“ als Vater der Kinder eingetragen und eine Geburtsurkunde weist im Feld „Vater/Elternteil“ keine Eintragung auf. Sonstige Nachweise aus denen sich die Vaterschaft des Beschwerdeführers unzweifelhaft ergibt, wurden nicht vorgebracht. Dass die Ehe von Beziehungsproblemen geprägt ist und der Beschwerdeführer nicht dauerhaft in einem gemeinsamen Haushalt lebt bzw. er nur sporadisch Kontakt zu seiner Familie hatte und gelegentlich in der gemeinsamen Wohnung nächtigte, leitet sich aus den Ausführungen des Gerichtsurteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 07.11.2016, zu XXXX und aus den Ausführungen des Gerichtsurteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16.12.2019, zu XXXX ab. Dies deckt sich zudem aus der Zusammenschau der ZMR-Auszüge des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin ab. Demzufolge waren der Beschwerdeführer und seine Ehegattin lediglich im Zeitraum vom 30.08.2012 bis zum 11.12.2012 sowie im Zeitraum vom 11.11.2014 bis zum 05.05.2015 in einem gemeinsamen Haushalt melderechtlich erfasst. Die Feststellung, dass er seit seiner Inhaftierung in regelmäßigem telefonischen Kontakt zu seinen Kindern steht, gründet auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dabei brachte er auch vor, dass er während seiner Inhaftierung in der JA Wien-Josefstadt Besuch von seinem Bruder, der Schwägerin und seinen Kindern erhalten habe. Seine Ehegattin habe ihn während all dieser Zeit nicht besucht. Aus einer von der Justizanstalt Graz-Karlau angeforderten Besucherliste leitet sich zudem ab, dass der Beschwerdeführer während seiner dortigen Inhaftierung keinerlei Besuch von einem seiner Familienangehörigen erhalten habe.

Die Feststellung, dass sich darüber hinaus noch zwei weiterer Brüder des Beschwerdeführers in Österreich aufhalten, basiert ebenfalls auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Beschwerdeschriftsatz vom 25.01.2021 und in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2021. Dabei brachte er vor, dass sie sich gegenseitig unterstützen würden. Wenn er Hilfe benötige, seien sie für ihn da und haben sie ihm auch geholfen, als er bereits im Gefängnis gewesen sei.

Die Feststellungen zu seiner sprachlichen und sozialen Anbindung an das Bundesgebiet ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen und den Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2021 und dem dabei gewonnen persönlichen Eindruck. Dabei bestätigte der Beschwerdeführer, dass er bereits zwei Deutschkurse begonnen, diese jedoch mangels Schreib- und Leseschwächen nicht beendet und folglich auch keine Deutschprüfung absolviert habe. Hinsichtlich seiner sozialen Verfestigung brachte er vor, dass er im Bundesgebiet „viele österreichische Freunde“ habe, die er noch von seiner Zeit vom Fortgehen vom „Gürtel“ kenne. Die Frage nach der Mitgliedschaft in einem Verein oder einer sonstigen ehrenamtlichen Organisation verneinte der Beschwerdeführer. Auch die Frage nach einer ehrenamtlichen Betätigung wurde seitens des Beschwerdeführer negiert. Allerdings habe er dort, wo er gewohnt habe, seinen Nachbarn bei alltäglichen Dingen wie beispielsweise der Müllentsorgung und Reinigungstätigkeiten geholfen. Allfällige Unterlagen oder Nachweise, die eine integrative Anbindung des Beschwerdeführers belegen, wurden nicht vorgelegt.

Die Feststellungen zu seinen rechtskräftigen Verurteilungen, deren Grundlagen, die Strafbemessungsgründe und seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher resultieren aus den sich ebenfalls im Verwaltungsakt befindlichen Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.11.2016, zu XXXX und vom 16.12.2019, zu XXXX Die Einsicht in den Strafregisterauszug ergab keine weiteren strafgerichtlichen Verurteilungen. Die Inhaftierung des Beschwerdeführers und seine gegenwärtige Unterbringung in einer Justizanstalt und Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ergibt sich ebenfalls aus den vorliegenden Strafurteilen, dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Univ. Doz. Dr. Peter H[...] vom 10.09.2019 sowie einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Prozessfähigkeit:

Im gegenständlichen Fall gilt zunächst zu prüfen, inwiefern sich die psychischen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers auf das gegenständliche Verfahren auswirken.

