TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/16 W224 2244203-1

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Veröffentlicht am 16.07.2021
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Entscheidungsdatum

16.07.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchUG-BKV §32 Abs1 Z4

Spruch


W224 2244203-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Salzburg vom 26.05.2021, Zl. 525002/0010-PA-BWR-Allgemein/2021, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

II. Die Eigenschaft von XXXX als Studierender der XXXX an der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX ist auf Grund von rücksichtswürdigen Gründen nicht beendet.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist seit 14.09.2020 Studierender an der XXXX der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX .

2. Am 30.04.2021 entschied die Klassenkonferenz gemäß § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKV, dass der Beschwerdeführer nicht das erforderliche Mindestausmaß an Modulen von zehn Wochenstunden in diesem und im vorangegangenen Halbjahr erfolgreich abgeschlossen habe und damit seine Eigenschaft als Studierender ende.

3. Mit Schreiben vom 12.05.2021 erhob der Beschwerdeführer Widerspruch gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz. In diesem führte er im Wesentlichen aus, dass er durch eine Erkrankung (Depression) daran gehindert gewesen sei, die Schule zu besuche. Durch das Wiederaufflammen der Covid-19-Pandemie im November 2020 hätten sich seine Symptome (Panikattacken; Agoraphobie) verstärkt. Er sei in Therapie, aber sein Zustand bessere sich nur langsam. Auf Grund der Corona-Situation und teilweiser Konfusion sei vieles durcheinander gekommen oder untergegangen. Er habe sich nach dem Distance Learning im Dezember 2020 außerstande gesehen, wieder in die Schule zu gehen. Da jetzt die Impfung bevorstehe (er leide nämlich außerdem an Asthma), entspanne sich seine Situation etwas.

Der Beschwerdeführer legte dem Widerspruch eine fachärztliche Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Psychiatrie vor, aus welcher unter anderem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer an PTBS (F43.1), Agoraphobie mit Panikattacken (F40.01) und einer mittelgradig depressiven Episode (F32.1) leidet.

4. Die Bildungsdirektion für Salzburg (im Folgenden: belangte Behörde) wies mit Bescheid vom 26.05.2021, Zl. 525002/0010-PA-BWR-Allgemein/2021, den Widerspruch als unbegründet ab und stellte fest, dass der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 30.04.2021 den Schulbesuch an der XXXX beendet habe. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer nicht in diesem und in dem vorangegangenen Halbjahr Module im Mindestausmaß von 10 Wochenstunden erfolgreich abgeschlossen habe. Laut Entscheidung der Klassenkonferenz sei dies nicht auf rücksichtswürdige Gründe zurückzuführen gewesen. Seitens der Modulvorständin und Studienkoordinatorin hätten Gespräche mit dem Beschwerdeführer stattgefunden, aber es habe sich der Unterrichtsbesuch und das Ablegen von Prüfungen nicht verbessert. Es sei in keinem Fach möglich gewesen, eine positive Beurteilung festzustellen. Hinsichtlich dessen, ob besonders rücksichtswürdige Gründe im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BVK vorlägen, führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass eine Nachsicht nicht erteilt werden könne, weil der Beschwerdeführer immer wieder auf die 10-Stunden-Regel aufmerksam gemacht worden sei und keinerlei Schritte diesbezüglich gesetzt habe.

5. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein und verwies dabei neuerlich auf seine Erkrankung. Er habe auf Grund psychischer Probleme eine nur geringe Aufmerksamkeitsspanne und es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er sich auch für ein Semester befreien lassen hätte können. Er habe Panikattacken, sei energielos, verschwitzt und enorm gestresst. Die belangte Behörde sei im angefochtenen Bescheid zu wenig auf seine Krankheit und die Folgen daraus eingegangen und habe über den Widerspruch abweisend abgesprochen.

Der Beschwerdeführer legte eine weitere fachärztliche Stellungnahme („fachärztliches Attest“) des behandelnden Facharztes für Psychiatrie vom 11.06.2021 vor, aus welcher hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in Folge der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 psychisch dekompensiert sei. Die schulischen Leistungen und die psychische Verfassung des Beschwerdeführers hätte sich im Zuge der Pandemie massiv verschlechtert. Er sei nicht im Stande gewesen, den Schulunterricht geordnet und regulär zu besuchen.

6. Mit Schreiben vom 06.07.2021, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 09.07.2021, legte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid samt Beschwerde und Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist seit 14.09.2020 Studierender an der XXXX der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX .

