TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 W137 2162029-1

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §34 Abs3
BFA-VG §40 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77 Abs1
VwGVG §35

Spruch


W137 2162029-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017, Zl. 1137300105/170649764, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.06.2017 wird gemäß § 77 Abs. 1 FPG iVm § 76 FPG und § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Maßnahmenbeschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der VR China und stellte in Österreich im Dezember 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe einer falschen Identität. Diesen begründete sie mit allgemein schlechten Lebensumständen. Im Zulassungsverfahren konnte festgestellt werden, dass ihr im Oktober 2016 durch Malta ein Visum (gültig bis 01.11.2016) ausgestellt worden ist.

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 11.04.2017 gemäß § 5 AsylG wegen Zuständigkeit Maltas zur Verfahrensführung zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung nach Malta für zulässig erklärt und angeordnet. Diese Entscheidung wurde am 12.04.2017 durch Hinterlegung im Akt zugestellt, nachdem die Beschwerdeführerin zuvor mehrfach an ihrer Meldeadresse nicht angetroffen oder sonst erreicht werden konnte.

2. Am 01.06.2017 erschien die Beschwerdeführerin in einem Polizeianhaltezentrum. Dabei gab sie an, die an ihre Meldeadresse zugestellten Ladungen nicht erhalten zu haben. Sie wisse aber, dass Malta zuständig sei und werde an der Ausreise freiwillig mitwirken.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 01.06.2017, 1137300105/170649764, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) das gelindere Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Diesbezüglich wurde eine periodische Meldeverpflichtung (ab 02.06.2017) bei einer Polizeiinspektion verfügt. Zudem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine rechtskräftige und durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung vorliege und die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich untergetaucht sei. Auch ihrer Ausreiseverpflichtung sei sie nicht nachgekommen. Zudem verfüge sie über keine soziale Verankerung im Bundesgebiet. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt.

4. Am 19.06.2017 wurde die Beschwerdeführerin im Zuge ihre Meldeverpflichtung festgenommen und ihr mitgeteilt, dass die Abschiebung nach Malta am 21.06.2017 erfolgen werde.

5. Mit Schreiben vom 20.06.2017 brachte die Beschwerdeführerin am 20.06.2017 durch ihren damals bevollmächtigten Vertreter (einen Rechtsanwalt) eine Beschwerde gegen die Festnahme sowie den Bescheid „vom 01.07.2017“ ein. Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass sie ihrer Meldeverpflichtung bisher nachgekommen sei. Zudem sei ihr der „Asylbescheid“ gar nicht zugestellt worden und daher nur „in Scheinrechtskraft“ erwachsen. Sie habe auch aufgrund einer Lebensgemeinschaft eine soziale Bindung zu Österreich. Bereits dadurch sei der Bescheid vom 01.07.2017 rechtswidrig. Da Malta nicht auf die Anfrage Österreichs reagiert habe, liege auch keine Berechtigung der Abschiebung nach Malta vor.

Beantragt werde daher a) die Entlassung aus der „Haft“; b) die Aufhebung der Abschiebung; c) in eventu die Verschiebung der Abschiebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens; d) die Aufhebung des Bescheides vom 01.06.2017 und die diesbezügliche Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

6. Am 21.06.2017 wurde die Beschwerdeführerin im Rahmen der Dublin-III-VO erfolgreich nach Malta überstellt.

In einer Stellungnahme vom 21.06.2017 verwies das Bundesamt auf das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin und beantragte die Abweisung der Beschwerde sowie die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum Ersatz des Verfahrensaufwandes.

Mit Schreiben vom 22.06.2017 wurde dem Vertreter der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass nicht klar ersichtlich sei, gegen welchen Bescheid sich die Beschwerde tatsächlich richte.