Die Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, durch eigene Handlungen oder durch die eines gewillkürten Vertreters prozessuale Rechte und Pflichten zu begründen und rechtswirksame Verfahrenshandlungen zu setzen. Sie richtet sich gemäß § 9 AVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sofern die Verwaltungsvorschriften keine besonderen Regelungen enthalten. Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiellrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft. Hiefür ist entscheidend, ob die Partei im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens sowie der sich aus ihm ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten, was neben den von ihr gesetzten aktiven Verfahrenshandlungen auch Unterlassungen erfasst (vgl. VwGH 22.12.2020, Ra 2020/21/0307).

Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist als Vorfrage in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. VwGH 22.12.2020, Ra 2020/21/0307). Mangelnde Prozessfähigkeit führt zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte der Behörde, zB von Zustellungen. Eine prozessunfähige Person kann keine wirksamen Verfahrenshandlungen setzen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 130 ff).

Diese Grundsätze sind gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 9, 11 AVG auch vom BVwG anzuwenden, das die Frage der Prozessfähigkeit im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde als Vorfrage (§ 38 AVG) selbständig zu beurteilen hat (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2020/20/0149).

Wie sich aus dem Sachverständigengutachten vom 10.09.2019 ergibt, leidet der Beschwerdeführer an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (dissozial, emotional instabil, narzisstisch) und besteht bei ihm eine Polytoxikomanie. Er ist derzeit aufgrund der beschützenden Umgebung abstinent. Wie sich dem Sachverständigengutachten ebenfalls entnehmen lässt besteht beim Beschwerdeführer trotz seiner psychischen Leiden keine generelle Beeinträchtigung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit. In Verbund mit Alkohol- und Drogenkonsum führt seine gestörte Persönlichkeitsstruktur mit Neigung zur emotionalen Instabilität zu einer Herabsetzung seiner Steuerungsfähigkeit. Von einer derartigen Herabsetzung ist jedoch im gegenständlichen nicht auszugehen, zumal sich der Beschwerdeführer während des Administrativ- und des Beschwerdeverfahrens in Haft befand. Er befindet sich somit in einer geschützten Umgebung, ist gegenwärtig abstinent und erfolgt während seiner Inhaftierung – wie sich aus der eingeholten Krankenakte ergibt und der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch selbst bestätigte – eine regelmäßige medizinische und psychologische Betreuung. Deshalb geht das erkennende Gericht davon aus, dass der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugegangen ist und er sich der Inhalt und die Tragweite des gegenständlichen Verfahrens bewusst ist und er somit auch die Vollmacht für seine Rechtsvertretung rechtswirksam bestellt hat. Auch im Zuge der mündlichen Verhandlung konnte der erkennende Richter keinerlei Anhaltspunkte für eine mangelnde Prozessfähigkeit erkennen. Der Beschwerdeführer wirkte wach sowie zeitlich und örtlich orientiert. Er verstand die Fragen des erkennenden Richters und konnte dies ausreichend beantworten. Auch seitens der anwesenden Rechtsvertretung des Beschwerdeführers wurden betreffend eine allfällige Beeinträchtigung der Prozessfähigkeit und der Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers keine Einwendungen und kein Vorbringen erstattet.

3.2. Zur generellen Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ist mit Ablauf des 31.01.2020 aus der Europäischen Union ausgetreten (sogenannter „BREXIT“) und somit kein Mitgliedstaat der Europäischen Union mehr.

Somit gilt zunächst zu prüfen, ob die Bestimmungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG und die damit verbundenen Bestimmungen des § 70 Abs. 3 FPG bzw. § 18 Abs. 3 BFA-VG im gegenständlichen Fall generell Anwendungen finden. Dabei sind die Bestimmungen des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. Nr. C 384-I/01 vom 12.11.2019 (im Folgenden: „Austrittsabkommen“), das mit 01.02.2020 in Kraft getreten ist, heranzuziehen. Das Austrittsabkommen regelt in seinem Teil Zwei („Rechte der Bürger“, Art. 9 ff) unter anderem das weitere Aufenthaltsrecht von in der Europäischen Union – und somit auch im österreichischen Bundesgebiet – aufhältigen „britischen Staatsangehörigen“ (siehe dazu die Begriffsbestimmung in Art. 2 lit. d des Austrittsabkommens) und deren Familienangehörigen. Bis zum Ende des sogenannten „Übergangszeitraums“ am 31.12.2020 blieb der EU-Rechtsbestand weiterhin auf das Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland anwendbar.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. b des Austrittsabkommen finden die Bestimmungen auf jene britische Staatsangehörige Anwendung, die ihr Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat vor Ende des Übergangszeitraums im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter dort wohnen.

