TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/26 95/01/0455

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Veröffentlicht am 26.02.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des N in Z, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. August 1995, Zl. 4.331.944/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der

"Jugosl. Föderation" albanischer Nationalität, der am 23. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und noch am selben Tag den Antrag gestellt hat, ihm Asyl zu gewähren, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. Dezember 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht vor, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 6. April 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete diesen Bescheid - ohne auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft einzugehen - lediglich mit der Annahme der Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 infolge seines Aufenthaltes in Slowenien vor seiner Einreise in das Bundesgebiet. Dieser Bescheid wurde auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde mit hg. Erkenntnis vom 15. März 1995, Zl. 94/01/0400, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil die belangte Behörde, die den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 erstmals zur Entscheidungsbegründung herangezogen hatte, dem Beschwerdeführer zur Frage einer allenfalls vorliegenden Verfolgungssicherheit in Slowenien kein Parteiengehör eingeräumt hatte.

Die belangte Behörde wies mit ihrem Bescheid vom 23. August 1995 die Berufung neuerlich infolge Verneinung seiner Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte dem Beschwerdeführer die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 29. November 1991 zu seinen Fluchtgründen geltend gemacht, er gehöre keiner politischen oder militärischen Organisation an, er dürfe seine Religion frei ausüben. Er gehöre jedoch der albanischen Minderheit an. Er habe im August 1991 die Einberufung in die Kaserne in Karlovac erhalten, aber nicht angenommen. Er habe sich in der Zeit von August bis November 1991 bei Freunden in Prishtine versteckt, weil er an "diesem ungerechten Bruderkrieg" nicht habe teilnehmen wollen. Er habe vom Gericht in Prishtine die schriftliche Aufforderung erhalten, sich am 9. Dezember 1991 zu melden, ansonsten er in Haft genommen werde. Eine entsprechende Ladung des Gerichtes wurde anläßlich der Aufnahme der Niederschrift vorgezeigt. Da die Lage in Jugoslawien immer schlimmer werde, habe er sich entschlossen, sein "Leben zu retten", und sei nach Österreich geflüchtet.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid machte der Beschwerdeführer weder entscheidungswesentliche Verfahrensverletzungen noch einen von seinen Angaben anläßlich seiner Ersteinvernahme abweichenden Sachverhalt geltend, sondern meinte nur, die von ihm angeführten Gründe rechtfertigten die Gewährung von Asyl.

Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 - einen der Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit. erachtete die belangte Behörde nicht als vorliegend - stelle - so die Begründung des angefochtenen Bescheides - die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe allein keinen Grund dar, Asyl zu gewähren. Auch die Einberufung zum Militärdienst stelle generell keine Verfolgung dar, da die erforderliche Verfolgungsmotivation nicht gegeben sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß mit seiner Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre. Die Beweggründe, der von ihm geforderten Militärdienstleistung nicht nachzukommen, könnten Flüchtlingseigenschaft nicht indizieren, weil sich daraus keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation seitens der staatlichen Institutionen seines Heimatlandes ziehen ließen. In der "Jugosl. Föderation", somit auch im Kosovo, bestehe - wie auch in der "ehemaligen SFRJ" - grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen keine ethnischen Unterschiede vorgesehen seien bzw. in der "ehemaligen SFRJ" gewesen seien, also serbische und kosovoalbanische Volksgruppenangehörige gleichermaßen einberufen würden bzw. worden seien. Hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit werde bzw. sei bei der Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen grundsätzlich kein Unterschied gemacht worden. Auch in der Strafverfolgung und -bemessung mache das Gesetz keinen Unterschied hinsichtlich ethnischer Kriterien. Der Beschwerdeführer als Refraktär habe nach jugoslawischem Recht entweder ein Verwaltungsstrafverfahren, welches Bußen und Gefängisstrafen bis 30 Tage vorsehe, oder ein gerichtliches Strafverfahren mit Gefängnisstrafen von drei Monaten bis zu zehn Jahren zu gewärtigen. Ende Juni 1993 sei die Todesstrafe - soweit sie im jugoslawischen Bundesrecht vorgesehen gewesen sei - abgeschafft und durch eine Strafandrohung von 20 Jahren ersetzt worden. Auch seine Befürchtung, im Rahmen des Bürgerkriegs gezwungen zu sein, gegen Landsleute vorzugehen, könne die Anerkennung als Flüchtling nicht nach sich ziehen, da es sich auch hierbei nicht um eine gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention handle. Abgesehen davon hätten sich die Truppen der ehemaligen SFRJ, als deren Nachfolgestaat sich die "Jugoslawische Föderation", bestehend aus Montenegro und Serbien (inklusive der autonomen Regionen Wojvodina und Kosovo), sehe, mit Ende April 1992 aus dem Gebiet des durch Sezession neu entstandenen Staates Bosnien-Herzegowina zurückgezogen, sodaß die Befürchtung des Beschwerdeführers, im Falle seines Aufgreifens zu einem Fronteinsatz abkommandiert zu werden, nicht mehr mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimme. Seinem Vorbringen sei weiters auch nicht zu entnehmen gewesen, daß er wegen seiner Religion, Rasse oder Nationalität Probleme gehabt habe, vielmehr habe er selbst dargelegt, keiner politischen Partei anzugehören und sich politisch auch nicht betätigt zu haben. Es könne auch keine aktuelle wohlbegründete Furcht vor Verfolgung vorliegen, da sich der Beschwerdeführer von August bis November 1991 bei Freunden versteckt in seiner Heimat aufgehalten habe, ohne für diesen längeren Zeitraum Umstände glaubhaft zu machen, die die Annahme rechtfertigen könnten, daß seine behauptete Furcht bis zum Verlassen seines Heimatlandes angedauert habe. Seine neuerliche Einvernahme hätte zu keinem anderslautenden Bescheid geführt.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit hält der Beschwerdeführer dieser Argumentation der belangten Behörde nunmehr entgegen, seine Weigerung der Ableistung des Militärdienstes sei asylrechtlich relevant, weil begründete Furcht vor Verfolgung auch dann vorliege, wenn aus Gewissensgründen die Erfüllung der Wehrpflicht dem Asylwerber nicht zumutbar sei. Er habe sich auf glaubhafte Gewissensgründe gestützt, die ihn veranlaßt hätten, seine Wehrpflicht nicht zu erfüllen. Dies einerseits deshalb, weil ihm ein Fronteinsatz in einem Krieg, den er nicht befürworte, nicht zumutbar sei, anderseits die Teilnahme an einem Bürgerkrieg, der ihn zwingen würde, auf eigene Landsleute zu schießen, ebenfalls nicht mit seinem Gewissen vereinbar gewesen sei. Die Erfüllung der Wehrpflicht sei unmittelbar und denknotwendig mit seinem Kriegseinsatz verbunden gewesen. Es sei mittlerweile notorisch, daß die serbischen Machthaber sich laufend unter strikter Anwendung von Greueltaten Räson verschafften und keine Garantie dafür bestehe, daß ihm die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen im Falle seiner Wehrdienstverweigerung auch zugute gekommen wären. Unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation in seinem Heimatland sei keinesfalls damit zu rechnen, daß er sich einer geordneten Gerichtsbarkeit im Falle seiner Aburteilung gegenüberfände. Tatsache sei überdies, daß bei der Einberufung ethnische Differenzierungen faktisch vorkämen und solche nach wie vor auch stattfänden. Tatsache sei weiters, daß Albaner beim jugoslawischen Militär viel schlechter behandelt würden als Serben. Das beginne schon beim selektiven Einberufungsverfahren, welches insbesondere Kosovo-Albaner betreffe, anderseits auch damit, daß gefährliche Einsätze im wesentlichen nur Kosovo-Albaner träfen, vor allem Fronteinsätze. Die belangte Behörde habe in ihrem ersten Bescheid keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen, die die Annahme rechtfertigen könnten, "daß in einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv sei, wie das für Slowenien gelte, auch größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes wie eben das Non-Refoulementrecht ebenfalls effektiv in Geltung stünden." Dies habe einen wesentlichen Verfahrensmangel der belangten Behörde im ersten Rechtsgang dargestellt. In der nunmehr angefochtenen Entscheidung befasse sich die belangte Behörde mit keinem Wort mit der vom Verwaltungsgerichtshof monierten Frage. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer lediglich einen Mangel des Ermittlungsverfahrens in bezug auf die Frage der Verfolgungssicherheit im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 AslyG 1991, moniert Begründungsmängel in bezug auf die Feststellung der belangten Behörde über die Rechtslage zur allgemeinen Wehrpflicht und vertritt die Ansicht, es wären Beweisaufnahmen zur Frage durchzuführen gewesen, ob hinsichtlich der Einberufung zum Wehrdienst und der Behandlung der Wehrpflichtigen während des Wehrdienstes ethnisch motivierte Differenzierungen vorgenommen würden, insbesondere was die Behandlung der Wehrpflichtigen betreffe, deren Einsatz und "Bestrafung von Rechtsverletzungen". Wären Beweisaufnahmen zu diesen Themen durchgeführt worden, hätte sich herausgestellt, daß tatsächlich ethnisch motivierte Differenzierungen zu Lasten der Kosovo-Albaner durchgeführt würden, seine Weigerung seiner Wehrpflicht nachzukommen, und daraus resultierende Verfolgungshandlungen hätten daher eine asylrechtlich relevante Dimension.

Dem ist zunächst, insoweit der Beschwerdeführer sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides sowie unter jenem einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die Unterlassung eines ausreichenden Ermittlungsverfahrens, das Fehlen entsprechender Feststellungen und einer ausreichenden Begründung zum Thema der Verfolgungssicherheit im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 in Slowenien anspricht, entgegen zu halten, daß die belangte Behörde diesen Asylausschließungsgrund in dem nunmehr angefochtenen Bescheid nicht mehr als Begründungselement herangezogen hat.

Insoweit der Beschwerdeführer jedoch Mängel des Ermittlungsverfahrens insbesondere zur Frage der - ethnisch motiviert differenzierten - Behandlung von Wehrpflichtigen im Heimatstaat des Beschwerdeführers rügt, ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß sie ihre Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 (lediglich) auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz gestützt hat. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Diese Gesetzesstelle, die ein Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtungen der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt am Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803). Da im Beschwerdefall den Angaben des Beschwerdeführers jegliche Anhaltspunkte für eine ethnische Differenzierung bei der Einberufung zum Wehrdienst, bei dessen Ableistung bzw. bei der Bestrafung im Falle der Verweigerung im Sinne des

hg. Erkenntnisses vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A, fehlten, war die belangte Behörde, da auch sonst ein für die Entscheidung wesentlicher Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer insoweit in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen. Daß aber "Gewissensgründe" für die Verweigerung der Wehrpflicht für sich allein keinen asylrechtlich relevanten Aspekt aufweisen, wurde bereits in dem zuvor zitierten Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994 ausgesprochen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010455.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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