TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/11 I403 2242072-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.05.2021
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Entscheidungsdatum

11.05.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I403 2242072-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Italien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Absatz 1 und 2 FPG auf drei (3) Jahre reduziert wird.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Über den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen Italiens, wurde am 03.10.2020 wegen des Verdachts des Suchtgifthandels Untersuchungshaft verhängt.

Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 12.10.2020 ("Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme") wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass die Erlassung eines gegen ihn gerichteten Aufenthaltsverbotes geprüft werde und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von vierzehn Tagen eine schriftliche Stellungnahme hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse abzugeben. Am 23.10.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, wonach er im Februar 2016 nach Österreich gekommen sei, um hier in der Gastronomie zu arbeiten. Er sei gesund und habe viele Freunde in Österreich. Er würde gerne in Österreich bleiben, habe aber Kontakt zu Freunden und Familie in Italien.

Am 12.01.2021 wurde der Beschwerdeführer unter Heranziehung einer Dolmetscherin für die italienische Sprache durch die belangte Behörde einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, nur wenig Deutsch zu sprechen. Er sei nach Österreich gekommen, weil sein Freund XXXX (im Folgenden G.P.), den er seit der Kindheit kenne, hier gearbeitet und ihm geraten habe, auch nach Österreich zu kommen. Er habe dann als Koch gearbeitet und etwa 1.450 Euro im Monat verdient. Zu seiner Verurteilung wolle er nichts sagen. Er führe seit etwa sieben Monaten eine Beziehung mit einer Österreicherin, deren Nachname und genaue Adresse er aber nicht kenne. In Italien habe er sehr viele Verwandte, und seine Eltern würden gemeinsam mit seiner Schwester in einem in ihrem Eigentum stehenden Haus leben. Es gefalle ihm gut in Österreich, er liebe die Berge und gehe gern Skifahren. Er habe den Beruf eines Zahntechnikers gelernt, in Italien allerdings als Bademeister und als Koch gearbeitet.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 10.12.2020, Zl. XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 23.02.2021, Zl. XXXX wurde auf Antrag des Beschwerdeführers der Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 SMG für die Dauer von einem Jahr bis 24.02.2022 aufgeschoben.

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 29.03.2021, zugestellt am 02.04.2021, wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm ein Durchsetzungsaufschub bis zum 25.02.2022 erteilt (Spruchpunkt II.). Die Behörde erklärte, dass vom Beschwerdeführer, dem aufgrund seines mehr als fünfjährigen Aufenthaltes ein Daueraufenthaltsrecht zukomme, eine Gefährdung ausgehe, weil gerade bei Suchtgiftdelinquenz eine hohe Wiederholungsgefahr vorliege. Aufgrund des Strafaufschubes werde ein Durchsetzungsaufschub bis zum Ende der Maßnahmen gewährt; falls der Strafaufschub widerrufen werde, werde ein Widerruf des Durchsetzungsaufschubes durch die belangte Behörde geprüft werden.

Mit Schriftsatz vom 29.04.2021 wurde gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer bereue seine Tat, sei nicht mehr rückfällig geworden und wieder in einem Restaurant beschäftigt. Er habe österreichische und italienische Freunde und sich inzwischen auch für einen Deutschkurs angemeldet. Er bemühe sich auch um ein ehrenamtliches Engagement. Bei einer Rückkehr nach Italien wäre der Beschwerdeführer gezwungen, seine privaten Kontakte abzubrechen bzw. zu reduzieren. Soweit die belangte Behörde festgestellt habe, dass sich der Beschwerdeführer fast ausschließlich in einer „italienischen Community“ bewege, sei zu berücksichtigen, dass es sich dabei um viele Südtiroler handle. Das Strafgericht habe festgestellt, dass die Straftat im auffälligen Widerspruch zum sonstigen Lebenswandel stehe, so dass nicht davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer weitere Straftaten begehen werde. Wenn von ihm eine Gefährdung ausgehen würde, wäre ihm auch kein Strafaufschub gewährt worden. Der angefochtene Bescheid sei auch unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft erlassen worden, wodurch der Beschwerdeführer gar keine Gelegenheit gehabt habe, sein Wohlverhalten zu beweisen. Dass er keine Anmeldebescheinigung beantragt habe, sei seiner Unkenntnis der Rechtslage geschuldet und nur „ein minderer Grad des Versehens“. Die belangte Behörde gehe zudem fälschlich von einer Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers aus. Eine mündliche Verhandlung unter Beantragung der Ladung zweier Freunde als Zeugen wurde beantragt. Zudem wurde beantragt, den Bescheid zu beheben, in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen bzw. in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die Behörde zurückzuverweisen. Beigelegt waren der Beschwerde zahlreiche Empfehlungsschreiben, wobei etwa die Hälfte, konkret sechs Schreiben, in Italienisch verfasst sind. Daneben wurde eine Bestätigung, dass der Beschwerdeführer seit 08.04.2021 in einem Restaurant als Pastakoch beschäftigt ist, und eine Anmeldebestätigung für einen Deutsch-Grundkurs vom 03.05.2021 bis 27.05.2021 vorgelegt.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 03.05.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Italiens und somit EWR-Bürger. Er ist gesund und erwerbsfähig. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Anmeldebescheinigung. Er spricht kaum Deutsch, hat sich aber für einen Deutsch-Grundkurs angemeldet. In Österreich hat er Freunde und Bekannte, doch keine Verwandten. Seine Eltern, seine Schwester und weitere Verwandte leben in Italien. Er steht zu diesen, ebenso wie zu Freunden in Italien, in Kontakt. Der Beschwerdeführer schloss in Italien eine Ausbildung zum Zahntechniker ab, arbeitete aber als Bademeister und Koch.