Gemäß Art. 21 des Austrittsabkommens gelten für Entscheidungen des Aufnahmestaats, durch die die Aufenthaltsrechte der in Art. 10 genannten Personen beschränkt werden, die in Art. 15 und Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen Garantien.

Hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Regelungen werden die Bestimmungen des Austrittsabkommens nach Ablauf des Übergangszeitraums durch eine Verordnung des Bundesministers für Inneres zur Umsetzung des Austrittsabkommens (im Folgenden: „Brexit-DV“), die am 01.01.2021 in Kraft getreten ist, ergänzt.

Gemäß § 10 Brexit-DV gelten die Bestimmungen des 4. und 5. Abschnittes des 8. Hauptstückes des FPG sowie § 18 Abs. 3 BFA-VG sinngemäß für jene Fremde, die sich aus Teil Zwei Titel I und Titel II Kapitel 1 des Austrittsabkommens Rechte ableiten können. Dabei ist § 66 Abs. 1 FPG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Ausweisung des Fremden zulässig ist, wenn die Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr erfüllt sind, es sei denn, dass er bereits das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat; im letzteren Fall ist seine Ausweisung nur zulässig, wenn sein Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer seit 2012 seinen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt. Er ist weiterhin im Bundesgebiet aufhältig bzw. wohnhaft und kann sich somit aus Teil Zwei Titel I und Titel II Kapitel 1 des Austrittsabkommens Rechte ableiten. Auch wenn der Beschwerdeführer seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland mit Wirksamkeit ab 01.02.2020 kein Unions- oder EWR-Bürger mehr ist, ist er auch nach Ende des Übergangszeitraums (bis 31.12.2020) im aufenthaltsrechtlichen Sinne einem Unions- und EWR-Bürger gleichgestellt.

Die belangte Behörde hat sich daher zu Recht Bestimmungen des §§ 67, 70 FPG und § 18 Abs. 3 BFA-VG herangezogen.

Zu A) Zur teilweisen Stattgebung der Beschwerde:

3.3. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Zur Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.2.2. Anwendung auf die gegenständliche Sache:

§ 67 Abs. 1 FPG sieht zwei unterschiedliche Gefährdungsmaßstäbe - als Bezugspunkt für die für jedes Aufenthaltsverbot Voraussetzung bildende Gefahrenprognose - vor. Einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens des betreffenden Fremden vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) – wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige seinen Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte – darüber hinausgehend eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreichdurch seinen Verbleib im Bundesgebiet.

Der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 FPG fünfter Satz FPG kommt also dann zur Anwendung kommt, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einen zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann, wobei im Lichte der hg. Judikatur diese „Privilegierung“ – wiewohl diese Bestimmung in ihrem Wortlaut lediglich auf den (faktischen) Aufenthalt abstellt – nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn es sich diesbezüglich um einen rechtmäßigen Aufenthalt handelt (vgl. VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228). Hinsichtlich der Ermittlung des anzuwendenden Gefährdungsmaßstabs ist damit erforderlich festzustellen, ob ein zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vorliegt oder nicht.

Zudem ist bei EWR- Bürgern und Schweizer Bürger, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab – der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist – heranzuziehen (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0147). Ein Aufenthaltsverbot gegen Personen, denen das Recht auf Daueraufenthalt zukommt, setzt demnach voraus, dass ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Nachdem sich der Beschwerdeführer seit Jänner 2012 im Bundesgebiet aufhält, gilt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes das Recht zum Daueraufenthalt gemäß §53a NAG erworben hat. Gegen den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 53a NAG sprechen die beiden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers. Ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten eines Unionsbürgers kann dazu führen, dass diesem in Österreich iSd. § 51 Abs. 1 NAG 2005 kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (als Grundlage für den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechtes) zukommt. Das ist aber nur dann der Fall, wenn vom Vorliegen einer „Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ iSd § 55 Abs. 3 NAG 2005 auszugehen ist. Das setzt wiederum voraus, dass das persönliche Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. VwGH 05.02.2021, Ra 2020/21/0439). Erstmalig wurde der Beschwerdeführer mit Strafurteil vom 07.11.2016, rechtskräftig wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB; der Vergehen der schweren Körperverletzung §§15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB und der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Nachdem der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner strafgerichtlichen Verurteilung rund vier Jahre und zehn Monate im Bundesgebiet aufhältig war und zudem ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität besteht (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474), hat der Beschwerdeführer in Anbetracht der angeführten Judikatur kein Daueraufenthaltsrecht gemäß §53a NAG erworben.

