TE Bvwg Beschluss 2021/6/18 W144 2240605-1

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Veröffentlicht am 18.06.2021
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Entscheidungsdatum

18.06.2021

Norm

AsylG 2005 §35
AVG §13 Abs3
AVG §13 Abs8
B-VG Art133 Abs4
FPG §11
FPG §26
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W144 2240605-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft in Kairo vom 08.02.2021, Zl.: XXXX , aufgrund des Vorlageantrags des XXXX , geb. XXXX , StA. von Jemen, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über dessen Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Kairo vom 15.11.2020, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger des Jemen und der am XXXX geborene Sohn der Bezugsperson XXXX , geboren am XXXX .

Der BF stellte am 24.06.2019 bei der österreichischen Botschaft in Kairo (im Folgenden: ÖB) den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 2 AsylG. Begründend führte der BF aus, dass er der Sohn der Bezugsperson sei, der im Bundesgebiet mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26.11.2018 subsidiärer Schutz zuerkannt wurde.

Dem Antrag beigeschlossen waren insbesondere folgende Unterlagen (in Kopie):

?        Reisepass der BF

?        Eine nicht übersetzte Urkunde

?        Karte für subsidiär Schutzberechtigte der Bezugsperson

?        Bescheid (Spruch) über die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an die BP vom 26.11.2019

?        Meldezettel der BP

Der BF gab durch seine Vertretung bekannt, dass er sich im Jemen aufhalte und aufgrund der Sicherheitslage nicht nach Ägypten reisen könne.

Die ÖB erteilte am 24.06.2019 einen Verbesserungsauftrag, dem nicht nachgekommen wurde, woraufhin die ÖB beabsichtigte, das Verfahren mit Aktenvermerk vom 01.08.2019 „einzustellen“.

Mit Stellungnahme vom 04.05.2020 modifizierte der BF den Antrag vom 24.06.2019 gem. § 13 Abs. 8 AVG. Der Bezugsperson wäre mittlerweile mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.02.2020 der Status der Asylberechtigen zuerkannt worden, der Antrag laute nun auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG.

In der Folge übermittelte die ÖB den Antrag und Sachverhalt an das BFA zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten an den BF im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine.

Mit Schreiben vom 24.08.2020 erstattete das BFA eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass im vorliegenden Fall eine Statuszuerkennung gem. § 35 AsylG nicht wahrscheinlich sei, da der BF bereits volljährig sei.

Mit Schreiben vom 25.08.2020 wurde der BF seitens der ÖB aufgefordert, den in der gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA angeführten Ablehnungsgründen bezüglich des Antrags vom 04.05.2020 entgegen zu treten.

Mit Schriftsatz vom 28.08.2020 erstattete der BF im Wege des Österreichischen Roten Kreuzes eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass unbestritten sei, dass der Antrag vom 24.06.2019 durch das Schreiben vom 04.05.2020 lediglich modifiziert wurde und es sich folglich nicht um einen neuen Antrag handle, weshalb der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig war. Die Einstellung des Verfahrens zum Antrag vom 24.06.2019 sei rechtlich nicht möglich. Die Behörde habe über jeden Antrag beischeidmäßig abzusprechen. Zudem sei der Schwester des BF mit demselben Datum eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose ausgestellt worden, weshalb seitens der Behörde offensichtlich nicht am Verwandtschaftsverhältnis gezweifelt werde.

Nach Einlangen der oben angeführten Stellungnahme übermittelte das BFA der ÖB mit Schreiben vom 06.11.2020 eine neuerliche negative Stellungnahme gem. § 35 AsylG 2005.

