TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/3 W195 2244022-1

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Veröffentlicht am 03.07.2021
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Entscheidungsdatum

03.07.2021

Norm

AVG §35
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W195 2244022-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird gemäß § 35 AVG 1991 idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorhergehende Verfahren:

I.1.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger aus XXXX reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.05.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erging der Bescheid des BFA vom 15.11.2017, mit welchem die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet abwies. Zugleich wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach XXXX zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestätigte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 22.02.2018, XXXX , die Entscheidung des BFA. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

I.1.2. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

I.1.3. Am 01.08.2018 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Den Folgeantrag begründete er mit denselben Fluchtgründen wie im Erstverfahren. Darüber hinaus machte er medizinische Gründe geltend.

Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens wies das BFA mit Bescheid vom 01.02.2019 den Antrag hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach XXXX ulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht (Spruchpunkt VI.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 25.03.2019, XXXX , rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Der VfGH hielt eine Beschwerdeerhebung für aussichtslos ( XXXX ).

I.1.4. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung abermals nicht nach.

I.1.5. Am 18.04.2019 stellte der BF einen zweiten Folgeantrag – sohin seinen insgesamt dritten Antrag – auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BFA vom 25.06.2019, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach XXXX ulässig ist (Spruchpunkt V.). Gegen den BF wurde gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 3 und Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Überdies wurde dem BF gemäß § 55a Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.).

I.1.6. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.07.2019, XXXX , als unbegründet ab.

Der VfGH hielt eine Beschwerdeerhebung für aussichtslos ( XXXX ).

I.1.7. Am 07.08.2019 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen, dritten Folgeantrag – und insgesamt vierten Antrag – auf internationalen Schutz.

Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des BFA am 02.09.2019 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG aufgehoben.

I.1.8. Mit Beschluss vom 11.09.2019, XXXX entschied das Bundesverwaltungsgericht im amtswegig eingeleiteten Verfahren über diesen Bescheid, dass die gemäß § 12a Abs 2 AsylG erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtwidrig ist.

Der VfGH hielt eine Beschwerdeerhebung für aussichtslos ( XXXX ).

I.1.9. Mit Bescheid vom 04.05.2020 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten und hinsichtlich eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.).

Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2020, XXXX wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der VfGH hielt eine Beschwerdeerhebung für aussichtslos ( XXXX ).

I.1.10. Am 16.12.2020 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag (hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten als auch hinsichtlich des subsidiär Schutzberechtigten) wurde mit Bescheid des BFA vom 02.06.2021 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sachs zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen gründen wurde nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung getroffen. Die Abschiebung wurde für zulässig erklärt und gegen den BF ein auf fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 16.06.2021 vorgelegt.

I.1.11. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 01.03.2021, XXXX wurde dem BF der Besitz von Waffen und Munition verboten. Anlass dafür war ein Streit unter Mitbewohnern und die Drohung des BF mit dem Umbringen seiner Mitbewohner; diese Drohung wurde auch gegenüber anderen, fremden Menschen geäußert.

I.1.12. Gegen den BF gibt es zahlreiche (bis zu 11) Verwaltungsstrafverfahren, welche teilweise jedoch noch nicht rechtskräftig entschieden sind.

I.2. Zum gegenständlichen Verfahren:

I.2.1. Gegenständlich ist die dem Bundesverwaltungsgericht am 02.07.2021 vorgelegte Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 02.06.2021. Mit diesem Bescheid wurde gegen den BF eine Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG in der Höhe von €°400,- verhängt, weil er durch sein Verhalten – insgesamt 5 Anträge auf internationalen Schutz - eine Verfahrensverzögerung und zusätzlichen Aufwand verursachte. Er habe durch sein Verhalten „in unnötiger Weise“ sowohl personelle als auch finanzielle Ressourcen mutwillig beansprucht. Seit seinem ersten Asylantrag habe der BF im Wesentlichen keine neuen Fluchtgründe vorgebracht und wurden auch seine wiederholt vorgebrachten gesundheitlichen Gründe intensiv, auch mit Sachverständigengutachten, erhoben sowie beurteilt und als für einen internationalen Schutz als nicht ausreichend befunden.

Der BF habe seine zahlreichen Anträge offensichtlich nur deshalb gestellt, um seinen Aufenthalt im Bundesgebiet temporär zu legalisieren.

Der BF habe – trotz vorliegenden Treffers in der VISA-Datenbank VIS – geleugnet, jemals einen Reisepass besessen zu haben und hat er keinerlei Mitwirkung an der Erhebung des wahren Sachverhalts gezeigt.

Das BFA ging deshalb davon aus, dass der BF die zahlreichen Anträge offensichtlich missbräuchlich stellte.

