TE Lvwg Beschluss 2021/3/8 VGW-121/008/12707/2020

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Veröffentlicht am 08.03.2021
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Entscheidungsdatum

08.03.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

AVG §13 Abs8
VwGG §33 Abs1

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Burda über die Säumnisbeschwerde der A. GmbH betreffend die Erteilung einer Genehmigung für einen Gastgarten nach dem GAG den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG wird das Säumnisbeschwerdeverfahren eingestellt.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

Mit der beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, am 29. Jänner 2020 eingebrachten Eingabe beantragte die nunmehr beschwerdeführende Partei (im Folgenden als Bf bezeichnet) die Erteilung der Gebrauchserlaubnis für die Aufstellung von Tischen und Stühlen in der Fußgängerzone B.-platz, Wien, gemäß § 1 in Verbindung mit § 2 Gebrauchsabgabegesetz 1966 i.d.g.F. und gemäß § 82 Abs. 1 und 5 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159/1960 i.d.g.F., für den Zeitraum 1. März 2020 bis 30. November 2020 sowie für 2 Winter-Stehtische in der Zeit vom 1. Dezember 2020 bis 28.02.2021 (wobei sich der Genehmigungszeitraum auch aus dem vom Vertreter der Bf, Herrn C., unterfertigten Verhandlungsprotokoll vom 27.02.2020 ergibt). Laut dem angeschlossenen Plan sollte der Gastgarten 48 Verabreichungsplätze auf einer Fläche von 52,5 m2 (10,5m Länge und 5 m Breite) umfassen.

Nach Durchführung einer Verhandlung am 27.02.2020, in welcher auf ein Gutachten der MA 19 vom 26.02.2020 verwiesen wurde (wonach der Schanigarten auf Grund seiner Lage eine massive Störung des örtlichen Stadtbildes darstelle) und in welchem sowohl die Wirtschaftskammer Wien als auch die Bezirksvertretung ausführten, dass nur einer Aufstellung im Ausmaß von 6,50 m x 3,60 m zugestimmt werde, und sich die MA 46 den Ausführungen der MA 19 anschloss, änderte die Bf mit Planeingabe vom 1. April 2020 ihr Ansuchen dahingehend ab, dass der Schanigarten auf einer Länge vom 10,5 m und einer Breite von 3,6 m betrieben werden sollte.

Nachdem sich die MA 46 mit Gutachten vom 21.04.2020 aus verkehrssicherheitstechnischer Sicht gegen die Erteilung der Genehmigung aussprach, änderte die Bf am 8. Mai 2020 ihren Antrag dahingehend erneut, dass der Schanigarten auf einer Länge vom 10,5 m und einer Breite von 2 m betrieben werden sollte.

Die MA 19 führte dazu mit Gutachten vom 25.05.2020 aus, dass ein Schanigarten auch in verkleinerter Form das stark frequentierte und bereits reduzierte Platzangebot in diesem Bereich zusätzlich einschränken und damit die Aufenthaltsqualität maßgeblich verschlechtern würde.

Am 10. August 2020 erstatte die Bf dazu eine Stellungnahme; am 1. Oktober 2020 wurde eine Säumnisbeschwerde eingebracht, welche mit Schreiben der belangten Behörde vom 2. Oktober 2020 dem Verwaltungsgericht Wien vorgelegt wurde, wo der Akt am 7. Oktober 2020 einlangte. In besagtem Vorlageschreiben führte die belangte Behörde aus, dass ihrer Rechtsansicht nach die sechsmonatige Entscheidungsfrist aufgrund des am 8. Mai 2020 eingereichten letztgültigen Änderungsplanes neu zu laufen begonnen habe und die Entscheidungsfrist noch nicht abgelaufen sei.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis zur Sondernutzung gemäß § 1 Abs. 1 GAG ist nur auf Antrag zulässig (§ 2 Abs. 1 leg. cit.). Die Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist somit ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Wie das Baubewilligungsverfahren ist daher das Verfahren um Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ein Projektgenehmigungsverfahren. Es ist der in den genannten Unterlagen zum Ausdruck gebrachte Wille des Antragstellers entscheidend. In einem Projektgenehmigungsverfahren kommt es nicht darauf an, welcher Zustand besteht, sondern darauf, welcher Zustand nach Verwirklichung des Projektes herbeigeführt werden soll. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind daher für den jeweils im Antrag genannten Standort zu prüfen (vgl. VwGH 23.06.2008, 2007/05/0228). Die Bewilligung zur Sondernutzung einer öffentlichen Verkehrsfläche kann nur dann erteilt werden, wenn bei Aufstellung der Tische und Stühle an der gegenständlichen Stelle und dem damit verbundenen Betrieb als Schanigarten u.a. auch die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des hievon betroffenen Fußgängerverkehrs auf dieser Verkehrsfläche (vgl. VwGH 23.06.2008, 2007/05/0228) sowie städtebauliche Interessen und Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes gewährleistet sind. Unter dem Gesichtspunkt des Stadtbildes sowie der städtebaulichen Interessen haben die Behörden auch das angestrebte Gestaltungsprinzip, das die Charakteristik des örtlichen Straßenraumes prägen soll, mit zu berücksichtigen (vgl. VwGH 21.10.2004, 2003/05/0109).