7. Mit Schreiben vom 23.06.2017 stellte der damalige Vertreter der Beschwerdeführerin klar, dass mit der gegenständlichen Beschwerde der Bescheid vom 01.06.2017 (gelinderes Mittel) angefochten werde. Zudem werde die Festnahme am 19.06.2017 samt Anhaltung bekämpft. Überdies werde die nunmehr vollzogene Abschiebung am 21.06.2017 bekämpft.

8. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde für die Beschwerde gegen die Abschiebung ein gesondertes Verfahren (W137 2162029-2 eingerichtet). Die Verfahrensparteien wurden davon in Kenntnis gesetzt. Das Bundesamt verwies auf seine bereits übermittelte Stellungnahme.

9. Mit Schriftsatz vom 28.05.2018 löste der bevollmächtigte Rechtsanwalt das Vollmachtsverhältnis zur Beschwerdeführerin auf. Die Beschwerdeführerin ist seit 23.03.2020 unter dem Namen XXXX wieder an der Adresse ihres Unterkunftgebers von 2017 – Herrn XXXX – gemeldet.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsbürgerin der VR China und hat in Österreich 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde wegen Zuständigkeit Maltas zur Verfahrensführung mit Bescheid vom 11.04.2017 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bezüglich Malta verbunden. Diese Entscheidung wurde per Hinterlegung im Akt zugestellt. Der Beschwerdeführerin war die Zuständigkeit Maltas zur Verfahrensführung am 01.06.2017 bewusst. Eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.04.2017 – allenfalls verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung – wurde nie eingebracht. Auch eine Akteneinsicht – durch die Beschwerdeführerin oder den damaligen Vertreter erfolgte nicht.

Die Beschwerdeführerin verfügte in Österreich zum Zeitpunkt der Anordnung des gelinderen Mittels weder über familiäre noch substanzielle soziale Bindungen. Sie war in Österreich als Prostituierte tätig. Sie verfügte im relevanten Zeitraum über eine Meldeadresse, war an dieser allerdings laut Auskunft des Unterkunftgebers bereits im April 2017 nicht mehr aufhältig. Eine Abmeldung wurde erst im August 2018 vorgenommen. Die Beschwerdeführerin hatte im Juni 2017 weder berufliche, noch familiäre oder soziale Verpflichtungen, die der auferlegten Meldeverpflichtung entgegenstehen würden. Sie ist dieser auch stets nachgekommen.

Die Festnahme am 19.06.2017 erfolgte gemäß § 34 Abs. 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 BFA-VG zum Zwecke der Abschiebung/Überstellung nach Malta am 21.06.2017; diese fand planmäßig statt. Die Anhaltedauer betrug deutlich unter 72 Stunden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1137300105/170649764 (gelinderes Mittel) sowie des Verwaltungsaktes zur Zl. 1137300105/161648823 (Zulassungsverfahren). Unstrittig sind die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin und die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz.

1.2. Bei einer polizeilichen Nachschau am 10.04.2017 konnte die Beschwerdeführerin in den frühen Morgenstunden nicht an ihrer Wohnadresse angetroffen werden. Noch am selben Tag teilte der damalige Unterkunftgeber – XXXX – mit, dass die Beschwerdeführerin schon länger nicht mehr bei ihm wohnhaft sei. Er habe bereits die Abmeldung beantragt. Dies ist in einem Polizeibericht festgehalten, der im Akt einliegt. Besonders zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der angeführte Unterkunftgeber in der gegenständlichen Beschwerde als „Lebensgefährte“ der Beschwerdeführerin geltend gemacht wird. In eben dieser Beschwerde führt der damals bevollmächtigte Rechtsanwalt auch (doppelt) tatsachenwidrig aus, dass die Beschwerdeführerin amtlich abgemeldet worden sei. Vor dem Hintergrund der Information des Unterkunftgebers hat das Bundesamt dann die Zustellung per Hinterlegung im Akt vorgenommen. Diese ist aus der Aktenlage ersichtlich.