Der Beschwerdeführer war in das Bundesgebiet eingereist, um hier zu arbeiten, nachdem G.P., ein Freund aus Kindertagen, bereits hier berufstätig war. Der Beschwerdeführer hält sich seit Februar 2016 in Österreich auf, wo er zunächst von 24.02.2016 bis 31.05.2017 bei seinem Freund G.P. einen Nebenwohnsitz anmeldete. Seit 31.05.2017 ist er mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.

Er war von 05.04.2016 bis 09.04.2016 bei XXXX KG, von 20.04.2016 bis 30.06.2016 bei XXXX GmbH, von 11.07.2016 bis 13.10.2017 bei der XXXX GmbH und von 19.10.2017 bis 14.03.2020 bei der XXXX GmbH beschäftigt. Von 06.04.2020 bis 28.06.2020 bezog er Arbeitslosengeld, von 15.07.2020 bis zu seiner Inhaftierung am 02.10.2020 war er bei der XXXX GmbH angestellt. Von 25.02.2021 bis 07.03.2021 bezog der Beschwerdeführer wiederum Arbeitslosengeld. Seit dem 08.04.2021 arbeitet er wieder als Koch bei der XXXX GmbH.

Gemeinsam mit seinem Freund G.P. und mindestens fünf anderen Mittätern verkaufte der Beschwerdeführer spätestens ab im Großraum XXXX als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift, in arbeitsteiligem Zusammenwirken mit zumindest einem anderen Mitglied der kriminellen Vereinigung anderen im Zuge größtenteils gewinnbringender Verkaufshandlungen. Die kriminelle Vereinigung war von Anfang 2019 bis zum 30.06.2020 aktiv. Konkret gab der Beschwerdeführer spätestens ab März 2020 50 g Kokain (30 g reines Cocain bzw. 2 Grenzmengen) und 240 g Cannabis (4,8 g Delta-9-THC und 12g THCA bzw. für sich 0,54 Grenzmengen), sohin insgesamt 2,54 Grenzmengen an verschiedene Abnehmer weiter, wobei er selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftaten vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Am 02.10.2020 wurde der Beschwerdeführer festgenommen, am folgenden Tag Untersuchungshaft über ihn verhängt. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 10.12.2020, Zl. XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. 7.400 Euro wurden für verfallen erklärt. Erschwerend wurden der lange Tatzeitraum, mildernd die geständige Verantwortung vor allem im Rahmen der polizeilichen Aussage, der Umstand, dass die Tat mit seinem bisherigen Lebenswandel in auffallendem Widerspruch steht und der Umstand, dass Suchtgift sichergestellt worden war, gewertet. Aufgrund der hohen kriminellen Energie, die den Taten des Beschwerdeführers und der Mitangeklagten innewohnt, und dem hohen sozialen Störwert, sohin auch aus generalpräventiven Erwägungen, kam eine bedingte bzw. teilbedingte Strafnachsicht für das Strafgericht nicht in Betracht.

