TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/16 W129 2171246-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2021
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Entscheidungsdatum

16.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §56
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


W129 2171246-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA IRAN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2021, 592035005/190831923, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. und III. des angefochtenen Bescheides, wie folgt zu lauten haben:

„I. Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG wird abgewiesen.

III. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 14.08.2019 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“.

2. Am 22.08.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde.

3. Am 13.09.2019 langte eine „Antragsbegründung“ des BF ein.

4. Mit Schreiben vom 12.01.2021 wurde dem BF die beabsichtigte Abweisung seines Antrages vom 14.08.2019 und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mitgeteilt. Unter einem wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

5. Der Beschwerdeführer gab dazu eine Stellungnahme ab.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 10.02.2021 wies die belangte Behörde den „Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK“ gemäß § 55 ASylG ab (Spruchpunkt I.). Im Spruchpunkt II. wurde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen. Zudem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde im Spruchpunkt IV. ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

7. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Bescheid aktenwidrige Feststellungen enthalten seien. Zudem habe die belangte Behörde keine ausreichenden Ermittlungen getätigt. Weiters wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde festgehalten habe, dass der BF am 14.08.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG gestellt habe. Mit Spruchpunkt I. des Bescheides werde jedoch der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auf Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen. In Zusammenschau des Spruches und der Begründung bliebe unklar, ob der gegenständliche Antrag auf der richtigen Rechtsgrundlage abgewiesen worden sei. Der BF sei im deutlich überwiegenden Umfang rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen. Zudem erfülle er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung und damit die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“. Der BF verfüge über einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft. Auch liege eine aufrechte Sozialversicherung vor. Zudem habe der BF sein Leben durch eigene Erwerbstätigkeit finanziert und habe keine Sozialleistungen bezogen. Es sei sichergestellt, dass der Aufenthalt des BF auch hin künftig nicht zur Belastung einer Gebietskörperschaft führen werde. Auch würden keine Anhaltspunkte bestehen, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG bzw. internationale Beziehungen (§ 60 Abs. 2 Z 4 AsylG) gefährden würde. Der BF sei unbescholten. Neben dem Umstand, dass die belangte Behörde die genannten Voraussetzungen nicht nachvollziehbar geprüft habe, sei ihr auch vorzuwerfen, dass Umstände zu Lasten des BF berücksichtigt worden seien, welchen im Anwendungsbereich des § 56 AsylG gar keine Relevanz zukommen würden. Ergänzend verwies der BF auf seine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Sozialmarkt, die Mitgliedschaft in der Iranisch Christlichen Gemeinde sowie Empfehlungsschreiben, die ebenfalls einen Beweis für die Integration des BF darstellen würden. Die belangte Behörde habe die Kriterien für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels in gehäufter Weise verkannt. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung wurde auf die Verfahrensdauer, an der dem BF keine Schuld treffen würde, verwiesen. Zur Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens brachte der BF vor, dass er zwar mit einer näher genannten Frau nicht mehr zusammenlebe, beide aber nach wie vor eine sehr enge Bindung zueinander haben würden. Schließlich wurde ausgeführt, dass sich die belangte Behörde damit auseinandersetzten hätte müssen, ob aktuell eine Gefahr im Fall der Rückkehr in den Iran vorliege. Der BF habe den christlichen Glauben mittlerweile soweit verinnerlicht, dass nicht mehr verlangt werden könne, dass er im Iran seine religiöse Überzeugung nicht auslebe. Unter einem wurden mehrere Unterlagen in Vorlage gebracht.

8. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 12.03.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger des Irans. Der BF leidet an einem Augenleiden.