Der Beschwerdeführer war im Wintersemester des Schuljahres 2020/2021 sowie im Sommersemester des Schuljahres 2020/2021 in den Modulen 7 und 8 nicht im Unterricht anwesend und erbrachte daher keine Leistungen. Er wurde in allen Fächern nicht beurteilt. Der Beschwerdeführer legte nicht mindestens 10 Wochenstunden erfolgreich ab.

Der Beschwerdeführer leidet an PTBS (F43.1), Agoraphobie mit Panikattacken (F40.01) und einer mittelgradig depressiven Episode (F32.1).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde, der Beschwerde und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Wintersemester des Schuljahres 2020/2021 sowie im Sommersemester des Schuljahres 2020/2021 in den Modulen 7 und 8 nicht im Unterricht anwesend war, daher keine Leistungen erbrachte und in allen Fächern nicht beurteilt wurde, ergibt sich aus den betreffenden Datenblättern im Verwaltungsakt.

Die Erkrankungen des Beschwerdeführers an PTBS (F43.1), Agoraphobie mit Panikattacken (F40.01) und einer mittelgradig depressiven Episode (F32.1) ergeben sich aus den vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen (vom 07.05.2021) bzw. Attesten (vom 11.06.2021).

Aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts geht aus der fachärztlichen Stellungnahme bzw. dem fachärztlichen Attest nachvollziehbar und plausibel hervor, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Erkrankungen nicht im Stande gewesen ist, den Schulunterricht regulär und geordnet zu besuchen. Es ist in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum nicht in der Lage gewesen ist, eine allfällige Beurlaubung vom Schulbesuch für sich zu organisieren bzw. beantragen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKV endet die Eigenschaft als Studierender einer Ausbildung mit dem Ende eines Halbjahres, wenn nicht in diesem und in dem vorangegangenen Halbjahr Module im Mindestausmaß von 10 Wochenstunden erfolgreich abgeschlossen wurden, sofern dies nicht auf rücksichtswürdige Gründe zurückzuführen ist.

Der Beschwerdeführer hat über zwei Semestern hindurch Module (durchlaufende Zählung) im Ausmaß von weniger als zehn Wochenstunden erfolgreich abgeschlossen (Vgl. EB zu RV 654, 24. GP, S. 7 f). Der Beschwerdeführer brachte in der Beschwerde sinngemäß vor, es würden aber in seinem Fall rücksichtswürdige Gründe im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKV vorliegen.

Vorliegend brachte der Beschwerdeführer zutreffend rücksichtswürdige Gründe im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKV vor.

Der Beschwerdeführer legte im Zuge des Verfahrens vor der belangten Behörde eine fachärztliche Stellungnahme bzw. ein fachärztliches Attest vor, wobei sich aus den vorgelegten Unterlagen die Erkrankungen des Beschwerdeführers an PTBS (F43.1), Agoraphobie mit Panikattacken (F40.01) und einer mittelgradig depressiven Episode (F32.1) ergaben. Diese Tatsachen sind in Kombination, in Zusammenhang mit ihrer zeitlichen Lage und Dauer, jedenfalls rücksichtswürdige Gründe [vgl. dazu EB zu RV 654, 24. GP, S. 7 f, demnach bei besonders berücksichtswürdigen Gründen (Umstände, wie sie etwa eine „Beurlaubung“ rechtfertigen würden), „Nachsicht“ gewährt werden kann).

Der Beschwerde war daher stattzugeben.

Der Beschwerdeführer ist auf Grund der rechtzeitigen und zulässigen Beschwerde weiterhin Studierender der XXXX an der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX . Seine Eigenschaft als Studierende endete somit nicht.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde und dieser Sachverhaltsfeststellung in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten wurde. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen (zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen VwGH 11.11.1998, 98/01/0308, und 21.01.1999, 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung VwGH 25.03.1999, 98/20/0577, und 22.04.1999, 98/20/0389; zum Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung VwGH 18.02.1999, 98/20/0423; zu Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens VwGH 25.03.1999, 98/20/0475). Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff). Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH vom 22.03.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053 und vom 27.08.2014, Ra 2014/05/0007).

Es wird auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach die Frage, ob „rücksichtswürdige Gründe“ im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKA vorliegen, nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden kann (vgl. VwGH 4.7.2018, Ra 2017/10/0007, bzw. zu „besonders berücksichtigungswürdigen Gründen“ nach § 10 Abs. 1 BSchEG 1957 etwa VwGH 22.11.1990, 89/09/0018, VwSlg. 13320 A, mwN).

Schlagworte

berufsbildende höhere Schule Berufstätigkeit Erkrankung ersatzlose Behebung Mindestmaß an Wochenstunden rücksichtswürdige Gründe Studenteneigenschaft Studierender

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W224.2244203.1.00

Im RIS seit

16.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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