Bereits in der Hauptverhandlung am 09.12.2020 hatte sich der Beschwerdeführer allerdings bereit erklärt, sich gesundheitsbezogenen Maßnahmen im Rahmen einer Therapie zu unterziehen. Sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft verzichteten in der Folge auf Rechtsmittel, sodass der Beschwerdeführer sich ab 16.12.2020 in Strafhaft befand. Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf ein Vorgehen nach § 39 SMG. Ein Sachverständiger erstattete am 13.02.2021 ein psychiatrisches Gutachten, wonach beim Beschwerdeführer eine Cannabisabhängigkeit und ein Kokainmissbrauch vorlägen. Es handle sich bei ihm um eine Person, der der Gebrauch von Cannabis so sehr zum Bedürfnis geworden sei, dass er diesen Konsum nicht oder nur mit äußerster Anstrengung seiner Willenskraft unterlassen könne. Es handle sich bei ihm um eine an Suchtmittel gewöhnte Person. Ziel einer Behandlung sei es, die Motivation für eine längerfristige Abstinenz gegenüber illegalen Drogen zu fördern und aufrecht zu erhalten. Weiters sei es auch Ziel dieser Behandlungsform, rasch bei auftretenden Krisen und bei Cravingverhalten supportiv einschreiten zu können. Die Maßnahmen seien zumutbar und nicht von vornherein aussichtslos.

Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 23.02.2021, Zl. XXXX wurde auf Antrag des Beschwerdeführers der Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 SMG für die Dauer von einem Jahr bis 24.02.2022 aufgeschoben.

Gemäß § 39 Abs 2 erster Satz SMG wurden die gesundheitsbezogenen Maßnahmen wie folgt bestimmt:

a)       Durchführung einer ärztlichen Überwachung des Gesundheitszustandes durch einen in Suchtmittelfragen erfahrenen Arzt einschließlich der Durchführung von Harnuntersuchungen auf THC und Kokain (in den ersten 3 Monaten alle 3 Wochen, anschließend alle 5 Wochen), wobei diese Harnuntersuchungen in einem dafür geeigneten Labor analysiert werden sollen und von Streifentests Abstand zu nehmen ist

b)       gleichzeitige Durchführung einer klinisch-psychologischen Beratung und Behandlung bei einer geeigneten Einrichtung

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister (aus welchem sich ergibt, dass der Beschwerdeführer über keine Anmeldebescheinigung verfügt), dem zentralen Melderegister (woraus sich die Neben- und Hauptwohnsitzmeldungen ergeben) und dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger (aus welchem sich die angemeldeten Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers und der Bezug von Arbeitslosengeld ergeben) eingeholt.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seinem Gesundheitszustand, seinen Deutschkenntnissen und seiner Erwerbsfähigkeit ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren sowie dem Umstand, dass den insoweit im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen hinsichtlich den seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen, den Erwägungen des Strafgerichts zur Strafbemessung sowie des dem Beschwerdeführer per Beschluss gewährten Strafausschubes ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX bzw. dem entsprechenden Beschluss zum Strafaufschub. Im Urteil, das sich gegen sieben Täter der kriminellen Vereinigung richtet, wurde insgesamt ein Tatzeitraum von Anfang 2019 bis zum 30.06.2020 festgelegt. Hinsichtlich des Beschwerdeführers wurde kein exakter Tatzeitraum festgelegt, aus dem Urteil ergibt sich aber, dass er selbst im Rahmen seiner polizeilichen Aussage angegeben hatte, ab Anfang März 2020 anderen Mittätern Cannabiskraut überlassen zu haben. Somit steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Beschwerdeführer spätestens ab Anfang März 2020 Suchtgifthandel betrieb.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I. Nr. 87/2012).“

§ 67 FPG setzt Art. 28 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl. § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) um. Diese mit "Schutz vor Ausweisung" betitelte Bestimmung lautet:

„(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Nach dem 24. Erwägungsgrund der Freizügigkeitsrichtlinie soll der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen, wie Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (vgl. VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057). Ein Aufenthaltsverbot gegen Personen, denen das Recht auf Daueraufenthalt zukommt, setzt demnach voraus, dass ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art. 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auf die privaten und familiären Verhältnisse (vgl. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Ein Aufenthaltsverbot kann nach § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG gegen einen Unionsbürger, der sich unter potentieller Inanspruchnahme seines unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechtes in Österreich aufhält oder aufgehalten hat (vgl. dazu VwGH 19.9.2019, Ro 2019/21/0011, Rn. 9), erlassen werden, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Des Weiteren ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass hinsichtlich Unionsbürgern, die - gemäß § 53a Abs. 1 NAG nach einem fünfjährigen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet - das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art. 28 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) entspricht, heranzuziehen ist (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0205, Rn. 13, mit dem Hinweis auf das grundlegende Erkenntnis VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181, Punkt 3. der Entscheidungsgründe; an dieses Erkenntnis anknüpfend etwa VwGH 22.1.2014, 2013/21/0135, und VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066, Rn. 17, mwN). Bei Unionsbürgern mit einem Daueraufenthaltsrecht setzt eine Aufenthaltsbeendigung voraus, dass der (weitere) Aufenthalt des Unionsbürgers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FPG, jedoch unter jenem nach dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG. Hält sich der Unionsbürger nämlich bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schon zehn Jahre rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich auf, so verlangt die zuletzt genannte Bestimmung für die Zulässigkeit dieser Maßnahme, dass aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden könne, die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich werde durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet. Dieser Maßstab entspricht jenem des Art. 28 Abs. 3 lit a der Freizügigkeitsrichtlinie (VwGH 26.11.2020, Ro 2020/21/0013).