1.2. Der BF reiste legal - mit einem Visum - am 07.08.2012 aus dem Iran aus und in Österreich ein. In der Folge reiste er zweimal in den Iran zurück. Am 05.10.2013 reiste der BF zuletzt (aus dem Iran) in das Bundesgebiet ein. Er erhielt in Österreich einen Aufenthaltstitel für Studierende, der einmal verlängert wurde und zuletzt bis 10.10.2014 gültig war. Am 04.07.2014 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 04.05.2018 wies das BFA einen Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt III) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV). Mit Erkenntnis des BVwG vom 19.02.2019, L527 2171246-2, wurde (ua.) die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Der BF stellte am 14.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

1.3. Die Identität des BF steht fest.

1.4. Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich. Er lebt aktuell nicht in einer Lebensgemeinschaft. Er hat in Österreich bislang keine Leistungen aus der Grundversorgung bezogen, war vorübergehend geringfügig unselbständig erwerbstätig und hat seit 01.09.2018 eine Gewerbeberechtigung für die „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder mit Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“. Er ist am 27.07.2019 in die Handhabung von Gefahrgut gemäß ADR unterwiesen worden; dieser Schulungsnachweis war bis 27.07.2020 gültig. Er verfügt über eine Krankenversicherung. Der BF verfügt über eine Einstellungszusage. Der BF ist in Österreich seit 01.09.2020 in einem Sozialmarkt ehrenamtlich tätig. Im Jahr 2015 hat er drei Wochen bei XXXX mitgeholfen. Der BF verfügt über ein Deutschzertifikat auf dem Niveau B1 (ÖSD vom 31.08.2017). Der BF hat keine Prüfungen in seinem Studium abgelegt. Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Der BF besucht die iranisch christliche Gemeinde.

1.5. Der BF verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran, ist dort aufgewachsen und zur Schule gegangen. Der BF hat mehrere Familienangehörige im Herkunftsstaat. Die Einvernahme beim BFA wurde in der Sprache Farsi durchgeführt.

1.6. Im Herkunftsstaat besteht keine relevante Gefahr hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit des BF.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. entsprechen den Feststellungen des angefochtenen Bescheides. Gründe an diesen zu zweifeln, sind nicht hervorgekommen.

2.2. Die Feststellungen zum Verfahrensablauf (1.2.) ergeben sich aus dem Akteninhalt (siehe insb. AS 98) des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde in Zusammenschau mit den Ausführungen im Erkenntnis des BVwG vom 19.02.2019, L527 2171246-2. Dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, steht im Einklang mit dem gewährten Parteiengehör (AS 204).

2.3. Die Feststellungen zu 1.3. entsprechen den unbedenklichen Feststellungen der belangten Behörde.

2.4. Zu den Feststellungen betreffend 1.4. ist Folgendes auszuführen: Dass der BF keine Familienangehörigen in Österreich hat, entspricht den Feststellungen der belangten Behörde (AS 237) und seht im Einklang mit den Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme (AS 94). Dass der BF aktuell nicht in einer Lebensgemeinschaft lebt, ergibt sich aus dem unbedenklichen Angaben im Schreiben vom 09.03.2021, demnach XXXX ausführt, dass sie und der BF aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen und der COVID-19-Pandemie seit ungefähr einem Jahr getrennt leben würden (AS 353). Dass der BF keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem GVS-Auszug. Die Feststellung, dass der BF vorübergehend geringfügig unselbständig erwerbstätig war und seit 01.09.2018 eine Gewerbeberechtigung für die „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“ hat, ergibt sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen (vgl dazu AS 55 und AS 51). Dass er über eine Krankenversicherung verfügt, ergibt sich aus AS 221. Die Feststellungen zum Deutschzertifikat entsprechen den Feststellungen im Bescheid (AS 237) (vgl dazu das im Akt aufliegende Zertifikat vom 31.08.2017, AS 105). Dass der BF keine Prüfungen absolviert hat, wurde bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt (AS 259). Dies steht auch im Einklang mit dem Erkenntnis des BVwG vom 19.02.2019, L527 2171246-2, sowie dem – vom BF unterschriebenen – Verhandlungsprotokoll vom 03.01.2019, L527 2171246-2/8Z, S 10. Dass der BF unbescholten ist, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in den Strafregisterauszug. Dass der BF über eine Einstellungszusage verfügt, konnte dem Akt entnommen werden (AS 343). Dass der BF die iranisch christliche Gemeinde besucht, konnte ebenso dem Akt entnommen werden (AS 347). Dass der BF beim Sozialmarkt begonnen hat, ergibt sich aus dem Akt (AS 349). Dass er im Jahr 2015 drei Wochen bei XXXX mitgeholfen hat, ergibt sich aus AS 115.