Mit Bescheid vom 15.11.2020 wies die ÖB den Antrag des BF vom 04.05.2020 auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 AsylG ab, da das BFA an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose (- der Antragsteller wäre zum Zeitpunkt der zweiten Antragstellung bereits volljährig gewesen) festgehalten habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege des Österreichischen Roten Kreuzes mit Schreiben vom 11.12.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Bezugsperson, die vormals den Status der subsidiär Schutzberechtigten hatte, mit Erkenntnis des BVwG vom 02.02.2020 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Dem Verbesserungsauftrag habe nicht entsprochen werden können, da die Sicherheitslage es nicht zugelassen habe, den Jemen nach Ägypten zu verlassen. Der Antrag vom 24.06.2019 sei mit Schriftsatz vom 04.05.2020 modifiziert worden. Die vom BFA in seiner Stellungnahme vermerkte Einstellung des mit Antrag vom 24.06.2019 eröffneten Verfahren sei rechtlich nicht möglich, da dies dem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem gesetzlichen Richter widerspreche. Die ÖB hätte den Antrag zurückweisen müssen, weshalb sich das gegenständliche Verfahren auf den Antrag vom 24.06.2019 beziehe.

Im Folgenden erließ die ÖB die Beschwerdevorentscheidung vom 08.02.2021 gem. § 14 Abs. 1 VwGVG, mit welcher die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründen führte die ÖB im Wesentlichen Folgendes aus:

„Jenseits und unabhängig von der oben angeführten Bindungswirkung teilt die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass beim Antragszeitpunkt 06.05.2020 von einer Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen ist.

Nachdem der Bezugsperson mit Erkenntnis des BVwG vom 24.02.2020 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und eine ordnungsgemäße Einbringung des Antrages auf Einreise gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 durch den Antragsteller erst am 06.05.2020 erfolgte, war der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt jedenfalls bereits volljährig und ist daher nicht mehr vom Familienbegriff des § 35 AsylG 2005 erfasst.

Daran vermag auch die Beschwerdeargumentation nichts zu ändern, die erfolgte Antragstellung vom 06.05.2020 sei als zulässige Antragsmodifikationen gem. § 13 Abs. 8 AVG zu dem am 24.06.2019 auf elektronischem Wege eingebrachten Einreiseantrag zu werten.

In einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren bestimmt in erster Linie der Antragsteller was Gegenstand des Verfahrens ist; der Antrag legt fest, was Sache des Genehmigungsverfahrens ist (z.B. VwGH 24.04.2013, 2010/03/0100, und VwGH 06.07.2010, 2008/05/0115, jeweils mwH). Von der Behörde kann grundsätzlich nur über etwas abgesprochen werden, das überhaupt beantragt wurde, insofern ist die Behörde an den Inhalt des Antrags des jeweiligen Antragstellers gebunden. Es ist ihr auch verwehrt, einseitig von diesem abzuweichen.

Im vorliegenden Fall wurde eben ein Antrag nach § 35 AsylG 2005 gestellt und nicht etwa der Antrag vom 24.06.2019 „modifiziert“.

Eine solche „Modifizierung“ des Antrags wäre im Rahmen des § 13 Abs. 8 AVG auch gar nicht möglich, ohne „die Sache ihrem Wesen nach“ zu ändern. Wie oben bereits angeführt, wurde der Bezugsperson erst mit Erkenntnis des BVwG vom 24.02.2020 der Status der Asylberechtigten zuerkannt, zuvor (auch zum Zeitpunkt der Antragstellung am 24.06.2019) verfügte die Bezugsperson nur über den Status einer subsidiär Schutzberechtigten. Der Antrag vom 24.06.2019 konnte sich dahrer auch nur auf § 35 Abs. 2 – und anders als bei einer nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 – ist dabei (u.a.) die Wartefrist von drei Jahren (nach Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten) und handelt es sich also bei einem Verfahren nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 um ein „aliud“ gegenüber dem Verfahren nach § 35 Abs. 2 AsylG 2005.

Nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl etwa VwGH 25.09.2018 Ra 2017/01/0210, oder VwGH 12.09.2016, Ra 2014/04/0037), ist aber eine wesentliche Antragsänderung (die also das „Wesen“ der Sache betrifft) als Stellung eines neuen Antrages zu werten. Selbst wenn man den Antrag vom 06.05.2020 als Modifikation des Antrages vom 24.06.2019 deuten wollte, könnte sich der Beschwerdeführer nicht auf letzteren berufen, weil dieser als zurückgezogen zu werten wäre.