Mangels eines zehnjährigen kontinuierlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG im vorliegenden Beschwerdefall jedenfalls nicht maßgeblich.

Gemäß § 53a Abs. 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 51 NAG, nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Für die Beurteilung des Vorliegens eines rechtmäßigen fünfjährigen Aufenthaltes gemäß § 53a Abs. 1 NAG ist die Erfüllung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 NAG in diesem Zeitraum erforderlich (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2017/22/0218, Rn. 16/17).

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines mehr als fünfjährigen Aufenthalts ab Februar 2016 gemäß § 53 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) das Recht auf Daueraufenthalt erworben habe und somit gegenständlich der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab ("schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") zur Anwendung gelange.

Die Behörde berücksichtigte dabei jedoch nicht das vom Beschwerdeführer bereits im vierten Jahr seines Aufenthalts gesetzte strafrechtliche Fehlverhalten. Eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 55 Abs. 3 NAG durch diese Straftat steht dem Fortbestehen des Aufenthaltsrechts gemäß § 51 Abs. 1 NAG für den Beschwerdeführer und somit auch dem Erlangen eines Daueraufenthaltsrechtes nach § 53a NAG entgegen (vgl. VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0049, Rn. 16 f).

Von einer Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gemäß § 55 Abs. 3 NAG ist im Sinn des Art. 27 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) dann auszugehen, wenn das persönliche Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, Rn. 15).

Angesichts der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen ist spätestens seit März 2020 vom Vorliegen einer "Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" im Sinne des § 55 Abs. 3 NAG auszugehen. Dies steht dem Erwerb bzw. dem Bestehen eines Aufenthaltsrechts gemäß § 51 Abs. 1 NAG entgegen. Nachdem der Beschwerdeführer laut im Strafurteil enthaltenen eigenen Aussagen spätestens seit März 2020 im Rahmen einer kriminellen Vereinigung Suchtgifthandel betrieb, ging seit diesem Zeitpunkt von ihm eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit aus und besteht, nachdem er zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Einreise im Februar 2016 noch keine fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war, daher kein Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG.

Es ist daher gegenständlich der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG heranzuziehen („eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr …, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) und das Verhalten des Beschwerdeführers daran zu messen.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Die belangte Behörde stützte das gegenständlich angefochtene Aufenthaltsverbot auf das strafrechtswidrige Fehlverhalten des Beschwerdeführers, welches seiner rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde lag. Er hatte als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Kokain und Cannabis an verschiedene Abnehmer verkauft, wobei er selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftaten vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen. Er wurde wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Erschwerend wurden der lange Tatzeitraum, mildernd die geständige Verantwortung vor allem im Rahmen der polizeilichen Aussage, der Umstand, dass die Tat mit seinem bisherigen Lebenswandel in auffallendem Widerspruch steht und der Umstand, dass Suchtgift sichergestellt worden ist, gewertet. Aufgrund der hohen kriminellen Energie, die den Taten innewohnt, und dem hohen sozialen Störwert, sohin auch aus generalpräventiven Erwägungen, kam eine auch nur teilbedingte Strafnachsicht für das Strafgericht nicht in Betracht. Allerdings wurde der Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 SMG für die Dauer von einem Jahr bis 24.02.2022 aufgeschoben. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen, seinen Gesundheitszustand ärztlich überprüfen und seinen Harn auf THC und Kokain (in den ersten 3 Monaten alle 3 Wochen, anschließend alle 5 Wochen) untersuchen zu lassen und gleichzeitig eine klinisch-psychologische Beratung und Behandlung bei einer geeigneten Einrichtung vorzunehmen. Laut psychiatrischen Sachverständigengutachten seien die Maßnahmen „nicht von vornherein aussichtslos“.

Gemäß § 39 Abs. 1 SMG ist unter bestimmten, dort näher genannten Voraussetzungen ein von der Durchführung gesundheitsbezogener Maßnahmen abhängiger Aufschub des Strafvollzuges für die Dauer von höchstens zwei Jahren zu gewähren. Der Aufschub ist nach § 39 Abs. 4 SMG zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, zu der er sich bereit erklärt hatte, nicht unterzieht oder es unterlässt, sich ihr weiterhin zu unterziehen, oder wegen bestimmter Straftaten neuerlich verurteilt wird; außer der Vollzug der Freiheitsstrafe erschiene zur Verhinderung weiterer Straftaten nicht geboten.