Zu den Feststellungen zu 1.5. ist Folgendes auszuführen: Dass der BF den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran verbrachte, dort aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, entspricht den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (AS 245). Dass der BF mehrere Familienangehörige im Herkunftsstaat hat, wurde bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt (AS 237). Dass die Einvernahme in Farsi beim BFA durchgeführt wurde, entspricht der Feststellung im angefochtenen Bescheid (vgl dazu die im Akt aufliegenden niederschriftliche Einvernahme AS 83).

1.6. Soweit der BF zusammengefasst vorbringt, dass er wegen seines Glaubens eine Gefahr zu befürchten habe, ist auf das Erkenntnis vom 19.02.2019, L527 2171246-2, zu verweisen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in dieser inhaltlichen Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz umfassend damit auseinandergesetzt, dass eine ihm drohende Gefährdung nicht erkennbar ist.

Auch im Zusammenhang mit der weltweiten Ausbreitung des COVID-19 Erregers kann unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportierten Entwicklungen auch im Herkunftsland bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt.

Ferner ist auf die Judikatur des EGMR zu verweisen, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09).

Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (VwGH 22.4.2020, Ra 2020/18/0098, mwN).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. gesetzliche Grundlagen

§ 56 AsylG lautet:

Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen

§ 56 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

§ 58 AsylG 2005 lautet:

[…]

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(5a) Solange aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 abweichend von Abs. 5 nicht persönlich, sondern postalisch oder auf elektronischem Wege beim Bundesamt einzubringen. Bei Stattgebung des Antrags kann der Aufenthaltstitel abweichend von Abs. 12 auch zu eigenen Handen zugestellt werden.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

[…]

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

[…]

§ 60 AsylG 2005 lautet:

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60 (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

3.1.2. Zum gegenständlichen Fall:

Der BF reiste legal - mit einem Visum - am 07.08.2012 aus dem Iran aus und in Österreich ein. In der Folge reiste er zweimal in den Iran zurück. Am 5.10.2013 reiste der BF zuletzt (aus dem Iran) in das Bundesgebiet ein. Er erhielt in Österreich einen Aufenthaltstitel für Studierende, der einmal verlängert wurde und zuletzt bis 10.10.2014 gültig war. Am 04.07.2014 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 04.05.2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt III) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV). Mit Erkenntnis des BVwG vom 19.02.2019, L527 2171246-2, wurde (ua.) die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der BF rechtmäßig in Österreich aufhältig. Er war somit zumindest die Hälfte seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes, der drei Jahre überstieg, im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig. Zudem war er über fünf Jahre durchgängig in Österreich aufhältig.

Im konkreten Fall muss festgestellt werden, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliegt.