Unter Verweis auf die Inanspruchnahme der zeitlichen und personellen Ressourcen der Republik Österreich wurde die Schädigung durch das Verhalten des BF dargelegt. Darüber hinaus wies das BFA in der Begründung des Bescheides auch auf die offenbare Aussichtslosigkeit der zahlreichen Anträge hin.

Insgesamt befand das BFA somit die Verhängung einer Mutwillensstrafe im Ausmaß von €°400,- - knapp über der Hälfte der Maximalstrafe von € 726,- - als gerechtfertigt.

I.2.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde des rechtsanwaltlich vertretenen BF. In dieser wird dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Mutwillensstrafe nicht vorlägen. Der BF habe lediglich von seinem Recht Gebrauch gemacht, in Österreich um internationalen Schutz anzusuchen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt seiner Erkrankungen sowie der Berücksichtigung der Corona-Pandemie. Hinsichtlich des Reisepasses entgegnet der BF – allerdings ohne Beleg - , dass die XXXX Botschaft nicht bereit sei, einen Pass auszustellen.

Es werde daher der Antrag gestellt auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Behebung des angefochtenen Bescheides und Nichteinhebung der Mutwillensstrafe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist XXXX Staatsangehöriger und am 05.08.1978 geboren.

Der BF hat bisher in fünf rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren durch das Bundesverwaltungsgericht entgegen seinen Anträgen keinen Anspruch auf internationalen Schutz erhalten und hat auch der VfGH, soferne angerufen, diese Entscheidungen nicht als rechtswidrig angesehen.

Der BF hat ein weiteres Verfahren vor dem BFA angestrengt und ist dieses seit 16.06.2021 unter der ZL XXXX beim BVwG anhängig.

Gegen den BF wurde von der Landespolizeidirektion XXXX ein Waffenbesitzverbot ausgesprochen.

Gegen der BF sind zahlreiche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden, wobei einige bereits rechtskräftig (nach Beschäftigung des Landesverwaltungsgerichtes) abgeschlossen wurden.

Der BF war in allen Verfahren von einem Rechtsanwalt vertreten (bzw. hatte die gesetzliche Rechtsberatung in Anspruch genommen).

Mit Bescheid des BFA vom 02.06.2021 wurde gegen den BF eine Mutwillensstrafe von €°400,- gemäß § 35 AVG verhängt. Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde des BF.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen des Administrativaktes, insbesondere den angefochtenen Bescheid sowie die dagegen erhobene Beschwerde.

Darüber hinaus standen dem Bundesverwaltungsgericht die Gerichtsakten zu den Verfahren XXXX sowie die Beschwerde XXXX zur Verfügung. Auf die Entscheidungen des VfGH zu XXXX , wird ebenso verwiesen.

Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen (insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung) abgesehen werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

§ 35 AVG lautet:

„Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen.“

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, als auch die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann – außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde – auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist auch die bewusst unrichtige Begründung des Antrages. Eine Verhängung der Mutwillensstrafe ist dann gerechtfertigt, wenn aus den wechselnden, einander widersprechenden Angaben der Partei und der Begründung von Rechtsmitteln ersichtlich ist, dass diese im Bewusstsein ihrer Grundlosigkeit eingebracht wurden und damit offenbar nur die Verschleppung der endgültigen Erledigung bezweckt wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) „Person“, welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Strafbarer Mutwille bei Antragstellung hat das Bewusstsein von der Grundlosigkeit dieses Antrags zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Antrag daher dann gestellt, wenn sich der Antragsteller wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für einen Antrag gibt (vgl. VwGH 08.11.2011, 97/21/0023).

Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im „Ausnahmefall“ in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).

Der Beschwerdeführer stellte am 10.05.2016 seinen – ersten - Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich nicht zum Erfolg führte. Der BF hatte vielmehr schon mit der seinerzeitigen Entscheidung des BFA vom 15.11.2017, bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht am 22.02.2018, die Verpflichtung das Bundesgebiet zu verlassen bzw. eine Rückkehrentscheidung erhalten.

Der BF hatte schon zum damaligen Zeitpunkt die Möglichkeit erhalten das Bundesgebiet innerhalb von zwei Wochen freiwillig zu verlassen. Es musste dem damals rechtsfreundlich vertretenen BF klar sein, dass er, sollte er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen, eine Rückkehrentscheidung und allfällige Abschiebung drohen.

Diese Verpflichtung zur Rückkehr bedingt die Teilnahme an einem Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates. Es unterliegt somit nicht der Dispositionsfähigkeit des BF darüber zu entscheiden, ob er das Bundesgebiet verlassen will, sondern nur mehr, in welcher Form er es verlässt. Der BF hat nicht glaubhaft dargelegt, dass er alle Möglichkeiten zur Erlangung eines Rückreisezertifikates ergriffen hat.

Dies verkennend zeigt der BF keinerlei Respekt gegenüber der Rechtsordnung der Republik Österreich und verblieb illegal im Bundesgebiet.