Ist der Aufschub nicht nach § 39 Abs. 4 SMG zu widerrufen oder hat sich ein an ein Suchtmittel gewöhnter Verurteilter sonst mit Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen, so hat das Gericht gemäß § 40 Abs. 1 SMG die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen. Bei einer erfolgreichen Therapie ist die verhängte Freiheitsstrafe bzw. deren Rest daher nach Ablauf der Frist, für die der Aufschub gewährt wurde, nicht zu vollziehen, sondern bedingt nachzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH, 10.09.2018, Ra 2018/19/0169; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249). Auch der EGMR vertritt die Auffassung, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (vgl. EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11).

Entsprechend stellte die belangte Behörde eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr fest: „Es besteht daher der begründete Verdacht, dass Sie im Falle eines weiteren Aufenthaltes in Österreich bzw. nach Ihrer Entlassung aus der Strafhaft erneut rechtswidrige Handlungen setzen werden, zumal Sie sich erst seit dem 23.02.2021 auf freiem Fuß befinden und ein Erfolg der gerichtlich angeordneten Therapie und das Ausschließen eines Rückfalles in Ihr altes suchtgeprägtes Leben derzeit überhaupt nicht absehbar ist. Ein markanter Zeitraum, in welchem Sie sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wohlverhalten haben und nicht straffällig wurden, konnte von der Behörde nicht festgestellt werden.“ (Bescheid S 18)

Soweit in der Beschwerde versucht wurde, dem entgegenzutreten, indem erklärt wurde, dass der Beschwerdeführer keine Gelegenheit erhalten habe, sein Wohlverhalten unter Beweis zu stellen, weil der angefochtene Bescheid „sehr kurzfristig“ nach der Entlassung aus der Strafhaft ergangen sei, kann damit nichts gewonnen werden, ist es doch jedenfalls zulässig, nach einer rechtskräftigen Verurteilung eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu prüfen und zu erlassen.

Generell ist nicht in allen Fällen einer Suchtmitteldelinquenz und einer zur Überwindung derselben vorgenommenen Therapie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gerechtfertigt, vgl. etwa zu Fällen, in denen - wie hier - das Strafgericht nach § 39 Abs. 1 SMG vorgegangen ist, VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 oder auch VwGH 19.05.2015, Ra 2015/21/0001. In diesen Fällen bestand allerdings ein Familienleben im Bundesgebiet und hatte sich der Fremde im Sachverhalt, der dem Erkenntnis des VwGH vom 19.05.2015 zugrundelag, zudem schon mit Erfolg der ihm aufgetragenen gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen.

Die Gewährung eines Strafaufschubs lässt zugleich nicht automatisch den Wegfall einer vom Täter ausgehenden Gefährdung annehmen – ansonsten würde sich die Möglichkeit des in § 39 SMG verankerten Widerrufs erübrigen. Im gegenständlichen Fall nahm die belangte Behörde zu Recht an, dass (noch) von einer Gefährdung durch den Beschwerdeführer auszugehen ist: Den Beteuerungen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer sein strafrechtswidriges Fehlverhalten zutiefst bereue, ist entgegenzuhalten, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach höchstgerichtlicher Judikatur grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. zuletzt VwGH 30.04.2020, Ra 2019/20/0399, mwN), wobei der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0118, mwN). Nachdem die Entlassung aus der Haft auf Grund des erwähnten Strafaufschubs erst vor etwa zweieinhalb Monaten erfolgt ist, kann noch nicht von einem Gesinnungswandel und damit von einem Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährdung gesprochen werden. Zudem wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Rahmen der Einvernahme die Möglichkeit gegeben, sich zu seiner Verurteilung zu äußern, worauf der Beschwerdeführer verzichtete.

Im Vergleich zu dem Sachverhalt, der dem oben zitierten Beschluss des VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 zugrundelag (der Fremde war Vater eines Kindes geworden und war ihm mittels Gutachten attestiert worden, dass er dadurch ernsthaft vorhabe, sein Leben ändern zu wollen), ist beim Beschwerdeführer keine besondere Änderung seiner Lebensumstände erkennbar (und wurde eine solche auch nicht in der Beschwerde behauptet), welche die Annahme rechtfertigen würde, dass bereits nach einem derart kurzen Zeitraum ein grundlegender Gesinnungswandel eingetreten sei. Soweit in der Beschwerde moniert wurde, dass die belangte Behörde fälschlich von einer Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen sei, wird vom Bundesveraltungsgericht zur Kenntnis genommen, dass der Beschwerdeführer (nach Erlassung des Bescheides, wodurch es der belangten Behörde auch nicht möglich war, dies zu berücksichtigen) inzwischen wieder eine Anstellung als Koch angetreten hat. Dies vermag aber keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes darzustellen, war der Beschwerdeführer doch, wie von der belangten Behörde aufgezeigt wurde, die meiste Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet in einem Beschäftigungsverhältnis und konnte ihn dies auch nicht davon abhalten, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Suchtgifthandel zu betreiben.