Aufgrund der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in Höhe von rund neuneinhalb Jahren ist im gegenständlichen Fall der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 S 2 FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) heranzuziehen.

Die Erfüllung dieses Gefährdungsmaßstabes ist aufgrund der vom 07.11.2016 und 16.12.2019 stammenden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers zweifelsfrei zu bejahen, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewaltkriminalität besteht (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 ua.).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367; 02.03.2021, Ra 2020/18/0486).

Bei einem Aufenthaltsverbot handelt es sich nicht um eine Strafe und dem Fremden muss auch kein Verschulden an der von ihm ausgehenden Gefährdung angelastet werden (vgl. VwGH 21.06.2011, 2009/22/0309). Der Prognose einer vom Fremden ausgehenden Gefahr steht somit nicht entgegen, dass die Gefährlichkeit auf eine Krankheit zurückzuführen ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber sogar die Möglichkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch wegen Tathandlungen vorgesehen, die im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit begangen wurden und zu einer Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher geführt haben (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0205). Der dadurch zum Ausdruck kommende Grundsatz gilt auch in den Fällen des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005. Auch bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt für Differenzierungen bei der Gefährlichkeitsprognose für den Fall, dass ein Fremder gemäß dem UbG untergebracht ist (vgl. VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0081).

Aber auch nach Würdigung des während seines neuneinhalbjährigen Aufenthaltes, durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes, des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose kommt das erkennende Gericht zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot dem Grunde nach zu rechtfertigen vermag.