Zunächst wird – wie bereits von der belangten Behörde festgehalten wurde – darauf hingewiesen, dass der BF zwar eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende erhalten hat, er aber keine diesbezüglichen Prüfungen absolviert hat. In der Folge konnte er seinen Aufenthalt nur dadurch legalisieren, dass er einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Nach Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung weigerte er sich auszureisen und ist seither illegal im Bundesgebiet aufhältig (vgl AS 245). Er hat auch keine Familienangehörigen in Österreich. Zudem lebt er aktuell nicht in einer Lebensgemeinschaft. Der unbescholtene BF hat die Prüfung „ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1“ „befriedigend bestanden“ (Prüfungsdatum: 21.08.2017), jedoch muss die Behörde nach § 56 Abs. 3 AsylG 2005 insgesamt den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere Selbsterhaltungsfähigkeit, schulische und berufliche Ausbildung, Beschäftigung und Kenntnisse der deutschen Sprache berücksichtigen. Zu den Sprachkenntnissen des BF wird seitens des erkennenden Richters festgehalten, dass alleine das Erlernen der deutschen Sprache keine für den BF ausschlaggebende Integration bedeutet. Zudem wurde die Prüfung mittlerweile vor mehr als dreieinhalb Jahren abgelegt, was keine besonders berücksichtigungswürdige Motivation am (fortgesetzten) Erlernen der deutschen Sprache erkennen lässt. Weiters ist den Ausführungen im Erkenntnis vom 19.02.2019, L527 2171246-2, zu folgen, demnach der BF – abgesehen von der Mitgliedschaft in einer iranisch-christlichen Gemeinde – keine Mitgliedschaft in hiesigen Organisationen und Vereinen nachweisen konnte. Auch hat der BF lediglich für einen relativ kurzen Zeitraum ehrenamtliche Arbeit geleistet (im Jahr 2015 für drei Wochen und nunmehr seit 01.09.2020). Dem BF ist zwar zugute zu halten, dass er über eine Krankenversicherung verfügt, keine Grundversorgung in Anspruch genommen hat, über eine Einstellungszusage verfügt, und auch erwerbstätig war. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der BF längere Zeit lediglich geringfügig erwerbstätig war. Da der BF längere Zeit lediglich geringfügig tätig war, ist eine maßgebliche Integration am Arbeitsmarkt nicht abzuleiten und ist eine entscheidungswesentliche berufliche Integration des BF in Österreich insgesamt zu verneinen (VwGH 11.06.2014, 2013/22/0356). Dabei wurde auch nicht übersehen, dass er seit 01.09.2018 über eine Gewerbeberechtigung verfügt. Zudem ist er am 27.07.2019 in die Handhabung von Gefahrgut gemäß ADR unterwiesen worden; dieser Schulungsnachweis war bis 27.07.2020 gültig. Wie bereits die belangte Behörde ausführt, hat der BF auch nicht sein Studium ordentlich betrieben. Er hat – trotz diesbezüglichen Aufenthaltstitels - keine Prüfungen absolviert (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0308).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände gelangte das Gericht daher wie zuvor das BFA zur Ansicht, dass im Fall des BF keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe vorlagen, um ihm eine Aufenthaltsberechtigung aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen. Die weiteren Voraussetzungen (vgl. § 60 Abs. 2 AsylG) für eine Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels mussten daher nicht mehr geprüft werden.

Bei der Beurteilung wurde auch nicht verkannt, dass nach der mit VwGH 29.4.2010, 2009/21/0255 (ergangen zur Vorgängerregelung des § 44 Abs. 4 NAG idF BGBl. I Nr. 29/2009), begonnenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gesetzeszweck (nunmehr des § 56 AsylG 2005) die Bereinigung von besonders berücksichtigungswürdigen „Altfällen“ unter isolierter Bewertung allein des faktischen - notwendigerweise mindestens zur Hälfte rechtmäßigen - Aufenthaltes sowie des Grades der in Österreich erlangten Integration ist. Den betroffenen Drittstaatsangehörigen soll in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hiervon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Art. 8 EMRK, sodass gemäß § 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0308).

Weiters ergibt sich aus der Judikatur, dass bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliegt, die (nunmehr) in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten, bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK zu beachtenden Gesichtspunkte einfließen können, und zwar in dem Maße, als sie auf den Integrationsgrad des betreffenden Fremden Auswirkungen haben. Jedoch spielen - mangels Bedeutung für den Integrationsgrad - allfällig vorhandene, aber auch fehlende Bindungen zum Heimatstaat (iSd § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) oder die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus (iSd § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG) keine Rolle.