1.3. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin am 01.06.2017 ist klar ersichtlich, dass sie zum damaligen Zeitpunkt von einer Verpflichtung zur Ausreise nach Malta ausging. Unstrittig ist überdies, dass gegen den Bescheid vom 11.04.2017 nie eine Beschwerde eingebracht und auch kein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden ist. Aus der Aktenlage und dem Inhalt der Beschwerde vom 20.06.2017 ist auch zweifelsfrei ersichtlich, dass weder die Beschwerdeführerin noch ihr damaliger rechtsfreundlicher Vertreter Einsicht in die hier relevanten Verwaltungsakten genommen haben.

1.4. Die Feststellungen zum Privatleben sowie der sozialen und beruflichen Verankerung der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der Aktenlage. Die Angaben ihres Vermieters wurden polizeilich protokolliert – dieses Protokoll wurde in der Beschwerde nie in Zweifel gezogen. Der Zeitpunkt der Abmeldung ergibt sich aus einer Abfrage im Zentralen Melderegister. Probleme, der auferlegten Meldeverpflichtung nachzukommen wurden im Verfahren nicht aufgezeigt.

1.5. Die Feststellungen betreffend Festnahme und Abschiebung ergeben sich aus der Aktenlage; sie sind darüber hinaus auch unstrittig.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der damals gültigen Fassung, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.4. Der mit „Festnahme“ betitelte § 40 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) in der damals gültigen Fassung lautet in den hier relevanten Passagen:

„§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,
1.         gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,
2.         wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder
3.         der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn
1.         dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,
2.         gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,
3.         gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,
4.         gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder
5.         auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.“

2.5. Gemäß § 40 Abs 1 Z 1 BFA-VG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden festzunehmen, gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung ein Festnahmeauftrag besteht. Gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 FPG kann ein Festnahmeauftrag erlassen werden, wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung erfolgen soll.

3. Zur vorgebrachten Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 01.06.2017 (Gelinderes Mittel)

3.1. Im angefochtenen Bescheid wurden die Ziffern 1, 3, 6 (Rumpfbestimmung) und 9 des § 76 FPG zur Begründung der Fluchtgefahr herangezogen. Auf diesen verweist § 77 Abs. 1 FPG im Zusammenhang mit den Voraussetzungen des gelinderen Mittels. Hinsichtlich Ziffer 1 ist festzuhalten, dass sich das Bundesamt diesbezüglich auf eine Auskunft stützte, die es im April 2017 vom Unterkunftgeber XXXX erhielt – jenem Mann, den die Beschwerdeführerin zwei Monate später (in der gegenständlichen Beschwerde) als Bezugsperson ins treffen führte. Anstelle auf dessen aktenkundige Auskunft einzugehen, wird in der Beschwerde jedoch – tatsachenwidrig – das Bundesamt einer rechtswidrigen amtlichen Abmeldung bezichtigt.

3.2. Auf Grundlage dieses Sachverhalts erfolgte auch die Zustellung der Entscheidung im Zulassungsverfahren durch Hinterlegung im Akt. Im Rahmen einer amtswegigen Grobprüfung kann darin auch kein offenkundiger oder offensichtlicher Fehler erkannt werden. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin am 01.06.2017 gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich erklärt: „Ich weiß, dass ich nach Malta muss und werde auch an meiner Ausreise freiwillig mitwirken.“. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin nie versucht, die behauptete rechtswidrige Erlassung des Bescheides in einem gesonderten Verfahren prüfen zu lassen. Vielmehr stützt sie ihre Behauptung auf eine durch die Information von XXXX widerlegte Behauptung hinsichtlich der Anwesenheit an der Unterkunft und eine nachweislich tatsachenwidrige Behauptung hinsichtlich einer vermeintlichen Abmeldung durch die Polizei. Vor diesem Hintergrund ist der Entscheidung eine rechtswirksame Erlassung des Bescheides vom 11.04.2017 zugrunde zu legen.

Damit ist auch das Kriterium der Ziffer 3 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorgelegen.