Eingangs verlief der Aufenthalt des Beschwerdeführers in geregelten und geordneten Bahnen. Er erwirtschaftete sich ein Einkommen aus einer Vollbeschäftigung in der Gastronomie und war er bis zu diesem Zeitpunkt auch ordnungsgemäß mit verschiedenen Hauptwohnsitzen im Bundesgebiet melderechtlich erfasst. Ab Mitte des Jahres 2013 erfuhr die Lebensführung des Beschwerdeführers eine vollkommene Kehrtwendung. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war in weiterer Folge geprägt von prekären Beschäftigungs- und Wohnverhältnissen, Alkohol- und Suchtmittelproblemen und mehrfachen strafrechtlichen Delinquenzen. So befand er sich im Zeitraum Juni 2013 bis Dezember 2017 in keinem aufrechten Beschäftigungsverhältnis mehr und sicherte sich in diesem Zeitraum seinen Lebensunteralt aus dem Bezug von Arbeitslosengeld sowie Notstands- und Überbrückungshilfe. Ab Dezember 2017 folgen mehrere monateweise Tätigkeiten des Beschwerdeführers als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer im Transportgewerbe. Von Juli 2013 bis November 2014 wurde der Beschwerdeführer auch das erste Mal obdachlos gemeldet und folgt vom 02.08.2017 bis zum 19.07.2019 eine weitere Obdachlosenmeldung. Für den Zeitraum 15.05.2015 bis 02.06.2016 liegt überhaupt keine melderechtliche Erfassung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vor. Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet zudem zwei Mal strafgerichtlich verurteilt. In diesem Zusammenhang bleibt nicht unberücksichtigt, dass sich diese Verurteilungen auf die Störung seines Persönlichkeitsbildes und somit auf die geminderte, jedoch nicht ganz ausgeschlossene Dispositionsfähigkeit zurückführen lassen. Hiezu wurde bereits im ersten Strafurteil vom 07.11.2016 ausgeführt, dass die Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers zu den Tatzeitpunkten zu einer Verminderung der Impulskontrolle, aber nicht zu einer Aufhebung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit führte. Zudem führte die (seit längerer Zeit bestehende) Einnahme verschiedener Drogen zu einer weiteren Herabsetzung der bereits verminderten Impulskontrolle. Berücksichtigt wird in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass selbst die mit Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.11.2016 erteilte Anordnung der Bewährungshilfe und die Weisung zur Unterziehung einer regelmäßigen ambulanten psychiatrischen und psychosozialen Behandlung samt Kontrolle der Einnahme der verschriebenen Medikamente sowie der Drogenabstinenz die weitere strafgerichtliche Verurteilung nicht verhindern konnte. So trat der Beschwerdeführer bereits drei Jahre später noch in der Probezeit ein weiteres Mal strafgerichtlich in Erscheinung. Wie die diesbezüglichen Ausführungen im Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.12.2019 belegen, zeigte sich der Beschwerdeführer in Bezug auf die Betreuung mit dem Verein NEUSTART anfangs kooperativ. Ab dem Frühjahr 2019 erbrachte er jedoch keine Nachweise mehr über die Einhaltung der ihm auferlegten Weisungen und konsumierte er in weiterer Folge Alkohol und Cannabis, was schlussendlich in seine zweite strafgerichtliche Verurteilung mündete. Auch in Hinblick auf die zweite Verurteilung war gemäß dem Sachverständigengutachten in zwei der drei Tathandlungen die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen. Augenscheinlich ist auch die Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers. So ergibt sich bereits aus dem Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.12.2019, dass der Beschwerdeführer seine psychische Erkrankung und die bestehende Drogenmissbrauchsproblematik völlig negierte. Diesen Eindruck gewann auch das erkennende Gericht auch im Zuge der gegenständlichen Verhandlung, wenn der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine letzte strafgerichtliche Verurteilung vermeinte, dass seine Frau zu diesem Zeitpunkt [Anm. gemeint bei der Strafverhandlung] schwanger gewesen sei und sie den Strafrichter angelogen habe. Aber auch die Schwere der verübten Straftaten und die Opfer seine Straftaten geben Rückschlüsse auf sein Charakterbild. Der Beschwerdeführer wandte bei allen Straftaten physische Gewalt an. So verletzte und gefährdete er nicht nur die körperliche Unversehrtheit mehrerer Beamten bei Ausübung hoheitlicher Gewalt und deren sicherheitspolizeilichen Aufgaben, sondern auch jene seiner Ehefrau. Dahingehend ist hervorzuheben, dass Gewalt gegen Frauen und familienspezifische Gewalt im Allgemeinen ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, das sowohl mit den gesellschaftlichen Grundwerten als auch mit der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unvereinbar ist.

Nicht unberücksichtigt lässt das erkennende Gericht die Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach er sich für seine Taten entschuldige und ihm diese leid tue. Getrübt wird seine Reue lediglich durch seine mangelnde Schuldeinsicht, wenn er in der mündlichen Verhandlung wenige Augenblicke später vermeint, dass seine Ehefrau den Strafrichter angelogen habe. Ungeachtet dessen In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (VwGH 26.01.2021, Ra 2020/14/0491). Im gegenständlichen Fall befindet sich der Beschwerdeführer seit dem 19.07.2019 in Strafhaft und ist überdies in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht. Allerdings kann auch bei (hypothetischer) Entlassung des Beschwerdeführers aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher keine positive Gefährdungsprognose attestiert werden (vgl. VwGH 29.09.2020, Ra 2020/21/0297). Die von seiner Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit seinem unkritischen Alkohol- und Suchtgiftkonsum und in Verbindung mit seiner sozialen Desintegration ausgehende Gefährlichkeit kann nur intramural hintangehalten werden.

Die bedingte Nachsicht einer Freiheitsstrafe durch das Strafgericht steht einer unter fremdenrechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmenden Gefährlichkeitsprognose nicht entgegen (vgl. VwGH 08.09.2009, 2009/21/0174). Somit ist auch durch den Umstand, dass von der ersten verhängten Strafe bedingt nachgesehen wurde, nicht von einer wesentlich verminderten Gefährlichkeit des Beschwerdeführers auszugehen. Dies umso verstärkt, da die Nachsicht aufgrund der offenliegenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers und des schnellen Rückfalls aus spezialpräventiven Gründen widerrufen wurde.

