TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 W137 2162029-3

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77 Abs1

Spruch


W137 2162029-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2018, Zl. 1137300105/180422422, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.06.2017 wird gemäß § 77 Abs. 1 FPG iVm § 76 FPG und § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der VR China und stellte in Österreich im Dezember 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe einer falschen Identität. Am 21.06.2017 wurde sie im Rahmen der Regeln der Dublin-III-VO nach Malta überstellt.

2. Am 03.05.2018 wurde die Beschwerdeführerin in Wien aufgegriffen, wobei sie keine Dokumente vorweisen konnte. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) am 04.05.2018 gab sie an, im September 2017 aus Malta zurückgekehrt zu sein, weil ihr Freund – XXXX – hier lebe. Sie habe hier ohne Anmeldung gearbeitet. Ihren Reisepass habe sie verloren.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 04.05.2018, 1137300105/180422422, wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG (in der damals geltenden Fassung) das gelindere Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Diesbezüglich wurde eine periodische Meldeverpflichtung (ab 07.05.2018) bei einer Polizeiinspektion verfügt. Zudem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin unberechtigt erneut nach Österreich eingereist sei. Für die Führung ihres Asylantrags sei (weiterhin) Malta zuständig; sie sei während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung in das Bundesgebiet eingereist. Zudem verfüge sie über keine soziale oder familiäre Verankerung im Bundesgebiet und gehe hier einer illegalen Beschäftigung nach. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt.

4. Am 09.05.2018 übermittelte RA Mag. Hans Harald LEPSINGER ein mit „I. Vollmachtsbekanntgabe, II. Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.05.2018, III. Asylantrag“ beginnendes e-mail an das Bundesamt. Dieses wurde vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht am 11.05.2018 weitergeleitet und gilt damit als an diesem Tag eingebracht.

Begründend wird darin ausgeführt, dass eine Abschiebung nach Malta die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzen würde. Mit einem wirksamen Rechtsschutz hinsichtlich der ihr drohenden asylrelevanten Verfolgung (in China) sei nicht zu rechnen. Vor diesem Hintergrund sei das „Malta-Visum“ nur ein „Vehikel“ um direkt nach Österreich reisen zu können. Deshalb sei „einzig und ausschließlich“ das BFA zur Behandlung der Asylsache zuständig. Darüber hinaus lasse sich die Beschwerdeführerin aktuell von ihrem in China verbliebenen Mann scheiden.

Beantragt werde daher a) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung; b) die Aufhebung des Bescheides vom 04.05.2018 und die diesbezügliche Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Das Bundesamt legte am 15.05.2018 den Verwaltungsakt vor und verzichtete ausdrücklich auf die Abgabe einer Stellungnahme.

5. Mit Schreiben vom 16.05.2018 wurde dem Vertreter der Beschwerdeführerin seitens des Bundesverwaltungsgerichts mitgeteilt, dass Anträge auf internationalen Schutz persönlich bei den Sicherheitsbehörden einzubringen seien. Die schriftliche Einbringung durch einen Vertreter sei diesbezüglich nicht ausreichend. Im Übrigen sei der Beschwerde als Begründung bisher nur zu entnehmen, dass der Bescheid aufgrund einer behaupteten Rechtsverletzung in Malta rechtswidrig sei.

6. Mit Erkenntnis vom 17.05.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) ab. Ein außerordentliches Rechtsmittel gegen diese Entscheidung wurde nicht eingebracht.

7. Mit Schreiben vom 28.05.2018 stellte der Vertreter der Beschwerdeführerin klar, dass der Antrag auf internationalen Schutz zurückgezogen werde. Überdies habe die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet bereits wieder verlassen. Zur Beschwerde gegen das gelindere Mittel wurden kein weiteres Vorbringen erstattet.

8. Die Beschwerdeführerin ist seit 23.03.2020 unter dem Namen XXXX wieder an der Adresse ihres Unterkunftgebers von 2017 und 2018 – Herrn XXXX – gemeldet.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsbürgerin der VR China und hat in Österreich 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde wegen Zuständigkeit Maltas zur Verfahrensführung mit Bescheid vom 11.04.2017 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bezüglich Malta verbunden. Diese Entscheidung wurde per Hinterlegung im Akt zugestellt. Die Beschwerdeführerin wurde am 21.06.2017 nach Malta überstellt. Sie kehrte bereits nach wenigen Monaten – trotz weiter bestehender aufenthaltsbeendender Maßnahme nach Österreich zurück.