Zwar kann gemäß § 13 Abs. 8 AVG der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs. 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache jedoch ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

Die Voraussetzungen für die Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind für den jeweils im Antrag genannten Standort zu prüfen (vgl. VwGH 29.04.2005, 2004/05/0308). Der im Antrag für die Erteilung der Gebrauchserlaubnis genannte Standort ist daher für das Verfahren als wesentlich zu betrachten. Eine Änderung des Standortes im Verfahren stellt demnach grundsätzlich eine Antragsänderung dar, durch die das Wesen der Sache geändert wird. Eine solche Änderung des verfahrensleitenden Antrages ist gemäß § 13 Abs. 8 AVG nicht mehr zulässig (VwGH 29.03.2007, 2006/07/0108).

Eine wesentliche Antragsänderung (die also das „Wesen" der Sache betrifft) ist als Stellung eines neuen Antrages unter konkludenter Zurückziehung des ursprünglichen Antrages zu werten (VwGH25.10.2017, Ra 2017/07/0073).

Die Bf hat insgesamt zwei Mal ihren Antrag in Bezug auf die Breite des beabsichtigten Schanigartens (und daraus resultierend in Bezug auf dessen Fläche und die Zahl der Verabreichungsplätze) geändert; die Bf hat jedoch nicht den Standort des beabsichtigten Gastgartens als solchen geändert, dieser blieb vielmehr gleich, was sich auch an der Wiederverwendung des ursprünglichen Planes zeigt.

Aus § 13 Abs. 8 AVG ergibt sich, dass nicht bereits die Modifizierung der „Sache", sondern erst die Änderung ihres „Wesens" unzulässig ist. Darüber hinaus normiert § 37 AVG, dass die Behörde das Verfahren nach einer Antragsänderung iSd § 13 Abs. 8 AVG insoweit zu ergänzen (also etwa auch einzelne oder alle Verfahrensschritte zu wiederholen) hat, als dies im Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist. Die Wiederholung von Verfahrensschritten oder die Notwendigkeit zur Durchführung weiterer Verfahrensschritte bedeutet somit aus dem Blickwinkel des AVG nicht, dass eine Antragsänderung deshalb als wesentlich und somit als konkludente Zurückziehung des Erstantrages zu werten ist (VwGH 25.10.2017, Ra 2017/07/0073).

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich im Licht der dargestellten Judikatur daher, dass die Bf ihr am 29. Jänner 2020 bei der Behörde eingelangte Ansuchen zwei Mal bloß in zulässiger Weise gemäß § 13 Abs. 8 AVG modifiziert hat, woran auch die Gutachtensergänzungen durch die MA 19 nichts ändern. Da diese Modifizierungen nicht als neue Antragseinbringung zu werten waren, begann die sechsmonatige Entscheidungsfrist am 29. Jänner 2020 zu laufen.

Die Einbringung der Säumnisbeschwerde mit E-Mail vom 1. Oktober 2020 war daher zulässig.