3.3. Das Vorliegen der Ziffer 6 (Rumpfbestimmung) ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage. Die dagegen gerichtete Argumentation des damals bevollmächtigten Rechtsanwalts beruht auf einer offenkundigen Unkenntnis der Bestimmungen der Dublin-III-VO (insbesondere der irrigen Annahme einer Zustimmungspflicht zur Begründung einer Zuständigkeit) und ist somit nicht weiter zu berücksichtigen. Schließlich konnte auch hinsichtlich der sozialen Verankerung im Bundesgebiet in der Beschwerde nicht aufgezeigt werden, dass keinerlei sicherungsbedarf aufgrund von Fluchtgefahr bestehen würde.

3.4. Es bestehen damit keine Zweifel, dass eine Fluchtgefahr (in geringer Ausprägung) und der damit verbundene Sicherungsbedarf bei Bescheiderlassung gegeben waren.

Das angeordnete gelindere Mittel erweist sich überdies auf die konkrete Situation bezogen auch als effektiv und verhältnismäßig. In einer Meldeverpflichtung zweimal wöchentlich kann keine nennenswerte Einschränkung der persönlichen Dispositionsfreiheit erkannt werden. Umso weniger, als der Beschwerdeführer ohnehin einer weitgehend selbstbestimmten Beschäftigung (Prostitution) nachging und auch keine anderen Verpflichtungen (etwa Betreuungspflichten) hatte. Überdies erweist sich das konkret angeordnete gelindere Mittel als geeignet um die hier relevante persönliche Greifbarkeit des Beschwerdeführers sicherzustellen. Im Übrigen wurde in der gegenständlichen Beschwerde weder die Unzumutbarkeit noch die fehlende Wirksamkeit des angeordneten gelinderen Mittels gerügt.

3.5. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet.

4. Zur vorgebrachten Rechtswidrigkeit der Festnahme am 19.06.2017 und Anhaltung bis zur Abschiebung am 21.06.2017

In der Beschwerde wurde die Rechtswidrigkeit der Festnahme erneut lediglich mit der behaupteten Nicht-Erlassung des Bescheides vom 11.04.2017 begründet. Diese Begründung erweist sich aufgrund der oben getroffenen Feststellungen als nicht tragfähig.

5. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (am 20.06.2017) wurde der Beschwerdeführer im Rahmen der Festnahme (Verwaltungsverwahrungshaft) angehalten. Es geht aus dessen Begründung auch nicht klar hervor, hinsichtlich welcher Beschwerde die Zuerkennung erfolgen solle. Die „unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt“ kann schon denklogisch in ihrer Wirkung nicht aufgeschoben werden.

Der Bescheid betreffend die Anordnung des gelinderen Mittels war zum Zeitpunkt der Antragseinbringung (durch die Festnahme) hinsichtlich seiner Wirkung bereits ausgesetzt. Gegen den Bescheid vom 11.04.2017 hingegen, der in der Begründung des Antrags offensichtlich thematisiert wird, wurde – vom bevollmächtigten Rechtsanwalt mehrfach betont – keine Beschwerde eingebracht. Auf diesen kann sich der Antrag – entgegen dem Anschein – daher nicht beziehen. Schließlich erfolgte die Abschiebung der Beschwerdeführerin auch bereits nach weniger als 24 Stunden nach Antragseinbringung.

Aus diesen Gründen war der angeführte Antrag nicht weiter zu behandeln.

6. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

7. Kostenersatz

7.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

7.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei im Zusammenhang mit der Maßnahmenbeschwerde Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Der Beschwerdeführerin gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz; sie hat – vertreten von einem Rechtsanwalt - einen solchen auch nie beantragt. Ein Kostenersatz bei einer (reinen) Bescheidbeschwerde ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anhaltung Dublin III-VO falsche Angaben Festnahme Festnahmeauftrag Fluchtgefahr gelinderes Mittel Identität Kostenersatz Maßnahmenbeschwerde Meldeverpflichtung Sicherungsbedarf Überstellung Untertauchen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W137.2162029.1.00

Im RIS seit

05.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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