Auch unter dem Blickwinkel des § 13 Abs. 8 AVG hat es daher dabei zu bleiben, dass dem Antrag nicht stattzugeben ist, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht (mehr) minderjähriges Kind der Bezugsperson iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005 war.

Abschließend ist noch anzumerken, dass Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht unter den Begriff des „Familienlebens“ des Art. 8 EMRK fallen, außer im Falle, dass weitere Faktoren einer Abhängigkeit, die über normale Gefühlsbande zwischen solchen Familienangehörigen hinausgehen, festgestellt werden können (EGMR 13.12.2007; Emonet und andere/Schweiz, Nr. 39051/03, Abs. 35 und EGMR 07.11.2000, Kwakye-Nit und Dufie/Niederlande, Nr. 31519/96). Das Gebot der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK besteht im Fall erwachsener Kinder also nur dann, wenn weitere Faktoren einer Abhängigkeit, die über normale Gefühlsbande zwischen solchen Familienangehörigen hinausgehen, festgestellt werden können. Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht feststellbar und wurde vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet.“

Gegen die am 08.02.2021 zugestellte Beschwerdevorentscheidung brachte der BF am 22.02.2021 einen Vorlageantrag vom selben Tag an das Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 18.03.2021 wurde am 22.03.2021 dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag Beschwerde samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.)      Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.

Der BF wurde am XXXX geboren und war damit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 24.06.20219 minderjährig.

2.) Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB.

Die Feststellung zur Minderjährigkeit des BF im Zeitpunkt der Antragstellung ergibt sich daraus, dass der schriftlich eingegangene Antrag des BF vom 24.06.2019 von der ÖB nicht erledigt wurde.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

§ 35 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.

das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.

im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

§§ 11 und 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

§ 13 AVG in der geltenden Fassung lautet:

„3. Abschnitt: Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten

Anbringen

§ 13. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

(4) Bei Zweifeln über die Identität des Einschreiters oder die Authentizität eines Anbringens gilt Abs. 3 mit der Maßgabe sinngemäß, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der Frist als zurückgezogen gilt.

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

(6) Die Behörde ist nicht verpflichtet, Anbringen, die sich auf keine bestimmte Angelegenheit beziehen, in Behandlung zu nehmen.

(7) Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

(9) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 10/2004)“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

Das EGVG legte in seiner bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung in aufzählender Weise ausdrücklich fest, welche Behörden welche Verfahrensgesetze – insbesondere auch das AVG betreffend – anzuwenden hatten und wurde mit der nunmehr seit 1. Jänner 2014 in Kraft stehenden Fassung des Art. I EGVG diese taxative Aufzählung zugunsten einer Generalklausel aufgegeben. Somit ist – ungeachtet dessen, dass gerade für das Verfahren in Visaangelegenheiten zahlreiche gesetzliche Sonderbestimmungen existieren (in denen im Übrigen zum Teil selbst ausdrücklich Erwähnung findet, dass sie eine Abweichung vom AVG darstellen, vgl. etwa § 11 Abs. 1 und Abs. 5 FPG) - gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 EGVG auch von der österreichischen Vertretungsbehörde das AVG auf ein von ihr geführtes behördliches Verfahren anzuwenden.

§ 13 Abs. 3 AVG sieht vor, dass Mängel schriftlicher Vorbringen die Behörde nicht zur sofortigen Zurückweisung berechtigen. Erst nach Nichterfüllung eines Verbesserungsauftrages kann die Behörde den Antrag zurückweisen; eine Einstellung eines Verfahrens ist im AVG nicht vorgesehen. Sie wird als zulässig erachtet, wenn keine Partei einen Erledigungsanspruch (mehr) hat oder wenn der verfahrenseinleitende Antrag zurückgezogen wird.