Ohne auf die Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde eingehen zu müssen, war das Verfahren jedoch aus nachstehendem Grund vom Verwaltungsgericht Wien einzustellen:

Nach § 28 Abs. 7 VwGVG letzter Satz hat das Verwaltungsgericht bei Säumnisbeschwerden in der Sache selbst zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger – auch auf § 28 VwGVG anwendbarer – Judikatur zu § 64 AVG festgehalten, dass „Sache“ im Sinne dieser Gesetzesbestimmung immer die Angelegenheit ist, die den Inhalt des Verfahrens vor der belangten Behörde gebildet hat, inklusive im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG zulässiger Modifikationen.

Es ist daher zu prüfen, in welcher Angelegenheit die belangte Behörde zu entscheiden gehabt hätte. Diese bildet in Verbindung mit dem Säumnisbeschwerdeantrag auch die „Sache“ im Sinne des § 28 Abs. 7VwGVG.

Die belangte Behörde - und aufgrund der vorliegenden Säumnisbeschwerde das Verwaltungsgericht Wien - hätte mit der von ihr zu erlassenden Entscheidung die beantragte Gebrauchserlaubnis in der Zeit von 01.03.2020 bis 30.11.2020 sowie für die beiden Winter-Stehtische in der Zeit von 1.12.2020 bis 28.02.2021 entweder zu erteilen oder zu versagen gehabt. Es hätte somit in einer Sache entschieden werden müssen, in der nach dem 30.11.2020 (bzw. nach dem 28.02.2021 in Bezug auf die beiden Winter-Stehtische) eine Entscheidung in der Sache nicht mehr möglich ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hinsichtlich des § 82 Abs. 1 StVO (Bewilligung der Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken) erkannt, dass einer diesbezüglichen Bewilligung konstitutiver Charakter zukommt, sodass eine nachträgliche Bewilligung begrifflich nicht in Betracht kommt (VwGH 26.9.1990, 90/02/0019).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich § 33 Abs. 1 VwGG entnehmen lasse, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (VwGH 30.01.2013, 2011/03/0228, VwGH 23.10.2013, 2013/03/0111, VwGH 09.09.2015, Zl. Ro 2015/03/0028). Diese Überlegungen können auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen werden (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0027).

Das Rechtsschutzbedürfnis eines Rechtsmittelwerbers ist dann zu verneinen, wenn der Zeitraum, für den eine Bewilligung erreicht werden sollte, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Bewilligungsantrag bereits abgelaufen ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 5.5.2014, 2013/03/0077, und VwGH 20.5.2015, Ro 2015/10/0021; ebenso VwGH 23.3.2018, Ra 2016/05/0106).

Aufgrund dessen hat das Verwaltungsgericht Wien, welches eine Sachentscheidung an Stelle der säumig gewordenen Behörde zu treffen hat, den Umstand zu berücksichtigen, dass wegen des Ablaufes der Befristung der gegenständlich beantragten Gebrauchserlaubnis mit 30.11.2020 (bzw. 28.02.2021) der Gegenstand des Bewilligungsverfahrens weggefallen ist und somit rein begrifflich nicht mehr „in der Sache entschieden“ werden kann (vgl. diesbezüglich auch VwGH 18.01.1978, Zl. 0848/77).

Die für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum angesuchte Genehmigung kann vom Verwaltungsgericht nicht im Nachhinein erteilt werden. Die Erlassung einer solchen Entscheidung, der in diesem Zeitpunkt keine normative Wirkung mehr zukommen kann, kommt nicht mehr in Betracht (vgl. VwGH 31.03.2009, 2005/06/0072).

Das Beschwerdeverfahren war daher wegen Wegfalls des Bewilligungsgegenstandes bzw. des rechtlichen Interesses der Bf während des Säumnisbeschwerdeverfahrens spruchgemäß einzustellen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Verwaltungsgericht Wien von einer Verhandlung absehen, da die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstanden.

Es wird an der Bf liegen, so rasch als möglich für einen in der Zukunft liegenden Genehmigungszeitraum ein entsprechendes Ansuchen beim MBA ... zu stellen; am MBA ... wird es liegen, ungesäumt eine Entscheidung darüber zu treffen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung, wie die Judikaturzitate belegen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Säumnisbeschwerde; Gebrauchserlaubnis; Sondernutzung; Antrag; Änderung; Rechtsschutzbedürfnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.121.008.12707.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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