Ebenso sind nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes strafgerichtliche Milderungs- und Erschwerungsgründe im Rahmen einer Entscheidung bezüglich der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305). Als mildernd wurden seitens des Strafgerichts die geständige Verantwortung vor allem im Rahmen der polizeilichen Aussage, der Umstand, dass die Tat mit seinem bisherigen Lebenswandel in auffallendem Widerspruch steht und der Umstand, dass Suchtgift sichergestellt worden ist, gewertet, erschwerend dagegen der lange Tatzeitraum. Die Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung indiziert trotz des davor unbescholtenen Lebensweges eine hohe kriminelle Energie des Beschwerdeführers, welche ihm auch vom Strafgericht attestiert wurde.

Wie bereits dargelegt wurde, hat der Beschwerdeführer kein Daueraufenthaltsrecht erworben und kommt daher nicht der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab ("schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit"), sondern jener des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG zur Anwendung. Gegen ihn als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sohin zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Aufgrund des erhobenen Sachverhaltes muss davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich durch einen weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre. Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG ist daher erfüllt.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann jedoch ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eines Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall ein Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist. Ein Familienleben im Bundesgebiet wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet, sondern nur auf einen Freundeskreis im Bundesgebiet verwiesen. Die belangte Behörde hatte diesen überwiegend in der „italienischen Community“ verankert, was letztlich auch die Vielzahl der in italienischer Sprache bzw. von italienischen Staatsbürgern verfassten Empfehlungsschreiben, die der Beschwerde beigelegt waren, nahelegen. In der Beschwerde wurde dies bestritten und erklärt, dass der Beschwerdeführer auch Kontakt zu Österreichern habe und eine Vielzahl seiner italienischen Freunde aus Südtirol stamme. Die Frage der Staatsbürgerschaft seiner Freunde ist aber letztlich unerheblich. Auch wenn der Beschwerdeführer durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gezwungen sein wird, seine Freundschaften zu den in Österreich lebenden Personen einzuschränken, können diese Beziehungen über soziale Medien bzw. über Besuche seiner Freunde in Italien aufrechterhalten werden – vollkommen unabhängig von der Frage, ob es sich dabei um italienische oder österreichische Staatsbürger handelt. Es war dem Beschwerdeführer nach eigenen Angaben ja auch möglich, den Kontakt zu vielen Freunden in Italien aufrechtzuerhalten. Es wird auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer in den letzten Jahren immer wieder Anstellungen in der Gastronomie hatte, doch ist davon auszugehen, dass er auch in Italien wieder eine Arbeit finden wird, zumal er anfangs auch im Eigentumshaus seiner Familie wohnen könnte.

Dass der Beschwerdeführer, wie in der Beschwerde vorgebracht wurde, sich für einen Deutsch-Grundkurs angemeldet hat und nach einem ehrenamtlichen Engagement umsieht, wird zur Kenntnis genommen und ist sicherlich zu begrüßen, vermag sein privates Interesse an einem Aufenthalt im Bundesgebiet aber nicht maßgeblich zu stärken.

Insgesamt ist das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen als gering anzusehen. Es bestehen noch enge Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat. Außerdem können die privaten Kontakte des Beschwerdeführers nach Österreich weiterhin durch elektronische Kommunikationsmittel (Telefon, Internet etc.) bzw. durch Besuche seiner Freunde in Italien gepflegt werden. Der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundene Eingriff in sein Privatleben erweist sich daher grundsätzlich als verhältnismäßig. Allfällig mit einem Umzug nach Italien verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse sind im öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen.

Zugleich erweist sich die seitens der belangten Behörde gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes mit sechs Jahren als unverhältnismäßig. Zwar verfügt der Beschwerdeführer nur über geringe Bindungen im Bundesgebiet, zugleich bietet sich ihm aber aktuell durch den Strafaufschub die Möglichkeit gesundheitliche Maßnahmen in Anspruch zu nehmen, um seine Drogenabhängigkeit hinter sich zu lassen und sich neu zu orientieren. Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Ansicht der belangten Behörde, dass es auch nach dem 24.02.2022 noch einer weiteren Phase braucht, um davon auszugehen, dass der Erfolg der Therapie auch langfristig gesichert ist, doch kann aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes mit einer – nach dem Ende des Strafaufschubs am 24.02.2022 einsetzenden – Dauer von drei Jahren das Auslangen gefunden werden.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre abgesenkt wird.