In weiterer Folge bleibt zu prüfen, ob die gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmende gewichtige Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen allenfalls nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen könnte (vgl. VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0301).

Aufgrund seiner im Bundesgebiet lebenden Ehegattin, den gemeinsamen Kindern sowie seiner beiden hier aufhältigen Brüder weist der Beschwerdeführer ein Familienleben im Bundesgebiet auf. Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens iSd Art. 8 MRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind (vgl. VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 MRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 02.08.2016, Ra 2016/20/0152).

Die Schutzwürdigkeit des Familienlebens ist im gegenständlichen Verfahren als relativiert zu betrachten. Zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau bestehen schon seit Jahren Beziehungsprobleme. Er hielt nur sporadischen Kontakt zu seiner Familie und nächtigte gelegentlich in deren Wohnung. Die Beziehungsprobleme mündeten letztendlich in die von Mitte Mai 2019 bis 18.07.2019 fortgesetzte Gewaltausübung gegenüber seiner Ehefrau, bei der er sie in mehreren wöchentlichen Angriffen am massiv Körper misshandelte, sie gefährlich bedrohte und sie zu nötigen versuchte. Letztendlich war er darüber hinaus in den letzten zwei Jahren in der Justizanstalt untergebracht und hatte demnach nur beschränkte Kontaktmöglichkeiten zu den Kindern und seiner Ehefrau. besteht auch aufgrund seiner Inhaftierung vom 19.07.2019 kein physischer Kontakt mehr zu seiner Ehefrau, die ihn während der Haft bislang nicht besuchte.

Im gegenständlichen Fall gilt es im Hinblick auf die gemeinsamen minderjährigen Kinder auch das Kindeswohl mitzuberücksichtigen (vgl. VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0456). Angesichts der jahrelang andauernden familienspezifischen Gewalt, seiner nunmehr seit rund zwei Jahre andauernde Inhaftierung und die Tatsache, dass der Kontakt zu seinen Kindern auch über Telefonate und elektronische Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail, soziale Medien) bzw. durch Besuche außerhalb Österreichs gepflegt werden kann, vermag das Kindeswohl für sich gesehen nicht die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes zu bewirken. Das Kindeswohl war aber im Rahmen der Interessensabwägung positiv für den Beschwerdeführer zu berücksichtigen.

Durch die Begehung der Straftaten und den daraus drohenden straf- und fremdenrechtlichen Sanktionen hat der Beschwerdeführer sein Familienleben im Bundesgebiet aufs Spiel gesetzt und eine etwaige Trennung von seinen Familienmitgliedern bewusst in Kauf genommen und war dieses auch angesichts seines straffälligen Verhaltens eine Trennung in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH 11.01.2021, Ra 2020/01/0295).

Auch lässt das erkennende Gericht nicht außer Acht, dass zwei Brüder des Beschwerdeführers in Österreich lebt. Allerdings lässt sich aus dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung das Bestehen eines von der Judikatur geforderten zusätzlichen, über die üblichen Bindungen hinausgehendes Abhängigkeitsmerkales nicht ableiten. Ungeachtet dessen, ist es dem Beschwerdeführer möglich, den Kontakt zu seinem Bruder telefonisch und durch moderne Kommunikationsmittel oder Besuche im Ausland aufrecht zu halten.

Seine während der letzten neuneinhalb Jahren erlangte Integration in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht erweist sich angesichts seiner mehrfachen strafrechtlichen Verurteilungen ebenfalls als relativiert (vgl. VwGH 26.05.2021, Ra 2021/01/0159).

Somit kann dem Beschwerdevorbringen, wonach der über ein besonders schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK aufweist und die Interessensabwägung eindeutig zu seinen Gunsten ausfallen müsse, nicht beigetreten werden.

Es ergaben sich auch keinerlei Gründe, die gegen eine Rückkehr in das Vereinigte Königreich Großbritannien sprechen, zumal der Beschwerdeführer volljährig ist, er die britische Staatsangehörigkeit besitzt und er einen wesentlichen Teil seines Lebens im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland verbrachte und dort berufstätig war und er neben seiner Muttersprache Dari auch Englisch spricht.