Selbst die weiteren zahlreichen Verfahren, welches jeweils mit hohem Aufwand aus rechtsstaatlicher Sicht durchgeführt wurde, um zu prüfen, ob der BF die Berechtigung zum Verbleib im Bundesgebiet aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen habe, wurden negativ entschieden, bestätigt durch die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes.

Der BF hat durch sein Verhalten, weil er nämlich nicht freiwillig das Bundesgebiet verließ, Tätigkeiten der Behörde ausgelöst, welche erforderlich sind, um den Rechtsstaat durchzusetzen.

Der BF hat jedoch keinerlei Anstalten gemacht, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Vielmehr versucht der BF durch wiederholtes, jedoch erfolgloses Vorbringen weiterer Behauptungen seinen Verbleib im Bundesgebiet zu rechtfertigen. Dass dieser Verbleib nicht gerechtfertigt ist, war das Ergebnis der weiteren Verfahren vor dem BFA, BVwG und VfGH.

Das subjektive Empfinden des BF und die wiederholt über die Jahre vorgebrachten Argumente, welche dem Grunde nach objektiv nicht neu sind (ein neuer Beleg über einen Arztbesuch ist noch lange kein neuer Fluchtgrund) können nicht über die Realität hinwegtäuschen. Allein der Wille des BF, nach mittlerweile fünf abgeschlossenen Asylverfahren und Ausschöpfung aller Instanzen, wozu dem BF sicherlich niemand das Recht absprechen möchte, keine entsprechende Reaktion zu zeigen und die Rechtsstaatlichkeit zu ignorieren, ist jedoch nicht tolerierbar.

Dass der BF durch sein Verhalten die Tätigkeit österreichischer Behörden zusätzlich und über Gebühr in Anspruch nimmt, ist offensichtlich. Entgegen der Behauptung in der Beschwerde hat der BF keine stringenten neuen Tatsachen oder Belege vorgebracht.

Die Voraussetzungen zur Verhängung der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben:

Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe ist auszuführen, dass diese, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von € 726,-, derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten wird (vgl. VwGH 15.12.1999, 98/12/0406).

Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der Bemessung der Mutwillensstrafe von € 400,- dem Grund nach keinen Anlass, dies als ungebührlich hoch zu beurteilen. Auch wenn in der Beschwerde kein Antrag auf Reduzierung vorliegt, wägt das Bundesverwaltungsgericht die Höhe nach bestimmten Kriterien ab. So hat der BF bisher noch keine Mutwillensstrafe erhalten, sodass die Höchststrafe von € 726,- unangebracht hoch erscheint.

Der BF lässt den Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung vermissen, indem er offenbar willkürlich Anträge stellt, welche die Behörde und Gerichte in Anspruch nehmen. Es wurde damit der auszuschöpfende Höchstbetrag knapp über der Hälfte festgesetzt.

Schließlich ist zu Lasten des BF der von ihm verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des BFA zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass er durch die Stellung zahlreicher grundloser Asylanträge Leistungen bezog sowie das Verfahren bezüglich seines Aufenthaltstitels unnötig in die Länge zog, beanspruchte er nicht nur personelle Ressourcen des BFA (und auch des BVwG und des VfGH). Im Hinblick auf das gesetzte Verhalten des Beschwerdeführers handelt es sich bei der Höhe der Mutwillensstrafe um eine Disziplinarstrafe im Bagatellbereich (vgl. § 25a Abs. 4 Z 2 VwGG).

Nicht zuletzt gilt es zu beachten, dass sich das Verhalten des BF durch die langjährige, letztlich jedoch mutwillig erfolgte Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten zwangsläufig zu Lasten redlicher Antragsteller auswirkt. Der BF, welcher auch in den bisherigen Verfahren regelmäßig durch Rechtsanwälte vertreten wird, muss – unter Berücksichtigung des Umstandes, dass diese Rechtsanwälte dem BF die österreichische Rechtslage ausreichend erläuterten (ansonsten eine Verletzung von Standespflichten vorliegen würde) - klar sein, dass er mit seiner wiederholten und ungerechtfertigten Antragstellung offenbar mutwillig und rechtswidrig Anträge einbrachte und das überlastete Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (sowie die Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit) ungerechtfertigt in Anspruch nahm.

Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Strafhöhe als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände gehen einzig in die Richtung, dass bisher noch keine Mutwillensstrafe über den Beschwerdeführer verhängt wurde, sodass eine Höhe von € 400,- gerechtfertigt erscheint.

Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommenssituation des BF bei der Bemessung der Strafhöhe nicht weitergehend zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass – nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG – § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist. Es liegt auch sonst keine gesetzliche Grundlage vor, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (VwGH 20.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. 14.064 A/1994).

3.2. Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der von dem Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Folgeantrag Mutwillen Mutwillensstrafe Verzögerung wiederholte Antragstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W195.2244022.1.00

Im RIS seit

20.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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