Festgehalten wird, dass aus der Begründung des Bescheides ausreichend hervorgeht, dass sich die belangte Behörde mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG befasst hat, dies aber im Spruch nicht entsprechend wiedergegeben hat, weshalb dieser zu berichtigen war.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II. und III.)

3.2.1. gesetzliche Grundlagen

Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 3 FPG unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Da der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 abgewiesen wurde, hat das BFA zu Recht die Rückkehrentscheidung erlassen.

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens lautet:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

§ 55 AsylG, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.

der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

3.2.2. Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Der Begriff des Familienlebens ist nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein. Maßgebend sind etwa das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR U 13.06.1979, Marckx gegen Belgien, Nr. 6833/74; GK 22.04.1997, X, Y u. Z gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 21830/93).

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (VwGH 07.09.2016, Ra 2016/19/0168 mit Hinweis auf E vom 17. April 2013, 2013/22/0106, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

3.2.3. Zum gegenständlichen Verfahren

Die Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich; er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft.

Es liegt daher kein unrechtmäßiger Eingriff in das Familienleben vor. Aufgrund der Aufenthaltsdauer des BF, den daraus resultierenden sozialen Anknüpfungspunkten sowie dem Wunsch, das künftige Leben in Österreich gestalten zu wollen, ist ein Eingriff in das Privatleben des BF anzunehmen.

Im Sinne des § 9 Abs. 2 BFA-VG ergibt sich anhand des dort aufgestellten Kriterienkatalogs Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Der BF reiste legal - mit einem Visum - am 07.08.2012 aus dem Iran aus und in Österreich ein. In der Folge reiste er zweimal in den Iran zurück. Am 5.10.2013 reiste der BF zuletzt (aus dem Iran) in das Bundesgebiet ein. Er erhielt in Österreich einen Aufenthaltstitel für Studierende, der einmal verlängert wurde und zuletzt bis 10.10.2014 gültig war. Am 04.07.2014 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 04.05.2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt III) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV). Mit Erkenntnis des BVwG vom 19.02.2019, L527 2171246-2, wurde (ua.) die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Seit Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG hält sich der BF illegal in Österreich auf. Der rechtmäßige Aufenthalt beruhte daher auf einer Aufenthaltsbewilligung als Studierender, wobei er in weiterer Folge keine Prüfungen abgelegt hat, und auf einem unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz. Hätte der BF nicht den unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wäre er seit über vier Jahren rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig, sofern der rechtswidrige Aufenthalt nicht (durch entsprechende Maßnahmen) bereits beendet worden wäre.

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

Wie zuvor ausgeführt, verfügt der BF über kein schützenswertes Familienleben in Österreich.

- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Der Aufenthalt des BF war zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privatlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens/Aufenthaltstitels für Studierende beschränkt bzw. war sein Aufenthalt seit der rechtskräftig negativen Entscheidung über seinen Asylantrag unrechtmäßig und hätte sich der BF seiner Ausreiseverpflichtung bewusst sein müssen.

Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders zu berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche rechtswidrig in das Bundesgebiet einreisten oder sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor.

Keinesfalls entspricht es der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Systematik, dass das Knüpfen von privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten während eines auf einen unbegründeten Antrag fußenden Asylverfahrens bzw. gar nach negativer Entscheidung im Rahmen eines Automatismus zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führen. Dies kann nur ausnahmsweise in Einzelfällen bei Vorliegen eines besonders qualifizierten Sachverhalts der Fall sein, welcher hier bei weitem nicht vorliegt (vgl. hier etwa Erk. d. VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).

Soweit er sich auf eine sehr enge Beziehung zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin beruft, ist festzuhalten, dass diese nicht mehr zusammenleben (vgl. AS 325). Den Kontakt zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin wird er nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat telefonisch, über das Internet oder Besuche aufrechterhalten können.