Der am 24.06.2019 von der ÖB erteilte Verbesserungsauftrag enthielt jedoch folgenden Passus: „Für den Fall, dass diesem Verbesserungsauftrag nicht innerhalb der Frist bis 25. Juni 2019 entsprochen wird, geht die Botschaft davon aus, dass kein (weiteres) Interesse der Partei an einer Fortsetzung des Verfahrens besteht und wird dieses formlos ohne weiteren Verwaltungsakt eingestellt.“

Die von der ÖB angekündigte und durchgeführte Einstellung des Verfahrens bei Nichterfüllung des Verbesserungsauftrags widerspricht jedoch § 13 Abs. 3 AVG, wonach eine (bescheidmäßige) Zurückweisung des Antrags zu erfolgen hat. Folglich ist der Antrag des BF vom 24.06.2019 noch nicht erledigt und die Modifikation vom 04.05.2020 nicht als neuer Antrag zu werten.

Gemäß § 13 Abs. 8 AVG ist die Änderung des Antrags in jeder Lage des Verfahrens möglich, wenn die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert wird. Eine unzulässige Änderung liegt zum einen vor, wenn der modifizierte Antrag im Lichte des Materiengesetzes einen neuen Antrag darstellt. Zum anderen betont der AB die „Änderungsfreundlichkeit“ des Gesetzes, sodass wohl im Zweifel nicht von einer das Wesen verändernden Antragsänderung auszugehen ist (AB 1998, 28; vgl auch Wessely, Eckpunkte 212 f).

Die Änderung der Grundlage des Antrags von § 35 Abs. 2 auf § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ist keine die Sache ihrem Wesen nach ändernde Modifikation des Antrags.

§ 35 Abs. 1 und 2 AsylG verweisen jeweils auf § 34 Abs. 1 Z 1 bzw. Z 2 AsylG, und stehen diese Anträge auf Einreise bei den Vertretungsbehörden in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Familienverfahren gemäß § 34 leg cit. Es genügt nach § 34 Abs. 1 AsylG, dass ein Angehöriger eines Schutzberechtigten einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, dieser gilt ex lege als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes, wobei das Gesetz diesbezüglich die Art des Schutzes noch nicht spezifiziert. Es obliegt in der Folge somit der Behörde, zu prüfen welche Art von Schutz (Asyl oder bloß Subsidiärschutz) der Bezugsperson zukommt und ist dem Antragsteller in der Folge derselbe Schutzumfang zu gewähren. Angesichts dessen erscheinen Anträge auf Einreise gemäß § 35 AsylG ungeachtet des Schutzstatus der Bezugsperson (Asyl oder Subsidiärschutz) ihrem Wesen nach gleich. Es wird dabei nicht verkannt, dass § 35 Abs. 2 leg cit umfangreichere Tatbestandsvoraussetzungen enthält als Abs. 1 leg cit, doch liegt „das Wesen“ dieser Anträge letztlich allein im Begehren auf Einreise ins Bundesgebiet, zumal den regelmäßig rechtsunkundigen Antragstellern auch der rechtliche Unterschied beider Stati in keinster Weise bewusst ist.

Die Tatsache, dass der Bezugsperson entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung mit Erkenntnis vom 07.02.2020 in der Instanz die Asylberechtigung eingeräumt wurde, kann dem BF, der sich zunächst richtigerweise auf den subsidiären Schutz der Bezugsperson stützte, nicht zum Nachteil gereicht werden.

Zudem ist nochmals zu betonen, dass die mit Aktenvermerk festgehaltene „Einstellung“ des Verfahrens vor der Vertretungsbehörde nicht rechtswirksam ist, da eine solche Einstellung rechtlich nicht vorgesehen ist. Schon allein aus diesem Grund ist das ursprüngliche erstinstanzliche Verfahren noch anhängig und konnte das Einreisebegehren daher aufgrund der Statusänderung der Bezugsperson auch entsprechend angepasst werden.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war eine mündliche Verhandlung nicht durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Antragsänderung Antragszeitpunkt Einreisetitel Familienangehöriger Kassation Minderjährigkeit offenes Verfahren Verbesserungsauftrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2240605.1.00

Im RIS seit

11.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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