3.2. Zur Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes bis zum 25.02.2022 (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Nachdem in der Beschwerde erklärt wird, dass der Bescheid „vollinhaltlich angefochten“ werde, war auch Spruchpunkt II. zu prüfen. Die belangte Behörde hatte gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub bis zum 25.02.2022 und somit bis zum Ende der vom Landesgericht XXXX auferlegten gesundheitsbezogenen Maßnahmen erteilt und dies folgendermaßen begründet: „Gem. § 70 Abs. 3 (gemeint: FPG 2005) ist von der Behörde die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes im Ausmaß von einem Monat zu gewähren, jedoch kann die Behörde bei ausreichender Begründung und Nachvollziehbarkeit einen längeren Zeitraum gewähren, auch wenn dies nicht ausdrücklich in der zitierten Norm wörtlich zum Ausdruck kommt. Im gegenständlichen Fall nämlich wurde Ihnen zur Inanspruchnahme einer Therapie Strafaufschub bis zum 24.02.2022 gewährt. Dieser Umstand dient auch dazu, Ihre Suchtgiftdelinquenz in den Griff zu bekommen und ist somit Grund für die Behörde, die Durchsetzung der Abschiebung bis zu diesem Zeitpunkt zu hemmen.“ (Bescheid S 37)

Der „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ überschriebene § 70 FPG 2005 lautet:

„(1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn
1.         nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;
2.         die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder
3.         der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern somit bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Die ausnahmsweise Nichtgewährung des einem Fremden zustehenden Durchsetzungsaufschubes bedarf nach höchstgerichtlicher Judikatur einer besonderen, über die schon für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Erwägungen hinausgehenden Begründung, verlangt doch die Versagung des Durchsetzungsaufschubes die nachvollziehbare Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden für ein (weiteres) Monat die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde (vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Unabhängig von der generell anzunehmenden Gefährdung, die von einem längeren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ausgeht, kann gegenständlich nicht festgestellt werden, dass die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich wäre, zumal seine Mittäter in der kriminellen Vereinigung großteils zu mehrjährigen unbedingten Freiheitsstrafen verurteilt wurden und er somit nicht in Gefahr ist, sofort wieder Teil dieses Netzwerkes zu werden.

Dem Beschwerdeführer war daher ein Durchsetzungsaufschub zu erteilen. Das Bundesverwaltungsgericht teilt aber nicht die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass ein Durchsetzungsaufschub entgegen dem Gesetzeswortlaut für einen anderen Zeitraum als einen Monat gewährt werden kann.

Die belangte Behörde verwies auf S 23 des Bescheides auf § 59 Abs. 4 FPG („(4) Der Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.“), wobei im gegenständlichen Fall, in dem ein Aufenthaltsverbot und keine Rückkehrentscheidung verhängt wurde, der bereits zitierte und im wesentlichen identische § 70 Abs. 1 zweiter Satz FPG anzuwenden ist. Aufgrund der identischen Regelung des Eintritts der Durchsetzbarkeit von Rückkehrentscheidung und Aufenthaltsverbot kann gegenständlich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 59 Abs. 4 FPG herangezogen werden, wonach die Durchsetzbarkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch in jenen Fällen aufgeschoben wird, in denen über den Fremden auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung eine Freiheitsstrafe unbedingt verhängt, aber - etwa auf Grund eines Strafaufschubes nach § 39 Abs.1 SMG - noch nicht (zur Gänze) vollzogen worden ist (vgl. grundlegend schon zur mit § 59 Abs. 4 FPG gleichlautenden Formulierung des § 40 Abs. 1 zweiter Satz FrG 1997 VwGH 31.3.2000, 99/18/0419, VwSlg. 15390 A; zur Übertragbarkeit dieser Judikatur auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach dem FPG siehe VwGH 18.12.2008, 2007/21/0555). Für die Dauer des Strafaufschubes nach § 39 Abs. 1 SMG (und die im Zuge dessen durchgeführte Suchtgifttherapie) darf eine Abschiebung des Beschwerdeführers daher ohnehin nicht erfolgen (VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0240).

Nachdem der Eintritt der Durchsetzbarkeit ex lege für die Dauer des Strafaufschubes nach § 39 Abs. 1 SMG aufgeschoben wird, erübrigt sich der von der belangten Behörde bis zum 25.02.2022 gewährte und dadurch im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut stehende Durchsetzungsaufschub.

Spruchpunkt II. war daher dahingehend abzuändern, dass ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu gewähren war.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG erfassten Verfahren - wie es auch das vorliegende ist - enthält § 21 Abs. 7 BFA-VG eigene Regelungen, wann - auch: trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich „im Übrigen“ sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 08.03.2021, Ra 2020/14/0457).