- Grad der Integration

Der Grad der Integration des Fremden manifestiert sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124).

Der 36-jährige BF ist – in Bezug auf sein Lebensalter – erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig.

Wie bereits ausgeführt, hat der unbescholtene BF die Prüfung „ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1“ „befriedigend bestanden“ (Prüfungsdatum: 21.08.2017). Zu den Sprachkenntnissen des BF wird seitens des erkennenden Richters festgehalten, dass alleine das Erlernen der deutschen Sprache keine für den BF ausschlaggebende Integration bedeutet. Zudem wurde die Prüfung mittlerweile vor mehr als dreieinhalb Jahren abgelegt, was keine besonders berücksichtigungswürdige Motivation am (fortgesetzten) Erlernen der deutschen Sprache erkennen lässt. Dem BF ist zwar zugute zu halten, dass er über eine Krankenversicherung verfügt, keine Grundversorgung in Anspruch genommen hat, über eine Einstellungszusage verfügt, und auch erwerbstätig war. Allerdings ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der BF längere Zeit lediglich geringfügig erwerbstätig war. Nicht übersehen wird auch, dass er seit 01.09.2018 über eine Gewerbeberechtigung verfügt. Zudem ist er am 27.07.2019 in die Handhabung von Gefahrgut gemäß ADR unterwiesen worden; dieser Schulungsnachweis war bis 27.07.2020 gültig. Wie bereits die belangte Behörde ausführt, hat der BF auch nicht sein Studium ordentlich betrieben. Er hat – trotz diesbezüglichen Aufenthaltstitels - keine Prüfungen absolviert. Weiters ist den Ausführungen im Erkenntnis vom 19.02.2019, L527 2171246-2, zu folgen, demnach der BF – abgesehen von der Mitgliedschaft in einer iranisch-christlichen Gemeinde – keine Mitgliedschaft in hiesigen Organisationen und Vereinen nachweisen konnte. Auch hat der BF lediglich für einen relativ kurzen Zeitraum ehrenamtliche Arbeit geleistet (im Jahr 2015 für drei Wochen und nunmehr seit 01.09.2020).

- Bindungen zum Herkunftsstaat

Der BF verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran, ist dort aufgewachsen und zur Schule gegangen. Der BF hat mehrere Familienangehörige im Herkunftsstaat. Er spricht Fasi. Es deutet daher letztlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

- strafrechtliche Unbescholtenheit

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, relativiert sich durch den - im Vergleich zum Lebensalter des BF - erst verhältnismäßig kurzen Aufenthalt und stellt darüber hinaus laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Nach Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung weigerte er sich auszureisen und ist seither illegal im Bundesgebiet aufhältig (vgl AS 245).

- die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Das Bestehen eines Familienlebens des BF in Österreich hat das BVwG bereits verneint. Das Privatleben hat das BVwG für wenig ausgeprägt und schutzwürdig befunden. Nach Ansicht des BVwG musste dem BF von Anfang an bewusst sein, dass er sich aufgrund befristeter (!) Aufenthaltstitel für Studierende nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten darf. Dies musste ihm umso mehr bewusst sein, als er dem Zweck des Aufenthaltstitels nicht einmal ansatzweise entsprochen hat, weil er nämlich nicht tatsächlich studiert hat. Somit musste ihm ebenso bewusst sein, dass er sich in der Folge überhaupt nur deshalb im Bundesgebiet aufhalten durfte bzw. darf, weil er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, und dass sein Aufenthalt für den Fall der Abweisung dieses Antrags nur von vorübergehender Dauer sein kann. Vgl. mwN VwGH 12.09.2012, 2011/23/0201: Demnach muss ein Fremder spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung des Asylantrages im Hinblick auf die negative behördliche Entscheidung des Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen (BVwG 19.02.2019, L527 2171246-2)

Spätestens jedoch mit der Rückkehrentscheidung wusste der BF, dass er das Bundesgebiet verlassen muss.