Die Beschwerdeführerin verfügte in Österreich zum Zeitpunkt der Anordnung des gelinderen Mittels weder über familiäre noch substanzielle soziale Bindungen. Sie war in Österreich illegal beschäftigt und hat bis zu ihrem Aufgriff im Mai 2018 nie den Kontakt mit den österreichischen Fremdenbehörden gesucht. Sie verfügte im relevanten Zeitraum über eine Meldeadresse, weil sie von ihrem Unterkunftgeber nach der Abschiebung 2017 nie abgemeldet worden war. Eine Abmeldung wurde erst im August 2018 vorgenommen. Die Beschwerdeführerin hatte im Mai 2018 weder berufliche, noch familiäre oder soziale Verpflichtungen, die der auferlegten Meldeverpflichtung entgegengestanden wären.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1137300105/180422422 (gelinderes Mittel) sowie den Verwaltungs- und Gerichtsakten betreffend frühere Verfahren der Beschwerdeführerin. Unstrittig ist die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin.

1.2. Unstrittig ist die Überstellung der Beschwerdeführerin nach Malta am 21.06.2017 sowie die Wiedereinreise ins Bundesgebiet während einer aufrechten aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

1.3. Die Feststellungen zum Privatleben sowie der sozialen und beruflichen Verankerung der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der Aktenlage. Die Beschwerdeführerin war im Mai 2018 unstrittig noch in China verheiratet. Der Zeitpunkt der Abmeldung ergibt sich aus einer Abfrage im Zentralen Melderegister. Probleme, der auferlegten Meldeverpflichtung nachzukommen, wurden im Verfahren nicht aufgezeigt.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der damals gültigen Fassung, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

3. Zur vorgebrachten Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 04.05.2018 (Gelinderes Mittel)

3.1. Im angefochtenen Bescheid wurden die Ziffern 2 und 9 zur Begründung der Fluchtgefahr herangezogen. Hinsichtlich Ziffer 2 ist festzuhalten, dass deren Voraussetzungen von der Beschwerdeführerin ausdrücklich bestätigt worden sind. Sie gab selbst an, bereits ungefähr im September 2017 ins Bundesgebiet zurückgekehrt zu sein.

Schließlich konnte auch hinsichtlich der sozialen Verankerung im Bundesgebiet in der Beschwerde nicht aufgezeigt werden, dass keinerlei Sicherungsbedarf aufgrund von Fluchtgefahr bestehen würde. Vielmehr wird das allfällige Fehlen einer Fluchtgefahr in der gegenständlichen Beschwerde vom bevollmächtigten Rechtsanwalt in keiner Form thematisiert.

3.2. Es bestehen damit keine Zweifel, dass eine Fluchtgefahr (in geringer Ausprägung) und der damit verbundene Sicherungsbedarf bei Bescheiderlassung gegeben waren.

Das angeordnete gelindere Mittel erweist sich überdies auf die konkrete Situation bezogen auch als effektiv und verhältnismäßig. In einer Meldeverpflichtung zweimal wöchentlich kann keine nennenswerte Einschränkung der persönlichen Dispositionsfreiheit erkannt werden. Umso weniger, als die Beschwerdeführerin abseits der illegalen Beschäftigung keine anderen Verpflichtungen (etwa Betreuungspflichten) hatte. Überdies erweist sich das konkret angeordnete gelindere Mittel als geeignet um die hier relevante persönliche Greifbarkeit der Beschwerdeführerin sicherzustellen. Im Übrigen wurde in der gegenständlichen Beschwerde weder die Unzumutbarkeit noch die fehlende Wirksamkeit des angeordneten gelinderen Mittels gerügt.

3.3. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung falsche Angaben Fluchtgefahr gelinderes Mittel Identität Meldeverpflichtung Sicherungsbedarf Überstellung Verhältnismäßigkeit Wiedereinreise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W137.2162029.3.00

Im RIS seit

18.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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