Diese Kriterien treffen im gegenständlichen Fall zu:

?        Der Sachverhalt wurde durch die belangte Behörde vollständig erhoben. Die belangte Behörde gewährte dem Beschwerdeführer zunächst die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme, ehe sie ihn am 12.01.2021 niederschriftlich einvernahm.

?        Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen. Die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung werden vom Bundesverwaltungsgericht geteilt, insbesondere, dass vom Beschwerdeführer aufgrund der kurzen Zeit seit seiner Entlassung aus der Haft eine Gefahr ausgeht und dass er in Österreich kein Familienleben führt. Anders als die belangte Behörde geht das Bundesverwaltungsgericht nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben hat, doch erübrigt sich eine Erörterung dieses Punktes, da aufgrund der Bindung an das Urteil des Strafgerichtes feststeht, dass der Beschwerdeführer spätestens ab März 2020 im Rahmen einer kriminellen Vereinigung einen Suchtgifthandel betrieb und sich daraus als eindeutige Konsequenz ergibt, dass er ab diesem Zeitpunkt eine tatsächliche Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellte, weswegen nicht mehr von einem rechtmäßigen Aufenthalt auszugehen ist und kein Daueraufenthaltsrecht erworben wurde.

?        In der Beschwerde wurde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüberhinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, die belangte Behörde sei fälschlich davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seine Freunde vor allem in der „italienischen Community“ habe, waren die zahlreichen, der Beschwerde beigelegten und in italienischer Sprache verfassten Empfehlungsschreiben nicht geeignet, der entsprechenden Feststellung im angefochtenen Bescheid substantiiert entgegenzutreten. Es wurde in der Beschwerde auch die Einvernahme zweier Freunde des Beschwerdeführers als Zeugen beantragt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht aber davon ab, da es aus seiner Sicht keine Rolle spielt, ob die Freunde des Beschwerdeführers in Österreich italienische oder österreichische Staatsbürger sind. Das Bundesverwaltungsgericht geht, ebenso wie die belangte Behörde, davon aus, dass der Beschwerdeführer sich, wie in der Beschwerde behauptet, im Laufe der Jahre „ein umfassendes privates Netzwerk“ an Freunden im Bundesgebiet aufgebaut hat. Damit wird aber – unabhängig von der Staatsbürgerschaft dieser Freunde oder ihrem kulturellen Hintergrund - kein derart gewichtiges Interesse an einem Verbleib in Österreich aufgezeigt, dass dies ein Aufenthaltsverbot als unverhältnismäßig erscheinen ließe, zumal die Freundschaften durch moderne Medien und Besuche in Italien aufrechterhalten werden könne (so wie dies gegenwärtig bei den Freunden des Beschwerdeführers in Italien der Fall ist). Auch mit dem Hinweis in der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer inzwischen wieder eine Anstellung gefunden habe, wird den Feststellungen im angefochtenen Bescheid (zum Zeitpunkt dessen Erlassung war der Beschwerdeführer noch nicht beschäftigt) nicht substantiiert entgegengetreten, da die Gefahr eines Rückfalles gerade beim Beschwerdeführer, der in der Vergangenheit auch zumeist in Beschäftigungsverhältnissen war und dennoch Suchtgifthandel betrieb, unabhängig von der Frage einer Erwerbstätigkeit gegeben ist. Letztlich wurde daher mit der Beschwerde den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substantiiert entgegengetreten. In der Beschwerde wurde daher nichts vorgebracht, was eine Erörterung in einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

In der Beschwerde wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich beantragt, um sich einen „persönlichen Eindruck“ vom Beschwerdeführer zu verschaffen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegt aber gegenständlich ein derart eindeutiger Fall vor, dass die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks zu keinem anderen Ergebnis führen hätte können. Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu dem fehlenden Familienleben in Österreich sowie der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat, sind nämlich auch in der Beschwerde unbestritten geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt ist.

Dem BVwG liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre. Soweit mit dem gegenständlichen Erkenntnis in Abänderung des angefochtenen Bescheids der Durchsetzungsaufschub auf einen Monat festgelegt wurde, wird damit der rechtlich korrekte Zustand hergestellt und ergibt sich daraus für den Beschwerdeführer keine Beschwer, ist die Durchsetzbarkeit, wie in Punkt 3.2. dargelegt wurde, doch ex lege für die Dauer des Strafaufschubes nach § 39 Abs. 1 SMG aufgeschoben. Auch diesbezüglich bestand daher nicht die Notwendigkeit der Erörterung in einer mündlichen Verhandlung.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2242072.1.00

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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