Der Judikatur des VwGH zufolge ist das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (VwGH 07.09.2016, Ra 2016/19/0168 mit Hinweis auf E vom 17. April 2013, 2013/22/0106, mwN).

- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer

Ein derartiges Verschulden kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden. Das Gericht schließt sich den Ausführungen im Erkenntnis vom 19.02.2019, L527 2171246-2, an, wonach in seiner Entscheidung vom 20.12.2018, Ra 2018/21/0213, der Verwaltungsgerichtshof einen Zeitraum von acht Jahren zwischen der erstmaligen erstinstanzlichen Aberkennung des Status des Asylberechtigten in Verbindung mit der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der verfahrensgegenständlichen Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch das Bundesverwaltungsgericht als außerordentlich lange Verfahrensdauer iSd § 9 Abs 2 Z 9 BFA-VG erachtete.

Im gegenständlichen Verfahren liegen zwischen der Antragstellung durch den BF und der Entscheidung durch die belangte Behörde weniger als vier Jahre. Von der Vorlage der Beschwerde bis zur Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vergingen ca. acht Monate. In dieser Zeit führte das BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF und ein Zeuge einvernommen wurden.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass, wie der Verwaltungsgerichthof anerkannt hat, die im Jahr 2015 einsetzende extrem hohe Zahl an Verfahren für die belangte Behörde - ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw. weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung - sohin unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation darstellt, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet. Für den Verwaltungsgerichtshof ist es notorisch, dass sich in einer derartigen Situation die Einhaltung von gesetzlichen Erledigungsfristen in bestimmten Fällen als schwierig erweisen kann, zumal die Verpflichtung der belangten Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, in der dargestellten Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen muss. Vgl. VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001.

Das Gericht teilt die Ansicht im Erkenntnis vom 19.02.2019, L527 2171246-2, wonach unter Bedachtnahme auf die zitierten Entscheidungen nicht erkannt werden kann, dass die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des BF in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist. Ferner darf nicht übersehen werden, dass der BF, wie dargelegt, während seines Aufenthalts im Bundesgebiet weder ein ausgeprägtes Privatleben begründet noch sich vielfältig integriert hat.

- Auswirkung der allgemeinen Lage im Iran auf den BF

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche der BF im Falle einer Rückkehr vorfindet, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle anzuführen ist, dass Art. 8 EMRK – anders als Art. 3 leg. cit. – einen Eingriffsvorbehalt kennt.

Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage im Iran ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt. Diesbezüglich wird auf die Entscheidung vom 19.02.2019, L527 2171246-2 verwiesen, mit der die Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, abgewiesen wurde.

- weitere Erwägungen

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalen Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung [nunmehr Rückkehrentscheidung] sowie im gegenständlichen Fall unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gemäß der Rechtsprechung des EGMR (vgl. SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die EMRK Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland oder BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

3.2.4. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III.)

3.3.1. gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

3.3.2. Zum gegenständlichen Verfahren

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in der inhaltlichen Entscheidung vom 19.02.2019, L527 2171246-2, über den Antrag des BF auf internationalen Schutz umfassend damit auseinandergesetzt, dass dessen Gefährdung nicht erkennbar ist.

Insgesamt sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen bzw. Ausführungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Iran unzulässig wäre (vgl insbesondere AS 265).

Die Abschiebung des BF in den Iran ist daher zulässig. Der Spruch war entsprechend anzupassen.

3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.)

3.4.1. gesetzliche Grundlage

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

3.4.2. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist erscheint somit angemessen.

3.4.3. Anzumerken ist, dass die Vollziehung der Außerlandesbringung in die Zuständigkeit des BFA fällt und diesbezüglich die aktuellen Umstände (Corona-Pandemie) entsprechend zu berücksichtigen sind.

4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

4.1. gesetzliche Grundlagen

Gemäß §

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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