Im Zuge der einzelfallbezogenen gewichtenden Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung (vgl. VwGH 21.12.2020, Ra 2020/14/0524) hat das im Bundesgebiet bestehende Privat- und Familienleben, dessen Ausprägung in gegenständlicher Sache aufgrund von familienspezifischer Gewalt eine massive Beeinträchtigung erfuhr, gegenüber dem besonders großen öffentlichen Interesse der Verhinderung der Gewaltdelikte zurückzutreten.

Im Rahmen einer gewichtenden Interessensabwägung sind die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit höher zu gewichten, als die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl. VwGH 06.12.2019, Ra 2019/18/0437).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (vgl. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Ohne sein kriminelles Verhalten verharmlosen zu wollen, erweist sich die ausgesprochene Dauer des Aufenthaltsverbotes von acht Jahren bei einem höchstzulässigen Maß von zehn Jahren als unverhältnismäßig lang und ist die von der belangten Behörde verhängte Dauer nicht mit dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftat in Einklang zu bringen. Dies vor allem unter der Berücksichtigung der strafgerichtlichen Milderungs- und Erschwerungsgründe und ihrer bestehenden familiären Anbindungen. So darf im gegenständlichen Fall nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen psychisch beeinträchtigten Mann handelt und auch das Strafgericht zuletzt bei einer Strafandrohung von bis zu drei Jahren (§ 107b Abs. 1 StGB) mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten das Auslangen fand.

Somit war das Aufenthaltsverbot auf die Dauer von fünf Jahren zu reduzieren. Eine darunterliegende Dauer eines Aufenthaltsverbotes oder eine gänzliche Behebung ist jedoch wegen des Gewichtung des strafrechtlich relevanten Handelns des Beschwerdeführers, insbesondere des Zusammentreffens eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, der zeitlich verdichteten Begehungshistorie, seiner Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher und der Tatwiederholung nicht denkbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes keinesfalls zu ersetzen (siehe VwGH 12.9.2013, 2013/21/0094; VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0053, zu § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG 2014 ergangen). Demnach ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom BFA abzuerkennen, wenn - wie bei der Versagung eines Durchsetzungsaufschubs nach § 70 Abs. 3 FrPolG 2005 - die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Dafür genügt es nicht, auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich gewesen sind. Dies gilt sinngemäß auch für die unter den (im Wesentlichen) inhaltsgleichen Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG 2014 mögliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot. Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FrPolG 2005 hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - erforderlich ist (vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdevorbringen beizupflichten, wonach die belangte Behörde dem von der höchstgerichtlichen Judikatur geforderten Begründungsmaßstab nicht gerecht wurde. Allerdings erweisen sich die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im gegenständlichen Fall als erforderlich. Dies aus folgenden Überlegungen heraus:

Laut Ausführungen des Sachverständigengutachtens des Univ. Doz. Dr. Peter H[...] sind aus forensisch-kriminalprognostischer-psychiatrischer Perspektive beim Beschwerdeführer zahlreiche prognostische Parameter negativ besetzt. So findet sich bei ihm eine Gemengenlage aus psychiatrisch unbehandelter Persönlichkeitsstörung mit Suchtkomponente. Betreffend den Beschwerdeführer gibt es keine soziale Kontrolle, weswegen seine soziale Situation denkbar ungünstig ist. Zudem liegt seinerseits keine kritische Einsicht in die eigene Delinquenz vor. Bereits im Sachverständigengutachten wurde darauf hingewiesen, dass seine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung, die an sich bereits delinquenzfördernd und bestimmend wirkt, in Kombination mit seiner unkritischen Neigung zum Alkohol- und Drogenkonsum mit sozialer Desintegration in einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades resultiert. Vom Beschwerdeführer geht eine große Gefährlichkeit aus, erneut strafbare Handlungen mit schweren Folgen wie schwere Körperverletzungen, qualifizierte Todesdrohungen bzw. absichtlich schwere Körperverletzungen zu begehen. Die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers kann nur intramural hintangehalten werden.

Auf Grundlage dieses Sachverständigengutachtes, kam bereits das Landesgericht für Strafsachen Wien in seiner letzten Entscheidung zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer von einer ungünstigen Gefährlichkeitsprognose auszugehen und anzunehmen ist, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit künftig Straftaten mit schweren Folgen begehen werde.

Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewaltdelikten und insbesondere der körperlichen Unversehrtheit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder, erweist sich seine sofortige Ausreise und die Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich und dringend geboten ist.

Somit war die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusp

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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