TE OGH 2021/8/10 14Os71/21d

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Veröffentlicht am 10.08.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 10. August 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Lampret in der Strafsache gegen ***** A***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. April 2021, GZ 145 Hv 33/19i-251, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** A***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

[2]       Danach hat sie vom 1. April 2003 bis zum 1. Juli 2016 „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten ***** F*****“ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Pensionsversicherungsanstalt durch Täuschung über Tatsachen, nämlich ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, zu Handlungen, nämlich der fortlaufenden monatlichen Auszahlung von Ausgleichszulage und von Pflegegeld, verleitet, wodurch die Pensionsversicherungsanstalt in einem nicht genau festgestellten Betrag von jedenfalls mehr als 5.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist nicht im Recht.

[4]            Die Mängelrüge erblickt einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Feststellung, der Vorsatz der Beschwerdeführerin sei – schon bei ihrer (nicht verfahrensgegenständlichen) persönlichen Antragstellung im Jahr 2000 – darauf gerichtet gewesen, dass sie sich „immer wieder über mehrere Wochen hinweg in Ungarn“ aufhalten werde (US 6), und den weiteren Konstatierungen, denen zufolge die Tochter der Beschwerdeführerin als deren Sachwalterin die inkriminierten Anträge auf Ausgleichszulage und Pflegegeld gestellt habe (US 4). Sie spricht damit jedoch keine entscheidende Tatsache an, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt einer Mängelrüge bildet (RIS-Justiz RS0117499). Nach dem Urteilssachverhalt stellte zwar tatsächlich F***** als Sachwalterin (nunmehr: Erwachsenenvertreterin) der Beschwerdeführerin sämtliche der hier relevanten (irreführenden) Anträge. Dies jedoch mit Wissen der Beschwerdeführerin (US 6 f und 21), die zum Gelingen des gemeinsamen Vorhabens unter anderem dadurch beitrug, dass sie sich „bei allen durchgeführten Nachuntersuchungs-/Begutachtungsterminen“ gegenüber den als Sachverständige vom Arbeits- und Sozialgericht sowie von der Pensionsversicherungsanstalt beigezogenen Ärzten im Widerspruch zu ihrem tatsächlichen Gesundheitszustand – „wie zuvor mit ihrer Tochter vereinbart“ – stets „stumm und unbeteiligt“, „in sich gekehrt und nach vorne gebeugt“ präsentierte, dabei „mit gesenktem Haupt“ jede Kommunikation verweigerte und „weder auf Ansprache noch Berührungen“ reagierte oder „sich gar im Bett schlafend“ stellte (US 5 f). Dem Urteilssachverhalt ist solcherart zwar keine dem Wortlaut des Tatbestandes entsprechende Ausführungshandlung der Beschwerdeführerin im Sinn des hier gegenständlichen Betrugs (mittels Täuschung über den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland [vgl § 292 Abs 1 ASVG sowie § 3 Abs 1 und § 3a Abs 1 BPGG]) zu entnehmen, weshalb unmittelbare Täterschaft ausscheidet (RIS-Justiz RS0117320; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 18). Die Feststellungen tragen jedoch die Annahme von – rechtlich gleichwertiger (RIS-Justiz RS0013731 [T2]) – Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) der Beschwerdeführerin. Die auf dieser Basis verfehlte Annahme einer anderen Täterschaftsform (§ 12 erster Fall StGB) durch das Erstgericht (vgl US 2) kann mit Mängelrüge nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0117604).

[5]       Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[6]       Mit der – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war gleichermaßen zu verfahren (§ 296 Abs 2 StPO).

[7]       Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung (§ 285i StPO).

[8]       Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E132532

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00071.21D.0810.000

Im RIS seit

31.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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